Muttersprachenförderung (JsB - Migration): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. Juni 2007, 11:04 Uhr

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Warum ist Muttersprachenförderung wichtig? - Wissenschaftliche Grundlagen

Das Erlernen der Muttersprache

Das Erlernen der Muttersprache beginnt entweder schon in der pränatalen Phase oder gleich nach der Geburt (Wissenschafter sind sich darüber nicht einig). Zunächst kommt es zum Erstspracherwerb für den ein Kind keine besonderen Hilfestellungen benötigt. Wichtig ist nur, dass jemand mit ihm spricht und es Menschen beim Sprechen hören kann. Andernfalls kommt es zu einer Störung des natürlichen Spracherwerbs.
Bis zum Volksschulalter ist der Erwerb der Kerngrammatik abgeschlossen. Allerdings haben Kinder, wenn sie ich die Schule eintreten, ihre Muttersprache noch nicht vollständig erworben, da wesentliche Teile der Sprache wie Wortschatz, Grammatik und Rechtschreibung erst im schulischen Rahmen vollständig bzw. überhaupt erst erlernt werden können. Somit ist es von großer Wichtigkeit den Spracherwerb der Muttersprache mit dem Schuleintritt fortzusetzen um den vollständigen Erwerb der Muttersprache sicherzustellen. Außerdem kommt es durch das Erlernen der Muttersprache in der Schule auch zur Entwicklung kognitive Fähigkeiten, die es einem ermöglichen sicher mit abstrakten Begriffen umgehen zu können und ohne die eine komplexere Anwendung der Sprache nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass laut Untersuchungen durch den Erwerb der Muttersprache nicht nur die Sprache an sich (z.B. Türkisch) erlernt wird, sondern auch allgemein Sprache als solche. (vgl. Rudolf de Cillia: 2006, S.4ff.)

Die Rolle der Muttersprache beim Erlernen einer Zweitsprache

Für Migrantenkinder ist es unvermeidlich früher oder später neben ihrer Muttersprache die Landessprache zu erlernen. Wann die Zweitsprache erlernt wird unterscheidet sich von Fall zu Fall, allerdings erlernen viele Kinder mit Migrationshintergrund die Zweitsprache erst in der Vor- oder Volksschule.
Wie schon erwähnt, ist es wichtig, dass die Kenntnisse der Muttersprache in der Schule weiterentwickelt werden, damit es zum Erwerb kognitiv-akademischer Sprachfähigkeit kommen kann. Werden nun Migrantenkinder eingeschult und nur in der für sie fremden Sprache unterrichtet, kommt es zu einem Bruch. Die Muttersprache wird nicht gefördert und somit auch nicht weiterentwickelt und die Zweitsprache muss erst erlernt werden, während heimische Kinder eine Alphabetisierung in ihrer Muttersprache erfahren. Dadurch kommt es nicht in ausreichender Weise zum Erwerb kognitiv-akademischer Sprachfähigkeit, was häufig in weiterer Folge zu einem Semilingualismus führt.
Semilingualismus oder „Halbsprachigkeit“ bedeutet, dass weder in der Erst- noch in der Zweitsprache altersadäquate Kompetenzen erreicht werden können. (vgl. Barbara Leichtfried: 2003, S.29) Zwar wird die Zweitsprache in der Schule erlernt, doch besonders später, wenn es darum geht kognitiv-akademische Sprachfähigkeiten einzusetzen, ist die ausgebliebene Förderung der Muttersprache und somit die fehlenden kognitiv-akademischen Fähigkeiten zu bemerken.

Folgerungen

Daraus folgt, was heute Allgemein als eine Tatsache angesehen wird, nämlich, dass die Förderung und der ungehinderte weitere Lernfortschritt in der Muttersprache nach dem Schuleintritt positive Auswirkungen auf den Erwerb der Zweitsprache und somit auch auf den Schulerfolg hat.
Zusätzlich möchte ich hier noch anführen, dass die Bilingualität von Migrantenkindern oft als negativ gewertet wird, da deren Muttersprachen oft geringes Prestige besitzen. Außerdem wird häufig hauptsächlich darauf Wert gelegt, dass Migrantenkinder möglichst schnell und gut Deutsch lernen ohne, dass deren Bilingualität als etwas Positives und als Chance begriffen wird, denn „die (sic) Fähigkeit zur sprachlichen Analyse und die Qualität und Quantität von Spracherwerbsstrategien ist [z.B.] bei bilingualen Kindern höher als bei monolingualen.“ (Rudolf de Cillia: 2006, S. [Auslassung und Ergänzung: D.W.])


Modelle muttersprachlichen Unterrichts

Vier mögliche Ziele muttersprachlichen Unterrichts

Vorbereitung auf Reimmigration - Ziel ist es die Bindung der SchülerInnen zum Herkunftsland der Eltern zu festigen. Es wird angenommen, dass die Kinder wieder ins Herkunftsland der Eltern zurückkehren werden und sie werden deshalb auf die Rückkehr und die Integration ins Schulsystem des Herkunftslandes vorbereitet.
Übergang zur Assimilation - Ziel ist es, den SchülerInnen den Übergang von ihrer Erstsprache zur Landessprache des Aufnahmelandes zu erleichtern und den ihn zu beschleunigen.
Förderung der Zweisprachigkeit - Ziel ist die bikulturelle Integration im Aufnahmeland und auch die Bereicherung der im Aufnahmeland verbreiteten Sprache.
Schutz von Minderheitensprachen – Ziel ist die Bewahrung der Muttersprache der SchülerInnen und die Integration in die Sprachminderheit im Aufnahmeland.
(vgl. Bauböck S.289/290 bzw. vgl. Barbara Leichtfried: 2003, S.52)

Unterrichtsform

Muttersprachlicher Unterricht kann auf verschiedene Arten erfolgen.
Die erste Möglichkeit ist, ihn parallel zum Regelunterricht in einem separaten Raum abzuhalten.
Eine weitere Möglichkeit sieht einen Unterricht vor, der integrativ während des Regelunterrichts stattfindet. Diese Unterrichtsform wird in Form von "Team Teaching" abgehalten. Das bedeutet, dass der/die KlassenlehrerIn den Unterricht mit dem/der MuttersprachenlehrerIn gemeinsam gestaltet.
Die dritte Möglichkeit ist, muttersprachlichen Unterricht in Kursform als zusätzlichen Unterricht am Nachmittag abzuhalten.
Von den LehrerInnen wird die Unterrichtsform des "Team Teaching" favorisiert. Tatsächlich wird diese Variante allerdings hauptsächlich in Ballungsräumen angewendet und hier am häufigsten in Wien statt. In den anderen Bundesländern findet Muttersprachenunterricht meist in Kursform am Nachmittag statt, was von den Lehrern oft kritisiert wird. Der Grunde dafür ist, dass Mutersprachenunterricht am Nachmittag den Kontakt und die Kooperation mit dem/der KlassenlehrerIn erschwert, was keine positiven Auswirkungen auf den Unterricht haben kann. (vgl. Barbara Leichtfried: 2003, S.64)

Unterrichtssprache

Grundsätzlich kann man sagen, dass der Umgang mit Zweisprachigkeit von Kindern in der Schule aufgrund von Migration vom Prestige der Sprache und der Sprechergruppe im Land abhängt.

Einsprachiger Unterricht in der Muttersprache der Migrantenkinder - Dieses Modell führt zu einer vollkommenen Segregation und kann somit nicht als Möglichkeit im Sinne der Integration angesehen werden. Diese Variante bietet sich aus diesem Grund lediglich bei einer bevorstehenden Heimkehr ins Herkunftsland an.

Einsprachiger Unterricht in der Zweitsprache – In dieser Unterrichtsform finden die Muttersprachen der SchülerInnen mit Migrationshintergrund kaum Berücksichtigung. Wie viele Migrantenkinder oft noch keine oder erst geringe Kenntnisse in der Landessprache haben, kommt es durch ausschließlichen Unterricht in der Zweitsprache oft zu großer Überforderung der SchülerInnen. Diese Variante wird oft als "Assimilationsprogramm" bezeichnet.

Anfänglicher Unterricht in der Muttersprache mit dem Ziel des Unterrichts in der Zweitsprache - Diese Möglichkeit, auch als "Übergangsmodell" bezeichnet, geht auf Migrantenkinder in ihrer speziellen sprachlichen Situation ein. Die Muttersprache wird eher als Mittel zum Zweck verwendet, da es in erster Linie darum geht die Zweitsprache so gut wie möglich zu erlernen und die kognitive Entwicklung zu fördern um bald dem Regelunterricht in allen Fächern ohne sprachliche Probleme folgen zu können. Es handelt sich hierbei also um ein kompensatorisches Pogramm, da hier das Ziel ist Nachteile aufgrund einer anderen Muttersprache als Deutsch zu kompensieren. Allerdings kann laut Fhenakis u.a. (1985) Chancengleichheit auf diese Weise nicht realisiert werden.

Ausgewogener zweisprachiger Unterricht - In dieser Variante werden beide Sprachen für den Unterricht in allen Unterrichtsgegenständen verwendet. In den ersten Schuljahren wird fast ausschließlich die Muttersprache der SchülerInnen als Unterrichtssprache verwendet und der Übergang zur Zweitsprache als Unterrichtssprache wird lange hinausgeschoben. Somit findet die Alphabetisierung auch in der Muttersprache statt. Ziel ist es eine ausgewogene Zweisprachigkeit bei den SchülerInnen zu erreichen. Voraussetzung für diese Variante ist, dass die Klassen sprachlich homogen sein, also alle SchülerInnen die gleich Muttersprache haben. Dies wiederum führt zu einer Segregation der SchülerInnen von Kindern und Jugendlichen mit einer anderen Muttersprache. (vgl. Barbara Leichtfried: 2003, S.86f.)

Muttersprachenförderung in Österreich

Historische Entwicklungen und gesetzliche Regelungen

Historische Darstellung der Einwanderungspolitik und schulischer Fördermaßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund in Österreich ab 1960

Die "Gastarbeiterbewegung"

Am Anfang der 1960er Jahre herrschte eine starke Nachfrage nach Arbeitskräften. Aus diesem Grund wurden zunächst "Gastarbeiter" aus Spanien und später eine größere Zahl an Arbeitskräften aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei angeworben. Die österreichische Vorstellung sah dabei so aus, dass junge Männer ohne Familie nach Österreich kommen sollten um hier für eine gewisse Zeit zu arbeiten und anschließend wieder in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Diese Vorstellung bewahrheitete sich allerdings nicht, sondern das Gegenteil geschah. Viele "Gastarbeiter" blieben und holten ihre Familien aus ihren Heimatländern nach oder gründeten in Österreich eine Familie.
Aufgrund der Ölkrise 1973, die in Österreich, wie auch in den meisten anderen Industriestaaten, zu einer Rezession führte, kam es 1974 zu einem Aufnahmestopp von ausländischen Arbeitskräften und die Zahl an "Gastarbeitern" wurde in den darauf folgenden Jahren um 55 000 reduziert. (Zum Vergleich: Die Höchstzahl war 1973 mit 229 800 "Gastarbeitern" in Österreich erreicht worden.)

Bilaterale Zusammenarbeit

Durch die Rückkehr vieler ausländischer Familien in ihre Herkunftsländer sahen sich die jeweiligen Länder allerdings mit vielen "Quereinsteigern" in ihre Bildungssysteme konfrontiert. Auch in Österreich wurde Mitte der 70er Jahre die Ausbildung und Integration von Kindern ausländischer Familien, die entweder schon in Österreich geboren oder nachgeholt worden waren, zunehmend ein wichtiges Thema.
Aus diesem Grund wurden die Stimmen laut es solle eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit bezüglich Bildungsfragen entstehen, um eine Lösung zu finden, die Kindern von "Gastarbeitern" den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in das Bildungssystem des Herkunftslandes erleichtern sollte. 1977 wurden die Unterzeichnerstaaten der "European Convention on the Legal Status of Migrant Workers" aufgefordert zusammenzuarbeiten.
"Die Entsende- und Aufnahmeländer sollten nach Möglichkeit dafür sorgen ausländischen Kindern während ihres 'zeitweiligen Aufenthaltes' muttersprachliche Spezialkurse anzubieten." (Cinar/Davy: 1998, S.26)
Somit war die Möglichkeit geschaffen worden muttersprachlichen Unterricht anzubieten und Österreich begann in weiterer Folge mit der ehemaligen sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien und der Türkei im Rahmen einer bilateralen Kooperation zusammenzuarbeiten. Ihre Arbeit betraf dabei die Bestellung der Lehrkräfte, den Lehrplan und die Schulbücher. Die Zusammenarbeit blieb 15 Jahre lang bestehen. (vgl. Leichtfried: 2003, S.8)

Ziele der muttersprachlichen Förderung

Wie schon angedeutet, bestand zu dieser Zeit das vorrangige Ziel des als Schulversuch geführten "muttersprachlichen Zusatzunterrichts", wie er damals genannt wurde, darin, Kindern dadurch den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in das Schulsystem des Herkunftslandes zu erleichtern. Da man also von der Rückkehr der Familien in ihre Herkunftsländer ausging, bestand das Hauptziel darin, die kulturelle Verbundenheit mit der Heimat zu erhalten.
Der Deutscherwerb und die damit verbundene Assimilation und Integration war zwar nicht das vorrangige Ziel, doch dennoch ein Teilziel. Dies wurde jedoch in den 70er und 80er Jahren nicht als Widerspruch zum muttersprachlichen Zusatzunterricht wahrgenommen, sondern entsprach den Empfehlungen des Europarats und wurde auch in vielen anderen Industriestaaten so praktiziert. (vgl. Pallavicini: 2004, S.52ff. bzw. Cinar/Davy: 1998, S.28)

Eine neue Herangehensweise

Da viele Familien, wie schon erwähnt, nicht zurückkehrten, wurde die bilaterale Kooperation Anfang der 90er Jahre beendet. Außerdem wurde eine neue Strategie erarbeitet, wie man den sich ändernden Anforderungen an das österreichische Schulsystem begegnen könne.
So bereitete man die Übertragung der seit Mitte der 70er Jahre durchgeführten Schulversuche zur Förderung und Integration von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache ins Regelschulsystem vor. (vgl. Cinar/Davy: 1998, S.38)
Mit der Novellisierung der Pflichtschullehrpläne 1992/93 wurden drei Grundpfeiler für die Förderung von Migrantenkindern festgelegt:

Ab nun sind "alle SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch, ungeachtet der Staatsbürgerschaft, […] berechtigt, am muttersprachlichen Unterricht teilzunehmen" (Pallavicini:2004, S.53ff.).
Heute geht der Trend österreichweit in Richtung einer Ausweitung des muttersprachlichen Unterrichts. (vgl. Pallavicini:2004, S.54

Die heutige Situation in Österreich

Die heutige Regelung von Muttersprachenförderung und "Deutsch als Zweitsprache" - Unterricht basiert auf der Novellisierung der Lehrpläne aus dem Jahr 1992. Sie legte auch "Interkulturelles Lernen" als Unterrichtsprinzip fest.

"Deutsch als Zweitsprache"-Unterricht (DaZ)

Dieses Unterrichtsfach dient der Förderung der Deutschkenntnisse von SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache, die bis zu sechs Jahre lang eine österreichische Schule besucht haben. Ziel ist das möglichst schnelle Erlernen der deutschen Sprache um rasch dem Regelun-terricht folgen zu können. Unterstützt wird der Unterricht durch außerschulische Angebote, wie Nachhilfeunterricht, Sommerkurse und vorschulische Vorlaufgruppen. Der Unterricht ist nicht nach Schulstufen, sondern nach Sprachkompetenz gegliedert und kann parallel, integrativ oder in Kursform erfolgen.
In Pflichtschulen (Volksschulen, Sonderschulen, Hauptschulen und Polytechnische Schulen) sind insgesamt bis zu 12 Wochenstunden an Unterricht vorgesehen. In AHS findet Unterricht in "Deutsch als Zweitsprache" nur als Freigegenstand oder unverbindliche Übung statt. Außerdem können dafür keine zusätzlichen Lehrer eingestellt werden, sondern es müssen vorhandene Lehrer eingesetzt werden, was die Möglichkeiten für den DaZ-Unterricht einschränkt.
Eine Kooperation zwischen den Lehrern des DaZ-Unterrichts und den Lehrern für den Muttersprachenunterricht ist zwar möglich, aber jedoch nicht im Lehrplan festgeschrieben. Es hängt also allein vom Engagement der beteiligten Lehrer ab ihren Schüler die bestmögliche Förderung zuteil werden zu lassen. (vgl. Leichtfried: 2003, S.59ff.)

Muttersprachlicher Unterricht

Muttersprachlicher Unterricht, also Unterricht zur Sprachförderung in der Muttersprache, steht allen SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache oder zweisprachigen SchülerInnen ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft offen. Hier ist die Anzahl der Schulbesuchsjahre nicht relevant.
Laut Gesetz sind die Entfaltung, Entwicklung und Festigung der Bilingualität, die Persönlichkeits- und Identitätsbildung die vorrangigen Ziele der Muttersprachenförderung. (vgl. Leichtfried: 2003, S.61)

Organisation

In den Volksschulen wird muttersprachlicher Unterricht als unverbindliche Übung (also ohne Benotung) im Ausmaß von zwei bis sechs Wochenstunden angeboten.
In Hauptschulen ist das Stundenausmaß gleich wie in den Volksschulen, jedoch handelt es sich hierbei um einen Freigegenstand, der auch benotet wird.
In polytechnischen Schulen wird Muttersprachenunterricht ebenfalls als Freigegenstand oder auch als unverbindliche Übung angeboten.
Ähnlich sieht die Situation in AHS-Unterstufen aus, in denen muttersprachlicher Unterricht ebenfalls als Freigegenstand oder unverbindliche Übung im Ausmaß von acht bis zwölf Stunden im Lauf von vier Jahren angeboten wird. (Das bedeutet etwa zwei bis fünf Wochenstun-den pro Jahr.)
In AHS-Oberstufen und BMS bzw. BHS (Berufsbildende Mittlere bzw. Höhere Schulen) gibt es keinen Lehrplan für muttersprachlichen Unterricht. Es kann lediglich schulautonom die Möglichkeit eines solchen Unterrichts angeboten werden. (vgl. Leichtfried: 2003, S.62f.)

Unterrichtsmaterialien

Im Rahmen der Limitverordnung stehen, zusätzlich zu den anderen Schulbüchern, für den Unterricht "Deutsch als Zweitsprache" und den Muttersprachenunterricht pro Schuljahr, Schüler und Fach je 14,67 € für Lehrbücher zur Verfügung. Zweisprachige Wörterbücher können pro Schüler einmal bezogen werden und werden von einem extra Budget bezahlt. Vom Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur kann eine Liste empfohlener Unterrichtsmaterialien bezogen werden. (vgl. bm:uk: 4/2007, S.5f.)

LehrerInnen für muttersprachlichen Unterricht und die Probleme mit denen sie konfrontiert werden

LehrerInnen für muttersprachlichen Unterricht müssen im Herkunftsland oder in Österreich ein Lehramtsstudium abgeschlossen haben. Sie werden von den österreichischen Schulbehörden angestellt und bezahlt. Die Bezahlung richtet sich danach, ob die Ausbildung in Österreich anerkannt wird, was häufig nicht der Fall ist, oder die Lehrer nur "zum Unterricht zugelassen" werden. Die wird von den LehrerInnen oft als diskriminierend erlebt, da sie meist schon viel Praxiserfahrung haben, wenn sie anfangen in Österreich als MuttersprachenlehrerInnen zu arbeiten. Außerdem bekommen sie meist nur Verträge für ein Jahr, da das Zustandekommen des Unterrichts im nächsten Jahr nicht garantiert werden kann, wodurch keine langfristige Zukunftsplanung möglich ist. MuttersprachenlehrerInnen sind oft auch nicht in den Lehrkörper integriert, da ihr Unterricht oft in Kursform am Nachmittag stattfindet, und müssen in manchen Bundesländern Schüler von bis zu sechs Schulen betreuen.
Aus diesen Gründen fühlen sich viele MuttersprachenlehrerInnen gegenüber ihren österreichischen KollegInnen diskriminiert und wünschen sich eine Verbesserung der Situation. (vgl. Leichtfried: 2003, S.66f.)

Kritik an heutigen Regelungen in Bezug auf muttersprachlichen Unterricht

Von Seiten der Bildungspolitiker wird zwar gefordert, dass die Alphabetisierung von SchülerInnen nichtdeutscher Muttersprache zuerst in deren Muttersprache erfolgen soll, doch ist dies beispielsweise in zwei Wochenstunden kaum möglich. Somit ist hier eine Diskrepanz zwischen den angegebenen Zielen und den tatsächlichen Möglichkeiten zu erkennen. (vgl. Leichtfried: 2003, S.62)
Es fällt auf, dass muttersprachlicher Unterricht in Österreich nur als "Freigegenstand" oder "unverbindliche Übung" geführt wird. Der Nachteil dieser Klassifizierung des Unterrichts ist jedoch, dass eine hohe Anzahl von 12-15 Schülern benötigt wird damit ein Kurs zustande kommen kann. Einem Freigegenstand bzw. einer unverbindliche Übung haftet zudem immer der Charakter eines wenig bedeutenden Faches an, was weder für den Unterricht noch für das Selbstbild der Schüler förderlich ist. Außerdem werden auf diese Weise die Muttersprachen der Schüler und die deutsche Sprache nicht, wie von der Politik gewollt und verlangt, gleichgestellt. Des Weiteren kann auf diese Weise kein über mehrere Jahre kontinuierlich andauernder Muttersprachenunterricht gewährleistet werden. Zwar ist es für Schüler möglich beim Nichtzustandekommen eines muttersprachlichen Unterrichts in der eigenen Schule, den Kurs einer anderen Schule zu besuchen, doch ist dies in der Praxis oft problematisch oder, z.B. aufgrund einer zu großen räumlichen Entfernung, sogar unmöglich. (vgl. Leichtfried: 2003, S.63)
Insgesamt ist es bedenklich, dass österreichweit nur 29 % aller Schüler mit einer anderen Erstsprache als Deutsch (ausgenommen sind Minderheiten) in der Volksschule einen muttersprachlichen Unterricht besuchen, wobei es sich hierbei noch um diejenige Schulform handelt, in der Muttersprachenförderung am meisten praktiziert wird. Im Bundesländervergleich schneidet Wien mit fast 35 % am besten ab, wogegen Burgenland mit 1,9 % am letzten Platz liegt. Diese Zahlen zeigen, dass im Bereich Muttersprachenförderung viele Ziele noch nicht umgesetzt wurden um Schülern mit Migrationshintergrund bessere Bildungschancen und damit auch in weiterer Folge gute Chancen am Arbeitsmarkt zu bieten. (vgl. Manolakos: 2006, S.25)

In welchen Sprachen findet Muttersprachenunterricht statt?

Laut Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur erhielten im Schuljahr 2005/06 die meisten Schüler (österreichweit fast 11.900) nichtdeutscher Muttersprache Türkischunterricht. Dieser Unterricht fand, außer in Kärnten, in allen neun Bundesländern statt, wobei mehr als die Hälfte der türkisch sprechenden Schüler in Wien unterrichtet wurden.
Die zweitgrößte Gruppe von Schülern muttersprachlichen Unterrichts (österreichweit fast 11 200 Schüler) nahm an BKS-Unterricht teil. Hierbei handelt es sich um den gemeinsamen Unterricht der Sprachen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch. BKS ist auch der einzige Unter-richt, der in allen Bundesländern stattfand.
Albanisch-Unterricht erhielten 2005/06 österreichweit etwas mehr als 1.300 Schüler, womit es sich hier um die drittgrößte Gruppe handelt.
Des Weiteren wurde (in absteigender Reihenfolge) Polnisch, Arabisch, Persisch, Russisch, Rumänisch, Chinesisch, Ungarisch, Romanes, Tschetschenisch, Bulgarisch, Spanisch, Slowakisch und Italienisch unterrichtet. Allerdings fand der Unterricht in vielen dieser Sprachen nur in einem bis maximal vier Bundesländern statt. (vgl. Manolakos: 2006, S.12)

Muttersprachenförderung in anderen Staaten der EU

Herkunftsprachenunterricht in Schweden

Bibliographie

Warum ist Muttersprachenförderung wichtig?

  • Cillia, Rudolf de: Spracherwerb in der Migration. Informationsblatt Nr. 3 des Referats für interkulturelles Lernen. Hrsg. vom BMBWK, 2006
  • Leichtfried, Barbara: Muttersprachenförderung als Schlüssel zur sozialen Mobilität. Wie weit finden die wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich des Bilingualismus von Migrantenkindern Eingang in die österreichische Schulpolitik? Diplomarbeit aus der Studienrichtung Deutsche Philologie, Universität Wien, 2003
  • Pallavicini, Nathalie: Bestandsaufnahme der aktuellen Situation von Volksschulkindern mit nichtdeutscher Muttersprache im Bundesland Vorarlberg. Diplomarbeit aus der Studienrichtung Sprachwissenschaft, Universität Wien, 2004

Modelle muttersprachlichen Unterrichts

  • Bauböck, Rainer: Gesellschaftspolitische Zielsetzungen des Muttersprachenunterrichts. S.289-320 In: Cinar, Dilek (Hg.): Gleichwertige Sprachen? Muttersprachlicher Unterricht für die Kinder von Einwanderern. Innsbruck, Studienverlag, 1998
  • Fhenakis, Wassilios u.a.: Bilingual- bikulturelle Entwicklung des Kindes. En Handbuch für Psychologen, Pädagogen und Linguisten. München, Hueber Verlag, 1985
  • Leichtfried, Barbara: Muttersprachenförderung als Schlüssel zur sozialen Mobilität. Wie weit finden die wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich des Bilingualismus von Migrantenkindern Eingang in die österreichische Schulpolitik? Diplomarbeit aus der Studienrichtung Deutsche Philologie, Universität Wien, 2003

Muttersprachenförderung in Österreich

  • bm:uk (Hg.): SchülerInnen mit anderen Erstsprachen als Deutsch. Statistische Übersicht Schuljahre 1998/99 bis 2005/06. Informationsblätter des Referats für interkulturelles Lernen Nr. 2/2007
  • bm:uk (Hg.): Auszug aus der Schulbuchliste für das Schuljahr 2007/08. Deutsch als Zweitsprache (DaZ), muttersprachlicher Unterricht, zweisprachige Wörterbücher für den muttersprachlichen Unterricht. Informationsblätter des Referats für interkulturelles Lernen Nr. 4/2007
  • Cinar, Dilek (Hg.): Gleichwertige Sprachen? - Muttersprachlicher Unterricht für die Kinder von Einwanderern. Forschungsbericht des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Innsbruck, Studienverlag, 1998
  • Leichtfried, Barbara: Muttersprachenförderung als Schlüssel zur sozialen Mobilität. Wie weit finden die wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich des Bilingualismus von Migrantenkindern Eingang in die österreichische Schulpolitik? Diplomarbeit aus der Studienrichtung Deutsche Philologie, Universität Wien, 2003
  • Manolakos, Theodora: Der muttersprachliche Unterricht in Österreich. Statistische Auswertung 2005/06. Informationsblätter des Referats für interkulturelles Lernen Nr. 5/2006
  • Pallavicini, Nathalie: Bestandsaufnahme der aktuellen Situation von Volksschulkindern mit nichtdeutscher Muttersprache im Bundesland Vorarlberg. Diplomarbeit aus der Studienrichtung Sprachwissenschaft, Universität Wien, 2004

Muttersprachenförderung in anderen Staaten der EU

Weiterführende Links

(Anmerkung: Es werden nur Schulen mit Homepage angeführt. Es handelt sich hierbei um KEINE Liste aller bilingualen Schulen Wiens.)

Tschechische Schule in Wien - Komensky Schulverein http://www.komensky.at
IGW Islamisches Realgymnasium - Konfessionelle Privatschule des Vereines Solmit http://www.igwien.com
Japanese School Association in Vienna http://www.japaneseschool.at
Lycée Francais de Vienne http://www.lyceefrancais.at
Schwedische Schule für Kinder skandinavischer Herkunft http://www.svenskaskolan.at
Zwi Perez Chajes-Schule - Jüdische Schule http://www.zpc.at
EMS Europäische Mittelschule Neustiftgasse http://www.emsneustiftgasse.at
Gymnasium Draschestraße - Vienna Bilingual Schooling http://www.grg23vbs.ac.at


                                                              Autorin: Daniela Weinlich (2007)

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