SE-Arbeit: Inwiefern wird die Entwicklung des Kinder durch die ständige Präsenz des Mediums Fernsehen beeinflusst? (Alexandra Auer)

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Name:Auer Alexandra

Matrikelnummer: 0426386

Stdienkennzahl: A297



Inhaltsverzeichnis:

1. Fragestellung und Vorgehensweise

2. Einführung

2.1. Die Faszination Bildschirm

2.2. Fernsehnutzung von Kindern

3. Wie nehmen Kinder Fernsehen wahr, wie verarbeiten sie Inhalte?

3.1. Erfahrung

3.2. Aufmerksamkeit

4. Ist Fernsehen gefährlich?

4.1 Beeinflusst Gewalt im Fernsehen unsere Kinder?

4.2. Gesundheitliche Folgen: Macht Fernsehen dick?

5. Schulische Leistung

6. Inwiefern können Fernsehformate Lernen fördern?

7. Verzerrte Wirklichkeit- Fernsehen als Ersatzwelt

8. Spielen und Fernsehen

9. Fazit

10. Quellennachweis




1. Fragestellung und Vorgehensweise

In dem folgenden Text möchte ich mich mit dem Thema der Entwicklung der Kinder unserer Zeit auseinandersetzen, mit dem speziellen Augenmerk auf die Beeinflussung, die durch das ständige Ausgesetzt sein des Fernsehers ausgeht. Ich werde der Frage nachgehen, inwiefern der tägliche Konsum des Mediums Fernsehen schädlich oder aber auch förderlich sein kann. Daraus ergibt sich für mich folgende Fragestellung die ich nun genauer bearbeiten möchte:

Inwiefern wird die Entwicklung des Kinder durch die ständige Präsenz des Mediums Fernsehen beeinflusst?“

Zuerst möchte ich die Faszination erklären, die für Kinder vom Fernsehen ausgeht und damit auch ihre Fernsehnutzung, bezogen auf die Verfügbarkeit und der Wahrnehmung in verschiedenen Altersstufen.

Weiters ist mir wichtig zu klären, wie Kinder die Welt die ihnen der Fernseher präsentiert wahrnehmen. Schwerpunkt in diesem Kapitel wird vor allem die Veränderung von Erfahrungen sein, die durch einen kurzen Einblick in die Abläuft des Gehirns gezeigt wird. Anschließend wird das Thema der Beeinflussung der Aufmerksamkeit behandelt. Hier erfährt man etwas über Entstehung und Auswirkungen des Aufmerksamdefizitsyndrom. Im Kapitel das die Gefahr von Fernsehen erläutern soll, stellt sich die viel diskutierte Frage inwiefern Fernsehkonsum die Gewaltbereitschaft beeinflusst und ob Vorurteile, die besagen, dass Fernsehen dick macht, stimmen.

Weiter geht es mit der Thematik der Schulischen Leistung und ob eine positive Beeinflussung des Lernens durch verschiedene Fernsehformate zu beobachten ist. Auch erscheint es mir in den letzten Kapiteln wichtig zu klären, inwiefern Fernsehen die Wirklichkeit verzerrt und abschließend, wie Fernsehen, das Spielverhalten des Kindes beeinflusst. Dieser Text soll dem Leser einen Überblick über die verschiedensten Aspekte des Fernsehens verschaffen um sich darüber bewusst zu werden, wie vielschichtig diese Thematik und dadurch auch die Beeinflussung unserer Kinder die von diesem Medium ausgeht ist.


2. Einleitung

Das Phänomen des Fernsehens gibt es bereits seit den 1930, seit den ersten Fernsehversuchssendungen. Doch die Entwicklung und Nutzung der Geräte hat sich seit diesem Zeitpunkt rapide und drastisch verändert. Während es bis vor 20 Jahren nur einige wenige Fernsehprogramme gab, zwischen denen man wählen konnte werden wir heute von mehreren hundert Sendern rund um die Uhr versorgt. Die Tatsache, dass fast jeder österreichische Haushalt mindestens ein Fernsehgerät besitzt wirkt sich natürlich auch auf die Nützung des Fernsehens durch Kinder aus, denn ein eigenes Gerät lässt den Fernsehkonsum deutlich nach oben steigen. Einflüsse die wir als junge Menschen erfahren prägen uns das ganze Leben lang.

Die Auswirkung von Bildschirmmedien betrifft daher in erster Linie Kinder und Jugendliche. Kinder werden bereits sehr früh an den Bildschirm gewöhnt. Die Wirklichkeit die über das Fernsehen vermittelt wird entspricht jedoch nicht der Wirklichkeit. Der Bildschirm ist flach, riecht nicht, schmeckt nicht und lässt sich auch nicht anfassen. Anhand von einigen ausgewählten Schwerpunkten werde ich nun Einblick in die verschiedene Thesen und Standpunkte der empirischen Forschung geben.


2.1. Die Faszination Fernsehen

Kinder verbringen ihre Freizeit anscheinend liebend gerne damit, indem sie stundenlange auf den Bildschirm starren, doch was genau ist es nun, dass Fernsehen nicht nur für Kinder so spannend erscheinen lässt? Genau wie Erwachsene wollen Kinder beim Fernsehen abschalten können und sich entspannen. Es ist eine einfache Unterhaltung bei der man sich nicht anstrengen muss. Statt sich selber Spiele auszudenken, kann man anderen einfach dabei zusehen. Kinder bekommen Einblicke in die Lebenswelt von Erwachsenen, sowie von anderen Kindern und damit eröffnen sich ihnen neue Erfahrungsräume.

Fernsehen bietet Kinder Identifikationsmöglichkeiten. Sie lernen sich dadurch in ihrer eigenen Welt, sowie auch in der Welt der Erwachsenen zu orientieren. Das Fernsehen wird also genutzt um in eine andere Welt abzutauchen, um Langeweile, Frustration und Schwierigkeiten des Alltags zu entfliehen.


2.2. Fernsehnutzung von Kindern

In diesem Kapitel möchte ich klären, wie sich die Fernsehnutzung von Kindern entwickelt und zu welchem Zweck Kinder fernsehen. Fernsehen ist für Kinder leicht verfügbar, es gibt kaum noch einen Haushalt der nicht über einen Fernseher verfügt, in vielen Fällen steht das Zweitgerät sogar im Kinderzimmer, was dazu führt, dass Kinder mit eigenem Fernseher den Fernsehkonsum erhöhen, da meist auch Eltern weniger Kontrolle über das Fernsehverhalten ihrer Kinder haben.

Ab dem zweiten Lebensjahr scheinen Kinder einen mehr oder minder geregelten Fernsehkonsum zu haben. In diesem Alter sind Kinder jedoch noch sehr schnell ablenkbar und wenden sich schnell anderen Dingen zu. Ab dem dritten Lebensjahr ist jedoch eine gezielte Beobachtung des Fernsehers festzustellen. (Manfred Spitzer, 2005, S.43) In diesem Alter haben sie bereits feste Sehzeiten und auch Spartenkenntnisse, in denen sie zum Beispiel Filme von Werbung gezielt voneinander unterscheiden können.

Doch Kinder sehen nicht nur Sendungen die für Kinder geeignet sind. Dies geschieht aus unterschiedlichen Gründen, denn wenn der Fernseher läuft sehen Kinder mit, oder Eltern nehmen sich einfach weniger Zeit für ihre Kinder und der Fernseher wird als Babysitter eingesetzt, der die Kinder stundenlang ruhig halten kann. Außerdem interessieren sich Kinder grundsätzlich für die Erwachsenenwelt. Generell kann man sagen, dass das Fernsehen vorwiegend zu Unterhaltungs- und deutlich seltener zu Informations- oder zu Bildungszwecke genutzt wird.


3. Wie nehmen Kinder Fernsehen wahr, wie verarbeiten sie Inhalte?

3.1. Erfahrung


Erwachsene und Kinder nehmen Fernsehen unterschiedlich war. Auf welche Weise werde ich nun genauer erklären. Das Wissen wie man einen Fernseher einschaltet gehört bereits für Kleinkinder zur Selbstverständlichkeit. Erfahrungen die man am Bildschirm macht unterscheiden sich jedoch drastisch von den Erfahrungen der Wirklichkeit.

In der Erwachsenenwelt ist es egal wann und woher Bild und Ton kommen, da man auf seine Erfahrung zurückgreifen kann, bei Kindern ist dies jedoch anders. Um verstehen zu können wie die kindliche Entwicklung, vor allem die Entwicklung des kindlichen Gehirns verläuft sind grundlegende Kenntnisse über die Funktionen der Synapsen im Gehirn notwendig. Synapsen sind Kontaktstellen zwischen Nervenzellen und anderen Zellen. Ihre Funktion ist es elektrische Impulse an die Nervenzelle weiter zu leiten. Dies kann jedoch in verschiedener Stärke geschehen. Je nach Erfahrung eines Organismus kommt es an einer Synapse zu einer Verstärkung als auch zu einer Abschwächung der Verbindung. Viele einzelne Erlebnisse die in eine Richtung gehen führen dazu, dass bestimmte Synapsen verstärkt werden. Es entstehen Muster, die im Gedächtnis bleiben.

Je mehr Erfahrungen ein kleines Kind macht, desto mehr und desto deutlichere Spuren bilden sich in seinem Gehirn. Im Gegensatz dazu hinterlassen einzelne, zufällige Erfahrungen keine Spuren, denn es wäre für unser Gehirn nicht sinnvoll sich jede kleine Einzelheit die wir erleben zu merken, das heißt also, das Gehirn merkt sich Allgemeines.

Babys verbinden bereits mit einem halben Jahr Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken miteinander. Sie beginnen Objekte und Szenen zu erkennen, damit das jedoch geschehen kann müssen sie Erfahrungen mit diesen machen, denn dadurch nehmen sie Realität erst wahr. Beispielweise muss ein Kind wissen wie schwer ein Gegenstand ist um ihn richtig aufheben oder werfen zu können. Doch genau hier liegt das Problem mit der virtuellen Realität die der Bildschirm darstellt, denn solche Kenntnisse können durch ihn nicht vermittelt werden. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Geräuschkulisse die vom Fernseher ausgeht. Für ein Kind ist es schwierig zu erkennen welches Ereignis zu welchem Geräusch führt, da meistens die Geräuschkulisse sehr hoch ist, bzw. das Geräusch an sich nicht von dem Objekt selber sondern von einem Lautsprecher, der irgendwo anders positioniert ist kommt.

Bildschirmerfahrungen stellen damit also eine Verarmung der Erfahrungen eines kleinen Kindes dar. Erwachsene gehen mit den beschriebenen Problemen anders um, da sie bereits aus ihrer eigenen Erfahrung schöpfen und Gegenstände und Geräusche richtig in Verbindung bringen können.


3.2. Aufmerksamkeit

Die Wahrnehmung der Welt hängt von unserem Aufmerksamkeitssystem ab. Doch es gibt auch viele Kinder die Aufmerksamkeitsstörungen aufweisen. Je nach Schätzung sind 4-12% aller Kinder betroffen. Die Frage die sich nun stellt ist jene, ob Fernsehen ein Auslöser dieser Tatsache sein könnte.

Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, auch ADS genannt oder auch beim gleichzeitigen Vorliegen von Hyperaktivität, ADHD (attention deficit hyperactivity disorder). Häufig wird angenommen, das ADS nur eine Modekrankheit ist, doch Untersuchungen an eineiigen und zweieiigen Zwillingen zeigen, dass die Gene ebenfalls eine Rolle in der Ausprägung der Krankheit spielen. Neben dieser biologischen Tatsache gibt es jedoch auch Entwicklungsfaktoren, die auf die Aufmerksamkeit einwirken. Man geht heute davon aus, dass die Fähigkeit der Steuerung der Aufmerksamkeit in Wechselwirkung von Genetik und Umwelt steht. Dies lässt sich anhand eines Beispieles verdeutlichen: in der Steinzeit hatte derjenige der sich leicht durch Geräusche ablenken ließ und dadurch jederzeit bereit zur Flucht war, bessere Überlebenschancen als jener der sich auf eine bestimmte Sache konzentrierte und damit Gefahren die von einer anderen Seite lauerten leicht übersah. Heute ist es eher umgekehrt, das Kind, das sich nicht gezielt auf eine Aufgabe konzentrieren kann hat heute schlechte Karten in der Schule.


Ein Zusammenhang zwischen Fernsehen und Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom wurde zwar schon früh vermutet, man sprach von „Überstimulation“, doch Beweise kamen erst im Jahre 2004 durch die Studie der Amerikanischen Wissenschaftler der University of Washington in Seattle zustande. Durch Daten einer Längsstudie die bereits im Jahre 1979 erhoben wurden, jährlich einmal wiederholt wurde und sich mit der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen befassten. Ergebnis war, dass Kinder im Alter von knapp zwei Jahren durchschnittlich ungefähr zwei Stunden fernsahen und im Alter von knapp vier Jahren 3,6 Stunden. Ergebnis dieser Studie war, dass die Wahrscheinlichkeit an ADS zu erkranken mit dem Fernsehkonsum anstieg. Dadurch, dass die Kinder im Alter von ungefähr zwei und vier Jahren auf ihren Fernsehkonsum getestet wurden und die Untersuchung wegen ADS erst im Alter von sieben Jahren stattgefunden hatte konnte man den umgekehrten Zusammenhang des Ergebnisses ausschließen, dass die Kinder mit ADS einfach lieber fernsahen.

„Bildschirme liefern eine flache, verarmte Realität , insbesondere dann, wenn der Benutzer die Welt noch nicht kennt und Objekte oder Szenen beim Betrachten eines Bildschirms eben gerade nicht ständig aufgrund von Vorerfahrungen ergänzen kann. Daher sind Bildschirme für kleine Kinder eher schädlich, unabhängig vom gerade dargebotenen Inhalt- wegen der Form der durch sie gelieferten Erfahrungen.“ (Spitzer, Manfred: Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft S.90) Kinder sollten also ihre Erfahrungen in der Realität machen, denn schließlich sollen sie sich auch später in ihr zurecht finden und ihre Gesetzmäßigkeiten kennen.



4. Ist Fernsehen gefährlich? 

4.1 Beeinflusst Gewalt im Fernsehen unsere Kinder?


Immer lauter werden jene Stimmen die behaupten Gewaltdarstellung in Medien verstärkt die Gewaltbereitschaft in der Realität. Ab den 80er Jahren lässt sich die Entwicklung beobachten, dass Fernsehen gewalttätiger wurde. Da gewalttätigere Sendungen die Einschaltquoten erhöhten, nahm auch der Konkurrenzdruck unter den Anbietern stark zu. Die Diskussion inwiefern Mediengewaltdarstellung Kinder und Jugendliche beeinflusst nimmt verschiedenste Positionen an. Während die einen behaupten Gewalt in Fernsehen beeinflusst unsere Kinder negativ und ist maßgeblich und ist schuld an zunehmender Gewalt, behaupten andere, dass Kinder durchaus unterscheiden können zwischen Fiktion und Realität und die gezeigte Gewalt sich eher positiv darauf auswirkt um eigene Aggressionen abzubauen und daher kein Zusammenhang zwischen diesen beiden Phänomenen besteht.

Da diese Thematik sehr komplex ist möchte ich mich im speziellen mit den Theorien von Manfred Spitzer befassen, die er im Buch „Vorsicht Bildschirm“ im Jahre 2005 veröffentlich hat. Er geht, gestützt durch verschiedene Studien davon aus, dass zu viel Gewalt am Bildschirm durchaus eine negative Auswirkung auf Kindern erzielt.

Nicht nur Gewaltszenen selbst, sondern vor allem der Kontext in dem sie gezeigt werden wirken sich seiner Meinung nach auf Kinder ungünstig aus. Mehr als die Hälfte der Gewaltakte wird ohne Konsequenzen, wie etwa Schmerz oder Schädigung dargestellt. Auch ist es oft so, dass Gewalttäter erst zu Ende des Films bestraft werden, dies ist jedoch für das kindliche Gehirn zu spät um einen Zusammenhang erkennen zu können. Untersuchungen aus dem Jahr 2004 ergaben, dass in ungefähr 80% der Fernsehprogramme (öffentlich-rechtliche und kommerzielle Sender) Gewalt vorkommt. Durch diese hohe Rate an Gewaltszenen unabhängig vom Programm kommen viele Studien zu dem Ergebnis, dass es nicht darauf ankommt was man sieht, sondern vor allem wie viel man sieht. Im Einzelnen führt Fernsehgewalt besonders dann zu vermehrten realen Gewaltakten, wenn Folgendes der Fall ist (nach Lukesch et al. 2004): Moralisch gerechtfertigte Gewalt, ein sympathischer Aggressor, Darstellung des Opfers als feige und hinterlistig, Gewalt im Kontext enger sozialen Beziehungen, Belohnung von Gewalt, Gewalt ohne Grund, sehr realistische Gewalt, große Ähnlichkeit zwischen TV-Täter und Zuschauer.

Der Grund warum man von objektiven Effekten von Medien sprechen kann ist der, dass sie auf Menschen ähnlich wirken. Unsere Vorerfahrung hat zwar Einfluss auf unsere Wahrnehmung doch sie bestimmt sie nicht völlig. Untersuchungen dazu gibt es von Hasson und Mitarbeiter (2004) die Probanden in einen Scanner legten und mittels des bilderzeugenden Verfahrens der funktionellen Magnetresonanztomographie nachwiesen, dass Gehirne beim Sehen eines Films auf sehr ähnliche Weise reagierten. Die Analyse der Daten ergab, dass verschiedene Menschen auf verschiedene Stimulationen eines Films auf ähnliche Weise reagieren.

Kinder lernen sehr schnell, sie lernen vor allem von erlebten oder gesehenen Beispielen. Sie lernen erst etwa ab dem achten Lebensjahr zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden und vor allem Zeichentrickfilme und Comicsendungen sind voll von Gewalt. Während ein sechsjähriger zum Beispiel eine Szene, in einem lustigen Film sieht in der ein Mann mit dem Rad stürzt und nur schwer wieder aufstehen kann, als Angst einflößend empfindet, weil es sich an eine ähnliche Situation mit dem Vater erinnert in der er Angst hatte empfindet man die gleiche Szene als Erwachsener als unterhaltsam. Grundsätzlich sollte man dieses Thema nicht unterschätzen, trotzdem denke ich, dass nicht jeder, der gerne vorm Fernseher sitzt zwingend zum Gewalttäter werden muss.


4.2. Gesundheitliche Folgen: Macht Fernsehen dick?


In dem folgenden Kapitel werde ich mich mit dem Thema der Gesundheit bzw. den gesundheitlichen Problemen die durch zu viel Fernsehkonsum entstehen können widmen. Bereits vor 20 Jahren wurden erste Untersuchungen gemacht inwiefern Fernsehkonsum und Körpergewicht im Zusammenhang stehen. Unter dem Titel „Do we fatten our children at the televisionset?“ (Dietz & Gortmarker 1984,1985) wurden Daten von ca. 7.000 Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren gesammelt und sechs Jahre später ausgewertet. Die Datenerhebung erfolgte zu verschiedenen Zeitpunkten, sodass ein Vergleich nicht nur im Querschnitt sondern auch im Längsschnitt möglich war. Auch unter Berücksichtigung verschiedener Variablen, die das Ergebnis beeinflussen hätten können war die Antwort auf die Frage ob Fernsehen dick macht eindeutig „ja“. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl solcher Studien (vgl. Ludwig & Gortmarker 2004) die zu einem ähnlichen Ergebnis kommen.

Ebenfalls wurde der umgekehrte Fall untersucht: die Auswirkung des Fernsehkonsums auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein zuvor übergewichtiges Kind zu einem normalgewichtigen Jugendlichen heranwächst. Hierbei fand man jedoch durch die geringe Anzahl der Fälle in denen dies eingetreten war keinen statistischen Zusammenhang. Doch nun stellt sich die Frage, warum macht Fernsehen dick? Eine Theorie besagt, dass die Zeit, die man vor dem Bildschirm verbringt nicht mit sportlichen Aktivitäten verbringt. Das überraschende Ergebnis von Studien (vgl. Robinson 2003) ergab, dass es bereits ausreichend war den Fernsehkonsum von Kindern einfach nur einzuschränken um eine Gewichtsreduktion zu erreichen. Die Vorgabe diese Zeit mit Sport auszugleichen war nicht nötig, denn Kinder die an dem Programm teilgenommen haben nahmen einfach wesentlich weniger Mahlzeiten auf, die sie sonst vor dem laufenden Fernseher eingenommen hätten. Dies führt zu einer weiteren These: Die Annahme, dass Fernsehkonsum die Essgewohnheiten in eine ungünstige Richtung beeinflussen. Studien stellten unabhängig voneinander fest dass es einen Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum und Kalorienaufnahme gab. Wer vor dem Fernseher sitzt isst also mehr und nimmt deswegen zu. Übergewicht alleine stellte zwar schon einen Risikofaktor dar, ist jedoch auch Auslöser für weitere Risikofaktoren wie etwa ein erhöhter Cholesterinspiegel, erhöhter Blutzuckerspiegel oder erhöhter Blutdruck.



5. Schulische Leistung

Eine weitere wichtige Frage die sich zu Thematik der Beeinflussung durch Fernsehkonsum stellt ist, ob und inwiefern die schulische Leistung der Kinder beeinflusst wird. Zu den Anfangszeiten des Fernsehens ging man noch davon aus, dass dieses Medium zur Verbesserung der Schulischen Leistung führen könnte, doch es gibt einen negativen Zusammenhang zwischen der Zeit die vor dem Fernseher verbracht wird und Schulnoten. Man könnte aber auch vermuten, dass dieses Ergebnis auf indirekte Weise zustande kommt, dass die schwächere Leistung der Kinder die viel fernsehen auch dadurch bedingt ist, dass sie etwa aus eher sozial schwächeren Schichten stammen. Es könnte also ein Scheinzusammenhang sein, indem schlechte Schulleistung nur scheinbar die Folge von einem hohen Fernsehkonsum ist.

Auch könnte man vermuten, dass Kinder mit eher niedrigerem Intelligenzquotienten dazu neigen, mehr fernzusehen, oder dass Kinder die ungern lesen, weil es für sie anstrengend ist, lieber den Fernseher einschalten. Um sich dieser Frage zu stellen wurden umfangreiche Untersuchungen von Myrtek und Scharff im Jahr 2003 erhoben. Dazu wurden 233 Kinder und Jugendliche untersucht. Es wurden nicht nur psychologische Variablen erhoben, sonder auch psychophysiologische, wie etwa der Puls. Durch diese zwei Variablen war es möglich die körperliche, geistige und emotionale Beanspruchung der Probanden zu untersuchen. Durch ein mobiles Datenerfassungssystem wurden sie etwa alle 15 Minuten daran erinnert, kurz ihr Befinden und ihre aktuelle Tätigkeit zu beschreiben. Durch diese Untersuchung konnte man den Alltag von 11 bis 15-Jährigen bestimmen.

Die Ergebnisse besagten: Wer viel fernsieht bewegt sich weniger und wählt dabei eher kommerzielle Sender. Mehr Fernsehen führt zu schlechteren Noten in Deutsch, doch vor allem wirkte sich viel Fernsehen auf das Sozialverhalten der Kinder aus. Vielseher führten weniger Gespräche, trafen sich weniger oft mir Freunden. Im Gegensatz zu der Behauptung, dass Kinder fernsehen müssten um nicht zum Außenseiter zu werden ist es eher der Fall, dass Kinder erst durch das Fernsehen zum Außenseiter werden, da sie weniger Sozialkontakte wahrnahmen.

Auch Studien zur Lesekompetenz wurden gemacht, denn es gab Hinweise auf eine negative Beziehung zwischen Fernsehkonsum und Lesefähigkeiten. (vgl. Marco Ennemoser, 2003) Die Datenerhebung von 332 Kindern fand in den Jahren 1998 bis zum Jahr 2003 statt. Aufgrund der Daten wurden die Kinder, die zu Beginn der Untersuchung im Alter zwischen sechs und acht Jahren alt waren, in drei Gruppen geteilt. Wenigseher hatten einen Fernsehkonsum von etwa 20 Minuten am Tag, Normalseher ungefähr eine Stunde und Vielseher mehr als zwei Stunden. Alle Kinder lernten zunehmend besser Lesen, doch Kinder die der Gruppe der Vielseher angehörten erzielten einen schlechteren Fortschritt, als jene, die weniger fernsahen. In dieser Studie stellt sich also ein deutlich negativer Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum und Leseverhalten dar.

Vielleicht um genau von diesem Image weg zu kommen, dass Fernsehen für Kinder schlecht ist und Eltern daher darauf achten sollten, dass nicht zu viel Zeit vor dem Gerät verbracht wird kommen momentan immer mehr Kinderwissenssendungen auf dem Markt. Denn die Frage stellt sich: wenn schon fernsehen, wieso dann nicht auch gleich was dabei lernen?


6. Inwiefern können Fernsehformate Lernen fördern?

Wissenssendungen für Kinder gibt er momentan viele. Ziel dieser Sendungen ist es spannende Fragen zu verschiedenen Themen kindgerecht zu erklären. Die verschiedensten Arten von Sendungen werden präsentiert, einerseits zur Förderung der Kreativität, zum Erlernen von Naturwissenschaften oder zum Verstehen der Erwachsenenwelt. Auch Kindernachrichten, in denen Kindern das aktuelle Tagesgeschehen auf vereinfache Weise erklärt wird fallen in diese Kategorie. So können etwa schon Achtjährige zu Experten des außenpolitischen Geschehens werden. Kinder erlangen auf diese Weise Einblicke in Geschehnisse die ihnen vielleicht ansonsten verborgen geblieben wären, oder die ihnen nicht einmal Erwachsene hätten erklären können. Auch entwickeln sich dadurch neue Fragen mit denen sie sich beschäftigen können.

Kinder lernen gerne und schnell, vor allem Sachen die sie interessieren, so kann zum Beispiel die Produktion eines Schokoladenosterhasen wesentlich spannender sein, als Lerninhalte die Erwachsene für wichtig halten. Wieso sollte man das Interesse der Kinder also auch nicht ausnützen um ihnen die Funktion der Welt etwas näher zu bringen? Ich denke, dass Wissenssendungen vor allem für Kinder sehr spannend sein können und auch für besorge Eltern einen guten Kompromiss darstellen und sie nicht das Gefühl haben, dass ihre Kinder ihre Zeit nur sinnlos vergeuden.


7. Verzerrte Wirklichkeit- Fernsehen als Ersatzwelt

Doch wie nehmen nun Kinder die Wirklichkeit die ihnen gezeigt wird wahr? Die meisten Untersuchungen zur Unterscheidung bzw. Vermischung von Direktrealität und Medienrealität im Vorschulalter beziehen sich auf die kindliche Vorstellung über Medienrealität, jedoch nicht auf die Veränderung von Realitätswahrnehmung durch Medien. Allerdings gibt es klare Hinweise, dass beide Aspekte miteinander verknüpft sind, denn Vorstellungen über Medien können die Verarbeitung von Medieninhalten beeinflussen. Zum Beispiel werden Fernsehbilder als realer wahrgenommen und in die eigene Realität mit einbezogen, wenn sie realistisch sein könnten. In diesem Fall wirken sich diese Bilder eher auf die Direktrealität aus, weil man sich mit ihnen identifizieren kann. Auch gibt es altersgemäß Unterschiede in der Wahrnehmung von Direktrealität und Medienrealität. Während ein Zweijähriger den Bildschirm berührt um seine Lieblingsfigur im Fernseher anfassen zu können, oder auch dahinter sieht, ob sie sich vielleicht dahinter versteckt, wollen Kinder mit zunehmenden Alter immer seltener die Personen am Bildschirm berühren. Wobei man auch beobachten kann, dass je früher Kinder zu fernsehen beginnen, desto früher hören sie mit dem Berühren des Bildschirmes auf.

George Gerbner ging in seiner Wirklichkeitshypothese davon aus, dass Fernsehen die Weltsicht von Individuen verzerrt. In Seiner Untersuchung bezogen sich Vielseher tatsächlich eher auf die Bildschirmrealität als auf die Direktrealität. Ergebnis war, dass das Weltbild des Probanden sich stark nach der Nützung des Fernsehers richtete. Diese Untersuchungen von Gebner wurden jedoch massiv kritisiert, da sie methodische Mängel aufwiesen, wie zum Beispiel, dass sie auf Drittvariablen keine Rücksicht nahmen. Die Kultivierungshypothese ist zwar nach wie vor umstritten, doch zeigen sich die stärksten Effekte im Gewaltbereich. In anderen Bereichen wie soziale Realität wie etwa der Verteilung der Geschlechterrollen sind die Kultivierungseffekte schwächer und im Bereich der normativen Wertung ließen sich keine systematischen Beziehungen zwischen Fernsehkonsum und Realitätsauffassung nachweisen. (Hawkins & Pingree 1982).

Die Zeit die Kinder vor dem Fernseher verbringen wir immer mehr, damit wächst auch das Einflusspotential des Mediums auf die Realitätskonstruktion. Wenn durch die Medien verbrachte Zeit weniger Direkterfahrungen gemacht werden können, dann ist es auch wahrscheinlicher, dass Medienerfahrungen zum Ersatz für Direkterfahrungen werden. Diese quantitative Ersatzhypothese wurde bereits überprüft. Wie aufmerksam sich ein Kind vor dem Fernseher verhält variiert auch stark mit dem Alter oder dem angebotenem Programm, dem sozialen Umfeld sowie auch mit dem vorhandenen Sielzeug im Raum. Doch auch wenn Kinder sich während eines Filmes gar nicht im Zimmer befinden, Spielen, sich Streiten oder mit anderen Medien umgeben gibt es dennoch Aktivitäten die sie währenddessen nicht machen können, wie etwa jene Aktivitäten die Konzentration erfordern, oder solche die im Freien stattfinden.



8. Spielen und Fernsehen

Da Kinder unglaublich gerne spielen und sich in ihre eigene konstruierte Phantasiewelt zurückziehen ist es wichtig zu klären, inwiefern das Fernsehen Einfluss auf das Phantasiespiel nimmt.Hierzu gibt es zwei gegensätzliche Hypothesen. Die Stimulationshypothese geht davon aus, dass das Fernsehen eine positive Wirkung erzielt, während die Reduktionshypothese der Annahme ist, dass ein negativer Effekt auftritt.

Das Phantasiespiel wird definiert als ein Spiel in dem das Kind die Grenzen überschreiten kann uns sich neue setzt. Das Kind kann vorgeben es sei jemand anders, Objekte bekommen eine andere Bedeutung, der Ort und die Zeit können sich verändern. Bei der Stimulationshypothese geht man davon aus, dass das Phantasiespiel durch das Fernsehen gefördert wird und eine Vielzahl von Ideen liefert der sich das Kind bedienen kann welche es in sein Spiel einbauen kann. Die Mehrzahl der Forscher geht jedoch davon aus, dass durch das Fernsehen das Fantasiespiel eingeschränkt wird.

In der Literatur werden hierzu fünf Hypothesen dargestellt die auf eine negative Wirkung des Fernsehens schließen lassen. 1.die Verlagerungshypothese: Kinder die einen großen Teil ihrer Freizeit vor dem Fernsehgerät verbringen, fehlt die Zeit um sie mit Phantasiespiel verbringen zu können. 2.Passivitätshypothese: das Kind in der Rolle des Zuschauers strengt sich nur gering geistig an und konsumiert nur die Phantasie die von jemanden anderen gemacht wurde. 3.Hypothese des hohen Tempos: das hohe Tempo des Fernsehprogramms macht es schwierig Bilder zu verarbeiten zu können. Dem Kind bleibt wenig Gelegenheit über das Gesehene nachzudenken. 4.Erregungshypothese: Fernsehen soll impulsives Verhalten und Hyperaktivität verursachen, dies geschieht durch die Erregung der Programme die sehr viel Gewaltinhalte zeigen. 5.Angsthypothese: geht davon an, dass die Gewalt die in Sendungen gezeigt wird das Phantasiespiel behindert, da Angst zu einem regressiven Verhalten führt.


Einige dieser Hypothesen fehlt jedoch die empirische Basis. Forschungen zu diesem Thema wurden meist mit Vorschulkindern durchgeführt, da die Form des Phantasiespiels in dieser Altersgruppe am meisten vorkommt. Es sprechen zwar wenige Anhaltspunkte dafür, dass das Phantasiespiel durch Fernsehen angeregt wird, jedoch mit Ausnahme der Sendungen die dafür gemacht wurden um das Phantasiespiel zu unterstützen. Wesentlich mehr Anhaltspunkte gibt es dafür, die darauf hinweisen, dass das Phantasiespiel dadurch eingeschränkt wird. Auch gibt es Hinweise darauf, dass gewaltfreie Kindersendungen das Phantasiespiel nicht beeinflussen. (Manfred Spitzer, 2005, S.132)



9. Fazit

Abschließend könnte man nach diesen Einführungen in die verschiedenen Aspekt des Fernsehkonsums sagen, dass Kinder durchaus durch Fernsehen in ihrer Entwicklung geprägt werden. Sei es nun in ihrer Wahrnehmung der Wirklichkeit, des erhöhten Risikos an ADS zu erkranken oder schlechtere schulische Leistung bei erhöhten Fernsehkonsum.

Doch man kann der potentiell negativen Wirkung durchaus entgegen wirken, indem die Fernsehzeit erstens begrenzt wird und zweitens das Programm sorgsamer ausgewählt wird. Vor allem das Thema der angeblich erhöhten Aggressionen die durch das Fernsehen verursacht werden schaffen es immer wieder in die Medien und sorgen für Aufsehen. Die Expertenmeinungen gehen an diesem Punkt weit auseinander.

Tatsache ist jedoch, das Fernsehen fest in unserer Kultur integriert ist, doch es ist wichtig zu wissen, wie man es am bestmöglichen damit umgehen kann. Meiner Meinung nach muss Fernsehen nicht unbedingt schlechte Auswirkungen haben, es kommt vor allem auf die Reflektion dessen an, was man sieht. Dennoch denke ich auch zweifellos, dass es für Kinder besser ist ihre Zeit mit anderen Kindern beim Spielen zu verbringen, als stundenlang auf den Bildschirm zu starren.



10. Quellennachweis:

Spitzer, Manfred (2005): Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft, Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart

Hoppe-Graff,Siegfried/Oerter, Rolf (2000): Spielen und Fernsehen - Über die Zusammenhänge von Spiel und Medien in der Welt des Kindes, Juventa Verlag Weinheim und München

Barthelmes, Jürgen (1999): Fernsehen und Computern in der Familie, Kösel-Verlag GmbH & Co., München

Aufenanger Stefan, Baacke Dieter, Lauffer Jürgen, Röllecke Renate, Gottenberg Hans-Joachim (1999): Gutes Fernsehen, schlechtes Fernsehen!?, KoPäd Verlag ,München