Warum ist Muttersprachenförderung wichtig? - Wissenschaftliche Grundlagen (JsB - Migration)

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Das Erlernen der Muttersprache

Das Erlernen der Muttersprache beginnt entweder schon in der pränatalen Phase oder gleich nach der Geburt (Wissenschafter sind sich darüber nicht einig). Zunächst kommt es zum Erstspracherwerb für den ein Kind keine besonderen Hilfestellungen benötigt. Wichtig ist nur, dass jemand mit ihm spricht und es Menschen beim Sprechen hören kann. Andernfalls kommt es zu einer Störung des natürlichen Spracherwerbs.
Bis zum Volksschulalter ist der Erwerb der Kerngrammatik abgeschlossen. Allerdings haben Kinder, wenn sie ich die Schule eintreten, ihre Muttersprache noch nicht vollständig erworben, da wesentliche Teile der Sprache wie Wortschatz, Grammatik und Rechtschreibung erst im schulischen Rahmen vollständig bzw. überhaupt erst erlernt werden können. Somit ist es von großer Wichtigkeit den Spracherwerb der Muttersprache mit dem Schuleintritt fortzusetzen um den vollständigen Erwerb der Muttersprache sicherzustellen. Außerdem kommt es durch das Erlernen der Muttersprache in der Schule auch zur Entwicklung kognitive Fähigkeiten, die es einem ermöglichen sicher mit abstrakten Begriffen umgehen zu können und ohne die eine komplexere Anwendung der Sprache nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass laut Untersuchungen durch den Erwerb der Muttersprache nicht nur die Sprache an sich (z.B. Türkisch) erlernt wird, sondern auch allgemein Sprache als solche.

(vgl. Rudolf de Cillia: 2006, S.4ff.)


Die Rolle der Muttersprache beim Erlernen einer Zweitsprache

Für Migrantenkinder ist es unvermeidlich früher oder später neben ihrer Muttersprache die Landessprache zu erlernen. Wann die Zweitsprache erlernt wird unterscheidet sich von Fall zu Fall, allerdings erlernen viele Kinder mit Migrationshintergrund die Zweitsprache erst in der Vor- oder Volksschule.
Wie schon erwähnt, ist es wichtig, dass die Kenntnisse der Muttersprache in der Schule weiterentwickelt werden, damit es zum Erwerb kognitiv-akademischer Sprachfähigkeit kommen kann. Werden nun Migrantenkinder eingeschult und nur in der für sie fremden Sprache unterrichtet, kommt es zu einem Bruch. Die Muttersprache wird nicht gefördert und somit auch nicht weiterentwickelt und die Zweitsprache muss erst erlernt werden, während heimische Kinder eine Alphabetisierung in ihrer Muttersprache erfahren. Dadurch kommt es nicht in ausreichender Weise zum Erwerb kognitiv-akademischer Sprachfähigkeit, was häufig in weiterer Folge zu einem Semilingualismus führt.
Semilingualismus oder „Halbsprachigkeit“ bedeutet, dass weder in der Erst- noch in der Zweitsprache altersadäquate Kompetenzen erreicht werden können. (vgl. Barbara Leichtfried: 2003, S.29) Zwar wird die Zweitsprache in der Schule erlernt, doch besonders später, wenn es darum geht kognitiv-akademische Sprachfähigkeiten einzusetzen, ist die ausgebliebene Förderung der Muttersprache und somit die fehlenden kognitiv-akademischen Fähigkeiten zu bemerken.


Folgerungen

Daraus folgt, was heute Allgemein als eine Tatsache angesehen wird, nämlich, dass die Förderung und der ungehinderte weitere Lernfortschritt in der Muttersprache nach dem Schuleintritt positive Auswirkungen auf den Erwerb der Zweitsprache und somit auch auf den Schulerfolg hat.
Zusätzlich möchte ich hier noch anführen, dass die Bilingualität von Migrantenkindern oft als negativ gewertet wird, da deren Muttersprachen oft geringes Prestige besitzen. Außerdem wird häufig hauptsächlich darauf Wert gelegt, dass Migrantenkinder möglichst schnell und gut Deutsch lernen ohne, dass deren Bilingualität als etwas Positives und als Chance begriffen wird, denn „die (sic) Fähigkeit zur sprachlichen Analyse und die Qualität und Quantität von Spracherwerbsstrategien ist [z.B.] bei bilingualen Kindern höher als bei monolingualen.“ (Rudolf de Cillia: 2006, S. [Auslassung und Ergänzung: D.W.])


Verwendete Literatur

Cillia, Rudolf de: Spracherwerb in der Migration. Informationsblatt Nr. 3 des Referats für interkulturelles Lernen. Hrsg. vom BMBWK, 2006

Leichtfried, Barbara: Muttersprachenförderung als Schlüssel zur sozialen Mobilität. Wie weit finden die wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich des Bilingualismus von Migrantenkindern Eingang in die österreichische Schulpolitik? Diplomarbeit aus der Studienrichtung Deutsche Philologie, Universität Wien, 2003

Pallavicini, Nathalie: Bestandsaufnahme der aktuellen Situation von Volksschulkindern mit nichtdeutscher Muttersprache im Bundesland Vorarlberg. Diplomarbeit aus der Studienrichtung Sprachwissenschaft, Universität Wien, 2004


                                                              Autorin: Daniela Weinlich (2007)