PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe1 - 15.12.: Unterschied zwischen den Versionen

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==Hannah Weinhardt==
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Kein Denken ohne Gedachtes – kein Gedachtes ohne Denken.
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So einfach ist Phänomenologie. Subjekt und Objekt sind eins, Welt und Bewusstsein sind eins. Alles Erscheinende, letztlich sogar alles Seiende muss gleichzeitig ein Wahrgenommenes sein, sonst ist es nicht. Zumindest stellt sich sonst nicht mehr die Frage, ob es ist. Es macht laut Flatscher keinen Sinn zu sagen, etwas existiere, wenn es niemand wahrnimmt.
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Und doch ist Phänomenologie nicht gleich Solipsismus, auch wenn es mir zu Beginn schwerfiel, den Unterschied zu erkennen. Wenn alles nur durch den Betrachter, das Subjekt, zum Objekt wird, dann entsteht es doch gleichsam im Betrachter, ist also seinem Bewusstsein immanent. Flatscher verneint das in etwa so: Wenn eh alles bewusstseinsimmanent wäre, bräuchte ich ja nicht mehr schauen und könnte mich nicht täuschen. Wohl wahr.
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Dennoch gibt es keine „wahre“ Welt hinter der wahrgenommenen. Der Idee der „Welt“ gibt es allein im Moment des Zusammenspiels von Wahrnehmenden und Wahrgenommenen. Klingt fast, als könne man die Begriffe „Welt“ und „Wahrnehmung“ gleichsetzen.
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Nehmen wir nun also ständig die raum-zeitlichen Dinge in der Welt wahr, tun wir das nicht immer wieder „aufs Neue“, also unvoreingenommen. Vielmehr verknüpfen wir automatisch jede Wahrnehmung mit vorhergehenden, also mit Erinnerungen und Erfahrungen. So können wir die Problematik unserer durch die Perspektive eingeschränkten Sicht zumindest verringern und Dinge in ihrer „Ganzheit“ erfassen. Vielleicht nicht wirklich in ihrer Ganzheit, aber doch komplexer als es uns mit bloßer Wahrnehmung in diesem Moment möglich wäre.
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Diesen Gedanken von Husserl führt Heidegger weiter aus. Für ihn gibt es keinen ersten Moment des „Schauens“ auf die Welt. Alles wird sofort und unumgehbar assoziiert mit seinem Nutzen. Wir sehen immer ein „Wie“, nie ein bloßes „Was“.
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Jedes etwas nehmen wir zugleich „als“ etwas wahr.
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Hier stellt sich mir jedoch ein Problem: Es mag ja für den Alltag zutreffen, dass die uns von Kind an umgebenden Dinge für uns untrennbar mit ihrer Rolle, ihrem Nutzen verbunden sind. Verlassen wir jedoch unsere gewohnte Umgebung, unseren Kulturraum, so werden wir Dinge wahrnehmen, die wir mit nichts Vertrautem assoziieren können. Ist das dann nicht gleichsam ein „erstes Schauen“ auf diese Dinge? Flatscher sagt, wir nehmen diese Dinge „als unbekannte“ wahr. Heideggers Als-Struktur bleibt dann bestehen, aber die Aussage scheint mir der Idee des „ersten Schauens“ nicht widersprüchlich zu sein.
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Darüber hinaus geht Derrida. Er nimmt Heideggers starre Struktur nicht als statisch-abgeschlossen hin. Im Gegenteil sagt Derrida, dass man Dinge nie ein für alle Mal assoziiert oder versteht, sondern sich die Assoziation/das Verstandene in der Wiederholung verändert und. Dieses Moment kann man auch steuern, indem man eigene Denkstrukturen und gesellschaftliche Systeme in denen man sich befindet nicht mehr als ein quasi natürlich Gegebenes betrachtet, sondern sich der „Vergänglichkeit“ jeder Wahrnehmung und jedes Verstehens bewusst wird um so einen aktiven Prozess daraus zu machen.

Version vom 10. Dezember 2009, 09:03 Uhr

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Konstanze Renatus-Messmer

Protokoll der Ringvorlesung vom 03.12.2009 – Prof. Dr. Flatcher

Thema: Phänomenologie als philosophische Strömung anhand der Thesen von Husserl, Heidegger und Derrida

Prof. Flatchers Ring-VO schilderte und erläuterte den Verlauf der Phänomenologie von ihrer Entstehung und Weiterentwicklung bis zur Dekonstruktions-Lehre.

Beginnend mit Husserl, der die Phänomenologie entwickelte und zu einer „Lehre vom Erscheinen“ ausbaute. Die Neuerung zu vorausgegangenen Philosophien war die These der Erscheinungsweisen von Seiendem, in der nicht mehr „der bloße Schein“, sondern das „sich Zeigen“ Priorität erlangt. Besonderen Wert legt Husserl dabei auf die Intentionalität des Bewusstseins und den Doppelsinn im subjektiven und objektiven Gebrauch am Beispiel von „etwas zeigt sich“ und „sich zeigen“. Die Offenheit des Bewusstseins muss sich nicht erst entwickeln, sondern ist immer schon draußen bei den Dingen. Daraus ergibt sich, dass ein Wahrnehmungsvorgang nie total abgeschlossen sein kann, sondern – bedingt durch den perspektivischen Zugang – immer nur eine Abschattung und folglich eine implizierte Unvollkommenheit der Wahrnehmung, eine Ausschnittswahrnehmung ist. Es gibt keine wahre Welt hinter der phänomenalen Welt. Trotzdem kann ein „Mehr“ immer dazu gedacht werden.

Die unterschiedliche Wahrnehmung + Erinnerung = synthetisches Bewusstsein ist immer schon in der Wahrnehmung vollzogen und nicht eines hinter dem Anderen. Es gibt keine Trennung zwischen sinnlicher und verstandesmäßiger Ebene. Wichtig ist dabei der Raum-Zeit-Horizont, der nie isoliert, sondern immer in einem Kontext steht. Dieser Horizont ist jederzeit erweiterbar, so dass es nie zu einem kompletten „Hintergrund“ kommen kann.

Husserl betont, dass es kein System und kein Gedankenkonstrukt in der Phänomenologie gibt, kein warum sonder immer nur ein DAS. Er grenzt sich damit von seinen Vordenkern, vor allem gegenüber Kants Vorstellungstheorie, scharf ab.

Diese Theorien zogen zukünftige Philosophen (Satre, etc.) zu seinen Vorlesungen. Sein einstiger Schüler/Assistent Heidegger wurde zu seiner eigenen Konkurrenz, indem er die Phänomenologie kritisch weiterentwickelte.

Hervorzuheben sind bei Heidegger vor allem seine frühen Marburger und Freiburger Vorlesungsschriften. Er entwickelt und publiziert eine Theorie vom „Draußen in einer entdeckten Welt“ - „Mensch sein, heißt offen sein für die Welt“ im philosophischen Hauptwerk „Sein und Zeit“. Heideggers Schwerpunkt liegt auf dem Dasein zur Mit- und Umwelt und grenzt sich zu Husserls Theorien im praktischen Gebrauch der Phänomenologie ab. Für Heidegger ist die praktische Phänomenologie nicht „bedeutungsnackt“, sondern hat in der Als-Hermeneutik immer einen Bewandtniszusammenhang. Er plädiert für einen differenten Umgang mit dem Seienden und geht von einer vor-prädikativen und prä-reflexiven Leistung aus, nicht mehr von einer interpretatorischen, „etwas als etwas zu sehen“. Nicht das analytische, sondern das unmittelbare Sehen „des etwas als etwas“ vor einem Hintergrund wird zu seiner Prämisse.

Zusammenfassend ist für Heideggers Phänomenologie wichtig, dass jede Wahrnehmung schlagartig und unmittelbar (ohne Reflexion) möglich ist. Sie ist nur in einem Gesamtzusammenhang, rückgebunden an Lebenswichtiges im Dasein, möglich. Ein bestimmter Hintergrund wird ihr auch ohne Kontext zugeordnet. Sie ist eine unmittelbare, nie isolierte Als-Struktur, die ihre Bedeutungsganzheit und ihr Gesamtkonzept an der Erfahrung festmacht.

Derrida setzt sich in seiner „Dekonstruktion“ mit Heideggers Phänomenologie, speziell mit der Als-Hermeneutik auseinander. Darin impliziert er die Differenz durch Iterabilität (Wiederholbarkeit) und kommt zu dem Schluss, dass „etwas als etwas verstehen“ permanent im Wandel ist, da man daraus folgernd, nie etwas restlos verstanden haben kann. Die Identität eines jeden ist selbst permanent mit sich selbst im Wandel und prekär, es kommt nie zu einer fertigen Identität. Es ist kein „erstes Mal“ möglich. Identität generiert sich aus Wiederholungspraxis, ist in sich konstituiert und auf Veränderung ausgerichtet.

Folglich ist eine Auseinandersetzung mit der Überlieferung keine Zerstörung dieser. Die traditionellen Systeme sollen in der Dekonstruktion von innen unterlaufen und nicht von außen nur kritisiert werden. Hierarchien können aufgelöst, neu entwickelt oder weiterentwickelt werden als „politisches Moment“.

Wir sollten alles und jedes als nicht besser sondern als ANDERS verstehen.

Die VO von Prof. Flatscher war inhaltlich gut aufgebaut, verständlich, offen für alle Rückfragen und in einem interessanten, historischen Kontext gehalten. Ich habe die Veranstaltung als persönliche Bereicherung und guten Zugang zum Philosophiestudium empfunden.

Heideggers praktischen Zugang zur Phänomenologie, genau wie die Weiterentwicklung bzw. Einschränkung/„das Überdenken“ der Als-Hermeneutik durch Derrida in der Dekonstruktion halte ich für einen alltagstauglichen und aktuellen Prozess im Leben aller Menschen, im Umgang mit sich selbst und untereinander. Aus diesem Bewusstsein heraus können sich Fragen und im besten Fall Anregungen und Lösungen für alle ethischen Themen ergeben.

Zwei Gedankengänge möchte ich für die nächste Übung zur Anregung/Diskussion stellen:

1) Ein System, welches auch immer, ist immer nur so gut, wie die Menschen, die dahinter stehen. Und die Menschen sind immer nur so gut, wie sie sich und ihre Intentionen dauerhaft und kritisch hinterfragen.

2) Alle philosophischen Thesen sind nur dann sinnvoll und praxisbezogen, wenn sie sich konsequent und kontinuierlich der aktuellen Kritik stellen und ihre innere Struktur überprüfen lassen.


Wanda Sarbinowska

Protokoll der Ringvorlesung vom 03.12.2009

Dr Matthias Flatscher

Überlegungen zur Gegebenheit der Welt

Zugang der Phänomenologie und Dekonstruktion

Phänomologie als philosophische Strömung

Dr Flatscher hat begonnen mit Edmund Husserl, der hat die Phänomenologie entwickelt und zu einer Lehre "von Erscheinen" bezeichnet.

Die Intentionalität des Bewustsein KORELATIONS APRIORI Subjektive und Objektive Momente bilden nicht ablösbare Momente einer Einheit. Kein Denken ohne Gedächtnis, kein Fühlen ohne Gefühltes ...

Das Bewusstsein kommt nicht in einem zweiten Schritt zur Welt, sondern ist immer schon draussen bei den Dingen. Es gibt keine wahre Welt hinter der "phänomenalen Welt"

Etwas zeigt sich nie isoliert sondern verweist immer schon auf andere.

Räumliche und zeitliche Horizont soll nie isoliert werden, sondern immer in einem Kontext steht - er bildet Hintergrund.

Die äußere Wahrnehmung ist eine beständige Prätention, etwas zu leisten,also gewissermaßen ein Widerspruch gehört zu ihren Wissen

Heidegger entwickelt und publiziert seine Theorie im philosophischen Hauptwerk "Sein und Zeit", wo er hat gesagt, dass Mensch sein, heißt offen sein für die Welt.

Das Dasein ist als Wesenhaft verstehendes zunächst zu Verstanden. Verstehen heißt etwas als etwas zu vestehen. Um etwass als etwas zu verstehen muss es als einer Bedeutungsganzheit erfahren werden.

Diese Gesamtkonzept ist an den Vollzug des Erfahrungen selbst rückgebunden.

Für Heidegger ist Phänomenologie wichtig. Jede Wahrnehmung unmittelbar ohne Reflexion möglich ist. Ein Hintergrund wird auch ohne Kontext zugeordnet.

Derrida "Dekonstruktion" zeigt Differenz zu Heideggers Phänomenologie.Durch Iterabilität - Wiederholbarkeit kann man nie etwas restlos verstanden, es kommt nie zu einer fertigen Identität, es generiert sich aus Wiederholungspraxis. Etwas als etwas zu verstehen sollen wir als anders verstanden .

Herr Dr Matthias Flatscher war offen auf alle Rückfragen - hat nach jede Frage kompetent und ausführlich beantwortet.

Ich habe viel neues und interessantes gelernt.

Clara Maier, Kim Dinh, Alexandra Vogt

„Methoden und Disziplinen der Philosophie Ring-Vo“ vom 3.12.2009, Prof. Flatscher

Wahrgenommenes Seiendes ist nur ein einem subjekt-relativen Erscheinen fürs Bewusstsein gegeben. Der Gegenstand bleibt immer derselbe und verändert sich also nicht. Die Betrachtung auf den Gegenstand liegt im Auge des Betrachters.

Raum und Zeit ist nie zur Gänze gegeben, da sonst nicht mehr von Wahrnehmung gesprochen werden kann. Doch was meint Husserl genau mit anderen Arten der Bezugnahme auf Seiendes?

Es gibt nur die phänomenale Welt, eine wahre Welt existiert nicht. Dies widerspricht sich mit der subjektrelativen Erscheinung. Wie meinen es die Phänomenologen? Ist ein Gegenstand wie ich ihn wahrnehme, nicht wahr?

Ein Gegenstand existiert laut Husserl immer zwischen Raum und Zeit. Wenn ich weiß, dass „es“ eine Flasche ist, kann ich sie dann auch als Flasche wahrnehmen? Kann ein Gegenstand trotzdem sein, wenn kein Raum vorhanden ist?

Seiendes wird immer bereits als etwas verstanden. Man tritt nie neutral einem Gegenstand gegenüber. Wird etwas, das wir nicht kennen als Unbekanntes trotzdem erkannt? Es gäbe immerhin noch die Möglichkeit Unbekanntes als etwas zu erkennen, das es nicht ist.

Zuletzt ist Prof. Flatscher noch auf Jacques Derrida eingegangen: Wenn wir das richtig verstanden haben, bleibt nichts trotz Wiederholbarkeit gleich und mit der Wiederholung des Originals wird es quasi verändert.

Ist die Iteration der Gegenstände wirklich nötig um diese zu begründen? Existiert ein Gegenstand wirklich, wenn ich es nur einmal sehe? Muss alles mit einem Experiment beweisbar sein, um die Existenz zu begründen um das Zufallsprinzip auszuschließen?


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Zimmermann, Bettina

Flatscher hält seine Vorlesung unter dem Titel „Überlegungen zur Gegebenheit der Welt – Zugänge der Phänomenologie und Dekonstruktion“. Er bringt die philosophische Strömung der Phänomenologie anhand einiger Thesen ihrer Hauptvertreter Husserl und Heidegger näher und erläutert zum Schluss die Idee der Dekonstruktion von Derrida.

Die Phänomenologie ist die Lehre vom Erscheinen, vom Sichzeigen von Seiendem. Husserl sprach von einem Korrelationsapriori: jedes Erscheinen ist immer sowohl subjektiv als auch objektiv. Welt und Bewusstsein sind ineinander verschränkt. Bewusstsein ist immer Bewusstsein von etwas. Die Wahrnehmung ist unvollständig und perspektivisch. Die Dinge sind immer nur in Abschattungen gegeben. Die Phänomenologie bestreitet, dass es eine „wahre Welt“ hinter der phänomenalen gibt. Das Kant’sche „Ding-an-sich“ gibt es nicht. Es gehört zum Gegebensein der Dinge, dass sie nur in Abschattungen wahrgenommen werden. Unser Bewusstsein hat darüber hinaus die Eigenschaft, dass nicht Wahrgenommenes über ein Mehr- und Mit-Meinen ergänzt wird, um so die perspektivische Wahrnehmung soweit zu ergänzen, dass ein ganzer Gegenstand wahrgenommen wird.

Zu diesem Teil wurde eine interessante Frage aufgeworfen: Wenn irgendwo etwas ist, das von niemandem wahrgenommen wird, existiert das dann? Flatscher sagt, dass gemäß dem phänomenologischen Zugang die Frage nach der Existenz in so einem Fall keinen Sinn machen würde.

Meines Erachtens stellt die Phänomenologie jede Wissenschaft in Frage. Sie behauptet, dass es keine objektive Sicht der Dinge geben kann, dass jede Beobachtung, jede Wahrnehmung ein subjektives Element in sich trägt. Auch das Mehr- und Mit-Meinen, das sich nicht Ausschalten lässt, hindert uns an einer objektiven Welterkenntnis. Ist es nicht eine der Aufgaben der Wissenschaft dieses Mehr- und Mit-Meinen, oder anders ausgedrückt jegliche Vorurteile, aufzudecken und zu eliminieren? Um zu allgemeingültiger Erkenntnis zu gelangen, müssen wir doch möglichst objektive, von Vorurteilen befreite Wahrnehmungen anstreben? Auch wird meines Erachtens die Frage nach den Ursachen der sichtbaren Wirkungen von der Phänomenologie als sinnlos dargestellt. Gerade um Ursache-Wirkungszusammenhänge zu erkennen, müssen wir uns mit Dingen (oder besser Kräften) beschäftigen, die für unsere Sinne nicht unmittelbar wahrnehmbar sind, sondern nur in ihren Auswirkungen erkennbar sind. Würde die Phänomenologie die Frage nach und Erforschung von Ursachen und physikalischen Kräften, die uns als solche nicht erscheinen, sondern reflexiv über Theorienbildung erkannt werden, als sinnvoll erachten? Ist also gemäß Phänomenologie wissenschaftliche Erkenntnis überhaupt möglich und sinnvoll?

Heidegger versteht das menschliche Dasein als In-der-Welt-Sein. Es ist unumgänglich, dass wir alles um uns herum automatisch als etwas verstehen. Wir können die Dinge nicht aus ihrem ganzheitlichen Bedeutungszusammenhang herauslösen. Jede Art von Reduktionismus wird unter dieser Sichtweise unmöglich. Wir müssen uns von Anfang an als in einen großen Gesamtzusammenhang, in ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht eingebunden verstehen.

Einen Schritt weiter noch geht Derrida, der im Zusammenhang mit der Iterabilität bestreitet, dass es eine stabile Als-Struktur gibt. Durch die Wiederholbarkeit wird die Singularität gespalten. Die Identität wird bei einem Wiederholungsakt verändert. D.h. nichts bleibt wirklich identisch. Alles kann nur ein einziges Mal so erlebt werden, wie beim ersten Mal. Bereits bei einer Wiederholung in der Erinnerung ist das Erlebnis nicht mehr identisch.

Hannes Hentschke

Wichtig gleich eingangs zu erwähnen, um nicht am Ausgangspunkt der Phänomenologie Husserls vorbeizudenken, ist die Gerichtetheit auf tatsächlich erscheinende Körper oder Gegenstände. Man darf, um weiterhin den phänomenologischen Überlegungen Husserls folgen zu können nicht den Fehler machen und Abstraktionen, Illusionen oder Zahlenreihen in die Untersuchungen aufnehmen. Bei Heidegger und Derrida, so habe ich empfunden, ist es jedoch schon möglich auch Immaterielles zur Sprache zu bringen. Matthias Flatscher präsentierte die Ansätze Husserls, Heideggers und Derridas äußerst verständlich. In Husserls Ansatz ist festgelegt, dass Wahrnehmung nur unter Inbezugnahme von Subjekt und Objekt funktionieren kann. Reduktionismen sind nach Husserl nicht tragfähig, was bedeutet, dass es kein Betrachtetes ohne Betrachter gibt, womit, wie ich denke nur die Wenigsten nicht konform gehen. Es kommt aber hinzu, dass man sich diese Idee nicht polar vorstellen darf, sondern die Vollzugsdimension dieses Gedankens beachten muss. Das Bewusstsein ist immer schon Bewusstsein von etwas, jedoch nicht in unüberbrückbarer Distanz sondern intensional und obwohl es intensional ist wird es transzendent erfahren (trotzdem sind Gegenstände bewusstseinsimmanent und nicht buwusstseinstranszendent). Das soll heißen, dass das Bewusstsein nicht leer ist und nicht erst durch eine nachträgliche Zusammenführung mit dem Wahrgenommenem, mit Inhalten gefüllt wird. Es ist kein reflexiver Akt und auch kein Vermittlungsschritt ist hier vonnöten. Das Bewusstsein ist immer schon bei den Dingen draußen. Um dies mit einem weiteren Argumentationsschritt Husserls zu untermauern und verständlich zu machen, muss man Husserls Darstellung von Wahrnehmung erläutern. Wahrnehmung ist begrenzt und durch perspektive Abschattung gekennzeichnet. Daraus folgernd ist zu vermuten, dass immer schon etwas mehr den erkennenden Wesen (nicht nur den Menschen) mitgegeben sein muss, damit diese einen Gegenstand in seiner Vollkommenheit erkennen können. Es ist eine sogenannte Synthesisleistung die einen Gegenstand dem Bewusstsein ergänzt, oder dem Bewusstsein ist eine Synthesislesitung zuteil, welche einen Gegenstand wiederrum im Bewusstsein ergänzt. Der Bewusstseinsvollzug an sich ist jedoch schon eine Synthesisleistung, denn ein Gegenstand wird niemals völlig isoliert von anderen Körpern erscheinen können. Bevor mein Bewusstsein die Wahrnehmung auf offensichtliche Gegenständlichkeiten meiner Umgebung richten kann, muss es doch der Tatsache gewahr sein sich in einem Horizont/Hintergrund dieser Gegenständlichkeiten zu befinden. Diese Tatsache ist bereits der Bewusstseinsvollzug und umgekehrt. Heidegger bezieht sich nun auf diesen Horizont. Gegenstände sind niemals bedeutungsnackte Gegebenheiten. Ich weiß zum Beispiel, dass eine Flasche nicht nur dazu gut ist, um sie wahrzunehmen. Sie hat für einen Menschen den Bedeutungshintergrund daraus trinken zu können um nicht durstig zu sein. Solche Vernetzungen und Um-Zu-Bezüge sind jedoch schon ziemlich komplex, denn ich habe der Flasche in diesem Fall bereits eine Funktion/einen Zweck zugeordnet. Primitiver würde es beispielsweise vor sich gehen, wenn ich den Horizont noch nicht so weit einsehe und zuerst erkennen muss was dieses Ding vor mir eigentlich ist. Man wird eine Flasche als solche erkennen können, wenn man nicht zuerst den Stöpsel gesondert von dem Etikett, das Etikett nicht gesondert vom Flaschenhals usw. wahrnimmt, sondern das Beziehungsganze als Form erkennt. Dieses Erkennen passiert nun eben durch das “Mitgegebene“. Es hat jeder Gegenstand eine Als-Struktur, welche mit einer Um-ZU-Reaktion gekoppelt ist. Auch wenn ich ein mir bislang unbekanntes Geräusch vernehme, vernehme ich es ALS ein mir unbekanntes Geräusch, um es mir danach einzuprägen, oder nicht. Heideggers Grundgedanke ist, dass das Dasein im Selbstverhältnis zur Umwelt immer schon Mit-und Umwelt ist. Sein Gedanke ist kein theoretisch motivierter, viel mehr ist das Dasein immer schon im praktischen Umgang und nicht in theoretischer Distanz begriffen. Es ist ein Dasein im Bezug auf den Horizont, in dem alles aufeinander bezogen ist. Dieser Gesamtzusammenhang der Welt ermöglicht kein einmaliges Verstehen (was in Derridas Dekonstruktion besonders schön gezeigt ist). Es wird also wenn etwas verstanden wird, dieses Verstandene nie als dieses etwas verstanden als das es zum ersten Mal verstanden wurde. Alles unterliegt der Veränderung und der Weiterentwicklung. Derrida formt den Gedanken der Veränderung für meinen Geschmack sehr genial aus und man kann auch Parallelen zu dem Modell des Pragmatismus, oder dem Seppo-Modell ziehen (in dem Versuch die Wahrheit zu entdecken, bemerkt man, dass diese als das Ideal Wahrheit nicht zu entdecken ist, weil man sich in ihr befindet und damit mit ihr stets auf dem Weg zu ihr ist). Bei Derrida gibt es ebenso eine Als-Struktur, der man in jedweder Phänomenologie wohl kaum entschwinden kann. Unterschieden zu den anderen ist seine Struktur nicht im als, sondern eben in der Struktur, die nicht stabil sondern veränderbar ist. Damit, und das ist der Schlüsselsatz, etwas als etwas verstehbar ist, muss es verstehbar bleiben und somit permanent veränderbar sein. Wiederholung impliziert Differenz! Die Identität eines Körpers/Dinges/einer Gegebenheit impliziert ihre Differenz und trägt sie nicht extern mit sich mit. So kann man sich der Identität nähern indem man in ihr ist. Erreichen wird man sie jedoch nie, weil man von außen nicht zugreifen kann. Man ist immer in die Veränderung der jeweiligen Struktur eingebunden, weil es keine bloße Analyse ist die bei Derrida vollzogen wird. Ich persönlich empfinde den Gedanken der ununterbrochenen Veränderung des Gleichbleibenden wunderbar und befriedigend, weil ich der Ansicht bin, dass das individuelle Dasein unter dem Gesichtspunkt einer gleichsam ungezwungenen, oder unplanmäßigen Lebensführung besser erträglich ist, als eine auf ein klares Ziel gerichtete. Das Problem, das sich für mich nichtsdestotrotz aufwirft ist der Gedanke Derridas, wenn er sagt, dass Veränderungen keine Wertungen annehmen. Das ist für mich ein Paradoxon. wie soll sich etwas verändern, wenn nicht zum Besseren oder Schlechteren? Ohne Wertungen kann ich nicht einmal beurteilen, ob sich etwas verändert hat oder nicht. Ja Veränderung ist doch bloß an Wertungen zu messen.

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Hannah Weinhardt

Kein Denken ohne Gedachtes – kein Gedachtes ohne Denken. So einfach ist Phänomenologie. Subjekt und Objekt sind eins, Welt und Bewusstsein sind eins. Alles Erscheinende, letztlich sogar alles Seiende muss gleichzeitig ein Wahrgenommenes sein, sonst ist es nicht. Zumindest stellt sich sonst nicht mehr die Frage, ob es ist. Es macht laut Flatscher keinen Sinn zu sagen, etwas existiere, wenn es niemand wahrnimmt.

Und doch ist Phänomenologie nicht gleich Solipsismus, auch wenn es mir zu Beginn schwerfiel, den Unterschied zu erkennen. Wenn alles nur durch den Betrachter, das Subjekt, zum Objekt wird, dann entsteht es doch gleichsam im Betrachter, ist also seinem Bewusstsein immanent. Flatscher verneint das in etwa so: Wenn eh alles bewusstseinsimmanent wäre, bräuchte ich ja nicht mehr schauen und könnte mich nicht täuschen. Wohl wahr.

Dennoch gibt es keine „wahre“ Welt hinter der wahrgenommenen. Der Idee der „Welt“ gibt es allein im Moment des Zusammenspiels von Wahrnehmenden und Wahrgenommenen. Klingt fast, als könne man die Begriffe „Welt“ und „Wahrnehmung“ gleichsetzen. Nehmen wir nun also ständig die raum-zeitlichen Dinge in der Welt wahr, tun wir das nicht immer wieder „aufs Neue“, also unvoreingenommen. Vielmehr verknüpfen wir automatisch jede Wahrnehmung mit vorhergehenden, also mit Erinnerungen und Erfahrungen. So können wir die Problematik unserer durch die Perspektive eingeschränkten Sicht zumindest verringern und Dinge in ihrer „Ganzheit“ erfassen. Vielleicht nicht wirklich in ihrer Ganzheit, aber doch komplexer als es uns mit bloßer Wahrnehmung in diesem Moment möglich wäre.

Diesen Gedanken von Husserl führt Heidegger weiter aus. Für ihn gibt es keinen ersten Moment des „Schauens“ auf die Welt. Alles wird sofort und unumgehbar assoziiert mit seinem Nutzen. Wir sehen immer ein „Wie“, nie ein bloßes „Was“. Jedes etwas nehmen wir zugleich „als“ etwas wahr. Hier stellt sich mir jedoch ein Problem: Es mag ja für den Alltag zutreffen, dass die uns von Kind an umgebenden Dinge für uns untrennbar mit ihrer Rolle, ihrem Nutzen verbunden sind. Verlassen wir jedoch unsere gewohnte Umgebung, unseren Kulturraum, so werden wir Dinge wahrnehmen, die wir mit nichts Vertrautem assoziieren können. Ist das dann nicht gleichsam ein „erstes Schauen“ auf diese Dinge? Flatscher sagt, wir nehmen diese Dinge „als unbekannte“ wahr. Heideggers Als-Struktur bleibt dann bestehen, aber die Aussage scheint mir der Idee des „ersten Schauens“ nicht widersprüchlich zu sein.

Darüber hinaus geht Derrida. Er nimmt Heideggers starre Struktur nicht als statisch-abgeschlossen hin. Im Gegenteil sagt Derrida, dass man Dinge nie ein für alle Mal assoziiert oder versteht, sondern sich die Assoziation/das Verstandene in der Wiederholung verändert und. Dieses Moment kann man auch steuern, indem man eigene Denkstrukturen und gesellschaftliche Systeme in denen man sich befindet nicht mehr als ein quasi natürlich Gegebenes betrachtet, sondern sich der „Vergänglichkeit“ jeder Wahrnehmung und jedes Verstehens bewusst wird um so einen aktiven Prozess daraus zu machen.