PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe1 - 10.11.

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Maria Varga

- Protokoll

Vorlesung vom 5.11.2009 / Elisabeth Nemeth

1.) Anfangs vermittelte E.N. einen kurzen Überblick über ihre Biographie:

Klassische Ausbildung am philosophischen Institut in Wien Ab der Dissertation Hinwendung zum logischen Empirismus des Wiener Kreises (Wurzeln der analytischen Philosophie) unter dem Gesichtspunkt, inwiefern sich diese philosophische Richtung mit der kulturellen, politischen und sozialen Situation vereinbaren lassen.

Ernst Cassirer (Wissenschaft und Erkenntnis;

                 Verhältnis zur Welt; kulturelle 
                 Zusammenhänge)

Pierre Bourdieu (Homo academicus;

                 Anthropologie orientiert an der 
                 analytischen Philosophie)

2.) Überlegungen zur aktuellen Demonstration

E.N. erklärte die Situation in Anlehnung an den Text „Institutionalisierte Illusion: Forschung, Ausbildung und Bildung an de Universität“ aus dem Jahr 1996

Obwohl der Text nicht in allen Punkten auf die heutige Situation anwendbar ist, so besteht die Strategie, Einsparungen in der Bildung, der Lehre, soziale Leistungen gebunden an Mindeststudienzeiten, noch immer. Forschung bleibt auf der Strecke, UNI verschult.

Hinweise auf Texte von 1. Pierre Bourdieu – Soziologischer Blick auf Universität

                    und Gesellschaft

2. Immanuel Kant - Streit der Fakultäten 1798

Ad 1) Geisteswissenschaften befinden sich an der Uni in einer interessanten Zone.Sie stehen im Spannungsfeld zwischen anerkanntem und reproduzierbaren Wissen und neu zu generierendem Wissen. (altes Wissen muss oft in Frage gestellt werden – daraus resultieren Spannungen und Konflikte). In diesem Spannungszustand entstehen Rivalitäten.

Ad 2) Kant bezeichnet das als irreversiblen Spannungszustand der Fakultäten. Er beschreibt diesen Spannungszustand zwischen „unteren Fakultäten“ (kritische Kraft der Vernunft und „obere Fakultäten“ (gesellschaftliche Macht). Er sagt auch, Vernunft kann diesen Raum nicht dominieren.

Bourdieu sieht diesen Streit zwischen allen Fakultäten ausgetragen.

Message: 1. die Spannung muss herrschen 2. Haltung gegenüber den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften muss revidiert werden (soll kein Hort des freien Denkens sein, sondern die Spannung als interessant betrachtet werden) Gewünscht ist ein dezidiertes Nachdenken über Forschung, Reibungsflächen und Verwertbarem. Trennung von Lehre und Forschung ist problematisch.

Zu diskutieren: Personen mit akademischem Abschluss sind gesellschaftlich besser anerkannt. Wie sinnvoll sind Studien für die Gesellschaft, die keinen unmittelbaren ökonomischen Wert erkennen lassen?


Gerald Lederer

Fr. Prof. NEHMET beschäftigte sich nach ihrem Studium sehr viel mit dem logischen Empirismus des Wiener Kreises und dessen Forderung einer radikalen Umwälzung der Philosophie - der Fokussierung auf eine Naturwissenschaftlichkeit der Philosophie und damit einhergehend die Forderung einer strengen, formalen Logik. Somit liegt ein Interessensschwerpunkt bei der analytischen Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts bzw. deren Begründern- Frege, Russel, Wittgenstein sowie dem Wiener Kreis. Besonders widmet sie sich der Frage, wie eine derart theoretische Strömung in politische soziale Umstände eingebettet ist bzw. wieso sich gerade der Wiener Kreis als eine politische Gruppe verstand? In der Bearbeitung dieser Frage stößt Nehmet auf Ernst Kassierer, der ebenfalls Wissenschaftstheoretiker war und sich vor allem der Frage widmete, auf welche Art Wissen(schaft), Gesellschaft, Kunst und Kultur aufeinandereinwirken.

In letzter Zeit beschäftigte sich mit dem späten Ernst Tugendhat.

Artikel: Institutionalisierte Illusionen:

Sowohl damals als auch heute wird an Bildung eingespart, dh.: der ökonomische Druck auf Studenten UND auf Lehrende steigt:

- Studienbeihilfen und Mitversicherung bei Eltern nur mehr in Mindeststudienzeit. - Einsparungen auf dem Bereich Lehre. - Externe Lehrende werden gestrichen + Interne müssen mehr Lehren - dadurch haben auch interne weniger Forschung

Primärlit. für ihren Artikel: „Homo Academicus“ von Bourdieu: Großangelegte soziologische Studie zum höheren Bildungssektor und der Universität, als sozialer Raum in der Gesellschaft. (bis zum Jahr 1968 um die Entstehung der Bewegung zu verstehen) „Streit der Fakultäten“ von Kant.

Aufgaben der Universität:

Institution höherer Bildung Reproduktion von anerkanntem Wissen: Faktenwissen (kleiner Teil) Haltungen und Fähigkeiten (ausgewiesenes Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt gilt es als Student zu übernehmen) Absolventen sollen bereit sein, die erworbenen Fertigkeiten in andereren uniexternen Bereichen anzuwenden. , die Ordnungen und Strukturen dieses Wissens in ihren Handlungen zu personifizieren.

(Jus und Medizin mehr aber nicht völlig dieser Legitimation verschrieben)

Institution wissenschaftlicher Forschung Produktion von neuem Wissen

(Mathematik, Naturwissenschaften mehr aber nicht völlig dieser Legitimation verschrieben)

-> Spannung, weil die Anforderung für neues Wissen das Verwerfen von einzelnem alten/anerkannten Wissen impliziert. Jedes Individuum (Akteur) ist mit dieser Spannung konfrontiert.

Einzelne genannte Fakultäten tendieren eher zu einem dieser zwei Orientierungen. In der Mitte befinden sich Geistes-/Kultur-/Sozialwissenschaften, die über die relativ ausgeglichen sind.

Nach Kant: die erste Aufgabe ebenfalls Reproduktion : jus, med, theol.  Prediger Rechtsbeamte, Ärzte

untere Fakultäten (Philosophie) sollen durch einwürfe und Kritiken gegen Geschäftsleute des Wissens (obere Fak. (Jus, Med, Theol.)) vorgehen. Obere kann Macht über die Gesellschaft ausüben.

Die untere Fak. verschreibt sich der Autonomie der Vernunft und soll obere zügeln.

 Spannung da es ein Ungleichgewicht gibt: Obere versucht die Untere loszuwerden.

1996 und jetzt: Forderung: freie Bildung ohne ökonomische Verwertbarkeit nach der Absolvierung, ohne Begrenzung Nemeth:  Illusion.

Heute: Uni soll so sein wie diese Spannung es beschreibt und nicht Raum von freiem Denken, über die Grenzen der Ökonomie hinweggehender Ort,...

Die Einsparungen aber greifen die Reproduktion an. Forschung und Lehre bilden mittlerweile zwei versch. Sparten der Universität. Es ist nicht mehr so, dass Forschund und Lehre Hand in Hand gehen.  Spannung fehlt


Laura Aricochi

Protokoll zur Ring-VO am 05.11.2009

Aufgrund der aktuellen Protestaktionen auf der Uni, gestaltet Elisabeth Nemeth ihre Vorlesung aktualitätsbezogen. Sie beginnt dabei mir ihrer persönlichen Laufbahn und ihren Interessen. Sie begann ihre Laufbahn mit einer klassischen Ausbildung und interessierte sich in den 20er Jahren für den logischen Empirismus, wo der Wiener Kreis sehr bedeutungsvoll war. Der Wiener Kreis beschäftigte sich mit sehr abstrakten Fragen, so z.B. warum diese philosophische Gruppe sich so politisch verstanden hat. Auch hat sie sich sehr mit empirischen Wissenschaften beschäftigt und stellt sich weiter die Frage, wie eine so theoretische Philosophie in einen kulturellen, sozilogischen und politischen Kontext eingebettet werden kann. 1996 hat Nemeth einen Artikel geschrieben und sie verglich die damalige Situation mit den heutigen Protestbewegungen. Damals war der Grund das Sparpaket der Regierung und folglich die Bedingungen für die Studenten, welche Studienbeihilfe nur in der Mindeststudiendauer bekamen und die Anzahl der Studierenden immer größer wurde, die Anzahl der Professoren jedoch die selbe blieb. Auch damals betraf das Problem dieselben Studienrichtungen welche es auch heute noch sind. Grundlage für ihren Artikel waren die Texte „Homo Academicus“ von Bourdieu, eine Analyse aus den 60er Jahren in Frankreich und „Streit der Fakultäten“ von Kant.

Pierre Bourdier war ein französischer Philosoph und Soziologe, der in einer Studie einen Blick auf die Universität als sozialen Raum machte. Diese Studie ergab, dass die geisteswissenschaftlichen Fächer eine interessante Zone einnehmen, weil sie in einem Spannungszustand zwischen 2 Aufgaben, die sich überlappen stehen. Diese beiden Aufgaben sind: 1. Reproduktion von anerkanntem Wissen: d.h. in der Weitergabe von Wissen werden mehr Dimensionen von Kenntnis vermittelt und es wird eine bestimmte Haltung und bestimmte Fähigkeiten eingehalten. Die Funktion außerhalb der Universität dieser Aufgabe, liegt darin, dass Absolventen ihre Kenntnisse in gesamtgesellschaftlichen Aufgaben anwenden können. Solche Studien wären z.B. Jus oder Medizin. 2. Produktive Funktion: neues wissenschaftliches Wissen hervorbringen, z.B. Naturwissenschaften und Mathematik Aus diesen 2 Aufgaben entsteht ein Spannungszustand, denn Neues stellt Altes in Frage, bzw. muss Altes über Bord werfen. Die beiden Bereiche sind folglich rivalisierend und können nicht in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen und in den Mitten, zwischen den beiden Aufgaben befinden sich dann die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften bei denen Wissen aus beiden Bereichen gesammelt wird.

Auch Kant hat in seinem Text „Streit der Fakultäten“ auf diesen Spannungszustand und auf die Ungleichheit auf den Unis aufmerksam gemacht. Nämlich einerseits die oberen Fakultäten (Medizin, Jus und Theologie), als reproduzierende Wissenschaften, die für das Wohl von Staat und Staatsdienern zuständig sind und eine gesellschaftliche Macht ausüben müssen und andererseits die untere Fakultät (Philosophie), welche Einwürfe für die oberen Fakultäten machen, ihr Wissen in Frage stellen und neue Erkenntnisse einbringen soll. Durch diesen Spannungszustand wird für Kant die Uni ein Ort des Streites um den Einfluss auf das Volk, wobei die Philosophie der „Gerichtshof der Vernunft“ ist und Kant sagt: „Habe den Mut, dich deiner Vernunft zu bedienen“ Nemeth kam dann zur Schlussfolgerung, dass es wichtig ist, dass an den Universitäten ein solches Spannungsverhältnis herrscht und dass vor allem die Reproduktion sehr wichtig ist, denn nur mit Standards kommt man zu Erneuerungen und Ausbildung ist Reproduktion von sozialer Ordnung, welche aber auch immer wieder in Frage gestellt werden soll. Heute herrscht dieser Streit nicht mehr nur zwischen den Fakultäten, sondern auch zwischen den einzelnen Individuen. Auch sollen die Geisteswissenschaften ihre Position als positive begreifen, denn der Spannungszustand ist produktiv, Forschung und Lehre sollen nicht getrennt werden, sondern es soll ein Spannungsverhältnis herrschen und immer wieder neu gestaltet werden. Darüber soll man sich in den aktuellen Protestaktionen auch Gedanken machen. Außerdem wäre es eine gefährliche Illusion, die Forschung der Gesellschaft und Ökonomie zu entziehen. Nemeth weiß deshalb nicht ob das Bologna-System sinnvoll ist, weil dort Reproduktion (vor allem im Bachelor) und Produktion (vor allem im Master) stark aufgeteilt und getrennt werden und somit das notwendige Spannungsfeld fehlt.


Steinwendner, Wolfgang

Zu Nemeth für 10. 11. 09

Aktualitätsbezogen nimmt E. Nemeth im Rahmen der VO zu den Forderungen der „Aktivisten“ Stellung. Stichworte: Ökonomisierung und Verschulung der Universitäten. Sie schickt voraus, dass sie zu einigen Schlagworten und Aussagen „quer liegt“.

Vorweg Curriculum Nemeth: Zunächst klassische Ausbildung (…Kant …Fichte …Hegel …Kierkegaard …Heidegger…), dann Hinwendung zum logischen Empirismus des Wiener Kreises, der ab den 20er Jahren hohen Stellenwert hatte, nach dem zweiten Weltkrieg zunächst an „Punch“ verloren und ab den 70er Jahren wieder an Bedeutung gewonnen hat.

Der Wiener Kreis (Wittgenstein, Mach, Bolzmann) orientiert Philosophie stark an den empirischen Wissenschaften - im besonderen an der mathematischen Logik - und steht damit gegen metaphysische Vorgaben. Damit verbunden die Fragestellung, auf welche Weise diese philosophische Richtung einen Beitrag zur politischen Aufklärung leisten kann. Seit den 80 Jahren ist die Fragestellung, „wie diese sehr theoretische philosophische Richtung in aktuelle kulturelle, soziale und politische Konzepte eingebunden werden kann“ zu einem wichtigen Forschungsfeld geworden. Etwa „Wie stehen Wissenschaft, Kultur, Religion zueinander“. In den letzten Jahren hat die philosophische Anthropologie an Bedeutung gewonnen (Tugendhat).

Nemeth leitet ihre Einschätzung der aktuellen universitären Situation von einem Artikel ab, den sie 1996 – einer damals ähnlichen Situation in Reaktion auf das Sparpaket der Regierung geschrieben hat. Der Artikel „Institutionalisierte Illusionen“ zur Ausbildung an den Universitäten ist in einer Fachpublikation erschienen.

Die damaligen Rahmenbedingungen: Sparprogramm; ökonomischer Druck für Studierende weil Bindung der Studienbeihilfe an Mindeststudienzeit; Anhebung der Zahl er Lehrverpflichtungen bei gleich bleibendem internem Lehrpersonal und mehr extern temporär enaggiertem Lehrpersonal. Daraus resultierende Verschulung. Dies galt damals vor allem für genau jene Studienrichtungen, um die es auch heute geht.

Nemeth hat ihrem Artikel zwei Texte zugrunde gelegt:

         a) Pierre Bordieu, „Homo Academicus“
         b) I. Kant, „Der Streit der Fakultäten“Der Artikel aus den 90er Jahren  hat aus ihrer Sicht in seiner Aktualität verblüffende Parallelen zur gegenwärtigen Situation. Dies gilt auch für ihre damaligen 
         c) Schlussfolgerungen Nemeth

Zu a) Bordieu: Die Studie von Bordieu unter soziologischen Gesichtspunkten geht über zwanzig Jahre und untersucht das franz. Bildungssystem bzw. den sozialen Raum Universität bis 1968.

Die Studie zeigt, dass die phil./ soziol./ geisteswissenschaftlichen Fächer eine besonders interessante - weil spannungsgeladene – Zone innerhalb der Universität sind.

 Auf der eine Seite des universitären Spektrums stehen Aufgaben (und Disziplinen), die vor allem durch Weitergabe

       ausgewiesenen Wissens Fakten, Fähigkeiten, Haltungen… wesentliche gesellschaftspolitische Bedeutung haben. Es sind dies 
       z.B. Jus, Medizin,… : Die Uni „produziert“ Individuen, die später (in der Regel) in gehobenen Funktionen für das Gelernte 
       einstehen sollen. Die Uni trägt folglich zur Reproduktion von Wissen im Interesse der Gesellschaft bei.

 Auf der anderen Seite des Spektrums stehen Disziplinen, die mehr produktive

       Funktionen haben, also mit der Produktion neuen Wissens befasst sind. Es sind dies     
       z.B. Naturwissenschaften.

Zwischen produzierenden und reproduzierenden Bereichen kann es rivalisierenden Situationen zwischen neuem Wissen und reproduziertem (höherem) Wissen, Werterhaltung kommen.

 Zwischen den beiden Polen des Spektrums ist dieser Spannungszustand besonders ausgeprägt: Es sind dies die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften wo Wissen aus beiden Richtungen gesammelt wird.

Zu b) Kant: Kant hat diesen Spannungszustand schon 1798 im „Streit der Fakultäten“ dargestellt. Er etikettiert vorrangig reproduzierende Wissenschaften wie Medizin und Theologie als

 obere Fakultäten, die geeignet sind, „Geschäftsleute des Wissens“ zu produzieren, die mit ihrem quasi gesicherten, von

       Staat und Kirche gesicherten Wissen in gehobenen Positionen das Wohl von Staat und Staatsdienern sicherstellen. Die 
       Gelehrten der oberen Fakultäten sind also der gesellschaftlichen Machtauübung verpflichtet.

Der gewollte, fruchtbare Spannungszustand entsteht mit den

 unteren Fakultäten, mit dem Gelehrtenwissen der Philosophen (Math.,

       Naturwissensch., Biologie). Sie sollen „Einwürfe machen“, - das Wissen der oberen
       Fakultäten in Frage stellen, neue Erkenntnisse einbringen.

Der Spannungszustand wird zu einem virtuellen Ort, wo in Wahrheit der Streit um den Einfluss auf das Volk geführt wird. Kant sieht in den unteren Fakultäten jene Instanz, die „Gerichtshof der Vernunft“ ist und sich unter dem Vorzeihen „Habe den Mut, dich deiner Vernunft zu bedienen“ aufklärend einbringt.

Zu c) Schlussfolgerungen Nemeth: Lebendige Universitäten brauchen nicht nur Autonomie sdn. auch den oben dargestellten Spannungszustand. Die reproduzierende Funktion der Universitäten ist von höchster Bedeutung, ohne Standards gibt es keine Erneuerung, es gibt keine Disziplinen ohne Reproduktion. Ausbildung ist Reproduktion der sozialen Ordnung, Ausbildung ist nicht nur an ökonomische Interessen (Wirtschaft) orientiert. Die von Bordieu dargestellte „mittlere Zone“ setzt Kants Aussagen im „Streit der Fakultäten“ in modernen Sinn um.


Aus dem Spannungsfeld heraus muss Richtung „Handelnde“ die „Reproduktion der sozialen Ordnung“ immer wieder von Grund auf in Frage gestellt werden („Streit“). Bordieu spricht von „sozialisierter Form der Vernunft“. Diese müsse an den Universitäten verankert sein. Dieser „aufklärerische Streit“ findet aber nicht nur zwischen produzierenden und reproduzierenden Fakultäten statt sdn. auch innerhalb der Fakultäten und sogar „innerhalb der Individuen“.

Besonders die Geistes- Kultur- und Sozialwissenschaften sollten „ihre Zone“ als besonders spannende Zone zwischen den beiden Polen erkennen im Sinne von a) was heißt es, Forschungsorientierung zu verstärken und b) was ist gesellschaftlich verwertbar. Für Lehrende und Forschende ist es gleichermaßen wichtig - dieses Spannungsverhältnis zu verteidigen und auszubauen - zu berücksichtigen, dass es keine Disziplin ohne Reproduktion gibt - sich dessen bewusst zu sein, dass es ohne Standards keine Erneuerung gibt

Die schon vor längerem (nicht erst Bologna, Bachelor) durchgeführte Trennung zwischen Studienprogrammleitung und Institutsleitung sieht Nemeth negativ (weil gegen die gewollte bzw notwendige Verbindung zwischen Forschung und Lehre).

stw

Buchberger, Agnes

Nach einem kurzen Überblick über ihre bisherige Laufbahn geht die Vortragende Elisabeth Nemeth auf Wunsch einiger StudentInnen auf die aktuellen Vorgänge an den Universitäten Österreichs ein. Wie sich bald herausstellt hat sie sich ohnehin schon seit längerem intensiv mit diesem Thema beschäftigt – sie engagierte sich u.a. bei den Protesten 1996 und ist auch generell universitätspolitisch eingebunden.

Sie weist die Studierenden gleich anfangs darauf hin, dass sie „das ganze Thema“ von einer etwas anderen Sichtweise angeht. Im Folgenden behandelt sie vor allem einen Text, den sie nach den Protesten 96 schrieb.


Zuerst betont sie einige Gemeinsamkeiten der Bewegung von 1996 und der jetzigen.

z.B. Ein zentrales Anliegen der Studierenden und Lehrenden damals wie heute stellt ihr Widerwillen gegen die Einsparungen der Regierung im Bildungssektor dar.

Anschließend geht sie auf die Studien Pierre Bourdieus („homo academicus“, 1984) ein. Sie meint, diese Studie ist für das Nachdenken über Universitäten höchst relevant. Im Folgenden erörtert sie die Gründe dafür.

Pierre Bourdieu stellt zwei große Aufgaben der Universität gegenüber: die Reproduktion anerkannten Wissens und die Produktion neuen Wissens. Diese beiden Ziele stehen sich in einem Spannungsverhältnis gegenüber. Daraufhin erläutert sie die damit verbundenen Probleme und Chancen.

Im Weiteren geht Nemeth auf einen Aufsatz von Immanuel Kant („Der Streit der Fakultäten“, 1798) ein. Das bereits erwähnte Spannungsverhältnis war schon bei ihm ein großes Thema.

Besonders wichtig hierbei ist es, zu bedenken, dass es nicht darum geht, sich für eine Seite zu entscheiden, sondern, dass eine lebendige Universität gerade auf diesem Spannungsverhältnis baut!


Während der Besprechung von Teilen ihres Textes von 1996 geht sie immer wieder auf die Relevanz für unsere jetzige Situation ein und erörtert anhand verschiedener Argumente, was sie von bestimmten Forderungen der Studierenden hält (bspw. „Freie Bildung für alle!“, „Bildung statt Ausbildung!“, „Mehr Geld für Lehrende!“, etc.).

Die anschließende Diskussion wird wohl lebhaft in den Übungen fortgesetzt werden.

Hannah Weinhardt

In Ihrer Vorlesung kam Prof. Nemeth der Aufforderung nach, in ihrer Vorlesung auf die laufenden Protestaktionen an der Universität einzugehen. Dazu wies sie zunächst auf ähnliche Protestaktionen im Jahr 1996 hin, an denen sie beteiligt gewesen war. Die Auslöser für den damaligen Unmut der Studierenden und Lehrenden waren die Koppelung der Mitversicherung für Studenten bei deren Eltern an eine Regelstudienzeit und die Einsparungen bei externen Lehrkräften, die zu einer Verschulung der Hochschulbildung führten. Auch die Betreuungsverhältnisse zwischen Professoren und Studenten wurden schlechter. Diese Problematiken sind zumindest teilweise mit den heutigen vergleichbar.

Rückblickend auf diese Zeit des Protestes schrieb Prof. Nemeth einen Bericht, in dem sie ausgehend von zwei Texten (Bourdieu - Homo academicus und Kant - Streit der Fakultäten) die Aufgaben und Strukturen universitärer Einrichtungen erörterte. Passagen dieses Textes mit Kommentaren zur heutigen Situation waren der Aufbau des Vortrages:

Bourdieu, der in seinem Werk die Universitäten in Frankreich als soziale Räume analysiert und dabei vorallem auf die Geschehnisse in den späten 60er Jahren eingeht, sieht in den Sozial- und Geisteswissenschaften einen besonderen Raum: In ihnen herrscht ein ständiger Spannungszustand zwischen der reproduktivem und produktivem Wissen. Die Universität hat wesentliche Aufgaben: Sie ist zum einen eine „Institution höherer Bildung“, was bedeutet, dass sie anerkanntes Wissen lehrt und die Studierenden dieses verinnerlichen und wiedergeben sollen. Zum anderen ist die Universität eine „Institution wissenschaftlicher Forschung“, also ein Ort an dem anerkanntes Wissen infrage gestellt wird und neue Erkenntnisse und Meinungen hervorgebracht werden. Hier entsteht ein politischer und sozialer Konflikt.

Auch für Kant wohnt dieser Dualismus dem Prinzip der Universität inne. Er wird noch konkreter und schreibt die Fächer Jura, Medizin und Theologie der „Institution höherer Bildung“, also der Seite des reproduzierenden Wissens zu. Diese Fachbereiche nennt er die „oberen Fakultäten“. Das Gegenstück dazu ist die „untere Fakultät“, die alle anderen Fachbereiche unter dem Begriff „philosophisch“ zusammenfasst. Die Vertreter der oberen Fakultät, werden im Streit um den Einfluss auf das Volk immer versuchen, die untere Fakultät zu unterdrücken. Während sie eine Art „Wissensmonopol“ haben, ist es die notwendige Aufgabe der unteren Fakultät, an die Vernunft zu appellieren, jeden Wissensanspruch zu hinterfragen und gegebenenfalls Rechtfertigung einzufordern. Sie hat eine ethische Funktion, ist gleichsam das „Gewissen der Wissenschaft“.

In den Geistes-, Kultur-, und Sozialwissenschaften ist das Ziel zunächst unklar, sie befinden sich in einem Raum in der Mitte, im Konflikt zwischen Anwendbarkeit und reiner Wissensproduktion. Genau hier jedoch, so Nemeth, liege die Stärke und das Potential universitärer Bildung. Dieses Spannungsverhältnis sei notwendig, um zu einer soziologisch verankerte Vernunft zu fördern. Bestand dieses Spannungsverhältnis zu Kants Zeit zwischen den Fakultäten, so sei es heute in jedem Institut, sogar in jedem Individuum vorhanden, denn jeder Studierende habe eine soziale und eine wissenschaftliche Verpflichtung.

Eine von Allgemeinnutz und ökonomischer Verwertbarkeit abgekoppelte Bildung ist für Nemeth eine gefährliche Illusion. Vielmehr solle man gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften das Spannungsfeld als eigentlichen Raum begreifen und sich nicht in „Freigeistlichkeit“ isolieren.

Clara Maier, Kim Dinh, Alexandra Vogt

„Methoden und Disziplinen der Philosophie Ring-Vo“ vom 5.11.2009, Prof. Nemetz

Elisabeth Nemeth charakterisierte Pierre Bourdieus Verständnis der Aufgaben der Universität (Grundlage Pierre Bourdieu: „Homo academicus“ 1988) und verglich damit Kants Ausführungen über diese Aufgaben (Immanuel Kant: „Der Streit der Fakultäten“ 1798).

Nach Bourdieu hat die Universität zwei in ewiger Spannung zueinanderstehende Aufgaben: die Reproduktion bekannten Wissens und die Produktion neuen Wissens. Alle Individuen an einer Universtät sind diesem Spannungsfeld unterworfen, jedoch unterschiedlich stark von den in Spannung stehenden Positionen betroffen. Einige Fakultäten (wie das Juridicum oder die Medizinische Fakultät) sind stark nach der Reproduktion, andere (Naturwissenschaften, Mathematik) stark nach Produktion ausgerichtet. Der erfüllt durch ihren Lehrauftrag gesamtgesellschaftliche Aufgaben.

Hier ist die Frage unvermeidlich, ob Universitäten wirklich nur als Lehranstalten ihre gesamtgesellschaftliche Aufgabe erfüllen, oder ob die Forschung nicht genauso berechtigt als der Gemeinschaft zuträglich gesehen werden kann.

Kant erkennt dieselbe Spaltung der Aufgabenbereiche der Universität, wobei für ihn neben Jura und Medizin auch die Theologie stärker im Bereich der Reproduktion tätig sind, während, wie auch Bourdieu feststellt, die Naturwissenschaften und Mathematik schwerpunktmäßig an der Produktion von Wissen arbeiten. Kant geht zusätzlich auf die besondere Rolle der Philosophie in dem Spannungsfeld an der Universität ein. Er bezeichnet die Philosophie als untere Fakultät, deren Aufgabe es ist, die Lehren der anderen, oberen Fakultäten (besonders der in der Reproduktion tätigen) in Zweifel zu ziehen. Die Philosophie als kritische Vernunft darf die Rechtfertigung jedes (!) Wissens vor der Vernunft einfordern. Kant betont auch die Ungleichstellung der Fakultäten an Universitäten, dass die Philosophie als einzige untere Fakultät mehreren oberen Fakultäten alleine gegenüber steht. Trotz dieser Ungleichstellung ist Kant aber der Meinung, dass das Spannungsfeld, wenn auch nicht ausgeglichen, dennoch wichtig für den universitären Raum ist, da die Vernunft ihrem aufklärerischen Auftrag innerhalb dieses Spannungsfeldes am Besten nachgehen kann.

Nemeth arbeitete zuletzt einige eigene Standpunkte bezüglich der Aufgaben von Universitäten aus:

Die Universität als von gesellschaftlichen Aufträgen losgelöste Institution sei eine Illusion, die den Blick für soziologische Vernunft verstelle.

Die Universität soll, wie von Kant und später Bourdieu beschrieben, als „Spannungsort“ gedacht werden, nicht als Freiraum für Bildung. Besonders sozialwissenschaftliche Fächer müssten ihr Selbstverständnis als „Hort für freie Bildung“ überdenken und ihre Position im Spannungsfeld konstruktiv nutzen. Die Reibungsflächen unter dem Gesichtspunkt welches ihres Wissens für die gesamte Gesellschaft nützlich ist neu untersuchen.

Lehrende und Forschende sollen das Spannungsfeld sogar aktiv fördern, die Umstrukturierung, wie sie jetzt statt findet, ist jedoch ein Angriff auf selbiges, die interdisziplinäre Vision werde aber auf Dauer nicht zu halten sein. Besonders soll das Spannungsfeld während der gesamten Dauer des Studiums präsent sein, die Bolognastruktur fördert jedoch eine sehr einseitige Aufteilung: stark auf Reproduktion gestützten ersten Teil des Studiums (Bachelor) und einen stark auf Produktion gestützten zweiten Teil (Master).


Fedja Pivodic

Ringvorlesung: Methoden und Disziplinen der Philosophie WS 09/10

5. Einheit am 5.11.2009: Elisabeth Nemeth:

In einer kurzen persönlichen Vorstellung zu Beginn des Vortrags, bezeichnet Elisabeth Nemeth ihre Ausbildung als sehr klassisch und erklärt ihr Interesse am logischen Empirismus des Wiener Kreises. Dabei war für Nemeth insbesondere die Frage, inwiefern diese philosophische Richtung mit der kulturellen, sozialen und politischen Richtung dieser Zeit zu tun hatte, von Interesse. Weiters gehören andere Wissenschaftsphilosophien zu ihrem Forschungsbereich, wie zum Beispiel die Philosophie Ernst Cassirers oder die Wissenschaftssoziologie Bourdieus. Der Artikel, den Nemeth darauf folgend skizziert erschien 1996 im Zusammenhang mit der damaligen Protestbewegung (Artikel zum Vortrag). Gemeinsamkeiten zwischen der damaligen Situation und heute waren die Tatsache, dass unter dem Vorzeichen des notwendigen Sparens auch an der Bildung gespart wurde. Auch damals gab es ein großes Anwachsen der Studierendenzahlen, wobei auch dieselben Fächer exakt die gleichen Probleme der schlechten Betreuungsverhältnisse hatten wie heute. Grundlage für den Artikel waren 2 Texte. Zum einen der Text „Homo Academicus“ von Bourdieu, bei welchem Nemeth verblüffte, dass eine Analyse aus Frankreich aus den 60er Jahren ihr maßgelblich helfen konnte, die Situation in Wien in den 90er Jahren zu verstehen. Der andere Text ist „Streit der Fakultäten“ von Kant.

Bourdieu

Es zeigt sich in dieser soziologischen Studie, dass die Fächer die wir als geisteswissenschaftlich bezeichnen, eine sehr interessante Zone innerhalb der Uni einnehmen. Allgemein gesagt befinden sie sich ein einem Bereich in dem 2 gegensätzliche Aufgaben die an die Uni gestellt werden, sich überlappen und einen Spannungszustand hervorrufen.

1. Reproduktion von anerkanntem Wissen:

In dieser Reproduktion werden bestimmte Haltungen und Fähigkeiten eingeübt und übernommen, die von der Institution vorgegeben sind. Die außeruniversitäre Funktion dieser Aufgabe liegt darin, dass Absolventen vorbereitet werden sollen hierarchisch höhere Positionen in der Gesellschaft einzunehmen.

2. Produktion von akademischem Wissen:

Die Universität ist beauftragt neues akademisches Wissen hervorzubringen. Das Hervorbringen von neuem Wissen bedeutet, dass Teile des schon vorhandenen Wissens in Frage gestellt und unter Umständen abgetreten werden müssen. Dies erzeugt ein Spannungsfeld gegenüber der ersten Funktion.

Innerhalb der Institution Universität, nimmt jede Person einen Platz ein und ist dadurch mit 2 rivalisierenden Prinzipien der Legitimation konfrontiert. Zum einen ist das Reproduzieren von anerkanntem Wissen ein Wert der aufrechterhalten werden muss. Zum anderem steht das Produzieren von neuem Wissen mit dem ersten in einer Konkurrenz. Die schafft einen Konflikt auf der Ebene der Akteure. Die beiden rivalisierenden Bereiche können lt. Bourdieu nicht in einem ausgeglichenen, ruhigen Verhältnis zueinander stehen. Bourdieu zeigt, dass für bestimmte Fakultäten, der soziale Wert des Wissens stärker zählt wie z.B. Jus und Medizin und dass für andere Fakultäten das Hervorbringen von neuem Wissen stärker zählt, wie z.B. Mathematik und die Naturwissenschaften. Die Legitimierung für das was auf den Fakultäten passiert, ist davon geprägt welchen Wert es für die Gesellschaft hat. In der Mitte, zwischen diesen beiden dominanten Legitimierungsprinzipien befinden sich die für uns interessanten Fakultäten, die geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Wissenschaften.

Zu Kants „Streit der Fakultäten“

Schon bei Kant ist die Universität durch eine Spannung zwischen diesen beiden Bereichen gekennzeichnet. 3 Fakultäten erfüllen für Kant insbesondere soziale Aufgaben. Das sind Jus, Medizin und Theologie. Diese 3 oberen Fakultäten stehen einer unteren gegenüber, der philosophischen Fakultät. Die Aufgabe der unteren Fakultäten ist es den oberen Einwürfe zu machen und das was die oberen weitergeben in Zweifel zu ziehen. Der Streit geht um den Einfluss auf das Volk, um die magische Kraft, die das Publikum und die Geschäftsleute des Wissens (die offiziell eingesetzten Gelehrten) dem gelehrten Wissen gerne beireden in Frage zu stellen. Kant macht auf ein Ungleichgewicht aufmerksam. 3 Fakultäten stehen einer gegenüber, die Obrigen der Unteren.

International kann in Europa eine starke Auseinandersetzung um die Uni beobachten. Wenn wir eine lebendige Uni wollen, können wir nicht nur sagen, dass wir die Kraft des Denkens brauchen, sondern es geht auch um die Aufklärung der Universität die sich in diesem Spannungszustand zeigt. Die Uni kann den Raum nicht dominieren, sie ist in der Rolle des Kritisierens und des in Zweifels ziehen, sie kann gesamtgesellschaftlich nur wirksam werden, wenn sie in den Raum in dem es um das reproduktive Wissen geht, Einspruch erhebt. Kant zeigt, dass es so etwas wie autonome Vernunft nur dann geben kann, wenn ein Raum existiert in dem die magische Wirkung des „magischen Wissens“ in Zweifel gezogen werden kann.

Aktuelle Entwicklungen

Es gibt eine eigentümliche Einhelligkeit von sehr unterschiedlichen Gruppierungen, die alle sagen, die Uni ist ein Raum von freier Bildung, die nichts mit den Motiven der gesellschaftlichen Verwertbarkeit zu tun haben und auch der ökonomischen Verwertbarkeit. Nemeth hält dies für falsch, denn Personen mit akademischem Hintergrund haben viel höhere Chance für eine superiore berufliche Laufbahn. Sie können in der Gesellschaftshierarchie höhere Plätze einnehmen. Nemeth hält dies auch für eine gefährliche Illusion. Auch die Personen die mit den reproduktiven Aufgaben der Gesellschaft ausgestatten sind, damit konfrontiert werden, dass die Weise wie Wissen erworben wird nicht gesichert ist, sondern von anderen Instanzen (untere Fakultäten) kritisiert und in Zweifel gezogen wird.

Nemeth will die Uni also in dieser Art denken, wo eine solche Spannung herrscht und nicht als Freiraum. Geisteswissenschaften sollen ihr Selbstverständnis revidieren. Sie sind kein Hort von freiem Denken, der ungestört von äußeren Einwirkungen neue Theorien entwickeln soll. Sie sollen ihre Position im Spannungsfeld zwischen den beiden Polen begreifen. Dieser Spannungszustand soll als der eigentlich Produktive verstanden werden.

Früher waren Forschung und Lehre vollkommen getrennt. Das ist ein völliger Gegensatz zu dem was nun überall steht, dass nämlich Forschung und Lehre überall verbunden werden. Bologna sieht in den ersten Jahren eine sehr starke Verschulung vor, wo es schwierig ist wie dieses Spannungsverhältnis sich auswirken soll. Nemeth weiß nicht ob Bologna besser ist. Die Studien werden auf 3 Jahre heruntergefahren und damit sinkt das allgemeine Niveau. Nemeth könnte sich vorstellen, dass Bologna in die reproduktiven Standards einführen soll und der Master dann in die produktive Funktion einführen soll. Sie ist also nicht sicher ob Bologna hält, was dann herauskommen soll, als Beispiel dafür nennt sie den heutigen Zugang zu wissenschaftlicher Literatur.

Diskussion

Nemeth sagt, dass eine falsche Ansicht ist zu sagen, dass Abschlüsse die nicht direkt ökonomisch verwertbar sind, keinen gesellschaftlichen Wert haben. Das was man an den Universitäten erwerben kann verleit einem die Fähigkeit sich an Positionen zu etablieren die gesellschaftlich sehr anerkannt sind.

Im Aufklärungsmodell steckt drinnen, dass eine Person die den akademischen Weg gegangen ist, jedenfalls eine Bereicherung für die Gesellschaft ist. Frage ist, ob eine Massenuniversität auch dasselbe leisten kann wie eine Uni im kantschen Sinne.

Das konfliktreiche Feld wird als geschützte Zone wahrgenommen in der man tun und treiben kann, was man will. Das ist lt. Nemeth eine falsche Sichtweise. Das Potential liegt ihrer Meinung nach gerade in dieser konfliktreichen Zone.


Hentschke Hannes, Baerwald Tom

Elisabeth Nemeth hat, wie auch Kusch es tat, eingangs einige frühere Interessensfelder und sich selbst vorgestellt. Sie führt den Philosophen und Soziologen Pierre Bourdieu als wichtige Figur und „Erwecker“ ihrer philosophischen Regsamkeit an und lässt sein Schaffen, speziell die Darlegungen in seinem Werk „homo academicus“, in ihren Vortrag einfließen. Sie bezieht sich auch auf Immanuel Kant der bereits 1798 die hybride Rolle der Institution Universität in „Streit der Fakultäten“ dargestellt hat. Anlässlich der momentanen Proteste an den Universitäten hat sich Nemeth dazu entschlossen, die von ihr gehaltene Veranstaltung, mit zugrundegelegten Gedankenmodellen von Bourdieu und Kant, unter dem Zeichen der derzeitig prekären Situation abzuhalten. Die Dozentin präsentiert ein Modell der Institution Universität, das sich nach Bourdieu und Kant als sozialer Raum innerhalb einer Gesellschaft etabliert und in einem auf sich rückbezogenem Spannungsverhältnis zur Öffentlichkeit steht. Der Spannungszustand kommt aus zwei Leistungen, die die Universitäten für das Gemeinwesen erbringen sollen, zustande. Auf der einen Seite sind die Universitäten dazu beauftragt Reproduktion von anerkanntem Wissen zu betreiben und unter die Menschen zu bringen, um somit die bereits bestehenden Normen zu stützen. Andererseits hat die Institution Universität auch die Aufgabe der produktiven Funktion nachzukommen, was bedeutet, dass gegen gelebte Erkenntnisse und Regeln aufbegehrt werden und produktive Kritik geübt werden soll. Zur besseren Nachvollziehbarkeit subtiler Verbindungen und der Vermehrung eigener Denkansätze zu komplexen Kopplungen zwischen Institution und breiter Öffentlichkeit ist es hilfreich die Modelle von Bourdieu und Kant als Basis heranzuziehen. Denen zufolge gibt es zwei rivalisierende Pole innerhalb der Universität, nämlich das Institut für wissenschaftliche Forschung als den einen Pol und als Gegensatz dazu das Institut höherer Bildung. Trotz des bestehenden Antagonismus der zwei Pole bestreben beide eine höchstmögliche Legitimierung ihrer Werte in der allgemeinen Umsetzbarkeit/Lebbarkeit deren Indikator die Zufriedenheit jedes Individuums ist. In der Bestrebung ein feinmaschiges, funktionierendes soziales Netz zu knüpfen, treffen und versöhnen sich die kontrahierenden Pole, um in Wechselwirkung ein akzeptables Miteinander aller Einzelpersonen zu gestalten. Das sieht nach Kant so aus, dass der dominantere Teil (Reproduktion anerkannten Wissens) die oppositionelle, kritische Arbeit benutzt, um bestätigt und wenn gerechtfertigt auch sublimiert zu werden. Natürlich wird das bestehende Wissen sich nicht wehrlos von seinem Thron stoßen lassen und alles daran setzen erhalten zu bleiben, was den forschenden Bereich umso mehr couragieren wird progressiv fortzuschreiten. So wie bestehendes Wissen zwecks Selbstbestätigung und Verbesserung in Abhängigkeit zur kritischen Vernunft steht, so verhält sich auch die Forschung abhängig zur Dominanz höherer Bildung. Der forschende Antrieb der Universität benötigt die Normen als Gegenstand an dem er sich abarbeiten kann. Bourdieu und Kant klassifizieren auch einzelne Fakultäten und ordnen sie dem Institut der wissenschaftlichen Forschung, dem Institut der höheren Bildung und dem oszillierenden Feld, welches zwischen den beiden Polen entsteht, zu . In der Kategorisierung der Fakultäten lassen sich Differenzen von Bourdieus` und Kants` Auffassung entdecken. Bourdieu teilt dem wissenschaftlichen Institut die Naturwissenschaften zu, womit Kant noch konform geht. Dem Spannungsfeld zwischen Forschung und höherer Bildung werden die Geistes-Kultur und- Sozialwissenschaften zugesprochen. In der Zuordnung zum Institut höherer Bildung scheiden sich die Geister Bourdieus` und Kants`. Bourdieu zufolge wird Jus und Medizin diesem Institut zugesprochen, wohingegen bei Kant auch noch die Theologie in dieses Feld hineinkommt. Wenn man Kant folgt, so sind Jus, Medizin und Theologie als obere Fakultäten zu achten. Der überbleibende Rest an Fakultäten wird unter einen Hut „gepackt“ und als untere oder philosophische Fakultäten definiert. Die oberen Fakultäten sollen die Rolle der Reproduktion bestehender staatlicher und gesellschaftlicher Werte übernehmen. Sie sind sozusagen ein Bestätigungsinstrument ökonomischer, sozialer und politischer Traditionen und dienen zur Weitergabe derselben. Die philosophischen Fakultäten hingegen haben die Aufgabe (wie schon vorhin angeführt) die oberen, diejenigen Fakultäten mit tatsächlich praktischem/r Nutzen/Verwertbarkeit, zu kontrollieren und eventuell Verbesserungsprozesse einzuleiten. Sie sind die treibende Kraft zur Weiterentwicklung. Ich habe mich soeben des heiklen Begriffs der praktischen Verwertbarkeit bedient, welcher nicht zu eng gefasst und auf die kontextuell gebrauchte Anwendung reduziert werden darf. Praktische Verwertbarkeit ist in erster Linie den Fakultäten der höheren Bildung zuzuschreiben, weil diese Berufssparten forcieren, welche direkt auf die Gemüter der Individuen, aus welchen die Gesellschaft beschaffen ist, einwirkt. Die Direktheit dieser Fächer setzt jedoch keineswegs voraus, dass indirekte Einflüsse auf Menschen nicht ebenso akzentuell und folgenreich sein können. Um dem Ende des Protkolls entgegen zu schreiten, will ich mich auf Kant beziehen wenn er sagt, dass es eine Illusion sei zu glauben es funktioniere einen Raum innerhalb einer Gesellschaft zu schaffen, an dem unabhängiges, weltfremdes und autonomes Denken praktiziert werden könne ohne, noch bevor dieses Denken fruchten könnte, von pragmatischer Getriebenheit eingeholt zu werden. Sogar das freie Denken ist auf Maßstäbe, zur besseren Orientierung angewiesen. Solche Maßstäbe können erreicht, wie auch überstiegen werden. Angenommen sie werden überstiegen, so ist logisch gefolgert das freie Denken die einzige Kraft, die Zugang zu den neu etablierten Maßstäben hat, was wiederum bedeutet, dass der gesamte Schaffungsprozess einer Gemeinschaft in eine Atmosphäre des freien Denkens verlagert werden müsste. Nüchtern betrachtet ist solch eine Utopie nicht umsetzbar, weil sie vermutlich ein in Frieden gebettetes Weltreich zufolge hätte, welches in Wirklichkeit nicht andeutungsweise vorzufinden ist.


Angela Strohberger, Marian Weingartshofer, Hubert Rieger, Helmut Eder

Ringvorlesung am 5. 11. 2009-11-06 Prof. Nemeth

Elisabeth Nemeth gestaltet ihre Vorlesung anlässlich der Studierendenproteste um und möchte "Schlagworte" aus der Bewegung mit Thesen Pierre Bourdieus und Immanuel Kants "in einem anderen Licht erscheinen lassen". Nemeth selbst hat sich nach ihrem sehr an der klassischen deutschsprachigen Philosophie orientierten Studium insbesondere für den logischen Empirismus des Wiener Kreises. Entgegen der bestehenden Tradition beschäftigte sich der logische Empirismus mit empiristischen (Natur-)wissenschaftlichen Zugängen sowie der modernen Logik (Frege, Russel, Wittgenstein). Nemeth interessierte sich vor allem für die Bedeutung dieser philosophischen Richtung in Bezug auf den sozialen, kulturellen und politischen Kontext dieser Zeit.

Außerdem nennt Nemeth folgende Interessensschwerpunkte:

- Ernst Cassirer: Philosophie der Wissenschaften und der Erkenntnis, Philosophie der symbolischen Formen (Wie hängen Wissen, Kunst, Religion und Ethik zusammen?)

- Pierre Bourdieu: französischer Soziologe und Philosoph: Studien zu Bildungsinstitutionen und zur Universität

- An der analytischen Philosophie orientierte philosophische Anthropologie (Ernst Tugenhart)

Sie ist Vorstandsmitglied des Instituts Wiener Kreis (IVC), Mitglied der Society for the History of Philosophy of Science (HOPOS), der Österreichischen Gesellschaft für Philosophie und des Wiener Philosophinnen Clubs.

Nemeths Perspektive basiert auf Überlegungen von Kant, publiziert in „Der Streit der Fakultäten“ aus dem Jahre 1798 und mehr rezent auf einer Publikation von Nemeth mit dem Titel „Institutionalisierte Illusionen: Forschung, Ausbildung und Bildung an der Universität“, in Universität, Bildung und Politik, 1996, Nr 4, S 26 - 35, in der sie sich auch auf soziologische Studie von Pierre Bourdieu stützt, der in seinem Buch „Homo academicus“ (franz. 1984), dt. Übersetzung Frankfurt/Main: Suhrkam0p 1988, die Resultate einer großen empirischen Studie über das höhere, französische Bildungssystem publizierte. Bourdieu wirft in seiner Studie einen „soziologsichen“ Blick auf die Universitäten der 60 Jahre als sozialen Raum in der Gesellschaft.

Obwohl sich der Artikel von Nemeth sich auf die Protestbewegungen in Österreich in den 90er Jahren bezieht, ist die u. a. darin eingenommene Perspektive, wie sich das sich zwingend ergebende Spannungsfeld zwischen Lehre und Forschung an universitären Bildungseinrichtungen zweckmäßig zu organisieren ist, aus Ihrer Sicht auch heute relevant. Das heißt, Nemeth nimmt nicht notwendigerweise auf bestimmte rezente Inhalte der derzeit stattfindenden Protestbewegung Stellung, sondern möchte zur Diskussion damit beitragen, dass sie quasi auf einer allgemeinen Ebene das sich notwendigerweise ergebene Spannungsverhältnis beleuchtet und mögliche Problemlösungen diskutiert. Das „naturgegebene“ Spannungsverhältnis“ zwischen Lehre und Forschung auf einer Universität, in dem es per definitionem ein Ungleichgewicht geben kann bzw. wird, beschreibt Nemeth wie folgt:

Einerseits muss jede Universität ihre Aufgabe als Reproduktion von anerkanntem Wissen erfüllen (d. h. Faktenvermittlung, bestimmte Haltungen und Fähigkeiten, ins besonders die gesellschaftliche Komponenten erfüllen, damit Absolventen die notwendige Qualifikation zur Ausübung einer „höheren“ Position in der Gesellschaft mitbringen) und andererseits muss im Bereich Forschung eine produktive Funktion erfüllt werden, und zwar in der Hinsicht, dass gegebene Verfahrensweisen und etabliertes Wissen in Frage gestellt werden, und damit die Wissenschaft zu neuen Ergebnissen kommt.

Das ergibt laut Nemeth ein system-inhärentes Spannungsverhältnis zwischen der Institution Universität als Stätte der Ausbildung und als Institution für wissenschaftliche Forschung, die der Universität vom Staat und der Gesellschaft gestellt sind, in dem es kein (permanentes – Einfügung von mir) Equilibrium geben kann. Auf Grund des Inhaltes der einzelnen Fakultäten/Studienrichtungen sind laut Nemeth manche eher für die Reproduktion bestimmt, wie z. b. Jus, Theologie, vielleicht auch Medizin und den Fakultäten wie z. Beispiel Mathematik und den Naturwissenschaften, die naturgemäß auch der Forschung zugeneigt sind. Die Sozial-, Geistes-, und Kulturwissenschaften würden sich in diesem Modell, laut Nemeth, eher in der Mitte des Kontinuums befinden. Dies würde diesen Fakultäten eher erlauben, die Magie der Gelehrsamkeit lange Zeit ziemlich pur zu überleben, und sich quasi von den veränderten gesellschaftlichen und ökonomischen Anforderungen abzuschotten.

Kant, der dieses Problem ebenfalls adressiert hat, sprach in diesem Zusammenhang von den sog. „oberen Fakultäten“ wie Medizin, Jus, und Theologie, die primär für die Reproduktion von Wissen und damit für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung zu sorgen haben. Diesen gegenüber steht die philosophische Fakultät (Mathematik, Naturwissenschaften, etc) als einer „unteren Fakultät“, deren primäre Aufgabe es war, Einwürfe zu machen und das produktive Wissen der oberen Fakultäten der kritischen Vernunft zu unterziehen. Die Lehren der „oberen Fakultäten“ waren sozusagen von der Regierung sanktioniert und legitimisiert, und der unteren Fakultät war es erlaubt, den oberen Fakultäten „entgegenzuarbeiten“. In anderen Worten, die oberen Fakultäten sind der Regierung unterstellt, die unteren der Vernunft. Dieses angesprochene Spannungsverhältnis wurde durch das mengenmäßige Missverhältnis von 3 : 1 noch verschärft.

Die doppelte Aufgabe, die Kant noch verschiedenen Fakultäten zugewiesen hat, findet Bourdieu in seiner Analyse der französischen Universität auf alle Fakultäten - freilich ungleichmäßig - verteilt vor. Der Streit findet im 20.Jahrhundert nicht mehr in erster Linie zwischen den Fakultäten statt, er wird vielmehr innerhalb der Fakultäten, innerhalb der einzelnen Fächer, ja sogar innerhalb der einzelnen Individuen ausgetragen. Nemeth hält fest, dass Ihrer Meinung nach die in den letzten Jahren vorgenommene Spaltung zwischen Lehre und Forschung nicht nur diesem Modell zu wider läuft, sondern dass gerade dieses Spannungsverhältnis im Interesse von Forschung und Lehre verteidigt werden solle, wenn auch dieses Spannungsverhältnis gestaltet werden muss. Um hier eine Querverweis auf die derzeit stattfindende Protestaktion zu machen, findet Nemeth den Slogan „mehr Bildung statt Ausbildung“ im Kontext des vorher gesagten nicht zielführend. Sie plädiert dafür, dass die Universitäten auch aus der Perspektive des vorher beschriebenen Modells zu denken sind und damit das „entweder/oder“ durch ein „sowohl als auch“ zu ersetzen ist, wie wohl man sich in diesem Zusammenhang darüber Gedanken machen soll, wie dieses gegebene Spannungsverhältnisses am besten zu gestalten ist. Ihrer Meinung nach ist es eine gefährliche Illusion, wenn man die Forschung den gesellschaftlichen und ökonomischen Zwänge quasi entzöge, denn dieses Spannungsverhältnis ist für alle Akteure auf der Universität von Vorteil, und auch für die Gesellschaft in allgemeinen.


Persönliche Anmerkungen:

_Wir können die system-inhärente Spannung zwischen Lehre und Forschung nachvollziehen.

_Für uns bleibt jedoch offen, wie Nemeth begründet, dass sich die Geisteswissenschaften in der Mitte des angesprochenen Kontinuums befinden. Weiters bezweifeln wir, dass die Medizin primär auf die Reproduktion konzentriert.

_Auch, dass alle Beteiligten von diesem Spannungsverhältnis (Lehrende, Studenten, System-Erhalter) betroffen sind und von einer zweckmäßigen Gestaltung durch einen entsprechenden Interessensausgleich, profitieren.

_Wir wissen persönlich zu wenig die in den letzten Jahren vorgenommenen organisatorischen, strukturellen, und finanziellen Änderungen und die damit verbundenen Konsequenzen, um konkret darauf Stellung nehmen zu können

_Daher beziehen sich all unsere Kommentare auf das „prinzipielle“ und nicht das konkrete, weil entsprechende Information und Daten uns fehlen

_Unserer Meinung nach findet man das angesprochene Spannungsverhältnis im allgemeinen in vielen Organisationen bzw. Gesellschaften (in Teilbereichen bzw. in der Gesellschaft per se). Intuitiv wie auch empirisch nachzuvollziehen, gilt es primär dieses Spannungsverhältnis zu gestalten, als zu versuchen, es zu eliminieren.

_Dies kann prinzipiell durch strukturelle, organisatorische als auch finanzielle Maßnehmen gehandhabt werden, ähnlich der Rolle, die eine Verfassung/Gesetze für einen Staat spielt, wo es um einen Interessenausgleich geht und um Regeln, wie im Einzelfall unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden sollen.

_In der derzeitigen politischen, ökonomischen, und demographischen Situation (wir beziehen uns im besonderen auf die Finanzkrise, die sich in der ökonomischen Krise manifestiert, dem derzeit vorherrschenden Wirtschaftssystem; den politischen Willen, Resourcen in den kommenden Jahren einzusparen, die auf Grund der wirtschaftlichen Situation zur Stützung zusätzlich zum Budget zur Verfügung gestellt wurden; und dem Stellenwert der Bildung im allgemeinen in der Gesellschaft und last but not least, die durch die Länge der Legislaturperioden gegebenen kurzfristige Fokus der politischen Klasse) wird es sich vor allem um ein sog. „Null-Summen-Spiel handeln“. Das heißt, dass mit großer Wahrscheinlichkeiten finanzielle Mittel zwischen den Ressorts umgeschichtet werden müssen. In diesem Zusammenhang wird es notwendig sein, Allianzen für einen höheren Stellenwert der Bildung/Ausbildung in der Gesellschaft zu formen, um eine entsprechende Umverteilung der vorhandenen Mittel zu erreichen. Dies scheint derzeit noch nicht gelungen zu sein.


Thomas Haidvogel, Philipp L.

Die Frau Institutsvorstand Prof. Nemeth hatte ihre VO auf Grund des Aktionstages der Protestbewegung unter ein anderes Thema gestellt. Im wesentlichen ging es darum die Protestbewegung in einem anderen Licht zu beleuchten auf Grund ihrer Erfahrungen mit den Studierenden- und Lehrendenprotesten aus dem Jahre 1996. Nach diesem Protest hatte sie einen Artikel verfasst welcher sich auf eine sozialwissenschaftliche und empirische Forschung des Franzosen Bourdieu („Homo academicus“) und auf einen Text von Kant (Der Streit der Fakultäten) bezieht.

Beiden Schriften liegt das gleiche Problem zu Grunde. Der Zwiespalt zwischen:

1. Der Reproduktion von anerkanntem Wissen (= das beinhaltet eine Funktion für die Gesellschaft in ökonomischer und politischer Hinsicht)

2. Die Hervorbringung von neuem Wissen (Hier besteht das Problem dass anerkanntes Wissen angezweifelt werden muss)


Daraus ergibt sich der Konflikt zwischen sozialer und wissenschaftlicher Berechtigung der Fakultäten. Frau Prof. Nemeth veranschaulicht das in einem Organigramm in welchem beide Aufgaben der Universität institutionalisiert werden die in einer wechselwirkenden Spannung stehen. Bourdieu sieht die Fakultäten Jus und Medizin als eindeutig reproduktiv und die Naturwissenschaften als eindeutig neu produzieren die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften liegen in der Mitte. Bei Kant erfolgt die Einteilung in die Oberen Fakultäten (=Jus, Medizin und Theologie; reproduktiv) und die untere Fakultät entsprechend der Philosophischen Fakultät (=alle Fakultäten außer der oberen).


Beide sind der Ansicht dass eine Balance nicht zu erreichen ist. Bourdieu meint dass immer eine Institution abwechselnd vorherrschend ist. Kant hingegen sieht die oberen und die untere Fakultät immer nur auf einer Seite. Denn er meint dass die untere Fakultät nur die Aufgabe besäße das reproduzierende Wissen der Oberen Fakultäten in Zweifel zu ziehen mittels der kritischen Vernunft. Die obere Fakultät hingegen sieht er nur genötigt Wissen für den Staat und die Gesellschaft zu reproduzieren. Dem entsprechend ist laut Kant die Universität der Ort für Pflege des Wissens und gleichzeitig der Ort ihres öffentlichen Entgegenwirkens.

Brunner, Michael

Protokoll der IV. Ringvorlesung am 5.11.2009, Elisabeth Nemeth

Das vorliegende Protokoll ist ein solches nicht ausschließlich, da es sich neben der Vortragsmitschrift des Protokollanten aus nahe liegenden Gründen auch auf den Artikel „Institutionalisierte Illusionen: Forschung, Ausbildung und Bildung an der Universität“ von Elisabeth Nemeth bezieht.

Am 5.11.2009 reagiert die Vorlesende Elisabeth Nemeth spontan auf die Bitte einer Studierendengruppe, die sich eine wissenschaftliche Betrachtung und Fundierung der aktuellen „Protestbewegung“ wünschte. Die offenen Ohren, die man Nemeth für ein solches Unternehmen wohl unterstellte, sind, wie der Hörer bald erfährt, in einer philosophischen Analyse der vormaligen Universitätsproteste begründet, welche 1996 unter dem Titel „Institutionalisierte Illusionen“ in „Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst, 1996, Nummer 4“ von Elisabeth Nemeth erschienen sei. Und so kündigt die Vortragende an, dass sie aus eben diesem Text vorlesen werde, woraus sich interessante Perspektiven und Parallelen ergäben, die institutionalisierte Wissenschaft im Allgemeinen und deren politische Verzweigungen im Besonderen betreffend. Zunächst aber wolle sie, wie das Programm des Ringvorlesungs-Projekts vorgebe, ihre persönliche akademische Laufbahn und deren Arbeitsfelder umreißen. Die Vortragende berichtet, dass zu Zeiten ihres Studiums das wissenschaftliche Augenmerk der Philosophie in Wien deutlich auf der von ihr so vorgestellten „klassischen deutschsprachigen Philosophie“ gelegen habe, welche mit den Namen Kant, Fichte, Hegel, Heidegger und auch Kierkegaard verbunden gewesen sei. Ihr frühes täglich‘ Brot als angehende Philosophin sei also die genaue Kenntnis und Analyse derer Texte gewesen. Doch spätestens ab ihrer Dissertation habe sie sich intensiv einem missachteten Forschungsfeld der Philosophie des 20. Jahrhunderts zugewendet. Dies sei der logische Empirismus des Wiener Kreises gewesen. Diesen habe sie und neben ihr eine ganze Forschungsströmung jedoch endlich als wichtige Grundlage der analytischen Philosophie erkannt. Diese Trendwende verbindet Nemeth mit einer intensiven Wittgenstein-Rezeption zum Ende der 60er Jahre. Die Explizite Fragestellung, die sich die Forschende nun selbst zum Programm gemacht habe, habe sich nach den Beziehungen der Tradition des Wiener Kreises zu sozialer, kultureller und politischer Aktualität erkundigt. Denn wie eine Philosophie des logischen Empirismus, die im Strome der modernen Wissenschaftsempirie und logischen Objektivität mit Frege, Russell und Wittgenstein sich bewege, wissenschaftliches Wissen begründen wolle, ihren abstrakten Charakter mit einer politisch aufklärerischen Rolle verbunden habe, sei ein heller Entzündungspunkt des forschenden Interesses gewesen. So habe sich die Wissenschaftlerin Nemeth mit dem Forschen nach der „Einbettung einer theoretischen Philosophie in soziale Kontexte“ ein philosophisches „Rückgrat“ gebaut. Als weitere Einflussgeber werden Ernst Cassirer genannt, dessen Wissenschaftsphilosophie zum Einen und seine Kulturphilosophie zum Anderen interessierten, sowie Pierre Bourdieu, der im Themengebiet der Vorlesung einen wichtigen Bezugspunkt bilden sollte. Bei Bourdieu sei besonders sein „Homo academicus“ Anstoß gewesen, Bildungsinstitutionen in sozial-philosophischen Blickwinkeln zu betrachten. So sei ein eigenes universitätspolitisches Engagement nahe gelegen. Auch Ernst Tugendhats spätere Schriften zur analytischen Philosophie wollte sie die Liste der Einflüsse abschließend nicht unterschlagen. Nun kündigt Elisabeth Nemeth an sich im Rückgriff auf besagten wissenschaftlichen Artikel, welcher seine Aktualität im Allgemeinen noch immer behalte, den „Institutionalisierten Illusionen“ zu widmen, deren Entzauberung im Auditorium jedoch nicht vollends gelang, wie die abschließende Diskussion offenbaren sollte. Zunächst seien die Sachpunkte der einst zum Artikel die Vorlage liefernden und der heutigen Situation zu benennen. In Folge einer reformierten Besteuerungspolitik seien damals wesentliche Einsparungen im Bildungsbereich in Aussicht gestanden. Um Kosten zu sparen habe man auf den ökonomischen Druck gesetzt, die Studenten zu raschem Abschluss des Studiums zu bewegen. Einschneidend seien die Ausgabenbeschränkungen in der Lehre gewesen. Die Lehrverpflichtung der internen Lehrenden wurde demnach drastisch erhöht, um sich die Verpflichtung vieler externer Lektoren zu ersparen. Die Lehre sei durch den fehlenden Austausch, den die Mobilität im Lektorenbereich gewährleistete, einerseits und die leidende Forschungstätigkeit der internen Lehrenden andererseits also zur Stagnation verurteilt gewesen. Strukturale Veränderungen, wie die strikte organisatorische Trennung von Forschung und Lehre, welche durch „Lippenbekenntnisse“ verschleiert werde, hätten nachhaltig Schaden angerichtet. Neben der Verschulung, die nun benannte Faktoren betrieben hätten, wurde der Zuwachs an Studierenden nicht mit einer Erhöhung der Lehrkapazitäten beantwortet. So hätten sich schon seit den frühen 90ern Problemfächer wie Publizistik, Politikwissenschaft und ähnliche erwiesen, die exemplarisch die Gradwanderung universitärer Bildung demonstrierten, deren höchste Kunst es schon immer gewesen ist aus wenig das Beste zu machen. „Beide (Studierende und Lehrende) sehen in der Forderung, die Studienpläne nach Verwendungsprofilen auszurichten, eine Zumutung, gegen die man die Universität als Raum des Denkens, Forschens und Bildens verteidigen müsse“, analysiert Nemeth in besagtem Artikel über die zentrale Flamme des Protests. Der im „Hintennachdenken“ einer homogenen Bewegung aus Lehrenden und Studierenden entstandene Artikel stütze sich, wie Nemeth nun expliziert, auf zwei wesentliche Quellen. Pierre Bordieus schon genannter „Homo academicus“ ,1984,und Immanuel Kants „Streit der Fakultäten“ ,1798, nämlich. Bourdieus Schrift sei als „großangelegte empirische Studie zu Bildungssystemen“ vorzustellen und scheue sich demnach nicht mit Tabellen und Statistiken ebenso zu beweisen wie mit methodischen Überlegungen. Die Universität verstehe Bourdieu als „sozialen Raum innerhalb der Gesellschaft“. Das Strukturelle des Problems sei sein Interesse. Die Geistes-und Kulturwissenschaften seien nun eine besonders interessante Zone universitärer Sozialität, dort überlappten sich universitäre Aufgaben, eine Zone des Spannungszustands, eine „Neuralgische Zone“ wie Nemeth im Paragraph II des vorgelesenen Artikels formuliert. Worin sich die Geistes-und Kulturwissenschaftlichen Institute gerade als Spannungsfeld auszeichnen, lasse sich unmittelbar erkennen, wenn man die beiden Aufgaben des universitären akademischen Betriebs als Reproduktion anerkannten Wissens und Produktion von Neuem Wissen feststelle. Diese Einteilung stütze sich auf Bourdieu, der auch die „philosophischen und sozialwissenschaftlichen“ Fächer als Gegenstand mit spezifischer Ausprägung der akademischen Wissenssphären kennzeichnet. Die Reproduktion anerkannten Wissens meine hier sowohl Weitergabe und Verwaltung von Kenntnissen , Fakten und dem Wissen über die Prozeduren ihrer Sicherung, als auch das Erlernen der bereitschaftlichen Haltung selbst, eine geordnete Wissensverarbeitung in des Jeweiligen Organon zu übernehmen. Diese Haltung sei als eine Fähigkeit sowohl Voraussetzung, als auch Ergebnis einer akademischen Bildung , und lasse sich als „Liebe zur Ordnung überhaupt“ umschreiben. Mit Hilfe von Individuen mit dieser quasi nun personifizierten Haltung, die die Universität hervorbringe, trage diese wesentlich zur Reproduktion der Gesellschaft selbst und ihrer sozialen, kulturellen und ökonomischen Machtverteilung bei. Einen spannungsreichen Gegensatz dazu erzeuge nun die Produktion neuen Wissens, die sich je schon mit ihrer Freiheit zu Kritik und dem Infragestellen des Anerkannten als angriffsfähige Kraft der Unerwünschtheit ja der Unterdrückung durch die Gesellschaft erwehren muss, und nun „einen Konflikt zwischen sozialer und wissenschaftlicher Berechtigung ihrer Tätigkeit(der handelnden Individuen nämlich) vorschreibt.“ Die „Dominanz des Einen durch das Andere“ sei immer gegeben, die Balance ein ausgeschlossenes Ideal, und das Dominierte immer die Forschung, die Neuproduktion. Die Produktion neuen Wissens, das Vorantreiben des Gelehrten, werde nun an unterschiedlichen akademischen Gebieten gegenüber dem sozialen Faktor der Reproduktion und Einordnung unterschiedlich bewertet. So dominiere im Bereich der Naturwissenschaften die „wissenschaftliche Hierarchie“, die ihre Rangordnung in der wissenschaftlichen Fachwelt erkämpfe, während der juristische wie der medizinische Sektor vom sozialen Faktor beherrscht werde, welcher die „Akkumulierung von[…] Machtattributen“ durch Einordnung in Reproduktion von Anerkanntem erstrebe. Die Ausgewogenheit der entsprechenden Kräfte, die die „sozial-human-und geisteswissenschaftlichen Fakultäten“ präge, erklärt nun endlich warum dieser Bereich besagter steter Kampfplatz, ein Spannungsfeld oder eine Neuralgische Zone sei. Und gerade an diesem Punkt werde es interessant Kants „Streit der Fakultäten“ einzubeziehen. Denn schon 1798 diagnostiziert der Philosoph , dass „ein irreduzibler Spannungszustand zwischen den beiden Aufgaben, die dieser Institution vom Staat und der Gesellschaft gestellt sind“ vorliege. Kant teilt nun kontextbedingt ein wenig anders, doch nicht weniger plausibel ein, indem er der theologischen, juristischen und medizinischen Fakultät, welche konkrete Berufsfelder bedienen, die Absolventen also bestimmten Positionen der Gesellschaft zuführen, durch die sie zur Reproduktion gesellschaftlicher Ordnung beitragen könnten, den Namen der „Oberen Fakultäten“ gebe. Während die Philosophie als alleinige Macht des Zweifels als deren „untere“ gelten solle. Diese „untere“ sei beauftragt „die Rechtfertigung jedes Wissensanspruchs vor dem Gerichtshof der Vernunft einzufordern.“ Sie sei also die „Kraft der Vernunft“ im akademischen Raum. Die Universität etabliere Kant so als „Ort des Streits“, welcher sich vollzieht dadurch, dass den „sanktionierten Geschäftsleuten der Regierung“ den Juristen, Predigern und Medizinern also, öffentlich entgegengearbeitet werden dürfe, ja müsse. Dies solle jedoch nicht des reinen Stürzens von Lehrmeinungen wegen geschehen, sondern um diesen ihre „Magische Kraft“ der abergläubischen Wahrheit zu entziehen. Die Versuchung, die faktische Macht gegen jene, sich nur durch Autonomie und Vernunft erhebende einzusetzen, lasse ahnen, „dass die Oberen immer wieder versucht sein werden, die Untere zu verdrängen.“ Auf den konkreten Anlass übertragen könne man fürchten, dass die Ressourcen eines selbstständigen kritischen Faktors zur Überprüfung von Wissensansprüchen „im Namen der ökonomischen und sozialen Verwertbarkeit“ geopfert würden. Das Maximale, was die kritische Kraft der Vernunft je leisten könne, sei zwar sowieso die ständige Neu-Etablierung besagten Spannungszustandes, denn so wenig wie die Gesellschaft könne institutionalisierter Zweifel die Universität regieren, doch diese stete Kritik müsse sie unbedingt leisten, die Investitionen dafür seien nötig. Bourdieu trage nun, so die Vortragende Nemeth, die oft erwähnte Spannung im 20. Jahrhundert in jede einzelne Fakultät, sogar in jedes Individuum , welches akademisch arbeitet, hinein. Die Notwendigkeit des Neuüberdenkens, Vorantreibens, Andersbeleuchtens sei also untrennbar mit einer sozialen Notwendigkeit verbunden. Im Einzelnen schon konkurrieren zwei Ziele, zwei Forderungen, um ihren Vollzug. Nemeth spricht hierbei von Spielen, welche gerade im Bereich der Geisteswissenschaften ihre Rangordnung nicht preisgeben, in jenen man seine Kräfte zu effizienten Zügen nützen müsse, um zumindest auf einer der Leitern zu klettern. In jedem Fall sei das Studium ein Prozess der Orientierung über die Regeln,„ nach denen die Auseinandersetzung um die Dominanz der wissenschaftlichen oder der sozialen Hierarchie verlaufen.“ Die Illusion, dass sich gerade die Geisteswissenschaft und ihre Studenten, dem sozialen Faktor entziehen könnte, indem sie eine Dimension der expliziten Spannung ignoriert und sich als ideeller Raum des freien Denkens begreift, ist nun im Erlöschen begriffen. Vielmehr müsse dieser Spannungszustand als der produktive Charakter des universitären Arbeitens gerühmt werden. Hier nun endet Elisabeth Nemeth ihren Vortrag, der längst nicht alle Gedanken des zu Grunde liegenden Artikels behandelte. Sie eröffnet eine abschließende Diskussion, indem sie sich selbst zur Kritik der Trennung von Forschung und Lehre qua Gesetz bekennt und dem gefürchteten Bolognasystem ein Ultimatum gewährt, denn seine Folgen seien noch nicht zu prüfen. Dass sich die Forschungsbedingungen verschlechtern, gebe Anlass zu ernster Sorge, hier sei anzusetzen. Als Beispiel wird das „Ein-Buch-Prinzip“ zur Ressourcenschonung mit maoistischer Ein-Kind-Politik verglichen. In der schwachen Diskussion zum Ende offenbart das Auditorium, die Erschütterung der „Illusionen“ nicht verdaut zu haben, das erwartete Schlagwortgewitter zieht dann schnell vorüber.

Tobias Göllner

(Anm. des Autors: Ich habe mich dieses Wochenende mit einem Freund in Linz getroffen und wir sind auf die aktuellen Protestaktionen zu sprechen gekommen. Im Zuge dieser Diskussion habe ich ihm die Anschauungen von Frau Nemeth näher gebracht. Dies war für mich der Anfangspunkt mich mit dem Vortrag retrospektiv auseinanderzusetzten.)


Anfangs bat mich mein Freund M zu schildern wie ich diese Protestaktionen erlebt habe. Ich habe mich damals an jenem Donnerstag frühzeitig im Audimax befunden um eine Vorlesung zu besuchen. Plötzlich stürmten die Menschenmassen krawallend herein und begannen Reden zu halten. Zuerst war ich etwas zerknirscht da ich diesen Menschen unterstellte parteipolitisch zu agieren, im Verlauf der ersten paar Stunden wurde mir aber schnell klar das dem nicht so war, was mich umstimmte. Wir unterhielten uns darüber warum dieser Protest in Wien begann und nicht etwa in Linz. Wir waren uns sehr schnell einig darüber, dass dieser Protest eigentlich in Österreich nur in Wien stattfinden konnte, da sich dort die Probleme am gravierensten zeigen, durch die große Masse der Studenten. In Linz kennt man diese Probleme zwar auch, jedoch nicht in diesem Ausmaß wie wir in Wien. Weiters wurde gerade in Linz das erste Gebäude des Science Parks fertiggestellt und es sollen noch 2 weitere folgen. Wir kamen kurz auf den Inhalt unserer Vorlesungen zu sprechen und ich began ihm von dem Vortrag von Frau Nemeth zu berichten. Ich erzählte, dass Frau Nemeth schoneinmal bei so einem 'Bildungsprotest' sich aktiv beteiligte und dass sie uns die Struktur einer Universität anhand zweier Texte (I. Kant - „Der Streit der Fakultäten“ und P. Bourdieu - „Homo academicus“) erläuterte. Nemeth erklärte uns, dass sich eine Universität immer in einem Spannungszustand befinde, einerseits ist sie eine Institution höherer Bildung und andererseits eine Institution höherer Forschung. Diese beiden Aspekte zielen in andere Richtungen ab, während die eine neues Wissen generieren will, will die andere bestehendes Wissen reproduzieren. M interessierte sich für die Ansichten Kants mehr, also zog ich sie vor. Kant betrachtete die Faktultäten der Universität und teile sie in 2 Kategorien ein. Die oberen Fakultäten: Medizin, Judikative und Theologie und die untere Fakultät: Philosophie, wobei Philosophie nicht so verstanden wurde, wie wir sie heute verstehen, sondern darin waren auch Disziplinen wie Mathematik und Naturwissenschaften vereint. Die oberen Faktultäten sind von der Gesellschaft stark geforderte Dienstleistungen (Heilkunde, Seelenheil und Rechtsspruch). Hingegen die untere Fakultät zeichnet sich durch die Kritik der Vernuft an den oberen Fakultäten aus. Sie hält diese somit zum Entwickeln an, kann aber nicht von ihnen fordern. Ich fuhr mit meinen Ausführungen über Bourdieu fort, dessen Name M interessanterweise bekannt vorkam. Ich veranschaulichte M die Theorie ebenfalls mit einer Zeichnung wie Frau Nemeth und erklärte anhand dieser. Auf der rechten Seite der Linie befand sich reproduktives Wissen und auf der linken Seite die Forschung. Rechts befanden sich wieder die Judikative und Medizin; links Mathematik und Naturwissenschaften. Theologie nahmen wir nicht in unser Diagramm auf da wir beide den Wissenschaftscharakter bezweifelten. In der Mitte waren nun die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Der einzige Streitpunkt waren technische Studienrichtungen. Ich hätte sie eher auf die Seite des reproduktiven Wissens platziert, jedoch entgegnete mir M das starke Verlangen nach Forschung in diesen Studienrichtungen. Wir einigten uns also auf die Mitte und kamen zu dem selben Schluss wie Nemeth, dass man wohl jede Fakultät einzeln platzieren müsste. Wir diskutierten noch weiter über die Thematik, über die Rechtfertigung, die Reaktion der Politik und der Öffentlichkeit, den Gegenbewegungen und so weiter. Wir endeten mit den Slogans und kamen somit wieder auf Nemeth zurück, die den Slogan “Bildung statt Ausbildung” stark kritisierte, wir konnten uns dem anschließen und wandten uns danach anderen Themen zu.


Weger, David

Ring-VO Elisabeth Nemeth, 06.11.2009

Siehe auch: http://homepage.univie.ac.at/elisabeth.nemeth/htmls/texte.html (Artikel: 1996 Institutionalisierte Illusionen: Forschung, Ausbildung und Bildung an der Universität), Immanuel Kant: „Der Streit der Fakultäten“ (1798) und Bourdieu: Homo academicus (franz. 1984) – genauere Angaben sind am Ende des verlinkten Artikels zu finden.

Vortrag und Artikel stützen sich wesentlich auf diese beiden Werke, was besonders in Letzterem durch Formulierungen wie „Wenn Bourdieus Analyse Gültigkeit hat,...“ oder „Falls Bourdieus Analyse zutrifft,...“ deutlich wird. Dennoch dienen sie natürlich vor allem als Basis und veranschaulichendes Modell für eine Überzeugung die Frau Nemeth selbst vertritt.

Die Vortragende beginnt mit einem kurzen Abriss der persönlichen Laufbahn sowie der Nennung von Philosophen und philosophischen Strömungen welche einen essentiellen Einfluss auf sie ausgeübt haben. Nennenswert ist hier besonders der Logische Empirismus des Wiener Kreises. Diese philosophische Gruppierung stellt die Wurzeln für die analytische Philosophie des 20. Jahrhunderts dar, war lange hierzulande jedoch weitestgehend in „Vergessenheit“ geraten da alle namhaften Mitglieder in der Zeit des Austrofaschismus emigrieren mussten. Ihr Einfluss auf den englischsprachigen Raum war daher für lange Zeit gewichtiger als der auf die Philosophie im ursprünglichen Heimatland. Als eine wichtige Bezugsperson des Wiener Kreises gilt auch Ludwig Wittgenstein. Nicht in Vergessenheit geraten soll ebenso Moritz Schlick an dessen Ermordung noch heute eine Inschrift auf der „Philosophenstiege“ erinnert.

Nemeth hebt an dieser Stelle besonders ihr eigenes Interesse an der Verknüpfung von Philosophie mit der kulturellen, sozialen, pädagogischen und politischen Situation der jeweiligen Zeit hervor. Für sie kann Philosophie unter anderem einen Rahmen dafür schaffen, die Beziehungen zwischen Kunst, Kultur, Ethik, Wissenschaft, etc. auszuleuchten. Auch die Namen Ernst Cassirer und Ernst Tugendhat fallen.

In diesem ersten ihrer beiden Vorträge nimmt Elisabeth Nemeth Bezug zu dem aktuellen Bildungsprotest auf Österreichs Universitäten und Straßen. Sie zieht hier Parallelen zu dem Jahr 1996 als sie selbst aktiv an der Kritik gegen die damaligen Umstellungen im universitären Bereich involviert war. Aus der Notwendigkeit des Sparens für den Staat hatte sich die Forderung nach der Kürzung von finanziellen Mitteln für den Bildungsbereich ergeben. Durch die Umsetzung dieser Einsparungen wiederum wurden neue Bedingungen für Studierende und Lehrende geschaffen. Dadurch, dass Leistungen wie Mitversicherung und Studienbeihilfe an die Einhaltung einer Mindestzeit beim Studium gebunden wurden wollte man einerseits für Studenten den Druck erhöhen nach einem schnellen Abschluss zu streben. Auf der anderen Seite verlangte die damalige SPÖ-ÖVP Regierung eine Reduktion der Ausgaben für Lehrkörper und somit auch einer Erhöhung der Lehrverpflichtung, was weniger eigene Forschung und eine zunehmende „Verschulung“ bedeutete. Da sich die Vortragenden an den Universitäten aus internen und externen LektorInnen zusammensetzen lag es für die Institutionen nahe bei Letzteren einzusparen, was diese in eine immer prekärere Situation brachte da die Verträge von Semester zu Semester neu abgeschlossen werden (oder eben nicht). Dieses Beispiel veranschaulicht auch gut die über Jahre hinweg praktizierte und äußerst fragwürdige Taktik den kontinuierlich wachsenden Ansturm an Studenten mit temporären „Aushilfskräften“ abfangen zu wollen, statt an einer grundlegenden Verbesserung des universitären Systems zu arbeiten. Nemeth meint hier, dass ein kontinuierliches Wachstum an Studierenden schon seit 1970 zu verzeichnen war und bereits in den 90ern die selben Fächer wie heute überlaufen waren.

Nemeth gibt als Ziel ihres Vortrages an ein etwas anderes Licht auf manche der heute aktuellen Themen werfen zu wollen und nimmt dazu Bezug auf einen Artikel Kants („Den Streit der Fakultäten“) und eine Studie Bourdieus („Homo academicus“). Für sie haben sowohl Kants Skizzierung des Kräftespiels im universitären Bildungsbereich (und weiterführend auch der Gesellschaft innerhalb welcher sie ja existieren) als auch Bourdieus großangelegte empirische Studie zur „Universität als sozialer Raum in der Gesellschaft“, welche vor Jahrzehnten an französischen Universitäten durchgeführt wurde, noch heute Gültigkeit. Nemeth gibt an selbst überrascht darüber gewesen zu sein, wie deutlich die Parallelen zur österreichischen Situation in den 90er Jahren seien. Ihr eigener Artikel aus dem sie immer wieder zitiert ist retrospektiv, nach den Protesten entstanden.

Bourdieu sieht zwei Hauptfunktionen einer Universität welche in fortwährender Spannung zueinander stehen, nämlich 1. Reproduktion von anerkanntem Wissen und 2. Produktion von neuem Wissen.

Ad 1: Die Reproduktion von anerkanntem Wissen

Die Weitergabe von Wissen erfolgt in mehreren Dimensionen. Einerseits natürlich in Form von Fakten, desweiteren werden den Lernenden jedoch auch gewisse Fähigkeiten und Haltungen vermittelt. Wichtig ist hier insbesondere die Bereitschaft ausgewiesenes Wissen und die Prozeduren nach denen es erworben und gesichert wird zu übernehmen. Dies stellt weiterführend eine wichtige gesellschaftliche Qualifikation dar um höhere Aufgaben zu übernehmen und dort die erworbenen Kenntnisse auch einsetzen zu können. So vollzieht sich eine Reproduktion der Gesellschaft, denn: „Die Universität bringt demnach Individuen hervor, die die Anerkennung der Ordnung des gelehrten Wissens gleichsam personifizieren und die für eine gesellschaftliche Ordnung, in der akademische Bildung mit ökonomischer, politischer und kultureller Macht belohnt wird, höchstpersönlich einstehen.“

Ad 2: Produktive Funktion

Aufgabe der Universitäten ist es auch neues Wissen hervorzubringen. Dazu ist eine Infragestellung und gegebenfalls auch eine Negation vorhandener Konventionen erforderlich. Es besteht somit immer ein gewisser Konflikt zwischen sozialer und wissenschaftlicher Tätigkeit der Uni, dessen Ausprägung jedoch variieren kann.


Nemeth skizziert an dieser Stelle ein Modell der Universität in welchem sich die Insitutionen wissenschaftlicher Forschung (Hauptaufgabe: Produktion von neuem Wissen, Beispiele: Mathematik, Naturwissenschaften,...) und die Institutionen höherer Bildung (Hauptaufgabe: Reproduktion von anerkanntem Wissen, Beispiele: Jus, Medizin und in diesem Entwurf auch Theologie) diametral gegenüberstehen. Zwischen ihnen besteht ein Spannungsverhältnis in dessen zentralem Raum die graphische Einordnung der Geistes-/Kultur- und Sozialwissenschaften erfolgt. Wichtig ist, dass zwar für bestimmte Fakultäten bestimmte Werte (1 oder 2) wichtiger sind, grundsätzlich aber überall beide vorhanden sind. Die unterschiedlichen Ausprägungen entstehen insbesondere daraus, in welcher Form eine Fakultät und ihr Umgang mit Wissen wichtiger für die Gesellschaft ist. Die Wissenschaften im mittleren Bereich der Grafik haben keine feste Dominanz, sie nähern sich einmal mehr der reproduktiven, einmal mehr der produktiven Seite.

Das genannte Modell ist ähnlich (jedoch nicht kongruent) zu Kants These. Bei ihm stehen sich die Extreme Obere Fakultät und Untere Fakultät (Philosophische Fakultät) gegenüber. Die Obere Fakultät (Jus, Medizin, Theologie) bringt vor allem Berufsbilder wie Prediger, Rechtsbeamte und Ärzte hervor. Die Aufgabe der Unteren Fakultät (beinhaltet alle Studienrichtungen ohne allzu deutliche praktische Aufgaben, also Mathematik, Naturwissenschaften,...) ist es als „kritische Kraft der Vernunft“ zu fungieren und die oberen Fakultät öffentlich in Zweifel zu ziehen. Ziel ist nicht eine Vernichtung der Oberen Fakultät und ihrer Lehren sondern eine kritische und vorallem fachkundige Herangehensweise als Gegenkraft zu den „magischen Versprechungen“ zu welchen die Obere Fakultät neigt und die „vom Volk“ nicht hinterfragt werden oder nicht hinterfragt werden können. Diese Kritik erachtet Kant auch als wichtig für die Regierung da diese politisch sonst sehr bald stagnieren müsste, nämlich dann wenn ihre Subjekte die aktuellen Werte und Gegebenheiten als unumstößliche Dogmen verinnerlicht hätten und somit keine Veränderung mehr möglich wäre. Nach Kants Idee stehen somit drei Fakultäten einer einzigen gegenüber was in einem Machtungleichgewicht mit realen Konsequenzen resultiert. „Schon allein auf Grund des Ungleichgewichts kann man vermuten, daß die eine Seite immer wieder bedroht sein wird; die oberen, reproduktiven Fakultäten werden immer wieder versucht sein, die untere Fakultät zu verjagen oder ihr unter Hinweis auf ihre staats - und gesellschaftstragenden Funktionen den Mund zu verbieten.“

Eine vergleichbare Situation sieht Nemeth heute gegeben, es erfolge nämlich in Europa seit längerem eine starke Auseinandersetzung darüber wie Universitäten dem Zeitgeist entsprechend strukturiert sein müssen. Für Nemeth braucht eine lebendige Uni den erwähnten Spannungszustand und in dieser Sache richtet sie sich auch an ihre Kolleginnen und Kollegen. Sie legt uns nahe, dass wir uns dieser Spannung bewusst werden und die Universität nicht nur als abgeschotteten geistigen Freiraum betrachten. Für die Vortragende wäre eine Revidierung des Selbstverständnisses der Geisteswissenschaften wünschenswert. Lehrende und Studenten sollen die eigene Reibefähigkeit als produktive Möglichkeit begreifen und somit verstärkt auch einen Weg zu größerer gesellschaftlicher Verwertbarkeit finden.

Zusammenfassend und abschließend spricht Elisabeth Nemeth noch einmal drei Punkte an:

1. Sie sieht das Spannungsverhältnis heute von Innen und Außen gefährdet. Einige der Umstrukturierungen wirken sich wie ein direkter Angriff auf die Disziplinen aus.

2. Auch der Dualismus Lehre/Forschung ist bereits als Grundidee problematisch. Persönlich ist sie jedoch nicht sicher, wie groß der durch das Bologna-System angerichtete Schaden wirklich ist. Die Bachelor-Phase könnte zumindest theoretisch durchaus als Einführung in bestehende Standards dienen und die Sorge, dass zu viele Studierende die Universitäten nun schon nach drei Jahren verlassen würden scheint sich nicht zu bestätigen.

3. In manchen Bereichen wie dem Zugang zu Bibliotheken, Primärliteratur und generell schriftlichen Werken sind Verbesserungen eingetreten (eigene Anmerkung: angesichts der rasanten Entwicklung von Technik und Internet wäre alles andere aber auch als besonders negativ zu werten). Allerdings relativiert Nemeth dies umgehend durch einen Seitenhieb auf die „Ein-Buch-Politik“ vieler Bibliotheken welche zu teils skurillen Situationen in denen Studierende auf eine Schnitzeljagd nach dem gewünschten Buch geschickt werden führe.


Ab hier beginnt die eigene Meinung:

Das Ende der Lehrveranstaltung bietet die Möglichkeit für Fragen und Kritik aus dem Publikum. Eine solche Kritik erfolgt auch, nämlich unter dem Einwand, dass das skizzierte Modell zu utilitaristisch wäre. Ich teile diese Kritik. Nicht nur, dass die Philosophie hier ein bißchen zu sehr wie ein Babysitter für die „oberen Wissenschaften“ erscheint, ich muss nach Studium des Artikels auch mit Kummer feststellen, dass ich im Bildungsgbereich anscheinend ohne Interessensvertretung dastehe, da ich weder aus dem unmittelbaren Antrieb heraus studiere meine gesellschaftliche oder ökonomische Situation zu verbessern noch nach der Bestätigung der wissenschaftlichen Fachwelt oder der Akkumulierung von inneruniversitären Machtattributen strebe. Um analog zu dem Modell zu bleiben: ich bin auch nicht zwischen diesen Positionen hin- und hergerissen. Gleichzeitig muss ich aber natürlich anerkennen, dass die Universität ein realer Ort inmitten einer sich kontinuierlich wandelnden Gesellschaft ist und dadurch – woran man zu diesen Zeiten ja nur wieder allzu deutlich erinnert wird – gewisse Verpflichtungen hat und bestimmten Einschränkungen unterliegt. Diesbezüglich ist eine gesellschaftspolitische Herangehensweise (welche sich wohl auch mit Frau Nemeths persönlichen Interessen deckt) bisweilen unumgänglich. Auch wenn dies natürlich einerseits im Wesen der Geisteswissenschaft liegt so resultiert andererseits der externe Druck der auf die sie ausgeübt werden kann ja auch gerade aus diesem mangelhaften eigenen „Bezug zur Macht und Praxis“. Besonders für die Philosophie besteht hier natürlich auch das Problem, dass im Laufe der Jahrhunderte kontinuierlich Teilbereiche der Philosophie von anderen Wissenschaften für sich beansprucht wurden und ihre Abhandlungen so - zumindest im Auge von „Nicht-Philosophen“ - dort mehr Berechtigung haben. Gerade dies ist allerdings ein Punkt der auch als Vorteil für die Philosophie gesehen werden kann. Die Notwendigkeit die Philosophie mehr zu „vernetzen“ kann für diese auch eine große Chance darstellen. Zum Beispiel halte ich es für nicht zeitgemäß eine Debatte über die Gründe menschlichen Handelns und eines möglichen dahinter stehenden Sinnes vollkommen ohne Bezug zu aktuellen psychologischen Erkenntnissen zu führen. So wie es für Mediziner wichtig ist Ethik Seminare zu besuchen (hier besteht eine der von Nemeth gewünschten Bezugnahmen) so halte ich es für die Glaubhaftigkeit eines heutigen Philosophens für essentiell sich auch intensiv mit anderen Wissenschaften auseinanderzusetzen und sich diese zu Nutze zu machen. Dies ist derzeit eine Eigenschaft die mir mehr beim Studium einzelner bedeutender Persönlichkeiten, als in der „Gesamtmethode“ der Philosophie per se auffällt. Wieweit diese Möglichkeit aber im Studium nicht ohnehin schon durch gewisse Module und Erweiterungscurricula besteht kann ich als Studienanfänger natürlich nicht beurteilen. Umgehend zu Herzen nehmen könnten sich die Aufforderung nach mehr Praxis-Bezug vorallem jedoch auch jene Studierende die sich immer noch vehement dagegen sträuben über ein Thema das sie konkret betrifft, nämlich Änderungen und Proteste im Bildungsbereich, auch nur nachzudenken.

Was für mich in dem Vortrag zu kurz gekommen ist, ist die praktische Umsetzung des propagierten Modells. Die Sitzung hätte direkt als Anlass genommen werden können um reale Probleme beim Namen zu nennen. So lief der gesamte Vortrag (auch laut Angaben der Vortragenden) etwas „schräg“ zu den aktuellen Protesten ab. Ein Punkt der zum Beispiel kaum gestreift wurde ist die Frage nach einer Einschränkung des freien Studienzuganges (eigentlich ein Euphemismus/Paradoxon). Ohne Frau Nemeth hier etwas in den Mund legen zu wollen so hatte ich, konträr zu einer Philosophin aus dem Publikum, den Eindruck, dass sie sich eine Reduktion der Studierendenzahl gut vorstellen könnte wenn dies mit einer Verbesserung der Qualität und Forschungsmöglichkeiten einhergehen würde. Schließlich könnte die Rolle die den Geisteswissenschaften in ihrem Modell zugewiesen wird so vermutlich besser erfüllt werden, was ja das von ihr gesetzte Ziel zu sein scheint. Auch wenn ich mir eine solche konkrete Verbesserung (auch für mich) wünsche so ist die Perspektive die sich bei der Betrachtung der Methoden bietet jedoch weitreichender und geht über das rein Wissenschaftliche, rein Philosophiebezogene hinaus – oder liegt vielmehr unter diesem Niveau. Der konkrete Ruf nach Beschränkungen und Gebühren erfolgt nämlich aus „niederen“ realpolitischen Hintergründen. Die Forderung nach freiem Hochschulzugang ist eine ideologische, die Gründe dagegen aber pragmatisch. Hier prallen nicht nur unterschiedliche Weltbilder aufeinander, es wird auch auf einer völlig anderen Ebene diskutiert (dies gilt auch intern, Nemeths Forderung nach mehr Forschung könnte wie gesagt vielleicht sogar am besten durch die Negation anderer Forderungen erreicht werden). Solange die Argumentation für die Erschwerung der Inskription jedoch allein aus dieser pragmatischen Richtung kommt ist eine weitere Einschränkung des Hochschulzuganges metapolitisch gesehen immer vehemeht zu verurteilen, insbesondere wenn sie – statt mit umfassenden Veränderungen einher zu gehen - so unbedacht und kurzsichtig umgesetzt wird wie dies derzeit der Fall ist. Die Idee der Studiengebühren ist ökonomisch gut verkäuflich weil sie zwei Vorteile aufeinmal bringt: Mehr Geld und weniger Studierende. Um hier einen Stich machen zu können muss man Feuer mit Feuer bekämpfen und ebenfalls pragmatisch argumentieren. Anstatt denjenigen die aus der Oberen Fakultät kommen eine Ideologie vermitteln zu wollen an der sie nicht das geringste Interesse haben muss es Strategie der Geisteswissenschaften sein potentielle realpolitische Konsequenzen aufzuzeigen und den sofortigen Entlastungen für das Budget des Staates Österreich entgegenzusetzen. Wenn die Parallelen zu der Situation auf Frankreichs Universitäten in vergangenen Jahrzehnten so evident sind, muss der Pool der Zeitgeschichte aus dem man schöpfen kann genug Potential bieten. Themen wie die Intensivierung eines bereits bestehenden sozialen Kastensystems, die vollkommen missachtete Chance außländische Hochschulabsolventen nicht nur nach Österreich zu ziehen sondern auch hier zu halten und somit endlich eine Basis für eine breite Bildungsschicht (an welcher es durch die Vertreibungen im Zweiten Weltkrieg auch rund 60 Jahre später noch krankt) zu schaffen oder der zukünftig völligen Dominanz durch metanationale Forschungen und Ideen sollten auch den karrierefixiertesten Politiker interessieren. Zu Bedenken gilt ebenfalls, dass sich Österreich im internationalen Wirtschaftsvergleich des 21. Jahrhunderts nur durch konsistente Qualität behaupten können wird.

Frank Fetzer

Zu Beginn der Vorlesung stellt Elisabeth Nemeth kurz ihren persönlichen Werdegang vor. Sie hat am hiesigen Institut Philosophie studiert und sich hauptsächlich mit der klassischen deutschen Philosophie beschäftigt. Später wendete sie sich dem logischen Empirismus des Wiener Kreises zu. Dabei stellt sie sich besonders die Frage nach den kulturellen, politischen und sozialen Aspekten. Ihr Interesse gilt auch erkenntnistheoretischen Fragen der Sozialwissenschaft. So befasst sie sich mit Ernst Cassirer und dem Soziologen Pierre Bordieu. Anlässlich der Studierendenproteste wurde sie gebeten, entweder etwas zu den Protesten zu sagen oder die Lehrveranstaltung ausfallen zu lassen. Da Elisabeth Nemeth im Zusammenhang mit den Studierendenprotesten des Jahres 1996 einen Aufsatz veröffentlichte, der für die heutige Situation ebenfalls von Interesse ist, wird sie Auszüge daraus vorlesen und erläutern. Grundlage des Artikels bildeten zwei Texte. Zum einen Bordieus „Homo Academicus“(1988) und zum anderen Kants „Streit der Fakultäten“ (1798). Bordieus Text untersucht die Studentenrevolte in Frankreich 1968.

Er wirft einen Blick auf den sozialen Raum der Universität und stellt fest, dass die Universität zwei gegensätzliche Aufgaben zu erfüllen hat. So ist sie zuständig für die Reproduktion von anerkanntem Wissen. Sie vermittelt den Absolventen die „Liebe zur Ordnung.“ Die Absolventen personifizieren die gesellschaftliche Ordnung. Die Studenten nehmen nach der Ausbildung meist höhere Positionen in der Gesellschaft ein. So trägt die Universität zur Reproduktion der Gesellschaft bei. Neben der reproduktiven Funktion hat die Universität laut Bordieu auch eine produktive. Sie schafft neues Wissen. Dabei muss altes Wissen in Frage gestellt werden. Die Geistes- und Sozialwissenschaften sind im Spannungsfeld zwischen Wissensreproduktion und Reproduktion angesiedelt. Naturwissenschaften produzieren hauptsächlich neues Wissen, Medizin und Jurisprudenz geben hauptsächlich bewährtes Wissen weiter.

Für Kant ist die Aufgabe der Universität die Reproduktion der politischen und gesellschaftlichen Ordnung. Für diese Aufgabe sind die „oberen“ Fakultäten (Jurisprudenz, Medizin, Theologie) zuständig. Die Philosophie, unter der Kant alle anderen Fakultäten versteht, hat die Aufgabe diese zu hinterfragen. Kant sieht die Universität als Spannungszustand. Die Philosophie hat die Verpflichtung nach dem Gesetz der Vernunft zu urteilen. Der Dialog zwischen den Positionen etabliert den Spannungszustand.

Bei Kant verläuft der Streit zwischen den Fakultäten, bei Bordieu innerhalb einzelner Fakultäten, ja sogar innerhalb einzelner Individuen.

Freie Bildung ist laut Nemeth eine Illusion. Es geht immer auch um ökonomische Verwertbarkeit. Der Spannungszustand ist wichtig für die ökonomische Vernunft. In der mittleren Zone, wo die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften angesiedelt sind, gibt es eine bewusste und konkrete Auseinandersetzung der betreffenden Individuen mit den beiden Positionen. So ist die mittlere Position die Umsetzung von Kants „Streit der Fakultäten.“


Zimmermann, Bettina

Auf Wunsch der studentischen Protestbewegung widmet Nemeth ihre Vorlesung dem Bildungsthema. Sie weist bereits einleitend darauf hin, dass sie das Thema aus einem anderen Blickwinkel, als dem der Protestbewegung, beleuchten wird.

Ihr Vortrag basiert im Wesentlichen auf zwei Publikationen: Pierre Bourdieu: Homo academicus, 1984. Immanuel Kant: Der Streit der Fakultäten, 1798. Nemeth hatte sich bereits im Rahmen der Studentenproteste 1996 mit dem Bildungsthema beschäftigt und den Text „Institutionalisierte Illusionen: Forschung, Ausbildung und Bildung an der Universität“ publiziert, der ebenso auf die obigen beiden Publikationen Bezug nimmt.

Auslöser der Proteste 1996 war das Sparpaket, im Zuge dessen die Studienbeihilfen und die Mitversicherung an die Mindeststudiendauern gebunden wurden. Eine Reduktion der Universitätskosten erfolgte in den letzten Jahren immer auf Seiten der Lehre. Die externen Lektoren wurden reduziert, die Lehrzeiten der Professoren entsprechend (zu Lasten der Forschungszeiten) erhöht. Es ist zu einer sukzessiven „Verschulung“ der Universitäten gekommen.

Bourdieu wirft in seiner Arbeit einen soziologischen Blick auf die Universitäten als soziologische Einheit bzw. als Sozialraum in unserer Gesellschaft und weist auf den „Konflikt“ zwischen Lehre und Forschung hin.

Bereits Kant sah innerhalb der Universitäten zwei Aufgaben, die sich überlappen, und zu einem permanenten Spannungsverhältnis führen:

- die Reproduktion von anerkanntem Wissen (Weitergabe des Wissens, Faktenwissen, Einübung von Haltungen und Fähigkeiten, Übernahme von Methoden, Ordnungen): Hier handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die ausgebildeten Personen sollen hohe Funktionen und hohe Positionen einnehmen. Eine „Liebe zur Ordnung“ wird als erforderliche Eigenschaft hierfür angesehen. Es kommt zu einer Personifizierung der Anerkennung des geordneten Wissens. D.h. es handelt sich hierbei um die Funktion der Reproduktion der Gesellschaft und deren ökonomischen Strukturen und Machtverhältnissen.

- die produktive Funktion: Universitäten sollen neues wissenschaftliches Wissen hervorbringen. Sie sollen die herrschenden Methoden in Frage stellen und evtl. ablösen.

Es folgt daraus ein Konflikt zwischen der sozialen und der wissenschaftlichen Funktion der Universitäten. Alle Akteure sind mit diesen beiden widerstreitenden Funktionen konfrontiert. Der universitäre Raum ist entsprechend organisiert.

Nach Nemeth sind tendenziell die Jurisprudenz und die Medizin der Funktion der Reproduktion zugeordnet, die Mathematik und die Naturwissenschaften der Funktion der Produktion von neuem Wissen und die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften bilden eine „besondere Zone“ innerhalb der Universitäten, da hier keiner der beiden Aspekte dominiert.

Zur Zeit von Kant gab es an den Universitäten die oberen Fakultäten – Jurisprudenz, Medizin und Theologie –, die die Aufgabe der Reproduktion der gesellschaftlichen und politischen Strukturen inne hatten und die untere Fakultät – die Philosophie, deren Aufgabe es war, den anderen Fakultäten Einwürfe zu machen und deren Wissen in Zweifel zu ziehen. Letztere war also die kritische Kraft der Vernunft innerhalb der Universität mit dem Leitmotiv „sapere aude“. An den Universitäten gab es also einen irreduziblen Spannungszustand, einen Streit um den Einfluss aufs Volk. Sie waren der Ort, an dem es erlaubt war, offiziell den etablierten Strukturen entgegen zu arbeiten. Die oberen Fakultäten werden folglich immer wieder versuchen, die untere zu unterdrücken und zum Schweigen zu bringen. Kant forderte, dass die Koppelung der beiden Funktionen institutionalisiert und politisch unterstützt werden muss. Der Kampf um die Universitäten war der Kampf um einen gesellschaftlichen Ort der Vernunft, um den reproduktiven, sowie um den kritischen Teil.

Im 20. Jahrhundert findet dieser Streit nicht mehr zwischen den Fakultäten, sondern innerhalb der Fakultäten und zwischen den Individuen statt. Eine „unabhängige“ Bildung (ohne Reproduktionsaufgaben) ist lt. Nemeth eine Illusion. Der Universitätsabschluss ist nach wie vor eine Voraussetzung bzw. Hilfe, um in der Hierarchie aufzusteigen. Die Koppelung der beiden Funktionen ist auch wichtig, um diese Art des Lernens und kritischen Hinterfragens in die höheren Ebenen der Gesellschaft (politische Funktionen) hineinzubringen. Die geisteswissenschaftlichen Fächer übernehmen die Funktion des Kant’schen Modells – die Auseinandersetzung und die Dominanz der einen oder anderen Seite. Die Universität ist der Ort, um diese Spannung zu institutionalisieren. Die Geisteswissenschaften sollten lt. Nemeth als Zone der Spannung zwischen den beiden Polen agieren und nicht als Raum freien, losgelösten Denkens. Der Spannungszustand ist der eigentlich produktive Bereich der Geisteswissenschaften. Die komplette Trennung von Lehre und Forschung ist somit problematisch. Die Verteidigung dieses Spannungsverhältnisses sollte ein Ziel sein.

In der an den Vortrag anschließenden Diskussion versucht Nemeth deutlich zu machen, was obiges Verständnis von der gesellschaftlichen Funktion der Universitäten in Bezug auf die aktuell gestellten Forderungen (bspw. Bildung statt Ausbildung, freie Bildung) bedeutet. Lt. Nemeth darf die Ausbildungsfunktion als reproduktive Funktion nicht in ihrer Wichtigkeit unterschätzt werden. Bildung muss immer die politische Realität im Fokus haben. Eine klare Stellungnahme gibt es auch zum Thema Zugangsbeschränkungen: auch im Sinne Kants kann es kein zuviel an Reproduktion geben. Als Problem bleibt allerdings die Frage, ob ein unbegrenzter Zugang zu den Universitäten ohne Qualitätsverschlechterungen finanzierbar ist.


Pöckl Manfred, Scherhaufer Stefan

MuD, Ring-VO, Prof. Elisabeth Nemeth, 5. November 2009

Die Universität im Spannungsfeld zwischen Reproduktion und Produktion von Wissen

Prof. Nemeth änderte ihr geplantes Thema zur Ringvorlesung im Hinblick auf die aktuellen Studentenproteste. Nach einer kurzen Vorstellung ihrer Person und ihrem persönlichen Zugang zur Philosophie warf sie in ihrem Vortrag einen soziologischen Blick auf die Universität in unserer Gesellschaft. Ihre Thesen ließ sie auf vorwiegend zwei Büchern fußten:

Pierre Bourdieu: "Homo academicus"

Immanuel Kant: "Der Streit der Fakultäten"

Laut Bourdieu steht die Universität stets im Spannungsfeld zwischen zwei Polen:

a.) Institution höherer Bildung

Die Universität hat die Aufgabe anerkanntes Wissen zu "reproduzieren", dh. etablierte Lehrmeinungen an die Studenten zu vermitteln und weiterzugeben.

b.) Institution für wissenschaftliche Forschung

Dieser Bereich hat die Aufgabe neues Wissen zu generieren oder produzieren.

Doch diese beiden Bereich können schwer in Balance stehen, und so favorisieren bestimmte Fakultäten je eine Seite in diesem Spannungsfeld, und versuchen sich so gegenüber der Gesellschaft zu legitimieren. Fakultäten oder Wissenschaften, die sich eher der höheren Bildung (Bereich a.)) verschreiben, sind typischerweise Jus oder Medizin, während etwa Mathematik und Naturwissenschaften zur wissenschaftlichen Forschung (Bereich b.)) tendieren. Die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sitzen quasi zwischen den beiden "Stühlen", was ihren Stand in der Gesellschaft als schwierig erahnen lässt.

Kant nimmt eine ähnliche Einteilung vor:

a.) Obere Fakultäten

Ihre Hauptaufgabe steht in der Reproduktion von Wissen. Es zählen dazu Jus, Medizin und Theologie.

b.) Philosophische Fakultäten

Hier finden sich alle anderen Wissenschaften neben den oben genannten. Sie sollen die oberen Fakultäten kritisch hinterfragen.

Die Universität soll somit ein Ort sein "an dem die magische Kraft des Wissens gepflegt wird, und den öffentlichen Institutionen entgegen wirkt."

Nach den Schlussfolgerungen von Prof. Nemeth soll die Universität kein "willkürlicher Freiraum"von Gedanken sein, sondern vielmehr ein Ort an dem das oben beschriebene Spannungsfeld bewusst wahr- und aufgenommen wird. Dieser Spannungszustand ist das eigentlich Produktive.


Evelyn Bubich

Ring-VO 5.11.

Kurzer Überblick

Logischer Empirismus (auch Logischer Positivismus, Neopositivismus)-philosophische Strömung des 20.Jh.- des Wiener Kreises als Grundlage für die Analytische Philosophie des 20.Jh. Vertreter: L.Wittgenstein Gesichtspunkt: kulturelle, soz., polit. Situation der Zeit Theoretische Philosophie eingebettet in soz., polit. Spektrum Kultureller Zusammenhalt!

>Institutionalisierte Illusionen< ---- Gemeinsamkeiten zwischen der Bildungssituation 1996 - heute:

Pierre Bourdieu (franz. Soziologe) - HOMO ACADEMICUS - emp. Studie zum höheren franz. Bildungssystem - erkenntnistheoretische Fragen - Universität als soz. Raum innerhalb der Gesellschaft! (68er-Bewegung)

Frage (nach) der fReIeN Bildung - >Ökonomische Verwertbarkeit< >Illusion< als >gefährliche Illusion< - Aber: >Individuelle Verwertbarkeit< außer Acht gelassen ?!

KANT - DER STREIT DER FAKULTÄTEN

Universität als Ort a)der Reproduktion anerkannten Wissens und b)Produktion neuen Wissens--- a & b schwer zu vereinbaren, aber notwendig! WIE STEHEN DIE BEIDEN AUFGABEN ZUEINANDER? - Einrichtung höherer Bildung - Inst. wiss. Forschung - Wert - Ungleichnis - Spannungsfeld

Johannes Rubbert

Vorlesung wurde nicht wegen Demo abgesagt, aber später ein Kommentar zu den Protesten.
Vorstellung/Laufbahn:
Philosophiestudium an Uni Wien in den 70ern (damals sehr deutschlastig)
Diss: logische Empierismus des wiener Kreises (1920er, Nach WW2 eine der Wurzeln der analytische Philosophie im angelsächsischen Raum)
2. Schwerpunkt:
Philosophische Anthropologie (Tugendhat)

1996 Proteste wegen Sparpaket Publikation: „Institutionalisierte Institutionen / zur Ausbildung an den Universitäten“
Bei der Bildung wurde gespart
1) Beihilfe und Mitversicherung an Studienerfolg gebunden
2) Lehrverpflichtungen der Internen wurden angehoben um Externe einzusparen
Folgen: Belebung der Institute durch Externe bleibt aus und weniger Zeit zum
Forschen (Verschulung) Studentenzahlen steigen -> nicht mehr Fixe, Externe werden semesterweise für Veranstaltungen verpflichtet
Damals vereinigte Front von Studierenden und Lehren
Bourdieu, Pierre: Homo academikus,
1984/1988: Ergebnis einer Studien zum höheren Bildungssytem in Frankreich, soziologischer Blick auf die Universität als sozialen Raum innerhalb der Gesellschaft (warum 68 so stark wurden)
geisteswissenschaftliche Fächer sind besonders spannungsgeladene Zonen, weil
1) Reproduktion von Wissen: vermitteln von Fakten und Haltung, Bereitschaft Wissen und Prozeduren übernehmen -> Qualifikation für Toppositionen + Liebe zur Ordnung
=> Personifikation von Wissen, Ordnung, Kontinuität, Brav sein
=> Reproduktion der Gesellschaft incl. Wirtschaftliche, kulturelle und politische Verteilungsmechanismen
2)Produktion von Wissen: Teile der Fakten, Haltungen und Prozeduren werden in Frage gestellt und eventuell entsorgt
1)+2) bewirken Spannungen
Bourdieu
: Meist überwiegt 1 (Jus, Medizin, …) oder 2 (Mathematik, Naturwissenschaften, …) Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sind mittendrin zwischen 1 und 2, alle (Personen) sind dieser Spannung ausgeliefert
Kant, Imanuel: Der Streit der Fakultäten, 1798 1 (Jus, Medizin, Theologie, …) und 2 (Philosophie, …)
2 soll 1 bezweifeln
Funktion der Universität ist (auch) Streitort zwischen 1 und 2 zu sein
1 ist (auch) der Regierung verpflichtet
2 ist nur der Vernunft verpflichtet

Fazit: Universitäten sind IMMER 1 UND 2 verpflichtet
Uni soll nur 1 sein ist eine gefährliche Illusion, weil auch Reproduktion benötigt (interdisziplinäre) Infragestellung und Trennung von Forschung und Lehre ist verstärkt diese Spannung
Vielleicht bewirkt Bachelor/Master eine sinnvolle Verbindung/Abfolge von Reproduktion und Produktion
Bibliotheken: einerseits sehr guter Zugang zu (Internationalem) Wissen, anderseits die „ein Buch Politik“
Für Investitionen ist genug Geld da, nur nicht für Personal.
Bildung vs Ausbildung ist falsche Konstruktion weil Bildungsfreiheit ist im weiteren Sinn (wirtschaftlich) sinnvoll, nicht nur für Persönlichkeit sinnvoll (Phil. und andere integrative Ausbildungen <> brotlose Kunst)

Hamel, Hanna

In ihrem Vortrag vom 5.11.09 geht Prof. Elisabeth Nemeth auf die aktuell stattfindenden Studentenproteste ein. Dabei bezieht sie sich auf einen von ihr verfassten Artikel aus dem Jahr 1996, den sie ebenfalls aufgrund von Protesten gegen Mängel im Bildungssystem verfasst hat. Darin erläutert sie anhand von Texten von Kant und Bourdieu die strukturelle Problematik der Universitäten.

Einleitend berichtet Elisabeth Nemeth über ihren wissenschaftlichen Werdegang und betont ihr Interesse am Überschneidungsgebiet von philosophischen und politischen beziehungsweise kulturwissenschaftlichen Fragestellungen. Auch mit dem Spannungsfeld von Kultur und Wissenschaft hat sie sich intensiv beschäftigt.

Den nun aktuellen Studentenprotest betrachtet sie unter folgenden Theorien der Philosophen Bourdieu und Kant:

Bourdieu, Homo academicus

Bourdieu betrachtet die Universität (auch anhand empirischer Studien) als sozialen Raum. Er teilt die Tätigkeit der Universitäten ein in „Reproduktion“ und „Produktion“. Unter „Reproduktion“ fällt der Vermittlungsprozess von Haltungen, Fakten und bereits anerkanntem Wissen. Dieses wird in geordnetem Rahmen übernommen. Unter „Produktion“ fällt das Hervorbringen von neuem wissenschaftlichen Wissen. Diese beiden scheinbar selbstverständlichen Aufgaben der Universität bergen einen Widerspruch in sich: Um neues Wissen zu erwerben, muss das zu sichernde und weiterzugebende Wissen hinterfragt werden.

Die soziale Berechtigung erhalten Universitäten vor allem über die Vermittlung von Anerkanntem, die wissenschaftliche Berechtigung über den Neuerwerb von Wissen. Die Universitäten stehen deshalb in einem Spannungsfeld.

Interessant ist nun die Einteilung der Fakultäten auf die Bereiche „Produktion“ und „Reproduktion“. Die in der Gesellschaft angesehenen Fakultäten der Jurisprudenz und der Medizin stehen (vorwiegend) auf der Seite der „Reproduktion“, Mathematik und Naturwissenschaften hingegen auf der der „Produktion“. Eine spannende Rolle nehmen die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften ein, die in der Mitte der Ausgeglichenheit von beiden Tätigkeiten stehen.

Kant, Streit der Fakultäten

Auch bei Kant stehen die Fakultäten im Widerspruch von Produktion und Reproduktion: Bei ihm beherrschen die Reproduktion allerdings die Fakultäten Jus, Medizin und Theologie, denen als einzige die philosophische Fakultät (in der die Naturwissenschaften etc. impliziert sind) gegenübersteht. Die philosophische, die so genannte „untere“ Fakultät hat die Aufgabe, die Autonomie des Denkens zu vertreten und den institutionalisierten „oberen“ Fakultäten öffentlich zu widersprechen, damit diese beim Volk nicht in einen „Wundermänner“-Status geraten. Der Spannungszustand von etabliertem Wissen einerseits und freiem Denken andererseits erhält eine lebendige Universität; sowohl die „magische Kraft“ des Wissens als auch der Zweifel brauchen ihren Raum und ihre Vertreter.


Elisabeth Nemeth betont, dass die Geistes-, Kultur-, und Sozialwissenschaften in dem Konflikt zwischen Produktion und Reproduktion in besonderer Weise erfahren sind: Hier sind beide Seiten in einem Fach gleich stark vertreten; hier sollte die Erkenntnis gereift sein, dass beide Seiten aufeinander angewiesen sind und ohne einander nicht existieren können. Die Geisteswissenschaftler sollten sich deshalb der Aufgabe stellen, zu diskutieren und bekannt zu machen, dass es von Bedeutung ist, gesellschaftlichen Nutzen aus der Wissenschaft zu ziehen und sie gleichzeitig zu hinterfragen.

Wie stehen diese Theorien nun aber in Zusammenhang mit den Studentenprotesten?

Kritisiert wird in Nemeths Vortrag eigentlich die Einseitigkeit der studentischen Forderung nach „freier“ Bildung, nach „freien“ Universitäten, nach „freiem“ Denken. Eine Verankerung der Wissenschaft in der Gesellschaft, eine Orientierung an Verwertbarkeit des Wissens für die Gesellschaft ist jedoch wichtig und darf nicht außer Acht gelassen werden, zumal die Studenten selbst mit einem universitären Abschluss auch eine gute wirtschaftliche Position anstreben.

Konkretisierung

Drei konkrete Kritikpunkte nennt Elisabeth Nemeth im Zusammenhang mit den Bildungsprotesten:

1. Die Neustrukturierung der Universitäten ist deshalb negativ, weil sie auf Interdisziplinarität orientiert, damit die Trennung der Fakultäten schwächt und auch ihrem produktiven Konflikt die Grundlage entzieht. 2. Die Trennung von Forschung und Lehre in der Organisation beraubt die Wissenschaftler der positiven Spannung, die zwischen den beiden Bereichen herrscht. 3. Die Versorgung der Studenten mit Literatur durch die Bibliotheken ist insofern schlechter geworden, als dass wichtige Literatur oft nur an einer Institutsbibliothek in einer Ausgabe vorhanden ist. Zwar ist insgesamt mehr Literatur zugänglich, einzelne Titel sind aber nicht ohne weiteres mehrfach zu haben, so dass die tatsächliche Nutzbarkeit geringer wird.

Weingartshofer, Marian

Elisabeth Nemeth: Professorin am Institut, Vorständin des Institutes. Wird einiges vorstellen, wurde von Gruppe von Studierenden die in Protestbewegung ziemlich aktiv sind gefragt, ob sie nicht zu den Themen des Protestes etwas sagen könnte, wird die Gelegenheit ergreifen um ein paar Überlegungen zu präsentieren und um manches an Schlagworten der Forderungen klarer erscheinen zu lassen.

Vorstellung Elisabeth Nemeth

Kurze Vorstellung ihrer Schwerpunkte. Hat am Institut studiert, ihre Ausbildung war an klassischer deutschsprachiger Philosophie orientiert. Bedeutete in den 70ern Lektüre großer Philosophen wie: Kant, Hegel, Heidegger, auch Kierkegaard. Die bekannten Texte sehr genau lesen und so in einen bestimmten Typ von Philosophie hineinkommen. Hat sich ab Dissertation an anderer philosophischen Tradition orientiert: Die in Wien während ihres Studiums fast überhaupt nicht präsent war: Dem logischen Empirismus des Wiener Kreises. In den 20ern in Wien entwickelt, nach dem 2. Weltkrieg wurde sie eine der wichtigen Wurzeln für Entwicklung der analytischen Philosophie des 20 Jahrhunderts. In England: Fast alle Mitglieder des Wiener Kreises mussten fliehen, damit ist Tradition für viele Jahre aus Österreich verschwunden, erst Änderung in späten 60ern und 70ern. Erster der stärker rezipiert wurde war Wittgenstein.

Nemeths Interesse: Inwiefern die philosophische Richtung mit der Situation der Zeit zu tun hatte. Sozial, politisch, kulturell. Logischer Empirismus hat radikale Neubestimmung der Philosophie vorgeschlagen, sollte sich orientieren an Errungenschaften der modernen empirischen Wissenschaften. Die großen Namen kamen aus Naturwissenschaften: Mach und Bolzmann. Andererseits Entwicklung der modernen Logik in Tradition von Frege, Russel und Wittgenstein.

Interesse Nemeths: Wieso hat die an auf ersten Blick sehr abstrakten Fragen interessierte Gruppe sich erstens zum großem Teil stark politisch verstanden und ihre Philosophie als wichtigen Beitrag zu politischer aufgeklärter Haltung verstanden? Was soll das miteinander zu tun haben? Davon ausgehend, nächste Frage: Warum hat diese Richtung nach dem Zweiten Weltkrieg diesen politisch, kulturellen, aufklärerischen, Punch verloren? Wie ist eine bestimmte sehr theoretisch orientierte Philosophie eingebettet in politische und soziale Kontexte?

Typus von Fragestellung: Inwiefern ist eine Philosophie eingebunden in solche Zusammenhänge, wurde im Lauf der 80er starkes Forschungsfeld. Wurde eine Art von Rückgrat von Nemeths philosophischer Arbeit.

Andere Schwerpunkte: Interesse für andere Wissenschaftsphilosophie der Zeit, insbesondere Ernst Kassierer. Hatte interessante Philosophie der Wissenschaften und der Erkenntnis. In Spätphase hat er die Philosophie der symbolischen Formen ausgearbeitet. Gibt Rahmen ab in dem klarer wird was die verschiedenen kulturellen Sphären wie Religion, Kunst, Ethik, wie die zueinander stehen und wie man ihre Verhältnisse begreifen kann. Ein weiterer ihrer Schwerpunkte war Pierre Bourdieu, seine Studien zu den Bildungsinstitutionen und zur Universität. In den letzten Jahren immer wieder Beschäftigung mit einer an analytischer Philosophie orientierten philosophischen Anthropologie.

Bildungspolitik, Situation 1996 und Gemeinsamkeiten mit Heute

Seit vielen Jahren einerseits am Institut andererseits auch in Universitätspolitischen Aktivitäten involviert. Auch in ersten großen Protestbewegungen 1996, als Reaktion auf damaliges Sparpaket der Regierung, das zu einer Verschlechterung der Situation an den Unis führte.

Artikel aus dem Jahr 1996

Heute: Teile eines Artikels von damals verwenden und kommentieren. Text des Artikels steht im Wiki. Artikel ist damals erschienen in einem Heft wo es um Bildungspolitik ging, vom Institut für Wissenschaft und Kunst. Warum 15 Jahre alter Artikel? In manchen Punkten nicht für heute anwendbar, insbesondere das, was auf den ersten Seiten steht, ist bezogen auf damalige Situation, gilt heute schon lange nicht mehr. Ein paar Worte zu Gemeinsamkeiten von damals und heute: Erstens: Damals ging es darum, unter dem Vorzeichen des Sparens, das ausgelöst war durch neue Gesetzeslage im Bezug auf Besteuerung, musste bei Bildung gespart werden. Man hat für Studierende und für Lehrende neue Bedingungen geschaffen. Studienbeihilfe und Möglichkeit zur Mitversicherung bei Eltern wurde gebunden an Mindeststudienzeit. Andererseits wurde auf der Universität verlangt, dass Ausgaben reduziert werden müssen, alle auf Seiten der Lehre. Lehrverpflichtung der internen Professorinnen sollte angehoben werden.

Unterschiedlicher Status der Lehrenden

Lehrende haben unterschiedlichen Status, zwei große Gruppen: Einerseits Interne Lehrende, mit Vertrag an der Uni, die als Professorinnen oder Assistentinnen kontinuierlich lehren. Zweite Gruppe: Externe Lektorinnen, bekommen von Semester zu Semester einen Vertrag für eine bestimmte Lehrveranstaltung. Die Externen sind in sehr viel schwierigerer Situation, ökonomisch und sozial. Im Bezug auf Sparen: Damals hat eine Strategie begonnen, die bis heute anhält: Vorgabe: die Internen sind sowieso da, Lehrverpflichtung wird erhöht, bei Externen wird gespart. Protest: Wenn das so ist verlieren die Unis viele Lehrerinnen und es wird zur starken Belastung der Internen kommen, die können nur noch lehren und nicht mehr forschen. Diese Sparvorgabe betrifft bis heute SPL. Das es zu dieser Konstellation gekommen ist: In 70ern gab es ein ganz großes Wachsen der Studierendenzahlen, das wurde nicht mit mehr Professorinnen beantwortet, es wurden immer mehr Externe eingestellt. Dadurch kam es zu dieser Gegenüberstellung. Schon in 90ern hatten dieselben Fächer schon dieselben Probleme wie heute: Medizin, Psychologie, Kommunikationswissenschaft… soviel zum Hintergrund.

Pierre Bourdieu

Artikel damals wurde nachdem über viele Wochen eine sehr homogene Bewegung entstanden war wo viele, Professorinnen, Assistentinnen und Studentinnen eine gemeinsame Front gebildet haben. Artikel wurde im hinterher nachdenken geschrieben, um genauer zu verstehen, was da passiert war.

„homo academicus“

Zwei Texte hauptsächlich verwendet: Einen von Pierre Bourdieu: „homo academicus“ erschienen 1984 in Frankreich, 1988 auf Deutsch übersetzt. War Philosoph und Soziologe, geboren 1930, gestorben 2002. Sehr umfangreiches Buch, ist groß angelegte Studie, Ergebnis von 20 Jahren, vielen Studien zum französischen Bildungssystem und der höheren Bildung an den Universitäten. Viele Tabellen, mit vielen methodischen Überlegungen, für viele Philosophinnen langweilig. Geht um soziologischen Blick auf Universität als sozialer Raum innerhalb der gesamten Gesellschaft. Auch wichtig ist eine Studie die sich beschäftigt mit Universität bis zum Jahr 1986, beschäftigt sich mit der Frage warum 68er Bewegung so stark wurde, was da angestrebt wurde etc. Nemeth war völlig verblüfft darüber das Analyse aus Frankreich aus den 60ern so gut verstehen hilft was in 90ern in Wien passiert. Nemeth will das strukturelle herausarbeiten.

Zweiter Bezugstext: Immanuel Kant: „Der streit der Fakultäten“, erschienen 1798.

Besonderheit der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften

Welchen Blick auf die Universität als sozialen Raum richtet Pierre Bourdieu: Warum ist ihr überhaupt aufgefallen, das diese Studie für das Nachdenken über die Universität in 90ern und heute wichtig sein kann? Es zeigt sich in der Studie, dass die Fächer die wir als sozialwissenschaftlich, philosophisch bezeichnen eine interessante Zone innerhalb der Unis bezeichnen. Das Besondere: Sie befinden sich in einem Bereich in dem zwei gegensätzliche Bereiche besonders deutlich aufeinander stoßen, einer Spannungssituation. Universität hat Aufgabe der Reproduktion von anerkanntem Wissen, im Spitzenbereich der Institutionen die im Staat existieren. Reproduktion, so Bourdieu, in Weitergabe des Wissen an die eine akademische Ausbildung Durchlaufenden.

Reproduktive und Produktive Funktion der Universität

Mehrere Dimensionen von Kenntnissen, erstens Kenntnis von Fakten. Wichtig: In Reproduktion von Wissen werden bestimmte Haltungen und Fähigkeiten eingeübt, insbesondere die Bereitschaft das, was als ausgewiesenes Wissen anerkannt ist und die Prozeduren nach denen es erworben und gesichert ist zu übernehmen. In Form der Ordnung die durch Institutionen vorgegeben wird. Diese reproduktive Seite hat zu tun mit gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Universität, hat eine Funktion außerhalb der Universität. Absolventinnen sollen in der Lage sein gesellschaftlich vorgesehene Aufgaben zu übernehmen und diese Kenntnisse, Fertigkeiten, Haltungen dort einzusetzen. Meist in höheren Positionen. Auch ist die Liebe zur Ordnung die unerlässliche Voraussetzung und zugleich das Ergebnis akademischer Bildung. Ohne Bereitschaft, das was in Universität anerkannte, Prozeduren und Inhalte von Wissen sind zu übernehmen, gibt es keine akademische Bildung. Ist auch Resultat, Universitätsgang ist auch Einübung in geordnete Übernahme von bereits Anerkanntem.

Die Universität bringt Individuen hervor, die die Anerkennung der Ordnung des gelehrten Wissens, dessen Einübung, auch personifizieren, Ein Universitätsabschluss ist in einer gesellschaftlichen Ordnung in der akademischen Bildung einen hohen Wert darstellt, oft Voraussetzung für bessere Jobs, die Individuen stehen auch höchstwahrscheinlich für diesen Wert selbst ein. Durch Erfüllung ihrer Aufgabe Wissen zu reproduzieren und zu verteilen trägt die Universität wesentlich zur Reproduktion der Gesellschaft und der politischen, ökonomischen Macht bei.

Universität hat nicht nur diese reproduktive, sondern auch eine produktive Funktion, sie soll auch neues wissenschaftliches Wissen hervorbringen. Das bedeutet eine Spannung zu der anderen Aufgabe. Hervorbringen von neuem heißt, dass das anerkannte in Frage gestellt werden muss. Diese Notwendigkeiten stehen zur Reproduktion im Gegensatz. Ist für alle in der Universität handelnden Individuen ein Konflikt zwischen der sozialen und der wissenschaftlichen Berechtigung ihrer Tätigkeit.

Worauf es ihr ankommt: Bourdieu weißt darauf hin, dass es nicht eine Verbindung sondern zunächst einmal eine Spannung ist. Wie die zueinander in Verbindung stehen ist soziologisch interessante Frage. Jede Person von Studierenden bis zu Professoren die einen Platz in der Universität einnimmt, ist damit konfrontiert mit den zwei rivalisierenden Prinzipien der Legitimation. Einerseits: Reproduktion von Anerkanntem ist Wert der als solcher aufrechterhalten werden muss, andererseits: Produktion von neuem Wissen, steht zu erstem in Konkurrenz.

Einerseits jedes Individuum mit dieser Spannung konfrontiert, andererseits: Dieser Gegensatz findet sich über die gesamte Universität in einer Ungleichverteilung dargestellt: Gesamter Universitärer Raum ist strukturiert über diese Prinzipien. Normalerweise dominiert eines das andere, können nicht in ruhigem Balancezustand zueinander stehen.

Dominanz des einen oder anderen Pols an den verschiedenen Fakultäten

Was Bourdieu aufzeigt: Man kann zeigen, dass in bestimmte Fakultäten der soziale Wert stärker zählt, in anderen zählt das hervorbringen von Neuem stärker. Eine Seite: Medizin Jura. Andere Seite: Mathematik und Naturwissenschaften. Heißt nicht, dass es in einem Bereich nur das eine gibt, aber Legitimierung für das was insgesamt passiert ist dominiert von dem Wert den das Wissen für die Gesellschaft hat. In Mathematik und Naturwissenschaften spielt das hervorbringen von neuem Wissen als solches eine viel stärkere Rolle als das reproduzieren von bereits bekanntem. Wichtig: In der Mitte des Spannungsfeldes stehen genau die Fakultäten um die es uns da geht, Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Deshalb so interessant weil in ihnen diese Dominanz nicht gegeben ist, in diesen Bereichen geht es immer hin und her. Gibt Strömungen die stärker zu Forschung hingehen, auch Strömungen die viel stärker zur anderen Seite gehören.

Immanuel Kant

„Der Streit der Fakultäten“

Jetzt zum anderen Teil: Kants “Streit der Fakultäten“. Auch Bourdieu verwendet den Text in einer Anspielung. Schon für Kant ist Universität charakterisiert durch irreduziblen Spannungszustand den der Staat und die Gesellschaft stellen. Nach Kant: Erste Aufgabe der Universität auch wie bei Bourdieu zur Reproduktion der gesellschaftlichen und politischen Ordnung beizutragen. 3 Fakultäten übernehmen bei ihm diese Aufgabe: medizinische, juridische, theologische. Diese drei “oberen“ Fakultäten stehen bei Kant einer “unteren“ gegenüber, der philosophischen Fakultät. Beachten: Mit der philosophischen Fakultät sind alle anderen Fakultäten, Wissenschaften gemeint, also Mathematik Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften etc.

Aufgabe der unteren Fakultät

Alle Wissenschaften die nicht in diesem Sinn den Staat und die Gesellschaft reproduzierende, klar definierte, Aufgaben haben gehören zu jener „unteren“ Fakultät. Aufgabe der unteren Fakultät: Den anderen Fakultäten Einwürfe zu machen und die von ihnen verbreiteten Auffassungen, das was sie reproduzieren und weitergeben in Zweifel zu ziehen. Sie ist die Kritische Kraft der Vernunft innerhalb der Universität. Ist berechtigt und verpflichtet die Rechtfertigung absolut jedes Wissensanspruches vor dem Gerichtshof der Vernunft einzufordern. Interessant: Kant macht in dem Text schon eine soziologische Deutung der Autonomie der Vernunft. Programm der Aufklärung wird gesellschaftlich verankert. Die Universität ist nach Kant der gesellschaftliche Ort, an dem ein Streit geführt wird um den Einfluss aufs Volk, der Streit kann nicht endgültig beigelegt werden weil er darum geht in welcher weise gelehrtes Wissen gesellschaftlich wirksam werden soll. Kant: Die Geschäftsleute der drei oberen Fakultäten, deren Lehren von der Regierung observiert und sanktioniert werden, sind jederzeit bereit wie Wundermänner aufzutreten und problematische Wirkungen zu erzielen. Das Volk hat die Tendenz von Gelehrten lauter Wunderdinge zu erwarten, die haben Tendenz solche Dinge zu versprechen.

Die Universität ist der Ort an dem es einer Fakultät erlaubt ist den von der Regierung eingesetzten Geschäftsleuten öffentlich entgegenzuarbeiten. Nicht um ihre Lehren zu stürzen, sagt Kant, sondern: Um gegen die magische Kraft zu arbeiten, die das Publikum und die Geschäftsleute des Wissens, dem gelehrten Wissen gerne beilegen. Universität ist Ort an dem die magische Kraft des Wissens sowohl gepflegt wird als auch der Ort an dem ihr öffentlich entgegengearbeitet wird.

Das ist der Spannungszustand der Universität für Kant. Kant macht auf ein Ungleichgewicht in diesem Spannungszustand aufmerksam: Den oberen Fakultäten dürfen von der Regierung Vorgaben gemacht werden, sie dürfen aber auch selbst befehlen, sind in Positionen in denen sie gesellschaftliche Macht ausüben dürfen. Philosophie: Steht unter Gesetzgebung der Vernunft und nicht der Regierung. Die eine Seite, die untere Fakultät, wird immer wieder bedroht sein, es wird immer wieder von den oberen Fakultäten versucht werden sie zu verjagen, oder ihr den Mund zu verbieten.

Auseinandersetzung um die Universitäten

Wir können, insbesondere in Europa, eine starke Auseinandersetzung um die Universitäten beobachten, wie kann man das, was die Universitäten leisten und auch leisten sollen in einer neuen Art und Weise denken und gestalten?

These aus bisher Gesagtem: Kampf um gesellschaftlichen Ort der Vernunft muss um kritische und um reproduktive Funktionen der Universität geführt werden. Wenn wir lebendige Universität wollen können wir nicht nur sagen es braucht die unabhängige Kraft des Denkens und die ist als solches autonom, sondern: Es geht in einer in einem Aufklärungsprojekt befindlichen Universität um Etablierung und das immer neue eines Spannungszustandes dieser Art. Die kritische Kraft der Vernunft kann das was sie im Sinne der Aufklärung gesamtgesellschaftlich leisten sollte nur in einem Raum leisten der auch gesellschaftliche Reproduktion der Ordnung erfüllt und zwar primär. In dem Sinn sind sie obere. Die Vernunft kann nämlich den Raum nicht dominieren, den Universitären, sie ist in der Rolle des Kritisierens kann aber in gesellschaftlichen Sinn diesen Raum nicht dominieren, gesamtgesellschaftlich kann sie nur wirksam werden um den Preis, dass sie in einem Raum wo es primär um Reproduktion von Wissen geht Zweifel und Einwände erhebt.


Forschen außerhalb der Universität

Aber freies Forschen kann es, bei Kant, auch außerhalb der Universität geben: Zunftfreie Gelehrte. Aber Konzeption der Aufklärung im Sinne Kants: Koppelung zwischen Verfahren der Reproduktion der Ordnung und dem selbstbestimmten Denken und Forschen zu institutionalisieren und politisch zu garantieren. Autonome Vernunft kann nur dann gesellschaftliche Realität werden wenn Raum existiert in dem magische Wirkung des gelehrten Wissens nicht außer Kraft gesetzt aber öffentlich in Zweifel gezogen werden kann. Dieser Raum ist die Universität. In dieser Struktur hat die Vernunft ein Spannungsfeld in dem sie ihre aufklärerische Kraft wirksam einsetzen kann.

Unterschied Kant zu Bourdieu

Zurück zu Bourdieu: Bei ihm ist die doppelte Aufgabe der Universitäten, die bei Kant den verschiedenen Fakultäten zugeordnet ist, auf alle Fakultäten verteilt. Jedes Individuum an der Universität ist unter beiden Legitimationsprinzipien gefordert. Streit findet im 20. Jahrhundert nicht mehr zwischen Fakultäten sondern innerhalb der Fakultäten und sogar innerhalb der Individuen statt.

Universitätspolitik

Gefährliche Illusion

Sowohl 1996 als auch jetzt: Beschäftigung mit eigentümlicher Einhelligkeit von sehr unterschiedlichen Gruppierungen über: Die Universität ist ein Raum von freier Bildung, freie Bildung hat nichts zu tun mit Verwertbarkeit und Interessen der Gesellschaft, der Nützlichkeit der ökonomischen Verwertbarkeit. Illusion: Stimmt in überhaupt keiner Weise. Alle, egal an welchem Punkt an Universität erworbenen Fähigkeiten, tragen dazu bei, dass Personen mit akademischen Abschlüssen nach wie vor wesentlich bessere Chancen haben halbwegs akzeptable Positionen im Arbeitsleben einzunehmen. Die Diplome, welche Art auch immer sind sehr wohl dazu geeignet jemanden in eine andere Liga zu versetzen im Bezug auf gesellschaftliche Möglichkeiten, in verschiedenen Hierarchien höhere Plätze einzunehmen.

Ist auch gefährliche Illusion: Nemeth glaubt, dass diese Idee, dass anstrebenswerte freie Bildung eine ist die den gesellschaftlichen und ökonomischen Interessen entzogen ist einem den Blick verstellt für das was hier an einem politischen Projekt der Aufklärung, in dem Fall von Kant, formuliert worden ist. Das zielte darauf ab, den Zugang zu gesellschaftlichen Positionen von denen aus die Reproduktion der Sozialordnung beeinflusst und kontrolliert wird an die Vermittlung von Wissen zu binden. Das aber gekoppelt mit der Erfahrung, dass Arbeit an begründetem Wissen immer auch darin besteht die überkommenen Gegenstände Methoden und Wahrnehmungsformen von Grund auf in Frage zu stellen. Clou ist, dass auch die Personen die mit reproduktiven Aufgaben der Gesellschaft ausgestattet sind in den Bereichen in denen sie Wissen erwerben damit konfrontiert werden, dass die Art und Weise wie es erworben und begründet wird keineswegs gesichert ist sondern immer wieder von einem Prinzip des Denkens dass sich nicht diesen Vorgaben unterwirft in Frage gestellt werden kann. Kommt auf die Koppelung und den Spannungszustand an, für ein Projekt einer soziologisch verankerten Vernunft. Kant hat die Universität als so einen Raum gesehen. Er hat auch geglaubt, dass so ein Projekt durchaus auch für die Regierenden von Wert ist und ihnen plausibel gemacht werden kann.

Geistes- Sozial- und Kulturwissenschaften als mittlere Zonen des Spannungszustandes

Wenn wir noch einmal zurück gehen dann kann man sagen, Bourdieu hat eine soziologisierte Form der Vernunft im 20 Jahrhundert beobachtet und analysiert. Wenn diese Grundstruktur einigermaßen Gültigkeit hat, dann ist es so, dass der Spannungszustand in dem schon Kant das Wesen der soziologisch verankert Vernunft erkannte, in der mittleren Zone der Universität, gegenüber den Rändern, eine Dimension mehr hat. Die Auseinandersetzung die für die Universität insgesamt charakteristisch ist wird zu einer bewussten Erfahrung der Individuen. Hier wo keine der beiden Funktionen eindeutig dominiert machen die Handelnden spezifische Erfahrungen und sammeln spezifische Erkenntnisse.

Insbesondere die Erkenntnis, dass Erweiterung von gesellschaftlichem Wissen sich nicht der Akkumulation von vorgeblich Wissenswertem verdankt sondern in Auseinandersetzungen um die Frage was in einer gegebenen Situation als wissenschaftliche Frage durchgesetzt werden kann. All das verbunden mit der Frage, welchen neuen Gegenstände und Verfahrensweisen Verschiebungen in den bereits tradierten Vorstellungen bewirken können. Diese Zone setzt Kants Streit der Fakultäten unter modernen Bedingungen um. Die Frage, welche Begriffe, welche Fragestellungen und Methoden zu einem wohlbegründetem Wissen führen kann hier prinzipiell nicht als bereits beantwortet gelten. Auch an den Rändern ist das in absolutem Sinne hie und da nicht der Fall aber hier sind die Antworten viel schneller bei der Hand. Es ist die institutionelle Struktur der mittleren Zone, die Individuen zwingt, wenn sie in diesem bereich Anerkennung ihrer Gegenstände und Fragestellungen finden möchten, in die Frage der Dominanz der einen oder anderen Funktion einzutreten.

Sophie Haas

Elisabeth Nemeth

Zur Person: Derzeit Vorständin des Instituts, Studium der Philosophie an der Uni Wien, stark an der klassische deutschen Philosophie orientiert (70er Jahre: Kant Fichte, Hegel, Heidegger, Kierkegaard), nach der Dissertation Hinwendung zum „Logischer Empirismus des Wiener Kreises“ (Wittgenstein, Mach, Bolzmann), Nemeths Schwerpunkt lag in der Fragestellung „Inwiefern diese philosophische Richtung etwas zu tun hatte mit der kulturellen, sozialen und politischen Situation dieser Zeit?“ Radikale Neubestimmung der Philosophie unter Einbeziehung der Errungenschaften der modernen Wissenschaft und der modernen Logik (Russel, Wittgenstein). Diese Gruppe verstand sich als politische Aufklärer . Nemeths Interesse galt einem Philosophiebegriff, der sich an der modernen Wissenschaft orientiert. Ihre heutige Arbeit wird als „philosophische Anthropologie“ eingeordnet.

1996 war Nemeth involviert in eine der ersten großen Protestbewegungen an der Universität. Zu dieser Zeit wurde die Lehrtätigkeit der ProfessorInnen erhöht, was sich negativ auf die Forschung auswirkte (Zuvor 50/50). Nemeth spricht von den ersten Anzeichen für eine Verschulung der Uni.

Im Nachhinein verfasste sie einen Artikel mit dem Titel „Institutionalisierte Illusionen- Forschung, Bildung und Ausbildung an der Universität“. Aus diesem liest sie vor und kombiniert ihn mit einem „reinen Nachdenken über die jetztige Situation“. Gegen Ende verfällt ihr Stil in eine thesenhafte Reduzierung.

Pierre Bourdieu (Soziologe und Philosoph): analysierte die Bildung in Frankreich auf methodisch verschiedenster Art und veröffentlichte diese in seinem Buch „Homo Academicus“ (1984). Soziologischer Blick auf die Universität in einem soziologischen Raum. Nemeth greift das strukturelle Gerüst dieses Werkes heraus und sieht ihn als Stütze um die damalige prekäre Universitätssituation zu verstehen. Für Bourdieu hat die Universität zwei gegensätzliche Aufgabe, die sich einander in spannungsvoller Überlappung gegenüberstehen.

1) Institut für höhere Bildung: Reproduktionsaufgabe von Wissen im Spitzenbereich. Das Wissen setzt sich aus Fakten zusammen. Haltungen und Fähigkeiten werden eingeübt, rezipiert und übernommen. Die Personen, die einen Platz in der höheren Hierarchie der Gesellschaft einnehmen, dadurch dass sie geordnet jenes Wissen übernehmen und personifizieren, das bereits anerkannt ist. Diese Aufgabe hat einen hohen gesamt gesellschaftlichen Wert (Machtverteilung)

Dazu zählt Bourdieu: Jus, Medizin

2) Institut für höhere Forschung Produktive Funktion: Produktion von neuen Wissen a. Das In-frage-stellen von Verfahrensweisen b. Neue Typen von Fragen entwickeln. Dazu zählt Bourdieu: Mathematik, Naturwissenschaffen

Diese beiden Aufgaben werden in der Institution Universität verknüpft und stehen zueinander in Spannung und Konkurrenz. Auf dieser Ebene agieren die Akteurinnen. Zwischen diesen beiden Polen ordnet Bourdieu die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften ein. In ihnen ist die Dominanz einer Zugehörigkeit nicht fassbar. Sie liegen im Konflikt zwischen Produktion und Reproduktion. Aber genau hier liegt das Potential der Universität. Nur in diesem Spannungsfeld wird eine soziologisch verankerte Vernunft gefördert. Dieser Konflikt durchzieht jede Ebene und ist schließlich auch in jedem Individuum zu finden, da jede/r Studierende sowohl wissenschaftliche und auch gesellschaftliche Verpflichtungen hat.

Kant Streit der Fakultäten 1798 Auch für Kant ist die Universität von einem irreduziblen Spannungszustand, zwischen den beiden Aufgaben gekennzeichnet. Er teilt die Universität in zwei Fakultäten, die er obere und untere Fakultät nennt. Die untere Fakultät befasst sich mit Philosophie. Der damalige Begriff allerdings umfasst für Kant alle Studien ohne klar deklarierten Aufgabenbereich wie z.B. Naturwissenschaften, Botanik, Mathematik... Die obere Fakultät hat die Aufgabe Wissen für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen und politischen Ordnung zu reproduzieren. An ihr wird Jus, Medizin und Theologie gelehrt. Das den Studierenden vermittelte Wissen lässt sie –laut Kant- jederzeit als Wundermänner auftreten, weshalb das Volk in hoher Erwartung ihnen gegenüber steht, „Wunderdinge“ präsentiert zu bekommen. Während die obere Fakultät also Wissen reproduziert, ist die Aufgabe der unteren, das verbreitete etablierte Wissen der oberen in Zweifel zu ziehen. Ihr ist erlaubt, den von Regierungen eingesetzten Lehrenden, entgegenzuarbeiten und dadurch die „magische Kraft“, die von der oberen Fakultät ausgeht, die Gefahr zu nehmen. Die unteren haben also zusammengefasst keine andere Verpflichtung als die Autonomie des Denkens, während die oberen Vorgaben von der Regierung haben. Kant weist auch auf das Ungleichgewicht hin, dass drei Studien einem gegenüber stehen. Er erklärt dies, damit, dass Vernunft ( Philosophie) nicht dominieren kann. Dort sind „Zunftfreie Gelehrte, die in Kooperation treten als freie Liebhaber der Wahrheit“ zu finden.

Dass die Bildung von allgemeinen sowie wirtschaftlichen Nutzen abgekoppelt werden könnte, ist für Nemeth eine gefährliche Illusion. Aus diesem Spannungsfeld der Produktion und Reproduktion des Wissen können die Geistes- und Sozialwissenschaften vielmehr profitieren.

Martin Krauk

Die Vortragende Elisabeth Nemeth nahm sich am 5.11.09 eines aktuellen, die Universität betreffenden Themas an. Anhand ihres Textes „Institutionalisierte Illusionen: Forschung, Ausbildung und Bildung an der Universität“, den sie zum Anlass der Proteste im Jahr 1996 gegen die damalige Reform des Universitätsgesetzes schrieb, schilderte Nemeth das Spannungsfeld zwischen Forschung und Lehre an der Universität.

Sie bezog sich dabei auf zwei Texte: Einerseits auf „Der Streit der Fakultäten“ von Immanuel Kant (1798), andererseits auf „Homo Academicus“ von Pierre Bourdieu (1984). Kant stellt in diesem Zusammenhang die drei „oberen“ Fakultäten, nämlich die theologische, die juridische und die medizinische, einer „unteren“ philosophischen Fakultät gegenüber. Während es der Schwerpunkt der oberen Fakultäten ist entsprechende Fachkräfte hervorzubringen, kommt es der philosophischen Fakultät zu die Vorgehensweisen und Lehrinhalte der anderen Fakultäten kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren. Bourdieu zeichnet ein ähnliches Bild, allerdings beruhen seine Aussagen auf einer soziologischen Studie an französischen Universitäten. Er ordnet nicht nur Fakultäten, sondern auch einzelnen Fächern, eine Position im Spannungsfeld Lehre/Forschung zu und bestimmt welche eher in Richtung Forschung und welche eher in Richtung Lehre tendieren. Dies kann natürlich auch mit einzelnen Personen gemacht werden.

Gegen Ende des Vortrages war Zeit für eine allgemeine Diskussion eingeplant. Hier stießen die beiden Funktionen der Universität (Forschung und Lehre) auf den Slogan: „Bildung statt Ausbildung“. Laut Nemeth dient dieser Slogan zwar sehr gut dazu inneruniversitär Gruppen mit unterschiedlichen Interessen zu verbinden, er entspricht aber nicht der von ihr vorgebrachten Problematik. Die Gefahr besteht nicht in einer Bevorzugung der Lehre auf Kosten der Forschung selbst, sondern im Verlust der, wie sie es nennt, „Reibungsfläche“ zwischen den beiden (was natürlich gegeben wäre, wäre die Universität nur mehr Ausbildungsstätte).

Für mich zentral an dieser Diskussion ist das, was im Text (s.o. Nemeth 1996) unter dem Thema: „Soziologisch verankerte Vernunft“ gehandelt wird. Bei Kant steht hier zwar die Ausbildung der Vernunft des einzelnen Akademikers, der später im Staatsgefüge Verantwortung tragen muss, im Vordergrund, ich sehe aber die Verpflichtung der Universität selbst als eine Institution der soziologisch verankerten Vernunft heute als zentraler. Die Universität - d.h. vor allem das ihr angehörende wissenschaftliche Personal – bestimmt, was in unserer Gesellschaft anerkanntes, reproduktionswürdiges Wissen ist und steht im Prozess einer dauernden Reflexion dieses Wissens. Jeder Einfluss von außen bedroht tendenziell die Unabhänigkeit dieses Reflexionsprozesses. Natürlich bin ich nicht der Meinung, dass man äußere ökonomische oder politische Einflüsse auf die Universität gänzlich unterbinden sollte oder könnte, aber dieser Einflüsse sollte man sich zumindest bewusst sein und sie kritisch hinterfragen.


Alexander Hlavac

Protokoll zur Ring-VO am 05.11.2009

Prof. Nehmet studierte in Wien und konzentrierte sich auf theoretische Philosophie und besonders den logischen Empirismus des Wiener Kreises. Sie interessierte besonders, wie die Einbindung in den Kulturellen Zusammenhang zu denken sei, wie Kunst, Religion, Ethik zueinander stehen und ein Ganzes bilden.

Schwerpunkt der Vorlesung war ein von Nehmet verfasster Text von 1996 zu den damaligen Studentenprotesten, die deutliche Parallelen zur aktuellen Situation der Universität aufweißen. Grundlage für ihren Artikel waren die Texte „Homo Academicus“ von Bourdieu und „Streit der Fakultäten“ von Kant.

Text zu den Protesten 96: (im Wiki zu finden)

Damals und heute ging es um Sparmaßnahmen durch die Gesetzeslage für Studenten und Dozenten. Die Probleme haben sich kaum geändert: Zu viele Studenten und zu wenig Lehrpersonal, sowie unzureichende Gelder.

Die Universität nimmt jedoch eine wichtige Position in vielen Aufgabenbereichen ein, da sie nicht nur anerkanntes Wissen vermittelt, sondern auch neues Wissen schafft und den Erwerb von Fähigkeiten ermöglicht, die auf wichtige soziale und gesellschaftliche Rollen vorbereitet.

Die soziologischen, geistigen und kulturellen Fächern sind besonders interessant, da in ihnen ein Spannungszustand zweier Aufgaben herrscht. Reproduktion und Verteilung von anerkanntem Wissen.

Diese Spannung besteht darin, dass altes Wissen in Frage gestellt werden um neues Wissen zuzulassen.

Die Universität soll also eine Institution höherer Bildung und wissenschaftlicher Forschung sein. Innerhalb der Universität ist das Produzieren von Wissen stärker bei den mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern, das Reproduzieren, z.B. bei historischen, sprachlichen Fächern. In der Mitte, ohne ausgeprägten Schwerpunkt, liegen Psychologie, Sozialwissenschaften und die Philosophie.

Kant fragte wie gelehrtes Wissen gesellschaftlich wirksam werden soll. Ist es der Universität erlaubt den Erwartungen der Öffentlichkeit entgegen zuarbeiten? Ja, den Zweifel und der „Zauber“ des gelehrten Wissen müssen gleichermaßen bewahrt werden um die Univerität in dem ihr zugewiesenen Sinn zu erhalten, als Ort von freier Bildung.

Naturwissenschaften sollten ihren Standpunkt überdenken und nicht ihre Grundlagen als unantastbar begreifen. Ein dezidiertes Nachdenken darüber was Reibungsflächen und Spannungen für die Weiterentwicklung bedeuten können ist ratsam.

Die verschiedenen Disziplinen sind nicht ohne Reproduktion möglich, der Interdisziplinäre Ansatz sollte nicht zu weit getrieben werden. Die Trennung von Lehre und Forschung führt zu einer Verschulung (Bolongnia-Struktur) und schmälert das Niveau der Ausbildung.


Rogers Christoph, Scheiner Benjamin

Im Zusammenhang der momentanen Bildungspolitik und der fortdauernden Studentenproteste thematisierte Elisabeth Nemeth in ihrem Vortrag die Aufgabe einer Universität, um den Aufruf der Studentenbewegung nach freier Bildung zu problematisieren. Hierbei bezog sie sich auf Kants Streit der Fakultäten und Bourdieus Analyse des im Kontext der 1968er Bewegung in Frankreich ausgebrochenen Studentenprotests Homo Akademicus. Sowohl Kant wie auch Bourdieu gehen in Ihreren Ausführungen von einem dichotomen Spannungsverhältnis aus, in welchem sich die Universität stets befindet. Einerseits komme den Einrichtungen höherer Bildung die Aufgabe zu, Wissen zu reproduzieren, in anderen Worten das bestehende Paradigma weiter aufrecht zu halten. Zusätzlich für das Weiterbestehen des politischen Systems zu sorgen, indem es gemäß der Ordnung systemkonform bildet. Andererseits müsste eine Universität, hinsichtlich ihrer Forschungsfunktion, neues Wissen generieren, was jedoch voraussetzt altes Wissen zumindest teilweise zu verwerfen und ist damit mit erster Aufgabe im Widerspruch. Kant zeigt auf, dass es gar nicht möglich sei jenes Spannungsverhältnis aufzuheben und dass es auch nicht im Interesse der Universität, bzw. der freien Bildung sein kann , da es ohne ein bestehendes Paradigma kein Wissen gebe gegen das vorgegangen werden könnte. Im Unterschied zu Kant teilt Bourdieu Fakultäten nicht in 2 Gruppen (ober und untere Fakultäten), denn die erzeugte Diskrepanz sei nach Bourdieu einer jeden Fakultät inhärent.

Mit ihrer Vorlesung versucht nun Nemeth auf die Kontinuität der universitären Problematik zu deuten, um vor allem den Aufruf “Bildung statt Ausbildung“ und die Legimität der Kritik an der Bildungspolitik zu relativieren. Nach den Ausführungen Kants und den Untersuchungen Bourdieus bedingen jene Faktoren einander. Doch es darf nun nicht übersehen werden, dass die bestehende Ordnung, auf welche sich die Institutionen reproduktiven Wissens beziehen, steten Änderungen unterliegen. Die Universität finded sich demnach im Lauf der Zeit in unterschiedlichen Machtkonstellationen wieder. Und Kritik generativer Wissensproduktion richtet sich nicht nur gegen das reproduzierte Wissen an sich sondern insbesondere gegen den vorherrschenden Diskurs, welcher Öknomie Politik und letztenendes die gesamte Gesellschaft durchzieht. Die Analyse des vorherrschenden Diskurses ist daher von äußerster Relevanz in einer Debatte um Bildung und darf nicht außer Acht gelassen werden. Die Bedeutung eines Aufrufs zur freien Bildung kann erst durch jene bestimmt werden. Die Spannung, welche sich aus der grundsätzlichen Dichotomie ergibt, erklärt zu wenig als dass man von ein und der selben Problematik jeglichen Studentenprotests ausgehen könnte.


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