PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe1 - 03.11.: Unterschied zwischen den Versionen

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(Buchberger, Agnes)
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==Buchberger, Agnes==
 
==Buchberger, Agnes==
Martin Kusch teilt seinen Vortrag in vier Teile (Titelbezeichnung von ihm übernommen):
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Martin Kuschs Vortrag besteht aus vier Teilen (Titelbezeichnungen von ihm übernommen):
(1) À la recherche du temps perdu: über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben.
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*(1) À la recherche du temps perdu: über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben.
(2) Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
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*(2) Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
(3) Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis.
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*(3) Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis.
(4) Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft.
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*(4) Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft.
  
 
Zum besseren Verständnis ist es unverzichtbar, sich die Folien (http://homepage.univie.ac.at/~kuschm3/Kusch.Ringvorlesung.Folien.pdf) von Martin Kusch genauer anzusehen (Abbildungen, Detailinformationen zu den Spielen, etc. etc.).
 
Zum besseren Verständnis ist es unverzichtbar, sich die Folien (http://homepage.univie.ac.at/~kuschm3/Kusch.Ringvorlesung.Folien.pdf) von Martin Kusch genauer anzusehen (Abbildungen, Detailinformationen zu den Spielen, etc. etc.).
  
In Teil (1) erläutert Martin Kusch kurz die Eckdaten seiner persönlichen Laufbahn.
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In Teil (1) erläutert Martin Kusch kurz die '''Eckdaten seiner persönlichen Laufbahn'''.
 
Wichtig ist hierbei, einige seiner Einflüsse und Interessen zu nennen. Diese wären da der Marxismus, die Psychoanalyse, Ernst Tugendhat (bei dem er in Berlin Student war), folglich sprachanalytische Philosophie, Ludwig Wittgenstein, Georg Henrik von Wright, Jürgen Habermas, Foucault, usw. usf.
 
Wichtig ist hierbei, einige seiner Einflüsse und Interessen zu nennen. Diese wären da der Marxismus, die Psychoanalyse, Ernst Tugendhat (bei dem er in Berlin Student war), folglich sprachanalytische Philosophie, Ludwig Wittgenstein, Georg Henrik von Wright, Jürgen Habermas, Foucault, usw. usf.
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Martin Kuschs vorwiegendes Interesse liegt bei der Verknüpfung von Sozialem (in diesem Zusammenhang auch: Politik, Sprache, etc.) und der Philosophie.  
 
Martin Kuschs vorwiegendes Interesse liegt bei der Verknüpfung von Sozialem (in diesem Zusammenhang auch: Politik, Sprache, etc.) und der Philosophie.  
  
  
In Teil (2) weist der Vortragende auf, wie Philosophie und Macht zusammenhängen können.
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In Teil (2) weist der Vortragende auf, wie '''Philosophie und Macht''' zusammenhängen können.
 
Zur Veranschaulichung nimmt der das Beispiel der Kontroverse zwischen Wilhelm Wundt (1832 – 1920; Leipzig) und Oswald Külpe (1862 - 1915) und Karl Bühler (1879 – 1963; Würzburg).
 
Zur Veranschaulichung nimmt der das Beispiel der Kontroverse zwischen Wilhelm Wundt (1832 – 1920; Leipzig) und Oswald Külpe (1862 - 1915) und Karl Bühler (1879 – 1963; Würzburg).
Wundt unterschied drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen: den Empfindungen, den Vorstellungen und den Gefühlen. Diese sind primitiv und nicht weiter analysierbar; sie sind die Bestandteile von Gedanken, welche folglich komplexe Verbindungen von den dreien sind. Gedanken werden durch Willensakte, welche selbst komplizierte Kombinationen von Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen sind, aufgebaut. (Folien 10 und 11)
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'''Wilhelm Wundt''' unterschied drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen: den Empfindungen, den Vorstellungen und den Gefühlen. Diese sind primitiv und nicht weiter analysierbar; sie sind die Bestandteile von Gedanken, welche folglich komplexe Verbindungen von den dreien sind. Gedanken werden durch Willensakte, welche selbst komplizierte Kombinationen von Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen sind, aufgebaut. ''(Folien 10 und 11)''
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Die Gedanken stehen also über den Bewusstseinselementen, sind wertvoller und hochwertig.  
 
Die Gedanken stehen also über den Bewusstseinselementen, sind wertvoller und hochwertig.  
Oswald Külpe und Karl Bühler (von nun an: „die Würzburger“) jedoch fochten diese Struktur des Bewusstseins an; bei ihnen bildeten die Gedanken ein viertes Bewusstseinselement. Im Gegensatz zur hierarchischen Struktur Wundts sahen sie das Bewusstsein als eine Ebene. (Folien 12 und 13)
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An dieser Stelle weist Kusch auf, warum so eine Debatte neben philosophischer durchaus auch soziale, politische und theologische Relevanz haben kann. (Folien 16 bis 18)
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'''Oswald Külpe und Karl Bühler''' (von nun an: „die Würzburger“) jedoch fochten diese Struktur des Bewusstseins an; bei ihnen bildeten die Gedanken ein viertes Bewusstseinselement. Im Gegensatz zur hierarchischen Struktur Wundts sahen sie das Bewusstsein als eine Ebene. ''(Folien 12 und 13)''
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An dieser Stelle weist Kusch auf, warum so eine Debatte neben philosophischer durchaus auch soziale, politische und theologische Relevanz haben kann.'' (Folien 16 bis 18)''
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Überträgt man nämlich die hierarchische Struktur von Wundt auch die Psychologie (welcher zu jener Zeit noch eng mit der Philosophie verbunden war), so kommt man zu dem Schluss, dass die Psychologie des Individuums (äquivalent zu den Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen) als minderwertig verstanden wird. Die Völkerpsychologie/ Psychologie des Kollektivs (äquivalent zu den Gedanken) jedoch als hochwertig angesehen wird. Überträgt man dies wiederum auf soziale Gefüge, so lässt sich daraus schließen, dass der Staat über dem Individuum steht. Daraus ergibt sich ein sehr strenger Nationalismus.  
 
Überträgt man nämlich die hierarchische Struktur von Wundt auch die Psychologie (welcher zu jener Zeit noch eng mit der Philosophie verbunden war), so kommt man zu dem Schluss, dass die Psychologie des Individuums (äquivalent zu den Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen) als minderwertig verstanden wird. Die Völkerpsychologie/ Psychologie des Kollektivs (äquivalent zu den Gedanken) jedoch als hochwertig angesehen wird. Überträgt man dies wiederum auf soziale Gefüge, so lässt sich daraus schließen, dass der Staat über dem Individuum steht. Daraus ergibt sich ein sehr strenger Nationalismus.  
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Die Würzburger hingegen vertraten den Individualismus und Internationalismus. In diesem Fall müssen sich Staat und Kollektiv vor den Individuen rechtfertigen, legitimieren.  
 
Die Würzburger hingegen vertraten den Individualismus und Internationalismus. In diesem Fall müssen sich Staat und Kollektiv vor den Individuen rechtfertigen, legitimieren.  
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Dieser Konflikt lässt sich auch auf den Katholizismus-Protestantismus-Konflikt übertragen. Wundt vertrat die Protestanten und den Voluntarismus. Die Würzburger den Katholizismus und den Intellektualismus.  
 
Dieser Konflikt lässt sich auch auf den Katholizismus-Protestantismus-Konflikt übertragen. Wundt vertrat die Protestanten und den Voluntarismus. Die Würzburger den Katholizismus und den Intellektualismus.  
  
  
In Teil (3) lässt uns Kusch mit der Überschrift „Erkenntnistheorie – Philosophie der Zeugnisse“ stutzen. Er erklärt in der Folge, warum er es für gerechtfertigt hält, Zeugnisse als generative Wissensquelle einzustufen.  
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In Teil (3) lässt uns Kusch mit der Überschrift „Erkenntnistheorie – Philosophie der Zeugnisse“ stutzen. Er erklärt in der Folge, warum er es für gerechtfertigt hält, '''Zeugnisse als generative Wissensquelle''' einzustufen.  
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Er bedient sich während dieses Teils folgender Definition von Wissen: Wissen ist gerechtfertigter wahrer Glaube. Generell spricht er von vier Wissensquellen: der Wahrnehmung (a), dem logischen Denken (b), der Erinnerung (c) und dem Zeugnis (d). Herkömmlicher Weise werden (a) bis (c) als individuelle Wissensquellen angesehen, (a) und (b) als generative Wissensquellen und (c) und (d) als nicht-generative „Wissensquellen“ (die Anführungszeichen daher, weil wenn nicht generativ, dann noch „Quelle“ des Wissens?).  
 
Er bedient sich während dieses Teils folgender Definition von Wissen: Wissen ist gerechtfertigter wahrer Glaube. Generell spricht er von vier Wissensquellen: der Wahrnehmung (a), dem logischen Denken (b), der Erinnerung (c) und dem Zeugnis (d). Herkömmlicher Weise werden (a) bis (c) als individuelle Wissensquellen angesehen, (a) und (b) als generative Wissensquellen und (c) und (d) als nicht-generative „Wissensquellen“ (die Anführungszeichen daher, weil wenn nicht generativ, dann noch „Quelle“ des Wissens?).  
Um einen sozialen Faktor in die Erkenntnistheorie zu bringen, will Kusch nun (d) als teilweise generative Wissensquelle darstellen. (Folien 22 bis 29)
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Um einen sozialen Faktor in die Erkenntnistheorie zu bringen, will Kusch nun (d) als teilweise generative Wissensquelle darstellen. ''(Folien 22 bis 29)''
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Hierbei treffen zwei verschiedene Ansichten aneinander. Der „Individualist“ meint, neues Wissen kann nur durch Wahrnehmung und logischem Denken entstehen. Der „Kommunitarist“ (wie Kusch ihn nennt) meint, auch Zeugnisse seien generativ.  
 
Hierbei treffen zwei verschiedene Ansichten aneinander. Der „Individualist“ meint, neues Wissen kann nur durch Wahrnehmung und logischem Denken entstehen. Der „Kommunitarist“ (wie Kusch ihn nennt) meint, auch Zeugnisse seien generativ.  
 
Im Folgenden führt er zwei Beispiele („Lehrerin Schmidt“ und „Maria“) von Jennifer Lackey an, um seinen Standpunkt zu untermauern. Diese beweisen, dass auch Zeugnisse generativ sein können.
 
Im Folgenden führt er zwei Beispiele („Lehrerin Schmidt“ und „Maria“) von Jennifer Lackey an, um seinen Standpunkt zu untermauern. Diese beweisen, dass auch Zeugnisse generativ sein können.
  
Einen zweiten Punkt, den Kusch in diesem Zusammenhang erwähnt, ist die Frage, ob sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen lässt. Hier stehen sich wieder „Individualist“ (Vertrauen auf Zeugnisse muss sich rational rechtfertigen lassen) und „Kommunitarist“ (Nein, denn unsere Abhängigkeit von Zeugnissen reicht zu tief; man müsste eher fragen warum sollte man misstrauen?) gegenüber.
 
An dieser Stelle widerlegt er zwei wichtige Ansätze. Den von David Hume, der von reduktiver globaler Rechtfertigung sprach und den von Thomas Reid, der von fundamentalistischer globaler Rechtfertigung sprach. (Folien 30 bis 33)
 
  
In Teil (4) stellt Kusch kurz zwei Spiele vor, mit denen er veranschaulicht, was unterschiedliche Herangehensweisen bewirken können und was deren Konsequenzen für Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft sein können.
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Einen zweiten Punkt, den Kusch in diesem Zusammenhang erwähnt, ist die Frage, ob sich unser '''Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen''' lässt. Hier stehen sich wieder „Individualist“ (Vertrauen auf Zeugnisse muss sich rational rechtfertigen lassen) und „Kommunitarist“ (Nein, denn unsere Abhängigkeit von Zeugnissen reicht zu tief; man müsste eher fragen warum sollte man misstrauen?) gegenüber.
Er  vereinfacht in diesem Fall, um zu zeigen, dass es bei dem Versuch, sich an den Kern eines Problems anzunähern, zuerst nötig ist, Komplikationen einfach wegzulassen – zu idealisieren. Hat man sich in der Folge mit den zentralen Punkten auseinandergesetzt, ist der nächste Schritt die „De-Idealisierung“, der Weg zurück zur Wirklichkeit. Denn solche Idealbedingungen wie man sie bei Spielen vorfindet, sind ja in den seltensten Fällen auch in der Realität gegeben, darum ist es nötig, sich zuerst aufs Wesentliche zu konzentrieren und erst im nächsten Schritt „wirklichkeitsnah“ zu agieren. (Folien 37 bis 44)
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An dieser Stelle widerlegt er zwei wichtige Ansätze. Den von David Hume, der von reduktiver globaler Rechtfertigung sprach und den von Thomas Reid, der von fundamentalistischer globaler Rechtfertigung sprach. ''(Folien 30 bis 33)''
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In Teil (4) stellt Kusch kurz '''zwei Spiele''' vor, mit denen er veranschaulicht, was unterschiedliche Herangehensweisen bewirken können und was deren Konsequenzen für '''Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft''' sein können.
  
Der Vortrag von Martin Kusch lässt sehr viele Fragen und Diskussionspunkte zu; sich diesen zu widmen ist Aufgabe der Übung.  
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Er  vereinfacht in diesem Fall, um zu zeigen, dass es bei dem Versuch, sich an den Kern eines Problems anzunähern, zuerst nötig ist, Komplikationen einfach wegzulassen – zu idealisieren. Hat man sich in der Folge mit den zentralen Punkten auseinandergesetzt, ist der nächste Schritt die „De-Idealisierung“, der Weg zurück zur Wirklichkeit. Denn solche Idealbedingungen wie man sie bei Spielen vorfindet, sind ja in den seltensten Fällen auch in der Realität gegeben, darum ist es nötig, sich zuerst aufs Wesentliche zu konzentrieren und erst im nächsten Schritt „wirklichkeitsnah“ zu agieren. ''(Folien 37 bis 44)''
  
  
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Der Vortrag von Martin Kusch lässt sehr viele Fragen und Diskussionspunkte zu; sich diesen zu widmen ist Aufgabe der Übung.
  
 
==Nachname, Vorname==
 
==Nachname, Vorname==

Version vom 31. Oktober 2009, 13:27 Uhr

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Bitte posten Sie hier Ihr Protokoll der Vorlesung vom 29.10.09 - Martin Kusch!

Buchberger, Agnes

Martin Kuschs Vortrag besteht aus vier Teilen (Titelbezeichnungen von ihm übernommen):

  • (1) À la recherche du temps perdu: über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben.
  • (2) Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
  • (3) Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis.
  • (4) Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft.

Zum besseren Verständnis ist es unverzichtbar, sich die Folien (http://homepage.univie.ac.at/~kuschm3/Kusch.Ringvorlesung.Folien.pdf) von Martin Kusch genauer anzusehen (Abbildungen, Detailinformationen zu den Spielen, etc. etc.).


In Teil (1) erläutert Martin Kusch kurz die Eckdaten seiner persönlichen Laufbahn. Wichtig ist hierbei, einige seiner Einflüsse und Interessen zu nennen. Diese wären da der Marxismus, die Psychoanalyse, Ernst Tugendhat (bei dem er in Berlin Student war), folglich sprachanalytische Philosophie, Ludwig Wittgenstein, Georg Henrik von Wright, Jürgen Habermas, Foucault, usw. usf.

Martin Kuschs vorwiegendes Interesse liegt bei der Verknüpfung von Sozialem (in diesem Zusammenhang auch: Politik, Sprache, etc.) und der Philosophie.


In Teil (2) weist der Vortragende auf, wie Philosophie und Macht zusammenhängen können. Zur Veranschaulichung nimmt der das Beispiel der Kontroverse zwischen Wilhelm Wundt (1832 – 1920; Leipzig) und Oswald Külpe (1862 - 1915) und Karl Bühler (1879 – 1963; Würzburg).

Wilhelm Wundt unterschied drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen: den Empfindungen, den Vorstellungen und den Gefühlen. Diese sind primitiv und nicht weiter analysierbar; sie sind die Bestandteile von Gedanken, welche folglich komplexe Verbindungen von den dreien sind. Gedanken werden durch Willensakte, welche selbst komplizierte Kombinationen von Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen sind, aufgebaut. (Folien 10 und 11)

Die Gedanken stehen also über den Bewusstseinselementen, sind wertvoller und hochwertig.

Oswald Külpe und Karl Bühler (von nun an: „die Würzburger“) jedoch fochten diese Struktur des Bewusstseins an; bei ihnen bildeten die Gedanken ein viertes Bewusstseinselement. Im Gegensatz zur hierarchischen Struktur Wundts sahen sie das Bewusstsein als eine Ebene. (Folien 12 und 13)

An dieser Stelle weist Kusch auf, warum so eine Debatte neben philosophischer durchaus auch soziale, politische und theologische Relevanz haben kann. (Folien 16 bis 18)

Überträgt man nämlich die hierarchische Struktur von Wundt auch die Psychologie (welcher zu jener Zeit noch eng mit der Philosophie verbunden war), so kommt man zu dem Schluss, dass die Psychologie des Individuums (äquivalent zu den Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen) als minderwertig verstanden wird. Die Völkerpsychologie/ Psychologie des Kollektivs (äquivalent zu den Gedanken) jedoch als hochwertig angesehen wird. Überträgt man dies wiederum auf soziale Gefüge, so lässt sich daraus schließen, dass der Staat über dem Individuum steht. Daraus ergibt sich ein sehr strenger Nationalismus.

Die Würzburger hingegen vertraten den Individualismus und Internationalismus. In diesem Fall müssen sich Staat und Kollektiv vor den Individuen rechtfertigen, legitimieren.

Dieser Konflikt lässt sich auch auf den Katholizismus-Protestantismus-Konflikt übertragen. Wundt vertrat die Protestanten und den Voluntarismus. Die Würzburger den Katholizismus und den Intellektualismus.


In Teil (3) lässt uns Kusch mit der Überschrift „Erkenntnistheorie – Philosophie der Zeugnisse“ stutzen. Er erklärt in der Folge, warum er es für gerechtfertigt hält, Zeugnisse als generative Wissensquelle einzustufen.

Er bedient sich während dieses Teils folgender Definition von Wissen: Wissen ist gerechtfertigter wahrer Glaube. Generell spricht er von vier Wissensquellen: der Wahrnehmung (a), dem logischen Denken (b), der Erinnerung (c) und dem Zeugnis (d). Herkömmlicher Weise werden (a) bis (c) als individuelle Wissensquellen angesehen, (a) und (b) als generative Wissensquellen und (c) und (d) als nicht-generative „Wissensquellen“ (die Anführungszeichen daher, weil wenn nicht generativ, dann noch „Quelle“ des Wissens?).

Um einen sozialen Faktor in die Erkenntnistheorie zu bringen, will Kusch nun (d) als teilweise generative Wissensquelle darstellen. (Folien 22 bis 29)

Hierbei treffen zwei verschiedene Ansichten aneinander. Der „Individualist“ meint, neues Wissen kann nur durch Wahrnehmung und logischem Denken entstehen. Der „Kommunitarist“ (wie Kusch ihn nennt) meint, auch Zeugnisse seien generativ. Im Folgenden führt er zwei Beispiele („Lehrerin Schmidt“ und „Maria“) von Jennifer Lackey an, um seinen Standpunkt zu untermauern. Diese beweisen, dass auch Zeugnisse generativ sein können.


Einen zweiten Punkt, den Kusch in diesem Zusammenhang erwähnt, ist die Frage, ob sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen lässt. Hier stehen sich wieder „Individualist“ (Vertrauen auf Zeugnisse muss sich rational rechtfertigen lassen) und „Kommunitarist“ (Nein, denn unsere Abhängigkeit von Zeugnissen reicht zu tief; man müsste eher fragen warum sollte man misstrauen?) gegenüber. An dieser Stelle widerlegt er zwei wichtige Ansätze. Den von David Hume, der von reduktiver globaler Rechtfertigung sprach und den von Thomas Reid, der von fundamentalistischer globaler Rechtfertigung sprach. (Folien 30 bis 33)


In Teil (4) stellt Kusch kurz zwei Spiele vor, mit denen er veranschaulicht, was unterschiedliche Herangehensweisen bewirken können und was deren Konsequenzen für Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft sein können.

Er vereinfacht in diesem Fall, um zu zeigen, dass es bei dem Versuch, sich an den Kern eines Problems anzunähern, zuerst nötig ist, Komplikationen einfach wegzulassen – zu idealisieren. Hat man sich in der Folge mit den zentralen Punkten auseinandergesetzt, ist der nächste Schritt die „De-Idealisierung“, der Weg zurück zur Wirklichkeit. Denn solche Idealbedingungen wie man sie bei Spielen vorfindet, sind ja in den seltensten Fällen auch in der Realität gegeben, darum ist es nötig, sich zuerst aufs Wesentliche zu konzentrieren und erst im nächsten Schritt „wirklichkeitsnah“ zu agieren. (Folien 37 bis 44)


Der Vortrag von Martin Kusch lässt sehr viele Fragen und Diskussionspunkte zu; sich diesen zu widmen ist Aufgabe der Übung.

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