Zusatzdimension im Sachbereich

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Wahrheit als Begriffsnorm

Die philosophische Frage nach der Wahrheit erschöpft sich nicht dabei, die Logik der Akzeptanz von Aussagen zu rekonstruieren. Sie kümmert sich auch darum, in welchem Rahmen sie akzeptabel sind. Dazu dient bei Hegel eine holistisch aufgefaßte Version von "Bewußtsein". Das Bild der Drehscheibe ist unzureichend, weil das dynamische Moment fehlt, welches aus der Verschränkung eine Entwicklung macht. Hegels Bewußtsein ist nicht bloß selbst der Maßstab seines Verhältnisses zur Welt, es ist auch ein Vorgang, der (seine) Gegebenheiten hinterfragt.


      Nennen wir das Wissen den Begriff, das Wesen oder das Wahre 
      aber das Seiende oder den Gegenstand, so besteht die Prüfung darin, 
      zuzusehen, ob der Begriff dem Gegenstande entspricht. Nennen wir aber das 
      Wesen oder das An-sich des Gegenstandes den Begriff, und verstehen 
      dagegen unter dem Gegenstande, ihn als Gegenstand, nämlich wie er 
      für ein anderes ist, so besteht die Prüfung darin, daß wir zusehen, 
      ob der Gegenstand seinem Begriff entspricht.

Der erste Teil des Zitates betrifft die klassische Adäquationstheorie. Ihr wird ein zweiter Sinn von "Übereinstimmung" und damit eine Tiefendimension hinzugefügt. Zusätzlich zum Wesen als Pendent zum Wissen (dem einfach Seienden) gibt es ein "Wesen" dieses Wesens, nämlich die Entsprechung einer Sache mit ihrem "Begriff", das heißt hier: mit ihrem metaphysischen Typus. Das ist die Rolle des "wahren Freundes" gegenüber dem Auftreten der Charakteristik "Freund".

"Auf den Begriff bringen" heißt also, Seiendes konzeptionell zu erfassen, aber zugleich auch, es nicht so sein zu lassen, wie es auftritt. Der Blick ist auch auf eine konstitutive Diskrepanz zu richten, aus der sich Diskussionsverläufe entwickeln. Hegel sieht vor, daß die Auseinandersetzung über die Beschaffenheit der Welt einen Prüfbereich enthält, der Dinge an ihren Prototypen mißt. Die Zustimmung zu Sätzen (der Beginn dieser Explikation) ist letzlich nur vertretbar, wenn die Bedingungen erfüllt sind, welche diese metaphysische Klausel vorgibt.

So wird der Holismus um das Moment der Systementwicklung erweitert. Die Wahrheit, welche dem Wissen gegenübersteht, erweist sich im Verlauf der sachorientierten Entfaltung des Wissens als Wahrheit hinter der Erscheinung und zuletzt als die Sachlichkeit des Wissens selbst. Der vorstehende Satz ist eine Kurzfassung der hegelschen Vorgabe. Er ist weit entfernt von einem Aussagesatz, eher eine visionäre Perspektive. Kann man solchen Formulierungen zustimmen? Man kann zumindest explizieren, worauf man sich da einläßt.


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