PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe3 - 09.11.

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Editha Grabner - Protokoll zur 3.Vorlesung vom Do 22.10.2009

Vortragender Prof. Dr. Gerhard Gotz


Nach einer kurzen Wiederholung der 1.Vorlesung von Prof.Gotz vom 15.10.2009 wird auf Basis der Aussage "Der Mensch handelt immer und er handelt als Gemeinschaft" folgende Frage gestellt:
WARUM handelt der Mensch?

Hier ergeben sich 2 Aspekte
A) Der Anstoss zum Handeln folgt aus den sinnlichen Trieben des Menschen, d.h. die tierisch-leibliche Seite ist dafür verantwortlich.
Der Mensch hat zum einen Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen. Zum andern fühlt er sich auch bedroht – durch sich selbst und durch die Umwelt. Daher muss er etwas unternehmen, um sein eigenes Wohl zu sichern.
"Leben ist immer lebensgefährlich".
B) Der Anstoss zum Handeln erfolgt aufgrund der Reflexionsstufen, in die der Mensch unweigerlich eingebaut ist.
Diese Reflexionsstufen beinhalten

  • Kräfte der Natur
  • Kräfte zwischen den Menschen
  • Normen
  • Ideologien, Weltbilder, etc.

Aufgrund dieses weiten Horizonts kann der Mensch nicht unmittelbar handeln. Der Mensch handelt immer aufgrund seines Wissens und seiner Reflexionen.
Körperliche Funktionen und Naturereignisse sind keine Handlung.
Der Zwang zur Handlung entsteht durch die Reflexion, der Mensch handelt nicht unmittelbar wie die Tiere. Der Mensch steht immer vor einer Wahl:
Wie, wann, wo werden Bedürfnisse befriedigt? Werden sie überhaupt befriedigt?

Daher gibt es eine Unzahl von Möglichkeiten. Wie werden diese bewertet und gereiht?
Sie dürfen nicht neutral nebeneinander stehen, das Kriterium der Auswahl wird der Zweck.
Beispiel: man möchte einen Fluss überqueren. In diesem Fall ist es nicht sinnvoll, Blumen zu pflücken (Anm. Autor: ausser man denkt beim Blumenpflücken über die unterschiedlichen Möglichkeiten nach ;-)).

Wir benötigen also einen "Handlungsgrund". Ohne Handlungsgrund ist es nicht möglich, aus den unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen.
Da es viele Möglichkeiten gibt, ist es nicht einfach, einen Zweck auszuwählen.
Beispiel: Aufstehen in der Früh -> in die Arbeit gehen oder Kaffe trinken oder Einkaufen, etc.
Genauso wie wir um die Möglichkeiten wissen, wissen wir auch um die Zwecke.
Jeder dieser Zwecke ist möglich, aber nicht notwendig.
D.h. Zwecke bilden eine Metaebene zu den Möglichkeiten.
Die Zwecke sind ebenfalls reflektierbar.
Damit können wir ins Unendliche gehen.
D.h. um aus den Handlungsmöglichkeiten auszuwählen, benötigen wir einen "wirklichen" Zweck.
Das Ich muss die eigene Wirklichkeit als Mass nehmen: wirklicher Wert -> Handlungsgrund. Das Ich ist aber nicht eindeutig sondern wieder in sich differenziert:
"Radikale Differenz" – das Ich steht auch in der Spannung "Unmittelbarkeit – Reflexion".

Wir betrachten daher beide Ansätze:
A)Unmittelbarkeit ist höchster Zweck
B)Reflexion ist höchster Zweck

A) Unmittelbarkeit ist höchster Zweck

Die Unmittelbarkeit hat als Ziel

  • möglichst viel Lust
  • möglichst wenig Unlust

Die Reflexion ist das Mittel, genau das zu erreichen. Dies führt zum Egoismus.
Ein Egoist ist sich selbst der höchste Zweck, alles andere sind nur Mittel (zum Zweck).
Egoismus soll das Maximum der Lust gewährleisten. Egoismus ist nur beim Menschen möglich, nicht aber bei den Tieren.
Egoismus fixiert den Menschen komplett auf sich selbst. Dies ist aber eine irreale Position, da sie von den anderen und der Aussenwelt nicht akzeptiert wird. So geht z.B. die Natur über den Menschen hinweg: da ist er wieder nur Mittel (siehe Mückenstich, Naturereignis). Aber auch für die anderen Menschen ist der Egoist wieder nur Mittel. Er weiss dies auch und ist sich seiner eigenen Endlichkeit bewusst.
-> der Egoismus kann nicht geradlinig geführt werden, er würde sich damit selbst schaden. Daher kann der Egoismus nur einen Teil des menschlichen Lustbedürfnisses befriedigen. Auch wenn der Mensch sich andere zum Mittel macht, er hat seinen eigenen Körper: dieser muss auch als Mittel verwendet werden. Das höchste Gut des Menschen ist vergänglich und wird durch den Egoismus auch sehr strapaziert.

B) Reflexion ist höchster Zweck

In diesem Fall bieten sich Ideologien/Gedankengebäude (wie Religion, Sozialismus, Kommunismus, Rassismus, etc.) als höchster Zweck an.

!!! Unterbruch durch Studenten, die zu Demo/Besetzung des AudiMax aufrufen !!!

Durch die Gedankengebäude werden "Axiome" aufgestellt, die geglaubt werden müssen. Das funktioniert dann, wenn diese Gedanken und damit die Axiome mit der Einstellung der "Gläubigen / Jünger" übereinstimmen. Dann werden auch die Lücken dieser Ideologien übersehen.

Mit den beiden Ansätzen A) und B) ist aber klar, dass weder die Unmittelbarkeit noch die Reflexion der oberste Zweck sein kann. Daraus folgt, dass beide wieder nur mögliche Zwecke sind!

Es ergibt sich daher folgende Frage:
Stehen wir als Wissende dieser Problematik nicht bereits über der Problematik?
Die Spannung entsteht durch die Reflexion. Daher könnte man schliessen, dass das Wissen der höchste Grund ist. Das Wissen ist aber nur eine Seite der radikalen Differenz. Das Denken ist die Selbstreflexion der eigenen Endlichkeit. Damit eröffnen sich Möglichkeiten, das Denken relativiert alle möglichen Zwecksetzungen. Es schafft damit eine "negative" Freiheit, es schafft es nicht, selbst einen Zweck zu setzen.

Aber: wir sind in dieser Problematik nie stecken geblieben. Wir haben immer gehandelt und gewählt. Das ist ein Faktum, denn sonst gäbe es die Menschheit nicht.
-> es muss noch etwas anderes geben: WILLE.
Der Wille herrscht über das Denken und bestimmt, was wie lange reflektiert wird und wann das Reflektieren abgebrochen wird.
Das Handeln bleit somit immer riskant: auch darüber setzt sich der Wille hinweg. Argumente können willentlich abgebrochen werden.
Der Wille hat sehr wohl ebenfalls Reflexionen aber: er muss sich nicht an die Überlegungen halten.
Der Wille schlägt die Brücke in der radikalen Differenz.
Der Wille macht es auch möglich, zwischen unterschiedlichen Ideologien, Religion(en) , etc. zu wechseln.

Einige Fragen aus dem Auditorium. Davon eine: Was ist mit "Süchtig sein und nicht aufhören können"?
Antwort: Der Mensch befindet sich immer zwischen Reflexion und Unmittelbarkeit.

Der Wille verbindet beide in beide Richtungen.
Der Wille nimmt eine Festsetzung in der unendlichen Reflexivität vor.
Der Wille ist das Prinzip aller Werte. Dies wird meist übersehen und Handlungen werden auf den Körper, Gott, etc. zurückgeführt.
Wie sollen wir handeln?
Das ist tatsächlich eine philosophische Frage!
Der Wille hat die positive Kraft der Setzung.
Woran soll sich der Wille bei den Setzungen orientieren?
Wenn er selbst über allem steht, so muss er sehen/prüfen, ob er die Absolutheit ist.
Der Wille bewältigit jeweils die radikale Differenz, aber er setzt sie voraus. Der Wille macht nicht die Differenz.

  • der Wille ist endlich
  • der Wille ist nicht sein eigener Grund

-> Der Wille muss über sich einen Grund haben, denn sonst wäre er ratlos, unorientiert. Es gäbe keinen Ausweg.

-> Es muss einen höchsten Grund geben, der den Willen zu seinen Setzungen befähigt.
Diese Ebene muss dann alles einschliessen. Nur dann ist sie eine vollständige Sinngebung.
Es liegt ein absoluter Grund über allem.
Diesen zu erhellen ist die Aufgabe der Philosophie.
-> die Philosophie soll die Praxis sinnvoll gestalten.
Dadurch dass wir handeln, bestätigen wir, dass es einen absoluten Grund gibt. Philosophie muss schrittweise alle Ansprüche übersteigen (Meinung, Erfahrungswissenschaften, etc.). Dann muss/müsste sie zu universaler Einsicht kommen.
Der Anspruch an die Philosophie wendet sich aber auch gegen sie selbst.

Schlussaussage:
Die in den beiden Vorlesungen besprochenen Ebenen sind Philosophie. Haben wir die Argumente nachvollzogen, so haben wir bereits philosophiert. D.h. wir "sind bereits in der Burg". Philosophie muss methodisch betrieben werden.