PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe1 - 03.11.
Bitte posten Sie hier Ihr Protokoll der Vorlesung vom 29.10.09 - Martin Kusch!
Inhaltsverzeichnis
- 1 Maria Varga
- 2 Sascha Böhm
- 3 Lederer Gerald
- 4 Steinwendner Wolfgang
- 5 Konstanze Renatus-Messmer
- 6 Laura Aricochi
- 7 Buchberger, Agnes
- 8 Rubbert, Johannes
- 9 Brunner, Michael
- 10 Sarbinowska,Wanda
- 11 Fedja Pivodic
- 12 Frank Fetzer
- 13 Hannah Weinhardt
- 14 Bernhard Zarzer
- 15 Angela Strohberger, Helmut Eder, Hubert Rieger
- 16 Moritz Homola
- 17 Magdalena Neuhauser
- 18 Hentschke, Hannes; Baerwald, Tom
- 19 Tobias Göllner
- 20 Adrien Feix
- 21 Hamel, Hanna
- 22 Hlavac, Alexander
- 23 Weger, David
- 24 Haas, Sophie
- 25 Zimmermann, Bettina
- 26 Pöckl Manfred; Scherhaufer Stefan
- 27 Clara Maier, Kim Dinh, Alexandra Vogt
- 28 Scheiner Benjamin/ Rogers Christoph
Maria Varga
Vorlesung – Martin Kusch – 29.10.2009
1.) Einleitung – Philosophische Biographie
Frühe Interessen aus der Schulzeit: Marxismus (Klassenkämfpe, gerechtere Gesellschaftsform, etc) und Psychoanalyse (Erklärung des Verhaltens, speziell aus der Sexualität heraus). Aufenthalt in Israel auf einem Kibbuz (klassenlos Gesellschaft in der Realität; die Folge war Desillusionierung) Danach Studium in Berlin bei Ernst Tugendhat Einfluss: Sprachanalytische Philosophie – eine neue Grundlage der Philosophie (wie können wir uns mit Sätzen auf die Welt beziehen?) Zentrale Personen: Ludwig Wittgenstein und Georg Hendrik von Wright Fortsetzung des Studiums in Finnland. Einfluss: Jürgen Habermas (Theorie des kommunikativen Handelns) Hintergrund der Ph. Bei Habermas: Marxismus, Psychoanalyse, Soziologie, Sprachphilosophie. Dissertation zur Sprache bei Husserl & Heidegger (1989) Universität Oula: Einarbeitung zu Michel Foucault: Entscheidende Wende im Denken von Kusch. Er fand sein eigentliches Thema. Wissenschaft und Macht – Wissenschaftsanalyse (Interesse an wissensch. Wissen + Macht, + Kontrolle, wo es nicht so offensichtlich ist wie z.B. bei der Kriminalistik) Universität Edinburg (Zentrum der soziologischen Ph.) Arbeiten zur Sozialgeschichte der Philosophie, zur Analyse der Automatisierung. Cambridge: Das Soziale und Politische in die Philosophie hineintragen (in die Erkenntnisph., Sprachph., etc,) Wien
2.) Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
Beispiel Denkpsychologie (1900-1912) Philosophisch-psychologischer Inhalt: Zwischen Ph. Und Psychologie gab es damals noch keine Trennung) Wilhelm Wundt –Leipzig (Vater der experim. Psychologie, dennoch einer der wichtigsten Philosophen seiner Zeit) Kontroverse zu dieser Zeit: Leipzig - Würzburg Zentrales Thema bei Wundt: die Struktur des menschl. Bewusstseins. Introspektion: 3 Arten, weiter nicht analysierbare Bewusstseinsphänomene: Empfindung (werden zu Vorstellungen umgeformt), Vorstellung (abstrakte Bilder, Phantasien) und Gefühle. Gedanken (Gedanken ließen sich nicht experimentell untersuchen) sind komplizierte Verbindungen von allen 3 Arten. Es wird ein Willensakt aufgebaut, der seinerseits wieder eine Verbindung aller 3 Arten ist. Für Wundt ist das Komplizierte immer das Wertvollere (Gedanken) Oswald Külpe, Karl Bühler – Würzburg Unterscheiden zwischen 4 unreduzierbaren Bewusstseinsinhalte (1. Empfindungen, 2. Vorstellungen, 3. Gefühle, 4. Gedanken (sind ebenso primitiv wie 1-3)) Philosophen und Psychologen bekämpfen sich.
Soziologe. Analyse nach Wundt: Bewusstsein hat eine streng hierarchische Struktur Gefühle – minderwertig Gedanken hochwertig, Experimentelle Psychologie – Individuum Psychologie des Kollektivs – Völkerpsychologie Gedanken werden auf der Ebene des Kollektivs untersucht (Sprache, Sitte), auf der Ebene des Individuums sei das nicht möglich. Volk und Staat repräsentieren den höchsten Wert, stehen weit über dem Individuum.
Die Würzburger kritisierten diese Hierarchie. Sie waren der Meinung, das Kollektiv müsse vor dem Individuum bestehen können.
Katholizismus gegen Protestanten (Konfessionsstreit) Wundt (militanter Protestant) Würzburger (meist Katholiken – nicht der Wille, sondern der reine Intellekt war wichtig – die menschliche Seele überlebt den Körper – Thomas von Aquin) Assoziation zwischen Voluntarismus (Bedeutung des Willens wird betont – Kant. Luther) und Protestantismus (Kantianer – Deutschtum)
3.) Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis)
Erkenntnistheorie – Ph. der Zeugnisse Quellen des Wissens: 1. Wahrnehmung 2. Logisches Denken (Ableitung, Nachdenken) 3. Erinnerung (Quelle des Wissens – Vergangenes wird in die Gegenwart gebracht) 4. Zeugnis (Mitmenschen als Wissensquelle im Sinne von Bezeugung)
3 + 4 wird quasi von einer Zeitscheibe in die andere transportiert
Herkömmliche Ansicht:
Individuelle Wissensquellen (das Individuum generiert Wissen), generative Wissensquellen (Wahrnehmung), Nicht-generative Wissensquellen ( Zeugnis, Erinnerung), Problematisch..
Gegenwärtige Debatte: Sind Zeugnisse eine generative Wissensquelle? (Individualist: Neues Wissen durch Wahrnehmung und logisches Denken; Kommunitarist: Zeugnisse sind auch generativ)) Lässt sich Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen? (Individualist: muss rational rechtfertigbar sein; Kommunitarist: Unser Vertrauen auf Andere lässt sich nicht mehr rechtfertigen)
Beispiel 1: A berichtet B über etwas, woran A nicht glaubt, was A aber verschweigt. B weiss nun etwas, was A nicht weiss, weil A nicht daran glaubt. Beispiel 2: A berichtet fälschlicherweise an B über eine Beeinträchtigung der Farbwahrnehmung. B glaubt nun an der Ampel grün zu sehen und berichtet spontan einem Freund, ohne zu diesen von der vermeintlichen Beeinträchtigung zu erzählen. Der Freund weiss aber, dass die Ampel auf grün steht.
Die beiden wichtigsten Ansätze:
David Hume. Reduktive globale Rechtfertigung; a.durch eigens Wissen bestätigte Berichte sind größer als b. eigenem wissen widersprechende Berichte. c. Dieses Verhältnis gilt auch für Themen, für die ich kein eigenes Wissen habe. (Grund anderen zu vertrauen)
Annahme nicht richtig! c > a und b. Daher darf ich nicht von a und b auf c schließen.
Thomas Reid. Fundamentalistische globale Rechtfertigung; Zeugnisse sind fundamentale Wissensquellen wie die andern drei. Gott hat uns geschaffen Woher wissen wir das? Durch das Zeugnis der Bibel? Zirkuläre Rechtfertigung
4.) Finitismus. Risto- und Seppo-Suche
Risto: Eigenschaften werden durch Wahrnehmung identifiziert; hat Extension (Gegenstände, die unter einen Begriff fallen), dh. wir sprechen von Fortschritt. Gegenstand ist wahr, Erkennungs-unabhängig (ob wir es erkennen oder nicht, der Gegenstand ist die Wahrheit ). Annäherung an die Wahrheit. Seppo: etwas wird zum Seppo durch Wahrnehmung (Ähnlichkeit) und Verhandlung (Einigung darüber, dass ein Gegenstand ein Seppo ist) mit anderen: Seppo hat keine (unwandelbare) Extension. Wir können nicht von Fortschritt sprechen. Der Gegenstand ist wahr, das gemeinschaftliche Ähnlichkeitsurteil orientiert sich an empirischen Eigenschaften und ist nicht Erkennungs-unabhängig. Keine Annäherung an die Wahrheit
Meine Kernfrage: Wenn die meisten Philosophen Sprache und Wissenschaft in Analogie zu Risto stellen, so denke ich, dass Wissenschaft, Sprache und auch Wahrnehmungen verhandelbar sein können. Die soziale Dimension beeinflusst wesentlich.
Sascha Böhm
Herr Prof. Kusch gliederde seinen Vortrag über „Philosophie und (Sozial-) Wissenschaft“ in vier Bereiche: (1)À la recherche du temps perdu: über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben (2)Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun? (3)Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis (4)Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft
(1) Im ersten Teil der Vorlesung präsentierte Prof. Kusch seinen Werdegang, von anfänglichen Interessen für die Psychoanalyse und den Marxismus (die sich grundsätzlich kritisch gegenüberstehen) hin zu seinem heutigen Arbeitsgebiet.
(2) Im zweiten Teil ging er zunächst näher auf Wilhelm Wundt ein. Dieser unterschied drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen:
- Empfindungen - Vorstellungen - Gefühle
Gedanken definierte er als komplizierte Verbindungen aus diesen drei Elementen, die durch Willensakte aufgebaut werden. So ergibt sich bei Wundt eine streng hierarchische Struktur des Bewusstseins, an deren Spitze sich die Gedanken befinden. Dieses Konstrukt überträgt Wundt auf die Psychologie; die experimentelle Psychologie, die vom Individuum betrieben wird, als untere Stufe, und die Völkerpsychologie (Staat, Sprache, Sitte, Volk), die vom Kollektiv betrieben wird, als übergeordnete Stufe. Wundt war aufgrund dieser hierarchischen Sichtweise bekennender Nationalist, da der völkisch reine Staat das höchste Gut für ihn war. Oswald Külpe und Karl Bühler (beide aus Würzburg) griffen „Wundt’s Hierarchie“ an. Sie differenzierten vier unreduzierbare Bewusstseinselemente:
- Empfindungen - Vorstellungen - Gefühle - Gedanken
Für sie waren Gedanken nicht übergeordnet, weshalb sich davon keine Hierarchie ableiten ließ, was in Folge, im Gegensatz zu Wundt, einen Internationalismus zuließ. Dieser Widerspruch führte damals zu einer heftigen öffentlichen Diskussion.
(3) Seit der Antike wird Wissen als gerechtfertigter wahrer Glaube definiert. Der Mensch hat vier Quellen aus denen er Wissen beziehen kann:
1. Wahrnehmung 2. Logisches Denken 3. Erinnerung 4. Zeugnis
Die herkömmliche Ansicht besagt, 1 – 3 sind individuelle, 1 – 2 generative und 3 – 4 nicht-generative Wissensquellen. Problematisch ist nur das Zeugnis. Die Gegenwartsdebatte dreht sich um zwei Fragen:
a. Sind Zeugnisse je eine generative Wissensquelle? b. Lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen?
Der Individualist sagt, dass neues Wissen nur durch Wahrnehmung und logisches Denken möglich ist. Das Vertrauen auf Zeugnisse muss sich rational rechtfertigen lassen. Der Kommunitarist ist der Meinung, dass Zeugnisse generativ sind. Unsere Abhängigkeit von Zeugnissen reicht zu tief. Die wichtigsten Ansätze zu dieser Problematik lieferten David Hume und Thomas Reid. Es lassen sich grundsätzlich drei Gruppen von empfangenen Berichten unterscheiden:
a. durch eigenes Wissen (erster Hand) bestätigte Berichte; b. eigenem Wissen (e. H.) widersprechende Berichte; c. Berichte zu Themen für die ich kein eigenes Wissen (e. H.) habe.
Hume ging davon aus dass a sehr viel größer ist als b, und es ist anzunehmen dass dieses Verhältnis auch für c gilt. Daraus resultiert: man darf neuen Berichten vorerstmal vertrauen. C ist jedoch erheblich größer als a und b, weshalb man von a und b nicht auf c schließen kann. Reid ging davon aus, Zeugnisse seien ebenso fundamentale Wissensquellen wie die anderen: Gott hat uns so geschaffen, dass wir die Wahrheit sagen und anderen glauben. Dies wissen wir durch das Zeugnis der Bibel. Reid’s Fundamentalismus ist jedoch eine zirkuläre Rechtfertigung. Für Prof. Kusch ergeben sich zwei Schlussfolgerungen:
1. Zeugnisse können auch eine generative Wissensquelle sein. 2. Unser Vertrauen auf Zeugnisse anderer reicht zu tief, als dass es sich rechtfertigen ließe.
(4) Im vierten Teil seines Vortrages stellte Prof. Kusch zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft vor. Damit versuchte er vor allem zu zeigen, wenn die Naturwissenschaften mit vereinfachten Modellen arbeiten, kann dies auch die Philosophie.
Lederer Gerald
Ring- VO „Methoden und Disziplinen der Philosophie“ Vortragender: Prof. Martin Kusch „Die soziale Komponente des Wissens“ 1. Teil: Persönliche Laufbahn des Dozenten 2. Teil: Soziologische Geschichte der Philosophie:Philosophie und Psychologie: Macht Nach Wundt gibt es 3 Bewusstseinselemente: Empfindung, Vorstellung und Gefühl Empfindungen seien Farben, Töne und dergleichen mehr Vorstellungen zB abstrakte Bilder Gefühle wären Angst, Liebe, … Diese drei Elemente bilden eine Bewusstseinsstruktur, ein Fundament des Bewusstseins, welches nach Wundt nicht mehr weiter analysierbar sei. In Kombination ergeben diese Komponenten den Gedanken, der durch den Willen „gebaut“ (O- Ton Kusch) wird. Nun – so Kusch bzw. Wundt – sei der Wille selbst nichts anderes als ein Gedanke, was eine verblüffende Nähe zu den Erläuterungen von Prof. Gotz hstl. der Reflexion und deren Abbruch durch den Willen aufzeigt. Nach Wundt sei der Gedanke allein wertvoll; diese Überzeugung impliziert eine Hierarchie: Gedanke Vorstellung Empfindung Gefühl Dem Wundt’schen Ansatz stehen die „Würzburger“ (Külpe, Bühler) gegenüber. Die Würzburger gehen davon aus, dass auch der Gedanke nur ein Teil jener erwähnten Bewusstseinselemente darstellt, deren Spitze bei Wundt der Gedanke bildet. Der Gedanke sei bei den Würzburgern ebenso einfach wie Vorstellungen, Gefühle oder Empfindungen, wodurch die Wundt’sche Hierarchie angegriffen wird. Nach Wundt ist der Gedanke nur in der Völkerpsychologie analysierbar, da die Individualpsychologie die komplex sei. Die Individualpsychologie der Würzburger ist für Wundt nicht einlösbar; daraus resultiert ein unmittelbarer Zusammenhang von politischer Struktur und Bewusstseinsstruktur. Das Individuum wird also bei Wundt zugunsten des Kollektivs des Staates und somit der Nation zurückgedrängt, was unweigerlich in eine Stärkung der politischen Hierarchie führt. Der völkisch reine Staat ist bei Wundt wichtiger als das Individuum, da nur der Staat Repräsentant der höchsten Werte und Gedanken sein kann. Dieses Konzept wird von den Würzburgern angegriffen, sie treten für Individualismus und Internationalismus ein. Dies führt weiter zu einer theologischen Machtdebatte: Die Katholiken erkennen eine Parallele zur Würzburger Schule; sie wollen im Individualismus einen Zusammenhang mit dem Intellektismus, also dem reinen, unkörperlichen Intellekt eines Thomas v Acquin und somit eine Bestätigung ihrer Theorie der Seele erkennen, wohingegen die Protestanten auf Seiten Wundts eine starke Verbindung zum Voluntarismus (der Zentralität des Willens) und somit zu Luther und Kant (den großen Autoritäten des Protestantismus) sowie zum Konservatismus und zum Deutschtum erkennen. Somit wird aus der Philosophie der Psychologie – von einer naturwissenschaftlichen Psychologie der Moderne kann noch keine Rede sein – eine politische Kontroverse zwischen Staat und Individuum und in späterer Folge eine religiöse Debatte zwischen Katholizismus und Protestantismus: Die Verbindung von Philosophie und Macht ist demonstriert. 3. Teil: Erkenntnistheorie – Philosophie der Zeugnisse Klassische Definition des Wissens als gerechtfertigter, wahrer Glaube (zweifelhaft) Quellen des Wissens: Wahrnehmung, logisches Denken (reasoning), Erinnerung, Zeugnis (testimony) – durch Mitmenschen Wahrnehmung, log. Denken und Erinnerung sind individuelle Wissensquellen, Wahrnehmung und logisches Denken zusätzlich generative Wissensquellen (also wissens-vermehrende Quellen), Erinnerung und Zeugnis sind nicht- generativ (transportierend), und das Zeugnis ist nach Kusch generell problematisch. Können Erinnerungen und Zeugnisse auch neues, generatives Wissen schaffen? Hypothese (?): Akt der Mitteilung kann neues Wissen generieren Sind Zeugnisse je generative Wissensquellen? Lässt sich auf Zeugnis rational vertrauen? Individualist: Nein, nur durch Wahrnehmung und logisches Denken lässt sich Wissen generieren, auf ein Zeugnis kann man nur vertrauen, wenn es sich objektiv rechtfertigen (und somit auch ohne diesem Zeugnis belegen[Anm. d. Autors]) lässt. Kommunitarist: Das Zeugnis ist generativ, allerdings kann man nicht rational darauf vertrauen, da die Abhängigkeit von Zeugnissen ohnehin zu groß ist, als das man darauf aufgrund mangelnder Reliabilität verzichten könnte. J LECKY (amerikan. Philosophin) bringt beispielhafte Argumente dafür, dass Zeugnisse doch generative Wissensquellen seien: Das erste Beispiel handelt von einer Lehrerin: Sie glaubt nicht an die Evolutionstheorie, sondern ist Kreationistin, bringt allerdings ihren Schülern die Evolutionstheorie bei, welche ihr Glauben. Daraus folgt nach Lecky, die Schüler wissen von der Evolutionstheorie. Dies scheint mir – also dem Autor – allerdings höchst zweifelhaft: Wenn nämlich Wissen per definitionem gerechtfertigter, wahrer Glaube sei, transportiert zuallererst die Lehrerin kein Wissen, denn sie glaubt es nicht. Nun glauben es allerdings die Schüler, was mich zum Vorwurf der Beliebigkeit drängt: der Begriff des Wissens scheint hier unangebracht zu sein, wenn an ihn nach gutdüngen geglaubt werden kann, oder nicht. Das 2. Beispiel handelt von einer Frau, die einen Wahrnehmungsfehler hat. Sie sagt ihrem Freund, die Ampel sei grün, dieser glaubt ihr und die Ampel ist tatsächlich grün. Sie selbst weiß aber eigentlich nicht, dass die Ampel grün ist, weil sie glaubt, sie könne Farben nicht richtig erkennen. Somit generiert sie wissen an ihren Freund, dass sie selbst eigentlich nicht besitzt. Auch hier scheint zweifelhaft zu sein, ob der Freund tatsächlich weiß, ob die Ampel grün ist, oder dies einfach nur glaubt. 4. Teil: Rechtfertigungen für Zeugnisse David Hume: reduktive, globale Rechtfertigung Thomas Reid: fundamentale Rechtfertigung Es sind 3 Gruppen von Wissen zu unterscheiden: bestätigtes, widersprechendes, und nicht- eigenes Wissen Nach Hume kommt die erste Gruppe, also das bestätigte Wissen, öfter vor als b, und die Annahme, es komme auch öfter vor als c sei gerechtfertigt, woraus folgen soll, dass man anderen vertrauen soll. Dies ist offensichtlich falsch, da der weitaus größte Teil des Wissens jener des nicht- eigenen Wissens ist. Reid meint, Gott habe uns derart geschaffen, die Wahrheit zu sprechen, was rechtfertige, Anderen zu vertrauen. Auch diese Argumentation kann kaum ernst genommen werden. 5. Teil: Soziale Seite des Wissens Anhand zweier Beispiele: Idealisierungen Risto-, Sepposuche: Die Ristosuche funktioniert mithilfe von Stempeln: Gegenstände werden abgestempelt, eine Person muss die gestempelten Gegenstände finden. Die Verifikation des Wissens geschieht über Identifikation und also über Wahrnehmung, es handelt sich um eine Extension (Sammlung) von Wissen und somit notwendigerweise um Fortschritt. Von Wahrheit wird gesprochen, wenn der Gegenstand einen Stempel hat. Die Wahrheit ist also erkenntnisunabhängig, da der Stempel auch ohne ihn wahrzunehmen vorhanden ist. In diesem Modell nähern wir uns der Wahrheit an. Die Sepposuche funktioniert über Verhandlung: es werden 3 Gegenstände bestimmt, die aufgrund ihrer Eigenschaften ähnlich sind. Ein Mitspieler muss einen weiteren ähnlichen Gegenstand bestimmen und diesen argumentativ rechtfertigen. Wissen entsteht hier durch Wahrnehmung und Verhandlung. Selbstständig lassen sich keine weiteren Seppos ausfindig machen da sie nicht wie beim Risto objektiviert sind. Es handelt sich um eine nicht- extensive Art des Wissens und sie ist nicht fortschrittlich. Von Wahrheit wird gesprochen, wenn die argumentierte Ähnlichkeit auch akzeptiert wird, d.h. wenn es für die Ähnlichkeit vernünftige Gründe gibt. Diese Form der Wahrheit ist nicht erkenntnisunabhängig Im Nachhinein wird das Spiel De- Idealisiert: Beim Risto Spiel ist der Stempler Gott, der Spieler die Wissenschaft. Beim Seppo Spiel nähert man sich den tatsächlichen Umständen der Welt bzw. der Wissenschaft eher an: der klassische Begriff der Wahrheit macht in unserem Zeitalter keinen Sinn. Die Verhandlung unserer Wahrnehmung ist ebenso wichtig wie unsere Wahrnehmung selbst. Die soziale Dimension des Wissens ist demnach wesentlich.
Steinwendner Wolfgang
Interessant am Curriculum finde ich, dass Kusch während des Studiums der Philosophie zunächst zur Meinung gekommen ist, „Die Zeit der Philosophie ist vorbei, die Wissenschaftssoziologie hat die zeitgemäßen Antworten auf die Fragen der Philosophie“. Nach mehrjähriger Befassung mit unterschiedlichen Teildisziplinen habe sich diese Ansicht geändert, „Soziales und Politisches sollten in die Erkenntnistheorie hineingebracht werden“ Kusch absolviert dzt. sein erstes Lehr- Semester in Wien und gliederte seinen Erstauftritt vor Studienbeginnern in vier Teile. Seine Spezialdisziplin ist angewandte Wissenschafts- und Erkenntnistheorie.
1. „Zufälle“, die ihn zu seinen heutigen inhaltlichen Schwerpunkten gebracht haben 2. Soziol. Geschichte der Philosophie: Was hat Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun? 3. Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und in meiner
Erkenntnis
4. Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft (Risto- und Seppo-
Suche)
Zu 1. Frühes Interesse am Marxismus („Weil das eine Gesellschaftstheorie ist die voraussagt, dass wir eine gerechtere Gesellschaft erreichen werden“) und an der Psychoanalyse („weil sich beides kritisch gegenübersteht“). Studium in Berlin bei Ernst Tugendhat (Sprachanalytische Philosophie, Wittgenstein, Wright). Sodann acht Jahre in Finnland bei Habermaas mit Schwerpunkt „Theorie des kommunikativen Handelns („Ich habe heute eine andere Meinung“). Nach Finnland diverse Stationen im Ausland. Dissertation zur Sprache bei Husserl und Heidegger. Starke Hinwendung zur Soziologie. Ab 1997 in Cambridge, dort Rückkehr von Sociology of Scientific Knowledge (Bloor, Collins, Shapin) zur Philosophie. Schwerpunkt zuletzt: „Wittgenstein und kommunitaristische Philosophie“
Zu 2. Kusch zeigt eine zu Beginn des 2o. Jhdts. mit großer Heftigkeit geführte Auseinandersetzung zweier Denkschulen zur Denkpsychologie phylosophisch-psychologischen Inhaltes auf:
a) Leipziger Auffassung (repräsentiert durch Wilhelm Wundt, der heut als Vater er experimentellen Psychologie gilt): Das menschliche Bewusstsein ist von drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen bestimmt, die nicht weiter analysierbar sind: (1) Empfindungen (Hören, Fühlen, Tasten…), (2) Vorstellungen (abstrakte Bilder wie Phantasien…) und (3) Gefühle (Achse Lust-Unlust).
Gedanken sind komplizierte Verbindungen aus (1) bis (3). Sie werden durch Willensakte aufgebaut. Gedanken sind das komplizierteste und zugleich wertvollste am menschlichen Geist innerhalb einer Hyrarchie.
b) Würzburger Auffassung (repräsentiert durch Külpe, Bühler): Es gibt vier unreduzierbare Typen von Bewusstseinselementen, (1) Empfindungen (2) Vorstellungen (3) Gefühle (4) Gedanken. Diese sind gleichwertig. Es braucht keine eigenen Willensakte.
Die gegensätzlichen Positionen im Kontext zur Politik: Völkisch „reiner“ Staat oder Individuum und Internationalismus:
a) Die ( nationalistische) Position der „Leipziger“ in der Kontroverse: Gedanken (weil „hierarchisch“ höchstes Gut) können nur auf Ebene des Volkes untersucht werden. Zu kompliziert, um es an einem Individuum zu untersuchen. Staat und Volk stehen weit über dem Individuum. Volk und Staat repräsentieren die höchsten Werte. Dies gilt auch für das Denken. Schlussfolgerung: Es ist die moralische Pflicht des Individuums, sich für das Volk zu opfern.
b) Die ( individualistische ) Position der „Würzburger“: Das Individuum selbst verfügt über (komplizierteste) Gedanken, also über höchste Werte. Schlussfolgerung: Deshalb ist nur ein Staat gerechtfertigt, der dem Individuum dient.
Ein anderes von Kusch eingebrachtes Beispiel, wo auf ähnliche Weise Bezüge zum Politischen, Sozialen, Religiösen… gefunden werden können: - Die enge Assoziation zwischen Voluntarismus (Kant, Luther) und Protestantismus (und dem Deutschtum): „Das einzig gute in der Welt ist ein guter Wille“ (Mit Katholizismus unvereinbar) - Die enge Assoziation zwischen Intellektualismus und Katholizismus (und Internationalismus): Im Focus der „reine Intellekt“. Auch bei Thomas von Aquin: Es gibt reine Gedanken, die nichts mit Gefühlen und Empfindungen zu tun haben. Der Körper spielt keine Rolle.
Zu 3. Kusch referiert zu „Erkenntnistheorie – Philosophie der Zeugnisse“. Im Zentrum steht die Frage nach dem „Wissen“, einer jener Fragen, die die Philosophie seit jeher beschäftigen. Kusch stellt die Definition in den Raum: „Wissen ist gerechtfertigter wahrer Glaube“. Quellen des Wissens sind: - Wahrnehmung - Logisches Denken - Erinnerung - Zeugnis
Die Gegenwartsdebatte beschäftigt sich mit der Frage, ob Zeugnisse je eine generative Wissensquelle sind? und ob sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen lässt. Die kommunitaristische Sichtweise (Betonung des gesellschaftlichen im Wissen) dazu: - Ja, Zeugnisse sind eine generative Wissensquelle - Das Vertrauen auf Zeugnisse lässt sich rational nicht rechtfertigen. Unsere Abhängigkeit
von den Zeugnissen reicht zu tief.
Kusch zeigt die Positionen von David Hume ( reduktive globale Rechtfertigung) und von Thomas Reid (fundamentalistische globale Rechtfertigung).
Zu 4. Kusch erklärt zwei Spiele (Risto- Suche und Seppo Suche) zu den Themen Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft.
stw
Konstanze Renatus-Messmer
RING-VO vom 29.10.2009 – Philosophie und Sozialwissenschaft (Prof. Kusch)
1. Intention und Werdegang Intention für ein Philosophie-Studium: Marxismus und Psychoanalyse
Studium in: Berlin – Schwerpunkt: Sprachanalytische Philosophie Studium/Doktorarbeit in Finnland – Schwerpunkt: Philosophie der Gegenwart Lehrtätigkeit in Finnland – Foucault – Ideengeschichte und Wissenschaftsgeschichte Schwerpunkt: Wissenschaftliches Wissen und Macht/Kontrolle – neue Ansätze Lehrtätigkeit in Edinburgh: Soziologie und Philosophie Schwerpunkt: zurück zur Philosophie, „soziologische Nachfolge der Philosophie“ Zeitraum: 90-er Jahre Lehrtätigkeit Cambridge: Weiterführung der Ansätze aus Edinburgh Aktuelle Lehrtätigkeit: Wien
2. Philosophie und Psychologie „Wundt und die Würzburger“
Zeitraum der Einheit von Denkpsychologie und Denkphilosophie
Wundt: Vater der experimentellen Psychologie, wichtigster Philosoph der Gegenwart Thema: Struktur des menschlichen Bewusstseins – Leipziger Auffassung These Wundt: nicht mehr analysierbare Dreiteilung, „basale Grundlage“ - Empfindungen - Vorstellungen - Gefühle Gedanken sind Willensakte und damit komplizierte Kombinationen aus den drei basalen Grundlagen. Gedanken sind wertvoll. Sie werden durch Willensakte aufgebaut, das Volk/Staat repräsentieren die höchsten Werte
Die Würzburger: Külp und Bühler - Widersacher Wundts: These Würzburger: Es gibt nicht drei, sondern vier Grundelemente - Empfindungen - Vorstellungen - Gefühle - Gedanken Alle vier Elemente sind einfach, auch die Gedanken. Sie sind experimentell bestätigbar. Disput mit Wundt, öffentliche Diskussion:
Argumente des Disputs: Wundt: Hierarchische Strukturen, ohne Willen gibt es keine Gedanken Gedanken sind auf der Kollektivebene zu unterscheiden (Volkssprache) Völkerpsychologie ist wertvoller als Experimentalpsychologie (Individuum) Die Gedanken des Volkes prägen das Individuum, Völkerpsychologie (Lehrstuhl wurde nur von Wundt in Leipzig geprägt), nationalistisch, militanter Protestant. Vertreter des Voluntarismus (Kant).
Argumente der Würzburger: Die Würzburger greifen hierarchische Strukturen an. Sie stehen für Individualismus und Internationalismus. Sie sind Katholiken und berufen sich auf Thomas von Aquin und seine These, dass der reine Intellekt wichtig ist.
Der Disput wird auch zu einer Auseinandersetzung der Konfessionen in der 2. Hälfte des 19. Jh. zwischen Katholiken und Protestanten, die dabei ihre unterschiedliche Auffassung der Seele zum Thema machen. Die Katholiken berufen sich auf Thomas von Aquin.
3. Erkenntnistheorie und Gemeinschaft – Philosophie der Zeugnisse
Unterscheidung zwischen generativen und nicht-generativen Wissenschaft: Die generative Wissenschaft beruft sich auf Wahrnehmung und neues Wissen und damit Entstehung der von neuen Einheiten. Die nicht-generative Wissenschaft kreiert kein neues Wissen
Neuer Ansatz: Das Soziale in die Erkenntnistheorie bringen. Die Rolle der Mitmenschen (Zeugnisse) wird zur wichtigen Rolle für eine generative Wissenschaft. Damit kommt es zur Gegenwartsdebatte zwischen Individualisten und Kommunitaristen
Der Vortragende vertritt die Meinung, dass Zeugnisse immer generativ sind.
Fallbeispiel: Frau Schmidt Wissen entsteht durch Glauben, wird dadurch wahr und besitzt eine Rechtfertigung, dadurch ist generatives Wissen möglich. (Wahrnehmung, logisches Denken, Erinnerung, Zeugnis). Fallbeispiel: Maria Zeugin sagt die Wahrheit, glaubt der Freund.
Ist somit im Allgemeinen ein Vertrauen in das Urteil Anderer möglich? Der Vortragende vertritt die Meinung „nein“, denn die Abhängigkeit ist zu groß, eine Rechtfertigung setzt Vertrauen voraus.
Auseinandersetzung des Vortragenden mit der These/Argumentation von Hume (reduktive, globale Rechtfertigung), sh. S. 30 Powerpoint Präs. – NEIN (a,b,c-Beispiel)
Auseinandersetzung des Vortragenden mit der These/Argumentation von Reid (fundamentalistische, globale Rechtfertigung), sh. S. 30 Powerpoint Präs.: - Nein zirkuläre Rechtfertigung
„Was heißt es sich für die soziale Seite des Wissens zu interessieren?
Eine Interaktion und Zeugnisse sind notwendig.
4. FINITISMUS - Risto und Seppo
Spielerläuterung und Durchführung: sh. Powerpoint Präs.:
Unterscheidung von Risto und Seppo: Argumentation bei Seppo/Wahrnehmung bei Risto
Risto: Extension (unter einen Begriff fallen, stabil), Identität (Stempel), Fortschritt
Seppo: Wahrnehmung, Verhandlung mit Anderen, Ähnlichkeit, keine unwandelbare Extension (Seppos bewegen sich), kein Fortschritt.
Wahrheit in RISTO: Wahr = Definition des Stempelabdruckes Erkennungsabhängig = Wahrheit, da Stempelabdruck auf dem Gegenstand
Wahrheit im SEPPO: „ist wahr“ = ähnliche Beurteilung gemeinschaftliches Ähnlichkeitsurteil nicht erkennungsabhängig
Idealisierung und Deidealisierung
Ausgangspunkt ist der „Kern“ (Definition), von dort Schritt für Schritt von der Idee (Idealisierung) zur Deidealisierung zu kommen. Notwendig dafür ist die Funktion der Sprache auf der Welt. Es gibt zwei radikale Unterschiede durch die beiden Modelle. Das realistische Modell ist laut Vortragendem das Seppo-Modell.
Der Kern der Ringvorlesung ist lt. Kusch Das Soziale im Zusammenhang der Philosophie zu verstehen.
Kritik: Zeugnisse können, entgegen der Meinung von Prof. Kusch, nicht immer generativ sein, da die Wahrnehmung genau wie die Meinungsäußerung und Entscheidung häufig subjektiv ist. Damit ist die Beurteilung von Prof. Kusch das Seppo-Modell als realistisch einzuschätzen, aus meiner Sicht unrealistisch. Die Quantität (Meinungsmehrheit der Kommunitaristen) kann nur eingeschränkt ein Qualitäts- und Entscheidungsmerkmal sein, auch wenn die Berücksichtigung der Gemeinschaft bei der Entscheidungsfindung sozial und positiv zu verstehen ist.
Laura Aricochi
Protokoll zur Ring-VO am 29.10.2009 Seinen Vortrag über Philosophie und (Sozial-)Wissenschaft gliedert Martin Kusch in vier Abschnitte: 1. À la recherche du temps perdu: über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben Dieser Teil ist eine biografische Einleitung. Kusch war schon früh von zwei Interessen geleitet, nämlich dem Marxismus und der Psychoanalyse. Er studierte in Berlin, wo er von Tugendhat stark beeinflusst wurde welcher in ihm ein großes Interesse an Sprachanalytischer Philosophie, an Wittgenstein und an Georg Henrik von Wright bekam. Er setzte sein Studium in Finnland fort, wo er mit Habermanns Philosophie in Kontakt kam. Von der Hermeneutik und vom Marxismus ging er dann über zur Wissenschaftssoziologie und begann sich für den Zusammenhang von Wissenschaft und politischer Macht zu interessieren. Doch schon bald wandte er sich wieder der Philosophie zu und versuchte die Wissenschaftssoziologie durch die Philosophie zu verteidigen bzw. eine Verknüpfung herzustellen.
2. Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun? Kusch zeigt hier, wie Philosophie und Macht zusammenhängen können und vergleicht dazu Wundt mit Külpe und Bühler.
Wilhelm Wundt: er war Vater der experimentellen Psychologie in Leipzig und hatte großes Interesse an der Struktur des menschlichen Bewusstseins und unterscheidet 3 unreduzierbare Bewusstseinselemente: • Empfindungen • Vorstellungen (abstrakte Bilder, die wir uns von Bildern machen, Wahrnehmungen werden in Vorstellungen umgeformt) • Gefühle Alle 3 sind primitiv und nicht weiter analysierbar und sind Bestandteil von Gedanken, welche wiederum komplizierte Verbindungen aus den 3 Bewusstseinselementen sind, also über den Bewusstseinselementen stehen und somit wertvoller sind. Gedanken werden durch Willensakte aufgebaut, die auch eine komplizierte Kombination von Empfindung, Vorstellung und Gefühlen sind.
Oswald Külpe und Karl Bühler: Sie sind Würzburger Vertreter der Philosophie und unterscheiden vier Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen: • Empfindungen • Vorstellungen • Gefühle • Gedanken (genauso basal und primitiv) Bei ihnen sind die Bewusstseinselemente jedoch nicht hierarchisch angeordnet, sondern sind in einer Ebene. Sie behaupten dies in Experimenten bestätigt zu haben, doch laut Wundt lassen sich Gedanken nicht experimentell untersuchen.
So entstand ein großer Disput zwischen Wundt und den Würzburgern
Was kann eine soziologische Analyse herausfinden? Wenn man die hierarchische Struktur des Bewusstseins von Wundt auf die Psychologie überträgt, so ist die Völkerpsychologie an höchster Stelle, so wie die Gedanken. Gedanken sind so kompliziert, dass man sie nur kollektiv untersuchen kann, deswegen ist die Völkerpsychologie sehr wichtig, sie untersucht nämlich wertvolleres als die Individualpsychologie (Kollektiv und Staat werden über das Individuum gestellt). Das Individuum muss für den Staat leben, weil der Staat wertvoller ist. Wenn man diese psychologische Struktur also wiederum auf das soziale Gefüge überträgt, so kommt man zu Schluss, dass der Staat über dem Individuum steht. Daraus entsteht Nationalismus, den folglich Wundt vertrat, im Gegensatz zu den Würzburgern, die Internationalismus und Individualismus vertraten (der Staat muss sich vor dem Individuum rechtfertigen). Und an dieser Stelle kommen wir zu einem weiteren Konflikt, nämlich dem Konflikt Katholizismus (enge Assoziation mit Voluntarismus), welchen die Würzburgen vertraten gegen Protestantismus (enge Assoziation mit Intellektualismus), welchen Wundt vertrat. Der Katholizismus erforschte v.a. Thomas von Aquin, der Intellekt hat nicht mit dem Körper zu tun, es gibt reine Gedanken, die nicht mit Gefühlen zu tun haben.
3. Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis In diesem Teil erklärt Kusch, warum er der Meinung ist, dass Zeugnisse eine generative Wissensquelle sind. Zuerst definiert er Wissen als gerechtfertigten wahren Glauben und nennt als Quellen des Wissens: • Wahrnehmung (sinnlich) (1) • Logisches Denken (gelangt durch reines Nachdenken zu Wissen) (2) • Erinnerung (was ich gestern wusste, weiß ich auch jetzt) (3) • Zeugnis (Mitmenschen als Wissensquelle) (4) 1-3 bezeichnet er als individuelle Wissensquellen, 1-2 als generative Wissensquellen, 3-4 als nicht-generative Wissensquellen und 4 ist problematisch. Er stellt 2 Fragen auf denen der Individualist und der Kommunitarist jeweils verschiedene Antworten haben: Sind Zeugnisse je eine generative Wissensquelle? Lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen? Der Individualist sagt zu 1., dass neues Wissen nur dirch Wahrnehmung und logisches Denken erreichbar ist, während der Kommunitarist sagt, dass Zeugnisse sehr wohl auch generativ sind. Zur 2. Frage sagt der Individualist, dass das Vertrauen auf Zeugnisse sich rational rechtfertigen muss und der Kommunitarist meint, dass unsere Abhängigkeit von Zeugnissen zu tief reicht, als dass sich unser Vertrauen auf andere gerecht fertigen lassen würde. Anhand von zwei Beispielen beweist Kusch dann, dass Zeugnisse auch generativ sein können. Er zeigt auch die Schwachpunkte der beiden wichtigen Ansätze von Hume (reduktive globale Rechtfertigung) und Reid (fundamentalistische globale Rechtfertigung)
4. Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft Durch Modelle kann man wie in den Natur- und Sozialwissenschaften auch in der Philosophie Zusammenhänge leichter erkennen. Im letzten Teil veranschaulicht Kusch diese Methode anhand von zwei Spielen, mit denen er veranschaulicht, was unterschiedliche Herangehensweisen bewirken können und was deren Konsequenzen für Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft sein können. Abschließen führen sie ihn zu einer Kritik der Theorie des Finitismus. Bei der Risto-Suche muss ein Spieler 10 Gegenstände markieren und der andere muss diese dann finden. Die Ristos werden aufgrund einer physikalischen Eigenschaft durch Wahrnehmung identifiziert, haben also eine Identität und auch eine Extension, weil wir von einer Menge aller Objekte sprechen können. Ein Risto ist wahr wenn es einen Stempel hat und ist also erkennungs-unabhängig. Der suchende Spieler kommt aufgrund der Extension dieser Wahrheit immer näher, das heißt wir können von einem Fortschritt sprechen. Bei der Seppo-Suche gibt es 3 Spieler, wobei 2 sich auf 3 ähnliche Gegenstände einigen, die der andere Spieler gezeigt bekommt und dann weitere Seppos vorschlagen und argumentieren muss. Es wird in der Gruppe darüber diskutiert und immer wenn ein Seppo hinzukommt, fällt ein anderes weg. Ein Seppo kann also nur durch Wahrnehmung und Verhandlung in der Gruppe identifiziert werden und hat auch keine Extension. Man kann nicht von Fortschritt sprechen und auch nicht an eine Annäherung an die Wahrheit weil die Wahrheit Erkennungs-abhängig ist. Aus der Seppo-Suche zieht Kusch die Schlussfolgerung dass die Idee der Wahrheit also keinen Sinn macht, dass Verhandlung gleich wichtig ist wie Wahrnehmung und dass soziale Dimensionen in der Wissenschaft wesentlich sind.
Buchberger, Agnes
Martin Kuschs Vortrag besteht aus vier Teilen (Titelbezeichnungen von ihm übernommen):
- (1) À la recherche du temps perdu: über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben.
- (2) Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
- (3) Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis.
- (4) Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft.
Zum besseren Verständnis ist es unverzichtbar, sich die Folien (http://homepage.univie.ac.at/~kuschm3/Kusch.Ringvorlesung.Folien.pdf) zur Vorlesung genauer anzusehen (Abbildungen, Detailinformationen zu den Spielen, etc. etc.).
- (1) À la recherche du temps perdu: über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben.
An dieser Stelle erläutert Martin Kusch kurz die Eckdaten seiner persönlichen Laufbahn. Wichtig ist hierbei, einige seiner Einflüsse und Interessen zu nennen. Diese wären da der Marxismus, die Psychoanalyse, Ernst Tugendhat (bei dem er in Berlin Student war), folglich sprachanalytische Philosophie, Ludwig Wittgenstein, Georg Henrik von Wright, Jürgen Habermas, Foucault, usw. usf.
Martin Kuschs vorwiegendes Interesse liegt bei der Verknüpfung von Sozialem (in diesem Zusammenhang auch: Politik, Sprache, etc.) und der Philosophie.
- (2) Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
In diesem Teil weist der Vortragende auf, wie Philosophie und Macht zusammenhängen können. Zur Veranschaulichung nimmt der das Beispiel der Kontroverse zwischen Wilhelm Wundt (1832 – 1920; Leipzig) und Oswald Külpe (1862 - 1915) und Karl Bühler (1879 – 1963; Würzburg).
Wilhelm Wundt unterschied drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen: die Empfindungen, die Vorstellungen und die Gefühle. Diese sind primitiv und nicht weiter analysierbar; sie sind die Bestandteile von Gedanken, welche folglich komplexe Verbindungen von den dreien sind. Gedanken werden durch Willensakte, welche selbst komplizierte Kombinationen von Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen sind, aufgebaut. (Folien 10 und 11)
Die Gedanken stehen also über den Bewusstseinselementen, sind wertvoller und hochwertig.
Oswald Külpe und Karl Bühler (von nun an: „die Würzburger“) jedoch fochten diese Struktur des Bewusstseins an; bei ihnen bildeten die Gedanken ein viertes Bewusstseinselement. Im Gegensatz zur hierarchischen Struktur Wundts sahen sie das Bewusstsein als eine Ebene. (Folien 12 und 13)
An dieser Stelle weist Kusch auf, warum so eine Debatte neben philosophischer durchaus auch soziale, politische und theologische Relevanz haben kann. (Folien 16 bis 18)
Überträgt man nämlich die hierarchische Struktur von Wundt auch die Psychologie (welcher zu jener Zeit noch eng mit der Philosophie verbunden war), so kommt man zu dem Schluss, dass die Psychologie des Individuums (äquivalent zu den Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen) als minderwertig verstanden wird. Die Völkerpsychologie/ Psychologie des Kollektivs (äquivalent zu den Gedanken) jedoch als hochwertig angesehen wird. Überträgt man dies wiederum auf soziale Gefüge, so lässt sich daraus schließen, dass der Staat über dem Individuum steht. Daraus ergibt sich ein sehr strenger Nationalismus.
Die Würzburger hingegen vertraten den Individualismus und Internationalismus. In diesem Fall müssen sich Staat und Kollektiv vor den Individuen rechtfertigen, legitimieren.
Dieser Konflikt lässt sich auch auf den Katholizismus-Protestantismus-Konflikt übertragen. Wundt vertrat die Protestanten und den Voluntarismus. Die Würzburger den Katholizismus und den Intellektualismus.
- (3) Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis.
In Teil (3) lässt uns Kusch mit der Überschrift „Erkenntnistheorie – Philosophie der Zeugnisse“ stutzen. Er erklärt in der Folge, warum er es für gerechtfertigt hält, Zeugnisse als generative Wissensquelle einzustufen.
Er bedient sich während dieses Teils folgender Definition von Wissen: Wissen ist gerechtfertigter wahrer Glaube. Generell spricht er von vier Wissensquellen: der Wahrnehmung (a), dem logischen Denken (b), der Erinnerung (c) und dem Zeugnis (d). Herkömmlicher Weise werden (a) bis (c) als individuelle Wissensquellen angesehen, (a) und (b) als generative Wissensquellen und (c) und (d) als nicht-generative „Wissensquellen“ (die Anführungszeichen daher, weil wenn nicht generativ, dann noch „Quelle“ des Wissens?).
Um einen sozialen Faktor in die Erkenntnistheorie zu bringen, will Kusch nun (d) als teilweise generative Wissensquelle darstellen. (Folien 22 bis 29)
Hierbei treffen zwei verschiedene Ansichten aneinander. Der „Individualist“ meint, neues Wissen kann nur durch Wahrnehmung und logischem Denken entstehen. Der „Kommunitarist“ (wie Kusch ihn nennt) meint, auch Zeugnisse seien generativ. Im Folgenden führt er zwei Beispiele („Lehrerin Schmidt“ und „Maria“) von Jennifer Lackey an, um seinen Standpunkt zu untermauern. Diese beweisen, dass auch Zeugnisse generativ sein können.
Einen zweiten Punkt, den Kusch in diesem Zusammenhang erwähnt, ist die Frage, ob sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen lässt. Hier stehen sich wieder „Individualist“ (Vertrauen auf Zeugnisse muss sich rational rechtfertigen lassen) und „Kommunitarist“ (Nein, denn unsere Abhängigkeit von Zeugnissen reicht zu tief; man müsste eher fragen warum sollte man misstrauen?) gegenüber.
An dieser Stelle widerlegt er zwei wichtige Ansätze. Den von David Hume, der von reduktiver globaler Rechtfertigung sprach und den von Thomas Reid, der von fundamentalistischer globaler Rechtfertigung sprach. (Folien 30 bis 33)
- (4) Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft.
Im letzten Teil des Vortrags stellt Kusch kurz zwei Spiele vor, mit denen er veranschaulicht, was unterschiedliche Herangehensweisen bewirken können und was deren Konsequenzen für Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft sein können.
Er vereinfacht in diesem Fall, um zu zeigen, dass es bei dem Versuch, sich an den Kern eines Problems anzunähern, zuerst nötig ist, Komplikationen einfach wegzulassen – zu idealisieren. Hat man sich in der Folge mit den zentralen Punkten auseinandergesetzt, ist der nächste Schritt die „De-Idealisierung“, der Weg zurück zur Wirklichkeit. Denn solche Idealbedingungen wie man sie bei Spielen vorfindet, sind ja in den seltensten Fällen auch in der Realität gegeben, darum ist es nötig, sich zuerst aufs Wesentliche zu konzentrieren und erst im nächsten Schritt „wirklichkeitsnah“ zu agieren. (Folien 37 bis 44)
Der Vortrag von Martin Kusch lässt sehr viele Fragen und Diskussionspunkte zu; sich diesen zu widmen ist Aufgabe der Übung.
Rubbert, Johannes
Prof. Martin Kusch (Laufbahn)
Interessen als Jugendlicher:
Marxismus und Psychoanalyse
leider harmonieren diese 2 Richtungen nicht
dann Kibbuz
Studium in Westberliner (ab1979)
Ernst Tugendhat:
Sprachanalyse (Wittgenstein, von Wright)
finnische Freundin wollte zu ihren 1000 Seen -> ab 81 Studium in Finnland
Klassiker zu langweilig
Habermann's Theorie des kommunaktiven Handelns“ erschien
1200Seiten/6Monate=200Seiten/Monat
Marxismus-Psychologie-Sprachanalyse
89 Doktorarbeit (Sprachphilosophie bei Hussserl und Heidegger) bei Hintikka
dann kurzfristig als Vertretung für im hohen Norden:
Studenten wollten Foucault (Wissen und Macht/Kontrolle)
Untersuchungen zu Macht/Kontrolle bei Psychoanalyse, Psychiatrie, Polizei (mit der Zeit zu langweilig, weil als Thema zu gewöhnlich/naheliegen), daher
Wissenschaft und Macht bei der Mathematik
1992-1997: Edinburgh (Wissenschaftssoziologie, Zentrum für) Bloor, Collins, Shapin
seit 1997 in Wien Soziologische Geschichte der Philosophie:
Was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun
Philosopenematch Leipzig gegen Würzburg, das ist Brutalität im Sinne einer politisch/weltanschaulichen Auseinandersetzung:
Wilhelm Wundt: (Leipziger Auffassung)
3 Typen von Bewustseinselementen
1. Empfindung
2. Vorstellung
3. Gefühl
Gedanken sind Komplizierte Verbindungen aus 1-3.
Willensakt baut Gedanken auf
Külpe,Bühler (Würzburger)
4 Elemente:
die 3 + Gedanken
Gedanken sind genauso primitiv wie 1-3
große öffentliche Diskussion
Würzburger:
Psychologie des Individuums
Wundt:
Psychologie des Kollektivs (Völkerpsychologie, Einzelner muss für Kollektiv geopfert werden)
Wundt erklärt Völkerpsychologie in seinem Institut zur Chefsache, subalterne Mitarbeiter dürfen nur den Rest der Psychlogie bearbeiten
Wundt: Volk und Staat
Protestantismus, Deutschtum und Voluntarismus
Würzburger: Individualismus und Internationalismus Intellektualismus und Katholizismus (Thomas von Aquin), Internationalismus
Erkenntnistheorie:
Definition des Wissens: gerechtfertigter wahrer Glaube
4 Quellen des Wissens 1 Wahrnehmung 2 logisches denken 3 Erinnerung 4 Zeugnis (testimony)
1-3 individuell 1-2 generativ 3-4 nicht generativ 4 PROBLEMATISCH
a) kann 4 generativ sein?
b) lässt sich Vertrauen auf 4 rechtfertigen?
Individualist:
nur 1 und 2 generativ
4 muss rational gerechtfertigt sein
Kritik des Kommunaristen:
Zeugnisse
Lehrerin A ist Kreationistin
Sie erklärt Schülern Evolutionstheorie
->Schüler glauben Evolutionstheorie, A nicht
Maria:
Arzt sagt fälschlich, daß Ms Farbsehen beeinträchtigt ist
Sie sagt ihrem Freund, daß die Ampel grün ist
->Freund weiss, dass Ampel grün ist
Hume: reduktive globale Rechtfertigung
3 Arten von Wissen
1. aus erster Hand bestätigt
2. eigenes Wissen widerspricht
3. weiss nix
1 größer als 2
rational gesehen auch bei 3 grösser
Kritik 3 viel grösser als 1 und 2
Reid: fundamentale globale Rechtfertigung Gott wird durch Bibel bewiesen Bibel wird durch Gott bewiesen
Kritik: zirkularer Beweis
Risto und Seppo
a, b und ein Stempel
a geht weg
b stempelt dinge an nicht gleich sichtbarer stelle (ristos)
a kehrt zurück und soll ristos finden
Ristos eindeutig identifizierbar durch Extension
Fortschritt klar
a,b und c
a geht weg
b und c nennen 3 ähnliche Gegenstände Seppos
a werden Seppos gezeigt, er muss neue Seppos finden argumentieren
nach der Abstimmung/Einigung auf einen neuen seppo, scheidet der älteste seppo aus
(es gibt immer 3 seppos)
Abstimmung
Wahrnehmung und Verhandlungen
a alleine kann keine seppos finden
seppo hat keine Extension
ein risto ist WAHR wenn gestempelt (erkennungsunabhängig)
vs.
ein seppo WAHR wenn Gruppe so entscheidet (Ähnlichkeitsurteil)
Wahrheit nicht erkennungsabhängig
risto: stempler ist Gott/Natur/Evolution a ist Wissenschaft
seppo: a, b und c (wir) sind Wissenschaft ohne eines stempelnden Gottes
die meiste Philosophen sind Ristoianer
Kusch ist Seppoianer
meine folgerung/kritik am seppoismus:
wahrheit ist ergebniss einer (demokratischen?)abstimmung?
wer ist denn da überhaupt abstimmungsberechtigt, ...?
machen wir das basisdemokratisch oder in einer representativen demokratie
oder ist wahrheit, was mit gewalt/repression etc. den massen verkauft wird?
-> daher bin ich dzt. eher ristoianer
Brunner, Michael
Martin Kusch: Philosophie und (Sozial)-Wissenschaft
Mit Martin Kuschs Vortrag im Rahmen der dritten Ring-Vorlesung, wird das Auditorium nach den weitgreifenden Einblicken von Gerhart Gotz nun erstmals mit einer deutlich ausformulierten Blickrichtung der Philosophie konfrontiert. Und diese, so wird schnell deutlich, will „das Soziale und Politische in die Philosophie hineintragen“(Kusch) ohne aber, wie sich zeigt, den Blickwinkel zu verengen, vielmehr sogar den Diskurs zu verbreitern. Neben den fachlichen Informationen wird Kusch den Studienanfängern auch mögliche Perspektiven darlegen, indem er sich seiner Laufbahn als Beispiel bedient. Im ersten Programmpunkt des Vortrages spricht er also „Über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben“, um darin keineswegs zu behaupten, dass philosophische Blickführung beliebig sei, sondern dass Einfluss und Interessensführung durch Erfahrung und Kontakt gelenkt wird, und dass die größtmögliche Verbreiterung des eigenen Horizontes notwendig ist, um in der Argumentation nicht an toten Winkeln des Blickfelds zu scheitern. So erklärt Martin Kusch, ausgehend von frühem Interesse an Marxismus und Psychoanalyse habe er begonnen in Berlin Philosophie zu studieren und sei dort maßgeblich von Ernst Tugendhat und seiner sprachanalytischen Philosophie beeinflusst worden. Der im Begriff des linguistic turn niedergeschlagene Neuanfang der Philosophie auf der Grundlage der Sprache habe ihn von nun an grundsätzlich interessiert, so habe er sich mit Ludwig Wittgenstein und Georg Henrik von Wrigth beschäftigt. Als Kusch wie er berichtet, seine Vita schon bald mit eine Verlegung seiner Studien nach Finnland bereichert, wendet sich sein Blick dem zu Zeiten hochaktuellen Philosophen Jürgen Habermas zu und er rezipiert intensiv dessen „Theorie des kommunikativen Handelns“. Habermas nämlich beziehe sich nicht unwesentlich auf marxistische wie psychoanalytische und sprachphilosophische Denkweisen, habe aber auch Kuschs Interessen um das der Wissenschaftsphilosophie und dort speziell der sozialwissenschaftlichen Anteile erweitert. Nach seiner Dissertation zur Sprache bei Husserl und Heidegger bei dem finnischen Philosophen Hintikka, mit dem ihn ein fruchtbares „Meister-Lehrling-Verhältnis“ verbunden habe, habe ihn die Lehrtätigkeit zu Michel Foucault entschieden bereichert. Denn mit Foucault begann ihn, wie berichtet wird, der Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Macht und Kontrolle zu interessieren, was Kusch in den Bereich der Wissenschaftssoziologie geführt habe. Entscheidend sei hier die Sociology of Scientific Knowledge gewesen, die Bloor, Collins und Shapin prägten. Zunehmend habe er den Glauben der Beantwortung aller philosophischen Fragen durch wissenschaftssoziologische Analysen aber nun vermeiden wollen, so habe nach verschiedenen Ländern und Institutionen wissenschaftlicher Tätigkeit seine Lehrtätigkeit in Cambridge den Boden geboten „zur Philosophie zurückzukehren“ und die Wissenschaftssoziologie durch die Philosophie zu verteidigen. Der Leitgedanke des Hineintragens wissenschaftssoziologischer Fragen in die Sprach-und Wissenschaftsphilosophie unter anderem sei hier entstanden. Übergehend zu seinem zweiten Programmpunkt gibt der Vortragende bekannt, sich nun einer Soziologischen Geschichte der Philosophie widmen zu wollen. Hierfür bedient er sich der intensiven denkpsychologischen Debatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwischen dem Leipziger Wilhelm Wundt und der Würzburger Lehrmeinung um Oswald Külpe und Karl Bühler. Wilhelm Wundt unterscheide drei letztlich nicht mehr reduzierbare Fundamente des Bewusstseins, die Empfindungen, die wohl ähnlich den „seelischen Widerfahrnissen“ bei Aristoteles als sinnliche Beeindruckung gedacht werden, die Vorstellung, die Erinnerungsbilder einschließe, sowie die Gefühle. Die entscheidende Behauptung Wundts aber, sei die Überlegenheit des Gedankens mittels seiner Komplexität gegenüber den primitiveren Elementen, aus denen er mithilfe von Willensakten aufgebaut werde. Man könnte sagen, die Willensakte erst heben die primitiven Grundelemente auf das höhere Niveau des Gedankens. So entstehe auf dem Weg der psychologischen Introspektion bei Wundt die These, der Gedanke sei „das eigentlich Wertvolle am menschlichen Geist“. Die „Würzburger Gesinnung“ tritt dieser These auf unüberbrückbare Weise entgegen, indem man vier Grundelemente erkennt und den Gedanken eine Ebene mit Gefühlen, Vorstellungen und Empfindungen teilen lässt. Nun sei das Interessante, was aus einer Betrachtung dieser Debatte zu gewinnen sei nach Kusch die Frage, was eine soziologische Analyse der Konsequenzen jeweiliger Denkfiguren finden kann. Wenn man auf diese Weise Wundts Ideengebäude betrachte , sei ein ausgeprägtes Prinzip von Hierarchien zu finden. Schließlich könnten Gedanken aufgrund ihrer Komplexität nur kollektiv nicht individuell begriffen werden, denn „das Denken habe sich im Volk und seiner Sprache sedimentiert“. Weshalb eine Völkerpsychologie über die individuelle Experimentalpsychologie zu stellen sei, wie man Wundts These entnehmen könne. Die kompromisslose Dominanz des Kollektivs über das Individuum, dessen moralische Pflicht Wundt darin sieht, sich ohne Abschlag für den Staat zu opfern, führt zum Ideal eines „völkisch reinen Staats“ und lasse sich nicht zuletzt an der Struktur des Wundtschen Instituts ablesen. Dieses nämlich habe den übrigen Lehrenden und Studenten die experimentelle Psychologie des Individuums zugestanden, während die Völkerpsychologie des Kollektivs, des Gedankens Chefsache gewesen sei. Dass nun in Würzburg Individualismus und Internationalismus propagiert wurde, die radikale Gegenposition, überrascht kaum noch. Und auch in konfessioneller Hinsicht teilte man sich in Lager auf, denn während Wundt ein „militanter Protestant“ gewesen sei, „waren die Würzburger zumeist Katholiken. Den Lagern entsprächen Voluntarismus auf protestantischer und Intellektualismus auf katholischer Seite. Nachdem nun exemplarisch Bezüge der Philosophie, hier spezifisch der Psychologie, zum Politische, Sozialen und Religiösen demonstriert wurden, fährt der vortragende Martin Kusch mit seinem dritten angekündigten Ordnungspunkt fort um eine „Philosophie der Zeugnisse“ vorzustellen. Er schlägt vor vom Wissen als „gerechtfertigten, wahren Glauben“ auszugehen. Es seien vier Quellen des Wissens zu unterscheiden, es seien die Wahrnehmung, das Logische Denken, die Erinnerung und das Zeugnis, das „Mitmenschen als Wissensquelle“ sehe. Eine bedeutende Debatte wird dem Auditorium hier jetzt eröffnet. Wahrnehmung und Logisches Denken werden demnach als generative also neues Wissen erschließende Quellen gehandelt, während dieses Generierungspotential der Erinnerung und herkömmlicherweise auch dem Zeugnis abgesprochen werde. Daran entzünde sich eben die Debatte, man fragt: „Sind Zeugnisse je eine generative Wissensquelle?“, und „Lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen?“. Man könne nun die individualistische Sichtweise, welche die erste Frage verneint und auf der rationalen Rechtfertigung besteht, sowie die kommunitaristische, welche die erste Frage bejaht und die zweite als irrelevant bewertet, da unsere Abhängigkeit von den Zeugnisse zu tief reiche, unterscheiden. Kusch bekennt sich nun zum Kommunitarismus, für den er fortan argumentiert. Er wolle den Akt der Mitteilung als bedeutenden Faktor der Wissensbildung beweisen. Er beginnt mit der Feststellung, dass sich das Zeugnis als Wissensquelle, wie die Erinnerung, gegenüber den Anderen durch seinen temporalen Aspekt auszeichne. Kusch fährt fort, man müsse zeigen, dass es möglich ist, dass ein Zeuge einem Hörer ein Wissen zuführen kann, das er selbst nicht weiß oder ,und hier möchte ich kommentieren, dessen er in momentanem Sinne nicht gewahr ist. Denn es bleibt zu klären, so meine ich als Kritiker auftretend, ob ein Wissen, das potentiell vorhanden ist, deren Nutzung das Subjekt aber momentan nicht fähig ist, kein Wissen mehr ist. Es werden nun zwei illustrierende Beispiele nach J.Lackey angeführt, die, und das ist subjektiv, nur eingeschränkt zu überzeugen wissen. Ich möchte mir erneut erlauben meine Zweifel knapp darzulegen. Der Gedanke des Generierungspotentials von Mitteilung und Zeugnis ist, so finde ich, sehr gerechtfertigt, doch der Ansatz des Beweises ist meiner Meinung nach keiner, der sich mit blinden Gewahrlosen und Evolutionskritikern befassen sollte, wie in erwähnten Beispielen geschehen, sondern vielmehr, und dies erkenne ich auch in den weiteren Ausführungen Kuschs, mit der Funktions-und Arbeitsweise von Wissenschaft, und um den roten Faden des Vortragenden aufzunehmen, auch mit Wissenschaftsgeschichte oder Soziologie. Denn die Generierung von Wissen durch Mitteilung ist wohl auf einer Ebene der Beeinflussung, des Aufbaus aufeinander, der Inspiration, des womöglich sogar willkürlichen Gedankenbads als Quelle neuer Gedanken zu entdecken. Um zum Inhalt des Vortrags zurückzukehren: Der zweite Aspekt des Kommunitarismus ist nun zu behandeln und in diesem Sinne verhandelt Kusch nun zwei historische Positionen zur Frage, ob sich das Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen lasse. Hier sei zunächst David Hume zu nennen, der in seiner „reduktiven globalen Rechtfertigung“ einfach schließe, die Menge an mitgeteiltem Wissen, welches durch eigenes Wissen erster Hand bestätigt wird, sei sehr viel größer, als solches, welches eigenem Wissen erster Hand widerspricht oder zu dem es kein eigenes Wissen gebe. So sei es gerechtfertigt Berichten zunächst zu vertrauen. Diese Sichtweise lasse sich, so Kusch, sofort kritisieren, denn die Menge des mitgeteilten Wissen, zu dessen Thema ich keinerlei eigenes Wissen erster Hand besitze, muss als die größte erkannt werden. Da auch die fundamentalistische Erklärung Thomas Reids keinen Beleg für eine rationale Rechtfertigung des Vertrauens auf Zeugnisse gibt, folgert Kusch vorläufig, dass erstens dem Zeugnis durchaus ein generativer Charakter zugeschrieben werden könne, und zweitens durch unsere Abhängigkeit und unüberwindbare Verstrickung in Zeugnisse eine genannte Rechtfertigung nicht möglich sei. Um fortzufahren und den „Problemen von Wahrheit, Wissenschaft, Fortschritt und Gemeinschaft“, die den Vortrag prägten, näher zu kommen, bedient sich Martin Kusch nun einem idealisierten wissenschaftlichen Modell, dessen grundsätzliche Bedeutung für die Philosophie er außerdem heraushebt, und stellt dem Publikum die Spiele Risto-Suche und Seppo-Suche vor. Diese Modelle sollten ihn abschließend zu einer Kritik der Theorie des Finitismus führen. Im Spiel Risto-Suche werden eine bestimmte Anzahl von Gegenständen unter anderen verdeckt gestempelt, diese muss ein nicht eingeweihter Spieler finden. Es ist zu bemerken, dass die Menge der Ristos eine Extension hat. Die Ristos sind physikalisch gekennzeichnet und durch Wahrnehmung identifizierbar, sie besitzen eine Identität. In Bezug auf Wahrheit ist ein Risto eindeutig, es ist nämlich genau dann wahr , wenn es einen Stempel besitzt, ist also erkennungs-unabhängig. Da der suchende Spieler der Wahrheit der eindeutigen Extension wegen immer näher kommen kann, ist es möglich Fortschritt zu erkennen. Dieses Modell schreibt Kusch der konventionellen Einordung von Wissenschaft und ihrer historischen Relevanz zu. Die Idee, die Wissenschaft könne Fortschritt erzielen, durch eine Annäherung an Wahrheit, durch ein Erstreben einer größtmöglichen Wahrheit ist offensichtlich defizitär und sei als fortschrittsbejahender Finitismus zu kritisieren. Dies sei mit Hilfe des Spiels Seppo-Suche als Modell möglich. Hier wird ein Gegenstand durch Verhandlung mehrerer Spieler in eine Reihe eingeordnet, die vorher bestimmte Ähnlichkeiten der erlaubten Gegenstände bestimmt. Der unbeteiligte Spieler muss nun die Analogien der Gegenstände entschlüsseln und in argumentativer Diskussion die anderen Spieler überzeugen. Hat man sich auf einen Gegenstand geeinigt, fällt der älteste aus der Reihe heraus. Ein Seppo kann also nur im Kollektiv identifiziert werden, die Menge der Seppos besitzt keine definierte Extension. Da die Wahrheit hier alles andere als erkennungs-unabhängig ist, ist eine Annäherung an die Wahrheit nicht gegeben, Fortschritt findet im Sinne eines einem Ziel Näherkommens nicht statt. Kusch schließt nun final, dass der Begriff der Wahrheit absurd sei und im Erkenntnisfaktor der Verhandlung sich wesentlich die soziale Dimension der Wissenschaft offenbare. Als abschließende Kritik des Protokollanten, möchte ich kurz meine Kommentierung den generativen Charakter des Zeugnisses betreffend hier einweben. Denn das Problem eines dem Fortschritt verpflichteten kollektiven Wissens, wie es sich im Missionseifer wissenschaftlicher Theorien und Erkenntnisse immer schon niederschlägt, lässt sich gerade mit der Feststellung der Generierung von Wissen durch Zeugnisse und der gleichzeitigen, dass neues Wissen, im Sinne eines Wissen, das bisher nicht vorhanden ,oder dessen potenzieller Träger diesem bisher nicht gewahr war, schlichtweg –und nichts Anderes sagt Seppo- nicht generiert werden kann, kaum vereinbaren. Wenn überhaupt kann die Menge an potentiellem Wissen oder um im Modell zu bleiben der möglichen Gegenstände ausgenutzt werden und der beste Fortschritt wäre der, sich allen potenziellen Wissens zur gleichen Zeit gewahr zu sein. Natürlich eine völlig theoretische Idee. Man müsste also sagen, der Begriff eines generativen Wissens ist grundsätzlich ein widersinniger. Neues Wissen entsteht nämlich nur auf der Ebene des Subjekts, offenbar niemals des Kollektivs. Denn das Kollektiv hat womöglich ein ewig stagnierendes potentielles Wissen zu verwalten, in dem sich je nach Gegebenheit und Interesse, von Verhandlung bestimmt, der Blick einmal hierhin, bald dorthin wenden kann. Dieses Wissen muss durch ständige Argumentation balanciert werden, um nicht im Gewahrlosen zu versinken. Und als letzte Wortmeldung möchte ich anfügen, dass die Erkenntnis durch Verhandlung, in der sich allmählich ein Wissen verfertigt, gestützt auf Kommunikation durch Sprache mit ihren mögliche Verlusten, im Bad des immer gleichen potentiellen Wissens mit all seinen zu erahnenden Defiziten, doch vielleicht gerade erst darauf hinweist, dass die Kollektivität des Wissens, die immer in jeder vermeintlichen Wissensbildung als Ziel mitschwingt, gerade das Neue im Wissen, die Generierung verdeckt. Das Zeugnis also, welches immer schon Horizonte doch weiter machte, hat womöglich ein potentielles Wissen generiert, aus dessen Grenzen es auf selbem Weg keinen Ausweg mehr gibt.
Sarbinowska,Wanda
Ring-Vo 29.10.2009 - PHILOSOPHIE UND ( SOZIAL-) WISSENSCHAFT
Professor Martin Kusch hat anfangen:
1) "Über die Zufalle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben" Kurze Eckdaten von Prof. Kusch persönlichen Laufbahn:
- Marxismus, Soziologie
- Psychoanalyse
- Sprachanalytische Philosophie
- Wissenschaftsphilosophie
M.Kusch vorwiegende Interesse liegen bei der Verknüpfung von Sozialem und der Philosophie.
2) Soziologische Gesichte der Philosophie - was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
Hier haben wir ein Bild, wie Philosophie und Macht zusammen verbinden sind. Ein Beispiel war verschiedene Meinungen von Wilhelm Wundt (1832 - 1920) Leipzig; Oswald Kulpe (1862 - 1915) und Karl Bühler (1879 - 1963) beide aus Würzburg.
WILHELM WUNDT unterschied 3 Typen von unreduzierbaren Bewusstseinelementen:
1) die Empfidungen 2) die Vorstellungen 3) die Gefühle
Sie sind die Bestandteile von GEDANKEN, welche werden durch Willensakte aufgebaut, weil ohne Willen - keine Gedanke. Gedanken sind also ganz kompliezierte Kombinationen von Empfidungen, Vorstellungen und Gefühlen.
OSWALD KÜLPE und KARL BÜHLER die WÜRZBÜRGER bilden Gedanken als viertes Element von unreduzierbaren Bewusstseinelementen. Sie griffen hierarchische Struktur Wundts und sahen das Bewusstsein als eine Ebene.
Jetzt wissen wir, dass eine Debatte ausser philosophische auch soziale, politische und theologische Relevanz haben kann.
Wundts Nationalismus bedeutet, dass Volk und Staat die hochste Werte represientieren. Für Würzbürgers Internationalismus und Individualismus soll man den Vorgang lassen.
Dieser Konflikt gehts weiter auf den Katholizismus- Protestantismus Konflikt . Wundt war ein Protestant mit enge Association zur Voluntarismus . Die Würzbürger zumeist Katholiken mit enge Association zur Intellektualismus.
3)
Erkenntnistheorie - Philosophie der Zeugnisse - als generative Wissenquelle
Wissen - gerechtfertigter wahrer Glaube. Quellen des Wissens: 1) der Wahrnehmung 2) das logisches Denken 3) der Erinnerung 4) die Zeugnisse
Die herkömmliche Ansicht graduieret: 1-3 als individuelle Wissenquellen, 1-2 als generative Wissenquellen, 3-4 als nicht generative Wissenquellen 4 - problematisch...teilweise generative Wissenquellen.
Kommen gleich die Fragen aus der Gegenswertdebatte zw.Individualisten und Kommunitaristen: a) sind Zeugnisse eine generative Wissenquelle? b) lasst sich unseres Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen?
Der Individualist antwortet: a) Nein,neues Wissen nur durch Wahrnehmung und logisches Denken b) Ja, Vertrauen auf Zeugnisse muss sich rational rechtfertigen lassen.
Der Kommunitarist antwortet:
a) Ja, die Zeugnisse sind auch generativ b) Nein, unsere Abhängigkeit von Zeugnissen reicht zu tief.
Und dazu gibt Prof.Kusch zwei wichtige Ansichten von David Hume (1711-1776)- der von reduktiver globaler Rechtfertigung sprach und Thomas Reid (1710 - 1796) der von fundamentalistischer globaler Rechtfertigung sprach. Weisen Im letzten Teil des Vortrags stellt ´Prof.Kusch zwei Spiele - Risto-.Suche und Seppo- Suche vor zum Thema: -Gemeinschaft -Wahrheit -Fortschrift -Wissenschaft Mit denen wir wissen, was unterschiedliche Wesen und ihre Konsequenze für Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschrift und Wissenschaft sein können.
Zum Schluß wichtig ist zuerst aufs Wesen sich zu konzentrieren und Verhandlung und Wahrnehmung auf gleicher Ebene begegnen. Die soziale Dimension ist der Wissenschaft wesentlich.
Fedja Pivodic
Methoden und Disziplinen der Philosophie WS 09/10
4. VL am 29.10.2009: Martin Kusch:
Martin Kusch gliedert seinen Vortrag in vier Abschnitte. Einer Einleitung in der er seine akademische Laufbahn darzustellen versucht, folgen drei Beispiele aus seiner philosophischen Arbeit.
1. Biographische Einleitung
Kusch legt zu Beginn seinen persönlichen Weg zur Philosophie dar. Dem frühen Interesse an Marxismus und Psychoanalyse folgte das Studium der Philosophie in Berlin. Von Tugendhat beeinflusst, entdeckte er dort sein Interesse für sprachanalytische Philosophie. Nach dem Entschluss seine Studien in Finnland fortzuführen, erweckt Habermas Philosophie Kuschs großes Interesse. Später widmete er sich in seiner Lehrtätigkeit Foucault, wodurch ihn der Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Macht und Kontrolle zu interessieren begann. Er wandte sich aber, nach einer Zeit, in der er sich vorwiegend mit wissenschaftssoziologischen Analysen beschäftigte, schließlich doch wieder der Philosophie zu und suchte die Wissenschaftssoziologie durch die Philosophie zu verteidigen.
Seine drei nun folgenden Arbeitsbeispiele haben die Gemeinsamkeit, dass sie die Bedeutung des Sozialen (Sozialwissenschaftlichen) und Politischen in der Philosophie zeigen.
2. Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
Wilhelm Wundt (Leipzig)
Wundt ist Vertreter der Leipziger Schule und der Vater der experimentellen Psychologie. In den damaligen Philosophiegeschichten gilt er als der bedeutendste Philosoph der Gegenwart. Wundt ist interessiert an der Struktur des menschlichen Bewusstseins. Man findet, lt. Wundt, 3 Arten von einfachen nicht weiter analysierbaren Bewusstseinsphänomenen: Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle. Vorstellungen sind abstrakte Bilder die wir uns von Bildern machen, Wahrnehmungen werden in Vorstellungen umgeformt. Diese 3 Elemente sind das Fundament unseres Bewusstseins. Gedanken sind komplizierte Kombinationen aus diesen 3 Elementen. Die Gedanken werden durch den Willen gebaut, Willensakte bauen aus diesen 3 Elementen Gedanken. Willensakte selbst sind auch wieder Gebilde aus diesen 3 Elementen. Für Wundt ist das Kompliziertere auch das Wertvollere. Das eigentlich Wertvolle sind die Gedanken.
Külpe und Bühler sind Würzburger Vertreter der Philosophie Nach ihrer Auffassung gibt es 4 Grundelemente. Auch die Gedanken sind genauso basal und einfach wie die anderen 3 Elemente. Es entstand nun ein großer Disput der nahezu wöchentlich in Zeitschriften ausgetragen wurde. Dabei nahmen Vertreter der unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen dazu Stellung.
Was kann eine soziologische Analyse hierzu herausfinden?
Das Bewusstsein ist für Wundt eine streng hierarchische Struktur. Gedanken sind hochwertig, anderes ist niederwertig. Auch der Wille in diesem System sehr wichtig, ohne ihn gibt es keine Gedanken.
In der Psychologie gibt es für Wundt 2 Teile – die individuale und die kollektive Psychologie (Völkerpsychologie). Weil Gedanken so kompliziert sind kann man sie auf der Ebene des einzelnen Individuums gar nicht untersuchen, sondern nur auf der Ebene des Kollektivs. In der Volkssprache hat sich das Denken, wie unter einem Vergrößerungsgrad, niedergeschlagen. Völkerpsychologie untersucht also etwas viel Wertvolleres als die Individualpsychologie. Das Kollektiv und der Staat und das Volk werden analog den Gedanken weit über das Individuum gestellt. Diesen Gedankengang fortgeführt, kann man sagen, dass es die Pflicht des Individuums ist für den Staat zu leben (sein Leben, wenn nötig für den Staat zu opfern.), weil der Staat um so viel wertvoller ist. Wundt selbst beschäftigte sich ausschließlich mit der Völkerpsychologie. Die hierarchische Struktur seines Instituts unterstreicht das. Indem die Würzburger die 3er Struktur angreifen, stellen sie die Unterscheidung in Völkerpsychologie und Individualpsychologie in Frage. Sie machen Wundt als alleinigen Superpsychologen obsolet.
Es ist für diese Kontroverse charakteristisch, dass Wundt nationalistisch war und dass die Würzburger stark internationalistisch ausgerichtet waren. Ihre jeweiligen Thesen spiegeln sich daher auch in ihren politischen und sozialen Auffassungen wider.
Weiters war der Konflikt auch stellvertretend für die Konkurrenz von Katholizismus und Protestantismus. Würzburg war eine der wichtigsten katholischen Univ. Die katholischen Philosophen bemühten sich Thomas v Aquin erforschen. Intellekt hat aus seiner Sicht nichts mit dem Körper zu tun, es gibt reine Gedanken, die nichts mit Gefühlen zu tun haben. Wundt dagegen, war militanter Protestant.
Kusch zeigt anhand dieses Beispiels, wie man bei vordergründig nicht politischen Themen, die Bezüge zur Religion und Politik erforschen kann.
3. Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis
Kusch definiert Wissen als „gerechtfertigten wahren Glauben. Und die Quellen des Wissens als Wahrnehmung, logisches Denken, Erinnerung und Zeugnisse. Die Wahrnehmung ist sinnlich. Das logische Denken bedeutet durch Ableitung, durch reines Nachdenken zu Wissen zu gelangen. Bei der Erinnerung weiß ich was ich gestern wusste auch jetzt. Zeugnisse sind Mitmenschen die als Wissensquelle dienen.
Die Fragen, die Kusch interessieren sind: a. Sind Zeugnisse je eine generative Wissensquelle? b. Lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen?
Kusch unterscheidet nun zwischen einer individualistischen Position und einer kommunitaristischen. Der Kommunitarist sagt, im Gegensatz zum Individualisten, dass unser Vertrauen auf andere sich nicht weiter rechtfertigen lässt weil es so fundamental und tiefgehend ist. Warum kann ich anderen vertrauen? Diese Frage kann man nicht beantworten. Für die Kommunitaristen können Zeugnisse auch generative WQ sein, für Individualisten lediglich die Wahrnehmung und das logische Denken.
Anhand zweier Beispiele von J. Lackey stellt Kusch dar, wieso sich auch Zeugnisse generative Wissensquellen sind.
Zu der Frage, ob sich das Vertrauen auf Zeugnisse überhaupt rational rechtfertigen lässt, ob man anderen Menschen im Großen und Ganzen vertrauen kann, meint Kusch, dass unser Vertrauen so tief greifend von anderen Personen abhängig ist , dass wir dafür gar keine Argumente liefern können. Auch hier stehen sich die individualistische und die kommunitaristische Position gegenüber. An dieser Stelle zeigt Kusch die Schwachpunkte der beiden wichtigsten Ansätze von Hume und Reid.
4. Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft
Kusch will zeigen, dass sich ein klassisches Instrument aus den Natur- und Sozialwissenschaften, das Schaffen von idealisierten Modellen anhand derer man Zusammenhänge leichter erkennen kann, auch für die Philosophie eignet. Er veranschaulicht diese Methode anhand zweier Spiele (Modelle), welche die Funktionsweise unserer Sprache darstellen sollen. Dabei stellt sich heraus, dass das eine Modell der tatsächlichen Funktionsweise von Sprache näher kommt als das andere.
Wundt hat drei Ausschnitte aus seiner Arbeit vorgetragen, die vordergründig verschieden sind, aber zeigen sollen, dass das Soziale in der Wissenschaft wesentlich ist.
Frank Fetzer
Martin Kusch: Philosophie und (Sozial-) Wissenschaft
Martin Kusch teilte seine Vorlesung in vier Teile auf.
Zuerst gab er einen kurzen Abriss über seine Biografie, um dann seine Interessensgebiete auszuführen: Marxismus, Psychoanalyse, sprachanalytische Philosophie, Wittgenstein, von Wright, Habermas, Foucault. Besonders interessiert ihn der Zusammenhang von Sozialem und Philosophie (Macht, Sprache, Politik)
Im zweiten Teil erläutert er den Zusammenhang von Philosophie und Macht anhand des Beispiels des Leipzigers Wilhelm Wundt und seiner Völkerpsychologie und seinen Würzburger Gegenspielern Oswald Külpe (1862 - 1915) und Karl Bühler (1879 – 1963). Wundt unterschied 3 unreduzierbare Bewusstseinselemente: Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle. Aus diesen primitiven Elementen lassen sich laut Wundt die höherwertigen Gedanken bilden. Külpe und Bühler sahen das anders. Bei ihnen bildeten Empfindungen, Vorstellungen, Gefühle und Gedanken keine hierarchische Struktur aus. Das Bewusstsein gleicht bei ihnen einer Ebene mit vier gleichberechtigten Komponenten. Die Kontroverse um die beiden Bewusstseinsauffassungen bekommt politische Relevanz dadurch, dass Wundt seine Auffassung der Struktur des Bewusstseins nun auch dem Volke aufsetzt. Das Individuum spielt als primitives Element keine große Rolle, nur dass Volk als Ganzes ist von Bedeutung. So ist, analog zu den Gedanken, das Volk als Ganzes viel wertvoller als der primitive Einzelmensch, was ausgezeichnet zum strammen Nationalismus der Zeit passt.
Im dritten Teil der Vorlesung fragt er nach der Rolle des Anderen bei der Entstehung von Wissen. So behauptet er Zeugnisse als generative Wissensquelle. Er spricht von vier Wissensquellen: der Wahrnehmung (a), dem logischen Denken (b), der Erinnerung (c) und dem Zeugnis (d). (a) und (b) sind unbestritten generative Wissensquellen. (c) und (d) sind nach traditioneller Ansicht nicht-generative Wissensquellen, denn Wissen entsteht hier nicht. Es entstand bei (c) durch (a) oder (b) bzw. bei (d) durch (a) oder (b) einer anderen Person. Um eine soziale Komponente in die Erkenntnistheorie zu bringen, behauptet er, Zeugnisse seien ebenfalls zumindest teilweise generative Wissensquelle. Um das zu belegen führt er zwei Beispiele von Jennifer Lackey an.
Im vierten Teil stellt Kusch zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft vor. In diesen Spielen wird die Wirklichkeit idealisiert. Hat man die grundlegenden Funktionen verstanden, lassen sich diese Modelle de-idealisieren, so das sich die Konzepte in der Wirklichkeit erproben lassen.
Hannah Weinhardt
Von der jugendlichen Begeisterung für Marxismus und Psychoanalyse durch den Kibuz zur Sprachphilosophie von Tugendhat und Wittgenstein, über Habermas schließlich zu Foucault - mit wenig Detail, dafür umso unterhaltsamer führte uns Prof. Kusch zu Beginn seiner Vorlesung durch seine „philosophische Biographie“. Sein besonderes Augenmerk galt dabei Foucault und dessen Machtanalyse. Inspiriert davon begann er seine Forschungen zu Machtstrukturen in wissenschaftlichen Gebieten wie der Mathematik, Physik und Statistik um die Frage zu beantworten: Ist auch hier Wissen gleich Macht?
Mit Wundt und seiner Psychologie machte er diese Frage an einem konkreten Beispiel deutlich. Für Wundt gab es drei primäre, niedere Bewusstseinselemente, die nicht weiter analysierbar sind: Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle. Gedanken hingegen stehen auf einer höheren Ebene und sind immer Kombinationen aus den drei eben genannten, durch Willensakte „gebaut“. Willensakte wiederum sind ebenfalls Kombinationen aus den drei primären Bewusstseinselementen. So weit, so paradox. Hier erinnerte die Thematik an die beiden vorangegangenen Vorlesungen von Prof. Gotz, der ebenfalls das Zusammenspiel vom unmittelbarem und reflexivem Bewusstsein und die Rolle des Willens als treibende Kraft behandelte. Offensichtlich ist der Wille in der Philosophie und der Psychologie ein inkommensurables Thema.
Zur damaligen Zeit wurde Wundt von Kollegen aus Würzburg für diese Theorie heftig kritisiert. Diese nämlich gingen von 4 gleichgestellten Bewusstseinselementen aus: Empfindungen, Vorstellungen, Gefühle und Gedanken. Doch nicht nur in Fachzeitschriften war der Streit von höchster Brisanz, er wurde bald zu einem politischen. Die hierarchische Struktur des Bewusstseins weitete Wundt auf die allgemeine Psychologie aus: Die „niedere“ Psychologie war die experimentelle, die sich mit dem Individuum beschäftigt. Die Völkerpsychologie galt für ihn als die viel interessantere Wissenschaft. Der Staat war in Wundts Augen unendlich viel wichtiger als der Einzelne. Somit stand auf der einen Seite der protestantische Nationalist, der hierarchische Strukturen liebte und für den das Volk und der Staat die wichtigsten Werte waren. Auf der anderen Seite die Katholiken, für die der Individualismus und der Internationalismus wichtig waren und die die Lehren von Aquin durch ihre Theorie bestätigt und durch Wundts Theorie angegriffen fanden. Deutlich wurde hier die politische Relevanz philosophischer/psychologischer Themen.
Sein drittes Kapitel widmete Prof. Kusch dem Wissen, per Definition dem „gerechtfertigten wahren Glauben“. Was genau bedeutet „wahr“ in diesem Zusammenhang? Die Quellen unseres Wissens sind: 1. Wahrnehmung, 2. Logisches Denken, 3. Erinnerung, 4. Zeugnis (Mitmenschen als Quelle). Diese vier Komponenten lassen sich verschiedenen Kategoreien zuordnen: 1.-3- sind individuell, 1. und 2. din generativ, können also neu entstehen und 3. und 4. sind nicht-generativ, nur transportiert. Zumindest im bisherigen Konsens. Doch Kusch stellt die Frage: Sind Zeugnisse je eine generative Wissensquelle? Auch dazu gibt es schon zwei vorgefertigte Meinungen: Die Individualisten sind dagegen und behaupten neues Wissen sei nur durch Wahrnehmung und logisches Denken zu erlangen. Die Kommunitaristen hingegen sind überzeugt davon, dass Zeugnisse auch generativ sein können, dass also ein „Übermittler“ ohne etwas selbst zu wissen, bei einem anderen durch Kommunikation eben dieses Wissen erzeugen kann. Diese These vertrat auch Kusch und untermalte sie mit in meinen Augen zu konstruierten Beispielen.
In seinem letzten Kapitel von der Risto- und der Seppo-Suche beschrieb Kusch zwei von ihm selbst erfundene Spiele: Die „Risto-Suche“, bei der einer von zwei Spielern den Raum verlässt, während der andere 10 beliebige Gegenstände in diesem Raum mit einem Stempel versieht und sie so zu Ristos macht. Der zweite Spieler darf nun den Raum wieder betreten und muss in einer vorgegebenen Zeit so viele Ristos wie möglich finden. Bei der „Seppo-Suche“ gibts es drei Spieler, von denen wieder einer den Raum verlässt während die anderen zwei Spieler sich auf drei Gegenstände einigen, die sie für einander ähnlich befinden und sie so zu Seppos machen. Wenn der dritte Spieler den Raum wieder betritt, werden die Seppos geändert, indem alle je ein Spieler einen neuen vorschlägt und die anderen beiden Spieler davon überzeugen muss, mit diesem neuen Seppo einen der drei alten zu ersetzen. Die bis dahin zusammenhanglos klingenden Ausführungen enthüllten erst bei Kuschs Conclusio ihre geniale Simplizität: Während man lange geglaubt hat, die Welt folge dem „Risto-Prinzip“, wird doch immer deutlicher, dass es ein „Seppo-Konzept“ ist, das unserem Wissen und der Wissenschaft zugrunde liegt. Es gibt keine unendliche, universelle Wahrheit, die es zu finden gilt. Vielmehr ist das, was wir „wahr“ nennen immer nur ein Konsens, der temporäre Gültigkeit hat.
Bernhard Zarzer
Gliederung: -À la recherche du temps perdu: Über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben. -Soziologische Geschichte der Philosophie: Was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun? -Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis. -Risto-Suche und Seppo-Suche: Zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft.
Über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben. Martin Kusch hat zu Beginn seine Einflüsse und frühen Interessen, wie z.b. Marxismus, Psychoanalyse und Sprachphilosophie (speziell bei Wittgenstein, Georg Henrik von Wright, Habermas, seinem Professor Ernst Tugendhat), erläutert. Weiters interessiert er sich für Zusammenhänge der sozialen Strukturen und Phänomene mit der Philosophie.
Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun? Nach Wilhelm Wundt gibt es drei Arten von Bewusstseinselementen: Empfindung, Vorstellung und Gefühl Durch Willensakte entstehen komplexe Verbindungen zwischen diesen und es entstehen Gedanken. Die Würzburger Oswald Külpe und Karl Bühler sahen das Bewusstsein als eine Ebene, im Gegensatz zur hiraschischen Struktur nach Wilhelm Wundt und meinten, dass Gedanken nur ein weiteres Bewusstseinselement, neben den zuvor genannten, ist. Mit der Psychologie nach Wundt entsteht die Meinung, dass die Psychologie des Individuums minderwertig auf der Ebene der Gefühle, Vorstellungen und Empfindungen ist, die Völkerpsychologie auf der Ebene der Gedanken jedoch hochwertig ist. Übertragen auf die sozialen Strukturen der Politik würde das bedeuten, dass der Staat über dem Individuum steht, was dem Nationalismus nahe ist.
Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis. Wissen ist gerechtfertigter Glaube, das aus vier Quellen entspringen kann: Wahrnehmung, Logischen Denken, Erinnerung, Zeugnis. Die ersten drei sind individuell. Wahrnehmung und Logisches Denken sind generative Wissensquellen und Erinnerung und Zeugnis sind nicht generativ. Es gibt aber zwei größere Gruppierunge, die sich gegenüber stehen. Die Indiviualisten unterstützt, die schon genannte Unterteilung in generativ und nicht generativ. Die Kommunitaristen meinen das Zeugnis sei ebenfalls generativ.
Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft Um einen Fortschritt (z.b. in der Wissenschaft) zu erreichen ist es nötig, wie bei Spielen, zuerst das vorliegende Problem zu idealisieren und verschiedene Komplikationen zu ignorieren. Erst wenn man sich dem Wesentlichen auskennt, kann man sich der Wirklichkeit wieder nähern und das Ideal auflösen.
Angela Strohberger, Helmut Eder, Hubert Rieger
Vortrag Prof. Martin Kusch, 29. 10. 2009
Thema: Philosophie und (Sozial-) Wissenschaft
KUSCHs Werdegang erklärt seinen besonderen Zugang zur Philosophie
Kusch sprach über seinen Werdegang, der erklärt, warum er einen besonderen Zugang zur Philosophie über die Sozialwissenschaften hat (Soziologie, Wissenschaftssoziologie, Psychoanalyse, etc und was er „sociology of scientific knowledge“ nennt) und versucht, das Soziale und das Politische in die Philosophie hineinzutragen. Wobei er Wert darauf legt, dass dies nicht durch die Sozialphilosophie allein erreicht wird, sondern dass vor allem auch andere Wissenschaftsdisziplinen dazugehören.
Er geht in seinem Vortrag besonders auf den Kommunitarismus ein. (Definition Kommunitarismus: Wikipedia: basiert auf der Annahme, dass nur ein in eine sprachlich, ethnisch, kulturell, religiös oder sonst wie definierte Gesellschaft eingebetteter Mensch in der Lage ist, über die grundsätzliche Gerechtigkeit zu befinden). Ein weiterer Aspekt, nämlich der von Macht im allgemeinen und Philosophie, scheint im Zentrum seines Interesses zu sein.
Der Streit der Denkpsychologie
Im 2. Abschnitt geht Kusch dann auf eine Auseinandersetzung zwischen Wundt (der Leipziger Schule und Vater der experimentellen Psychologie) und Külpe und Bühler (der Würzburger Schule) ein. In dieser Auseinandersetzung geht es um die Struktur des Bewusstseins, das nach Wundt so funktioniert, dass sich Gedanken aus komplizierten Verbindungen von Empfindungen (z. B. des Hör-, des Tast- und des Geschmacksinns), Vorstellungen (z. B. Wahrnehmungen, Erinnerungen und abstrakte Bilder) und Gefühle (z. B. Lust und Unlust) durch einen Willensakt bilden.
Dem gegenüber behauptete die Würzburger Schule, dass sich auch die Gedanken mit den Empfindungen, Vorstellungen und Gefühlen auf einer Ebene befinden, und dass diese Bewusstseinselemente nicht weiter analysierbar seien. Ebenso griffen die Würzburger damit die hierarchische Struktur von Wundt an, der explizit eine Wertung zwischen Gedanken (höherwertig) und den 3 anderen geistigen Aktivitäten sah.
Weil Gedanken höchst kompliziert sind, kann man sie auf der Ebene des Individuums nicht untersuchen sondern nur auf der Ebene des Kollektivs, des ethnisch homogenen Volkes verstehen.
Auf diesem Gedankenmodel basierend, postulierte Wundt, dass Völkerpsychologie wertvoller sei denn experimentelle Psychologie auf der Ebene des Individuums. Eine weitere Konsequenz sah Wundt darin, dass sich das Individuum für die Gesellschaft/dem Staat zu opfern hätte. (Offensichtlich hat sich seine hierarchische Sichtweise von organisatorischen Gebilden auch darin reflektiert, wie Wundt sein Universitätsinstitut geführt hat).
Einfluss der politischen Orientierung und der Konfession auf den Streit
Mittels einer soziologischen Analyse hat Kusch dann herausgearbeitet, dass sich die unterschiedliche Sichtweise zwischen den Schulen auf deren politische Orientierung und der Konfession der jeweiligen Vertreter zurückführen lies. Wundt war ein militanter Protestant und Vertreter des Voluntarismus (diejenige Richtung der Metaphysik unter der Psychologie, die nicht den Intellekt, sondern den Willen psychologisch als Grundfunktion des seelischen Lebens, metaphysisch als das Grundprinzip oder An-sich des Seins, betrachtet), Nationalismus und Deutschtums (Volk und Staat repräsentieren die höchsten Werte). Auch bei KANT spielt der Wille die zentrale Rolle.
Demgegenüber vertraten die Vertreter der Würzburger Schule (die der katholischen Konfession zuzuordnen waren) den Individualismus und den Internationalismus (nur jene Kollektive können bestehen, die sich vor dem Individuum rechtfertigen können). „Das Innewerden, die Wahrnehmung, die Erkenntnis“ bezeichnet einerseits eine übermäßige und einseitige Betonung des Verstandes gegenüber dem Willen und allen Charakter- und Gemütswerden. Daneben ist der Intellekt eine philosophische Auffassung, wonach der Intellekt das Gute bestimmt, alles „seiende“ erfassen kann (Erkenntnis, theoretischer Intellekt) und als Weltgrund verstanden wird (metaphysischer Intellekt). Vertreter dieser Anschauung waren Sokrates und Thomas von Aquin. Ein weiterer Punkt bestand darin, den Einfluss der Konfession auf die Rolle des Intellekts bzw. des Willens zu analysieren. Voluntarismus basierend auf Kant und Luther, in dem der Wille eine zentrale Rolle spielt.
Erkenntnistheorie und Gemeinschaft
Im 3. Abschnitt bespricht Kusch dann den Aspekt der Erkenntnistheorie - Philosophie der Zeugnisse.
Er definiert das Wissen als gerechtfertigter wahrer Glaube, und führt als Quellen des Wissens
A) jegliche Form der Wahrnehmung, B) das logische Denken (reasoning - etwas von etwas anderem ableiten führt zu neuem Wissen), C)die Erinnerung und D)was er „Zeugnis“ (testimony) nennt, also Mitmenschen als Wissensquelle
Wobei im herkömmlichen Sinne gilt, dass A, B, und C individuelle Wissensquellen sind, A und B neues Wissen generieren (also generative Wissensquellen) und C und D als nicht-generative Wissensquellen eingestuft werden, da es der Mitteilende bereits wusste.
Die Gegenwartsdebatte fokussiert auf die folgenden 2 Aspekte:
a)sind Zeugnisse eine generative Wissensquelle? b)lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen?
Individualisten vertreten die Ansicht, dass neues Wissen nur durch Wahrnehmung und logisches Denken entsteht; und sich unser implizites Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen lassen muss. Demgegenüber behauptet der Kommunitarist (der die gesellschaftliche Komponente im Wissen betont), dass zwar Zeugnisse auch generativ sind, aber dass unsere Abhängigkeit von den Zeugnissen zu groß ist. ???Kusch behauptet, dass sich die Frage, warum ich anderen vertrauen soll, nicht rechtfertigen lässt. Andererseits kann die Frage, warum ich anderen nicht vertrauen soll, eher beantworten.???
Kusch zeigt an einer schematischen Beweisführung bzw. an 2 konkreten Beispielen einer Kommunikationskette, dass Zeugnisse generativ sind, also Wissen generieren.
Ob man im allgemeinen den Urteilen von anderen vertrauen kann, dies setzt jeder Rechtfertigung schon ein generelles Vertrauen auf andere voraus. Zu dieser Fragestellung bezieht sich KUSCH auf
David Hume: ein Vertreter der reduktiven, globalen Rechtfertigung und Thomas Reid, dem Vertreter einer fundamentalistischen, globalen Rechtfertigung
Gemäß Hume, gibt es 3 Gruppen von empfangenen Berichten, und zwar
a)duch eigenes Wissen aus erster Hand bestätigte Berichte b)eigenem Wissen widersprechende Berichte c)Berichte zu Themen, für die ich kein eigenes Wissen habe
Laut Hume kommt (a) viel häufiger vor als (b). und es ist rational anzunehmen, dass dieses Verhältnis auch für (c) gilt. Also darf ich neuen Berichten erst einmal vertrauen. KUSCHs entgegengesetzte Position behauptet, dass c) erheblich größer als (a) und (b) ist. Daher darf ich nicht von (a) und (b) auf (c) schließen.
Persönlicher Kommentar: da es sich um Wahrscheinlichkeiten einer Sub-Population handelt, ist ein Rückschluss auf einen Einzelfall nicht zulässig. Nachdem es sich hier um die Frage handelt, ob Wissen durch Zeugnisse generiert werden kann, würde ich glauben, dass der konkrete Einzelfall wichtig ist, und nicht nur Wahrscheinlichkeiten für Untergruppen.
Reids Fundamentalismus kann wie folgt zusammengefasst werden: da Gott die Menschen geschaffen hat, dass wir die Wahrheit sagen, sind Zeugnisse ebenso fundamentale Wissensquellen wie die anderen 3, durch das Zeugnis der Bibel.
Als vorläufige Schlussfolgerung hält KUSCH fest, dass
1)Zeugnisse auch generative Wissensquellen sein können 2)Unsere Abhängigkeit von Zeugnissen reicht zu tief, als dass sich unser Vertrauen rechtfertigen ließe
Risto-Suche und Seppo-Suche
Im letzten Abschnitt stellt Kusch 2 Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft vor. Er stellt die Behauptung in den Raum, dass sich die meisten Philosophen Sprache und Wissenschaft so vorstellen, dass
die Wahrheitsfindung endlich ist (es gibt eine Wahrheit, man muss sie nur erkennen) die Wahrheitsfindung prinzipiell auf der Wahrnehmung basiert, und daher nicht „verhandelbar“ ist dadurch, dass die Wahrheit einen absoluten Anspruch hat, die soziale Dimension in der Wissenschaft nicht wesentlich ist
und illustriert obige Punkte in den 2 Such-Spielen.
KUSCH wiederum steht obigen Aussagen diametral entgegen. Er geht von einer kommunitaristischen Theorie der Bedeutung des Finitismus aus. (Finitismus: In der Philosophie der Mathematik ist der Finitismus eine Form des Konstruktivismus, nach der über ein mathematisches Objekt erst dann sinnvoll gesprochen werden kann, wenn es in einer endlichen (oder, in einer abgeschwächten Variante, abzählbar unendlichen) Anzahl von Schritten aus natürlichen Zahlen abgeleitet werden kann.)
Persönlicher Kommentar: KUSCH betont die Wichtigkeit einer interaktiven Wahrheitskonstruktion. Er betrachtet die Wahrheitsfindung als Prozess zwischen inhaltlichem Kontext und persönlichen bzw. sozialen Erfahrungswerten. Er sieht den Wahrheitsanspruch als etwas dynamisch Veränderbares.
Moritz Homola
Prof. Kusch wollte mit seiner Vorlesung aufzeigen, dass soziale Faktoren und Normen die Theoriebildung und den Zugang zum Leben stark beeinflussen und ihnen deswegen in der Philosophie große Beachtung geschenkt werden muss. Dazu begann er damit uns die Konzeption seine philosophischen Ichs darzulegen, um im Zuge dessen in selbstanalytischer Manier darauf hinzuweisen, dass es jedem früher oder später einmal passieren kann sozialisiert zu werden und dem entsprechend sozialisiertes Gedankengut mit sich herumzutragen und dass es im weiteren Sinne der Übelsvermeidung nicht schaden kann auch seine eigenen Gedanken und theoretischen Konstrukte, aktiv auf diese Aspekte bezogen, zu prüfen. Weiters sprach Prof. Kusch noch über das Verhältnis von Erkenntnistheorie und Gemeinschaft und warf an Hand dessen die Frage auf Ob bei der verbalen Weitergabe von Erfahrungswerten neues Wissen entsteht, sprich ob man bei der Abgabe eines Zeugnisses von einer generativen Wissensquelle sprechen kann? Um die Fragestellung zu erörtern stellte er die individualistische und die kommunitaristische Position gegenüber. Erstere vertritt die Meinung, dass neues Wissen nur durch Wahrnehmung und logisches Denken entstehen kann. Die Kommunitaristen sehen Zeugnisse sehr wohl als generativ an. Weiterführend zeigte uns Prof. Kusch auf, dass es für beide Positionen Fälle gibt, die diese rechtfertigen, um dann zum Schluss zu kommen, dass es die Situationsbedingtheit vieler Anliegen erfordert beeinflussende Faktoren von allen Seiten her zu suchen und daraus folgend "Klassifikationen und Paradigmen verhandelt und neu verhandelt werden müssen".
Magdalena Neuhauser
Gliederung:
1. persönlicher Werdegang der Person Kusch
2. soziologische Geschichte der Philosophie
3. Erkenntnistheorie und Gemeinschaft
4. Risto- und Seppo- Suche
1. Persönlicher Werdegang:
frühe Interessen: Marxismus & Psychoanalyse- Sprachanalytische Philosophie (Wittgenstein, Wright)- Marxismus & Soziologie, Psychoanalyse, Sprachphilosophie, Wissenschaftsphilosophie- Wissenschaft und politische Macht- Philosophie & Soziologie- kommunitaristische Philosophie des Wissens/ der Bedeutung;
2. Soziologische Geschichte der Philosophie:
(A) 2 verschiedene Vorstellungen von der Struktur des Bewusstseins:
Wilhelm Wundt- Leipzig:
Bewusstseinsbestandteile:
- Empfingunden
- Vorstellungen
- Gefühle
--- Gedanken: komplizierte Verbindungen aus Empfindungen, Vorstellungen, Gefühle; stehen hierarchisch über ihnen, durch Willsensakte aufgebaut
Oswald Külpe, Karl Bühler- Würzburg:
Bewusstseinsbestandteile:
- Empfindungen
- Vorstellungen
- Gefühle
- Gedanken
--> keine hierarchische Anordnung, alle auf einer Ebene
(B) soziologische Analyse:
Leipziger Position:
Struktur des Bewusstseins ( Empfindungen, Vorstellungen, Gefühle --- Gedanken) = Struktur der Psychologie (Experimentelle Psychologie --- Völkerpyschologie) = Struktur des Instituts ( Privatdozenten, Assistenten, Studenten --- Wundt)
--> Wundt vs Würzburg
Nationalismus- Volk und Staat als höchste Werte vs Internationalismus und Individualismus
Intellektualismus vs Voluntarismus
Katholizimus vs Protestantismus
3. Erkenntnistheorie und Gemeinschaft
WISSEN
Def.: gerechtfertigter, wahrer Glaube
Quellen:
- Wahrnehmung (herkömmliche Ansicht: individuelle, generative Wissensquelle) - logisches Denken (herkömmliche Ansicht: individuelle, generative Wissensquelle) - Erinnerung (herkömmliche Ansicht: individuelle, nicht- generative Wissensquelle) - Zeugnis (herkömmliche Ansicht: nicht- generative Wissensquelle)
Debatte: Zeugnisse als generative Wissensquelle ???
Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigbar ???
2 Positionen: Individualist vs Kommunitarist
1.) Individualist: neues Wissen nur durch Wahrnehmung und logisches Denken, Vertrauen auf Zeugnisse rational gerechtfertigt
2.) Kommunitarist: Zeugnisse auch generativ, Abhängigkeit von Zeugnissen reicht zu tief, nicht gerechtfertigt
Kuschs Beweisführung als Befürworter der kommunitaristischen Sichtweise:
Zeugnisse als generative Erkenntnisquelle:
Beweis anhand eines Bsp. nach J. Lackey: Fall von Maria, fälschlicherweise diagnostizierte Beeinträchtigung der Farbwahrnehmung, teilt trotzdem dem Freund mit, die Ampel sei grün--> Freund weiß, dass Ampel auf grün geschaltet, ohne, dass Maria es weiß, da die obigen Kriterien von Wissen (gerechtfertigter, wahrer Glaube) nicht erfüllt sind, da sie selbst aufgrund der Diagnose des Arztes nicht an ihre Aussage glaubt.
Meine Kritik an Kuschs Argumentation:
Die gesamte Beweisführung hängt an der angeführten Definition von Wissen. Meiner Ansicht nach, kann man auch etwas wissen, ohne es zu glauben. Ich kann beispielsweise von einer Ansicht eines anderen Menschen wissen, ohne selbst an sie zu glauben. Konkret an dem Beispiel von Lackey hat ja Maria in dem Augenblick, in dem sie ihrem Freund mitgeteilt hat, die Ampel sei grün, gewusst, dass sie grün ist, da sie in ebendiesem Moment selbst daran geglaubt hat, weil sie die ärztliche Diagnose kurz vergessen hatte. Selbst von der von Kusch angeführten Definition von Wissen her ist dieses Beispiel also nicht Beweis genug, dass Zeugnisse als generative Wissensquellen angesehen werden können.
Rechtfertigung eines Vertrauens auf Zeugnisse:
historisch wichtige Ansätze:
Hume- reduktive globale Rechtfertigung
3 Arten von Berichten: a) durch eigenes Wissen bestätigte Berichte
b) eigenem Wissen widersprechende Berichte
c) Berichte zu Themen, für die keine eigenes Wissen vorhanden
Hume: a)> b) --> a) >> c) --> neuen Berichten kann vertraut werden
ABER: c) >> a) --> von a)> b) kann nicht einfach auch a) > c) geschlossen werden; neuen Berichten kann nicht vertraut werden
Reid- fundamentalistische globale Rechtfertigung
Zeugnisse ebenso fundamentale Wissensquellen wie anderen drei, Gott hat uns so geschaffen, dass wir Wahrheit sagen und anderen glauben = Zirkuläre Rechtfertigung
4. Risto- und Seppo- Suche
zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft
(Spielerklärung: siehe obige Protokolle oder ppt)
Risto- Suche: Ristos aufgrund bleibender physikalischer Eigenschaft durch Wahrnehmung identifiziert, Riso hat eine Extension, Orientierung an Identität, Fortschritt möglich WAHRHEIT- Gegenstand X= Risto= wahr= Erkenntnis- unabhängig, Annäherung an die Wahrheit
Seppo-Suche: Seppo wird zu Seppo durch Wahrnehmung und Verhandlung mit anderen, hat keine unwandelbare Extension, Orientierung an Ähnlichkeit, kein Fortschritt WAHRHEIT- Gegenstand X = Seppo = wahr = gemeinschaftliches Ähnlichkeitsurteil, Orientierung an empirischen Eigenschaften= nicht Erkennungs- unabhängig, keine Annäherung an die Wahrheit
Anwendung der Spiele in den Ansichten der Philosophie:
Wahrheit in der Philosophie sinnvoller nach dem Prinzip der Seppo-Suche, weil:
Idee einer "Wahrheit" = sinnlos, Verhandlung gleich wichtig wie Wahrnehmung, soziale Dimension in der Wissenschaft wesentlich
Hentschke, Hannes; Baerwald, Tom
Protokoll zur Ring-VO
Kusch, Martin
Der Dozent stellte sich einleitend kurz vor und listete die elementaren Stationen seiner Karriere auf. Seine früheren Interessengebiete waren der Marxismus und die Psychoanalyse von denen er die Aufgaben der Philosophie übernommen sah. Er sah sich gezwungen eine neue Grundlage für die Philosophie zu finden und tat das in der Analyse sprachlicher Phänomene. Darauf aufbauend entwickelte sich seine spätere Vorliebe für Sozialphilosophie und soziale Aspekte in der Philosophie.
Über die Kontroverse zwischen Wundt (Leipzig) und den Würzburger Vertretern:
Bewusstseinsmodell 1 (Wundt) 3 nicht weiter analysierbare Instanzen: Gefühle Empfindungen Vorstellungen
Gedanken haben einen höheren Stellenwert als deren Fundament und werden durch Willensakt, aus den 3 Grundlagen, gebildet.
Bewusstseinsmodell 2 (Würzburger) 4 nicht weiter analysierbare Instanzen: Gefühle Empfindungen Vorstellungen Gedanken
Keine Theorie zur Bildung von Gedanken notwendig. Keine hierarchische Ordnung im Modell.
„Was kann eine soziologische Analyse herausfinden?“ - Von dieser Fragestellung ausgehend skizzierte er Anhand der Leipzig-Würzburgischen-Kontroverse die Aspektebenen welche eine soziologische Analyse eröffnen kann und probierte somit ein Verständnis für die Dimensionen, welche eine solche Auseinandersetzung begleiten, zu vermitteln.
Hierarchischer Aspekt:
Die hierarchische Ordnung in Wundt's Modell kann man auch in der Beziehung zwischen ihm und seinen Kollegen und Studenten sowie in der Beziehung zwischen experimenteller Psychologie und Völkerpsychologie (als höchstes - nur ihm zustehendes) wiederfinden. [siehe vorlesungsbegleitende PP-Folie 16] Somit griffen die Würzburger Wundt auch auf einer sehr persönlichen Ebene an.
Nationalismus-Internationalismus(Individualismus)-Aspekt: Für Wundt repräsentierten Volk und Staat die höchsten Werte. Die Gedanken waren in seinem System auch unmittelbar an diese Begriffe gekoppelt (und somit auch beschränkt). Dagegen stand der nicht an völkischen oder staatlichen Systemen gebundenen Internationalismus und Individualismus der Würzburger.
Theologischer-Aspekt:
Die Sonderstellung des Willens bei Wundt (militanter Protestant) führte zur Assoziation mit dem von Kant und Luther vertretenen Voluntarismus und somit auch zur Assoziation mit dem Protestantismus. Auf der anderen Seite führte der von den Wüzburgern (meist Katholiken) vertretene Intellektualismus zur Assoziation mit dem Katholizismus.
Über die Rolle von Zeugnissen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis:
Nachdem er die soziologische Analyse vorgestellt hatte kam ein weiterer sozialephilosophischer Aspekt zur Sprache. Genauer der Erkenntnistheorie von Zeugnissen und dem Einfluss Anderer auf mein Wissen.
Definition Wissen (siehe vorlesungsbegleitende PP-Folie 20): gerechtfertiger wahrer Glaube
Über die Quellen des Wissens: Wahrnehmung Logisches Denken (reasoning) Erinnerung Zeugnis (testimony)
Die herkömmlichen Ansicht das Zeugnisse keine generative Wissensquelle sind führt zur folgenden Problemstellung und zur folgenden Gegenwartsdebatte.
Kernfragen: Sind Zeugnisse je eine generative Wissensquelle? Lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen?
Individualistische Antworten: Neues Wissen nur durch Wahrnehmung und logisches Denken. Vertrauen auf Zeugnisse muss sich rational rechtfertigen lassen.
kommunitaristische Antwort: Zeugnisse sind auch generativ. Nein! Unsere Abhängigkeit von den Zeugnissen reicht zu tief.
Diese Debatte aufgreifend erklärt Kusch warum ihn der Standpunkt der Kommunitaristen mehr überzeugt, anhand von verschiedenen theoretischen Beispielen mit einem sehr konstruierten Wirklichkeitsbezug. Anschliessend stellt er die beiden wichtigsten Ansätze von David Hume (reduktive globale Rechtfertigung) und Thomas Reid (fundamentalistische globale Rechtfertigung) vor.
Über die reduktive globale Rechtfertigung:
Hume teilt Zeugnisse in 3 Gruppen von empfangenen Berichten: durch eigenes Wissen (erster Hand) bestätigte Berichte eigenem Wissen (erste Hand) widersprechende Berichte Bericht zu Themen zu denen ich kein eigenes Wissen (e. H.) habe
Hume geht davon aus das die Gruppe der durch eigenes Wissen bestätigten Berichte sehr viel größer als die der widersprechenden Berichte und der Berichte über Themen zu denen man kein eigenes Wissen hat ist. Daraus zieht er den Schluss das wir neuen Berichten erstmal vertrauen können.
Die Gruppe der Berichte über die wir kein eigenes Wissen besitzen ist realistisch sehr viel größer als die Gruppe der Berichte die wir durch eigenes Wissen bestätigen können.
Über die fundamentalistische globale Rechtfertigung:
Zeugnisse sind ebenso fundamentale Wissensquellen wie die anderen drei. Gott hat uns so geschaffen, dass wir die Wahrheit sagen und anderen glauben. Reids Begründung dieser Theorie ist eine zirkuläre Rechtfertigung und somit nicht haltbar.
Aus der vorher dargestellten Dialektik zieht Kusch folgende vorläufige Schlüsse:
Zeugnisse können auch eine generative Wissensquelle sein. Unser Vertrauen auf Zeugnisse anderer reicht zu tief, als dass es sich rechtfertigen ließe.
Zum Abschluss stellt Kusch noch eine praktische Arbeitstechnik der Wissenschaft sowie auch der Philosophie vor, im speziellen die eines theoretischen Planspiels mit idealen Voraussetzungen. Darüber versucht er die kommunitaristische Theorie der Bedeutung des “Finitismus” zu erläutern.
Über die Planspiele der Risto- und Seppo-Suche:
Risto-Suche: 1.zwei SpielerInnen, A und B 2.ein Stempel 3.ein grosses Zimmer mit vielen Gegenständen 4.A geht 5 Minuten raus 5.B stempelt 10 Gegenstände (versteckt). 6.A kommt und muss in 2 Minuten die “Ristos” finden, d.h. die gestempelten Gegenstände.
Seppo-Suche: 1.drei SpielerInnen, A, B, C (kein Stempel) 2.A geht raus, B&C einigen sich auf drei Gegenstände, die sie einander ähnlich finden: “Seppos”. 3.A kommt zurück, bekommt die drei Seppos gezeigt. 4.A muss weitere Seppos vorschlagen und argumentieren. 5.Jedesmal wird von allen abgestimmt. 6.Kommt ein neues Seppo hinzu, fällt ein altes heraus.
Aus diesen Spielgegebenheiten leitet er durch eine De-Idealisierung einen Wahrheitswert für die Realität der Wissenschaft und der Wahrheitsfindung ab. In welchem sich für Kusch herausstellt das die Seppo-Suche mit seinem kommunikativen Charakter das Spiel mit dem höheren Gehalt ist. Und beweist somit für sich Abschliessend das der soziale Faktor auch oder vorallem in der Wissenschaft wesentlich ist.
Tobias Göllner
Martin Kusch unterteilt seinen Vortrag in 4 Abschnitte:
[1]: Persönlicher Werdegang und Interessensentwicklung.
[2]: Soziologische Geschichte der Philosophie:
Bsp: Denkpsychologie
Wundt teilt in Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle ein. Gedanken sind eine Verbindung dieser drei, die durch Willensakte aufgebaut werden. (Woher kommt diese Willensstärke?)
Die 'Würzburger' sehen die Gedanken als 4ten gleichrangigen Teil an.
Diese unterschiedlichen Meinungen wurden medial ausgefochten. Einige nähere Daten:
Wundt – stark hirachisches Denken, Nationalist, Protestant. (Es ist die moralische Pflicht des Individuums sich für den Staat zu opfern. - sehr fragliche Ansicht mMn)
'Würzburger' – kritisieren diese hirachischen Strukturen bei Wundt, Indiviualisten, Internationalisten, meistens Katholiken. (interessanter Aspekt dass die Katholiken hier einen linkeren Standpunkt als die Protestanten einnehmen)
[3]: Erkenntnistheorie – Philosophie der Zeugnisse
Defniniton von Wissen: gerechtfertiger wahrer Glaube (Gibt es noch andere Definitionen?)
Quellen des Wissens:
(1)Wahrnehmung
(2)Logisches Denken (reasoning)
(3)Erinnerung
(4)Zeugnis (testimony)
(1)-(3) sind individuelle Wissensquellen
(1)-(2) sind generative Wissensquellen
(3)-(4) sind nicht-generative Wissensquellen
(4) ist problematisch und Gegenstand einer Gegenwartsdebatte an der sich auch Kusch beteiligt
Individualist vs. Kommunitarist
Zeugnisse sind auch generative Wissensquellen und wir vertrauen auf sie. Kusch führt 2 Beispiele an, wobei er eines mehr oder weniger “widerlegt”. Das zweite Beispiel von Maria ist für mich etwas zu schwammig. Maria weiß ja in dem Moment wo sie es ihrem Freund sagt, sie gibt also Wissen weiter, danach “ändert” sie quasi ihr Wissen wieder.
[4]: Risto und Seppo Suche:
Kusch erklärt uns zwei verschiedene Spiele und nimmt sie als Metapher für Wahrheitsfindung her. Ich finde diesen Vergleich sehr gelungen und schließe mich auch eher der Idee der Seppo Suche an. Es bleibt noch offen ob es vllt mehr als diese 2 Ansichten gibt, obwohl sie sicher die gänigsten sind, oder ob sich die zwei Spiele gar auf eine Art verbinden lassen.
Adrien Feix
- Autobiographie
Kusch beginnt mit einem autobiographischen Exkurs, der seine philosophische und soziologische Karriere zusammenfasst und uns nicht weiter interessieren wird.
- Soziologie der Philosophie
Er behandelt dann die Kontroverse zwischen der Leipziger Schule um Wilhelm Wundt und der Würzburger Schule (mit u.a. Oswald Külpe) auf verschiedenen Ebenen. Zuerst präsentiert er die philosophisch-psychologische Debatte über die Stellung der Gedanken (hierarchisch den Empfindungen, Gefühlen, Vorstellungen überlegen, so Wundt, nicht für die Würzburger), dann die damit (für Kusch) zusammenhängende Hierarchisierung der Psychologie (für Wundt war, im Gegensatz zu Külpes Ansicht, die Völkerpsychologie der Experimentalpsychologie übergeordnet) die auch eine verschiedene Weltansicht (Nationalismus für Wundt, Internationalismus für die Würzburger) impliziert. Schließlich stellt er noch einen dritten Gegensatz zwischen den beiden Schulen fest, nämlich dass die Leipziger mehrheitlich Protestanten und die Würzburger Katholiken (wobei er in deren Konzept der "reinen" Gedanken ein katholisches sieht) waren.
- Was will Kusch mit dem Beispiel zeigen? Wenn es keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat ist es wertlos, deshalb soll es wohl verdeutlichen, dass jede philosophische Frage in einem (historischen, politischen, religiösen) Kontext gesehen werden kann oder muss.
- Es liegt nahe, dass Kusch nicht nur meint, dass es zu jeder Idee einen Kontext gibt (was offensichtlich ist), sondern dass die (soziologische) Auseinandersetzung mit diesem Kontext notwendig für das Verständnis der Ideen ist (man kann also z.B. Wundts Ideen nicht ohne seinen Protestantismus verstehen).
- Von dieser Ansicht ist es nicht mehr weit zur totalen Degradierung der (reinen) Philosophie, die damit zu einer kleineren "Nebenwissenschaft" der (Geschichts)soziologie wird, eine ironische Ansicht für einen Professor der Philosophie...
- Erkenntnistheorie und Gemeinschaft
Wissen ist für Kusch ein gerechtfertigter wahrer Glaube. Davon ausgehend nennt er vier Wissensquellen: Wahrnehmung, logisches Denken, Erinnerung und Zeugnisse (von anderen Menschen).
Kusch will beweisen, dass Zeugnisse generativ sein können, also Wissen schaffen können, das vorher nicht existierte. Dafür beruft er sich auf Beispiele von Jennifer Lackey. Wir betrachten nur das zweite Beispiel, da das Erste von Lackey selbst verworfen wurde. Es geht um einen Menschen, der glaubt Farben schlecht sehen zu können, obwohl er sie richtig sieht, und jemandem Reflexartig antwortet, was für eine Farbe die Ampel hat. Er weiß nicht ob sie rot oder grün ist (er vertraut ja seinen Augen nicht mehr) und trotzdem gibt er seinem gegenüber die richtige Information, es wird also Wissen geschaffen.
Kusch behauptet ohne Argumentation, dass die Erinnerung ebenfalls Wissen generiert.
Des weiteren will Kusch noch zeigen, dass das Vertrauen in andere nicht rational gerechtfertigt werden kann. Dafür verwirft er die Hume'sche Auffassung, dass wir, da wir auf unserem Wissensbereich von unseren Mitmenschen öfter wahre als falsche Aussagen hören, wir daraus schließen, dass Menschen auf allen Wissensgebieten öfter wahre als falsche Aussagen machen. Kuschs Argument ist, dass man aus unserem (kleinen) Wissensbereich nicht ohne weiteres auf das gesamte Wissen extrapolieren kann.
Die fundamentalistische Rechtfertigung von Reid verwirft Kusch, da ihr Reid die vermeintlich gute Natur des Menschen zugrunde liegen lässt (welcher ja für Reid von Gott geschaffen wurde), von der wir über die Bibel wissen, dass sie existiert (was ein zirkuläre Rechtfertigung ist). Daraus schließt Kusch, er habe bewiesen dass es keine rationale Rechtfertigung für unser Vertrauen in unsere Mitmenschen gäbe.
- Kuschs Definition von Wissen ist äußerst problematisch. Was ist Wahrheit? Wo ist der Unterschied zwischen glauben und rechtfertigen können? Muss man nicht um etwas rechtfertigen zu können zumindest partiell daran glauben?
- Lackeys Beispiel kann auch anders interpretiert werden: Um sagen zu können, dass die Ampel grün ist, muss die Person (zumindest in dem einen Moment wo sie es sagt) daran glauben, also das Wissen kurzzeitig doch auch selbst haben.
- Wenn man wie Kusch annimmt, dass Zeugnisse generativ sein können, so muss man näher betrachten was wirklich wo geschaffen wird: Wenn ich in einer fremden Sprache zwei mir bekannte Wörter höre und so auf eine eigene Idee komme, so ist dies zwar auch spontan generativ, meines Erachtens liegt die Erzeugung des Wissens aber auf meiner Seite, also in der Wahrnehmung und im logischen Denken und nicht in einem (beabsichtigten menschlichen) Zeugnis.
- Die "Widerlegung" der Hume'schen Rationalität des Vertrauens ist sehr schwach. So kann man zum Beispiel Kusch entgegenhalten, dass alle Menschen auf ihrem Wissensgebiet merken, dass die Anderen weniger Falsches als Wahres von sich geben, und somit ist die Extrapolation gerechtfertigt (denn es gilt damit auf allen Wissensgebieten). Ein anderes Gegenargument ist rein empirisch: Solange ein Kind nicht getäuscht wurde glaubt es alles; Erst wenn es weiß, dass man wissentlich Falsches erzählen kann, sinkt sein Grundvertrauen, und das ist ein absolut rationales Verhalten.
- Seppo- und Risto-Suche
Kusch beschreibt hier zwei Spiele, denen verschiedene Grundprinzipien zugrunde liegen: Bei der Risto-Suche muss man Objekte finden, die einen Stempel tragen; Bei der Seppo-Suche muss man andere überzeugen dass ein Objekt einer Kategorie zuordenbar ist. Ohne Argumentation behauptet er dann dass die Wissenschaft eher der Risto-Suche entspräche, dass also die soziologische Komponente darin mindestens so fundamental sei wie die objektive Wahrheitssuche.
- Da keine Argumente für diese Sichtweise gebracht wurden, kann man auch nicht auf sie eingehen, aber wenn man die Geschichte der Wissenschaften betrachtet merkt man doch, dass „Verhandlung” wie es Kusch nennt, kaum in der Wissenschaft vorkommt. Die Quantenphysiker zum Beispiel „verhandelten” nicht um ihre neue Theorie zu etablieren, sie arbeiteten mit experimentellen (also objektiven) Erkenntnissen, die über kurz oder lang stärker als jede soziale Komponente zum tragen kommen: Heute wird auch der beste Rhetor es nicht schaffen, einen Physiker von der Existenz des Äthers zu überzeugen...
Hamel, Hanna
Vortrag von Prof. Martin Kusch vom 29.10.09
In seinem Vortrag weist Prof. Martin Kusch den gesellschaftlichen Austausch und die Kommunikation als grundlegend für den Wissenserwerb und die Wissensproduktion aus. Anhand eigener biografischer Daten gibt er Beispiele, wie über den wissenschaftlichen Dialog sein Weg in der Philosophie geprägt wurde.
Der Vortrag ist in vier Teile gegliedert: Im ersten Teil geht Martin Kusch auf seinen Einstieg in die Philosophie ein, im zweiten und dritten Teil spricht er die Schnittstellen von Philosophie und Soziologie an, um im vierten Teil anhand eines Modells eine kommunitaristische These zum Vorgang des Wissenserwerbs zu formulieren. Nachdem er als erste Triebkraft für die Beschäftigung mit der Philosophie seine Interessen für Psychoanalyse und Marxismus nennt, geht er dazu über, Personen und deren Ideen als weiterführende Anregung für sein Studium vorzuweisen. Hier fallen die Namen von Ernst Tugendhat und Jürgen Habermas. Auch wenn er sich von Habermas inzwischen „losgesagt“ hat, hält Kusch fest, dass der Einstieg in die Philosophie auch über ihn stattgefunden hat. Eine Überzeugung kann also zeitweise geteilt und übernommen werden, um schließlich in kritischer Betrachtung zu neuen eigenen Ideen zu führen. Die Idee des „in die Lehre Gehens“ bei einem Denker, um schließlich eigene Wege verfolgen zu können, verwirklicht Martin Kusch auch mit der Dissertation bei seinem Doktorvater Jaakko Hintikka. Neben den Lehrenden nennt Martin Kusch auch die Studierenden als Anstoß für seine Arbeit: Über die Auseinandersetzung mit dem Wunschthema „Foucault“ der Studenten kam er zur Betrachtung von Philosophie aus einem soziologischen Blickwinkel. In der Beschäftigung mit dem Fachgebiet Sociology of Scientific Knowledge, das die Philosophie durch Wissenschaftssoziologie ersetzen möchte, musste er allerdings feststellen, dass er selbst philosophische Argumente zur Verteidigung des Fachgebiets brauchte – und versuchte nun umgekehrt die Soziologie in die Philosophie zu tragen. Wie eine Philosophie aussieht, die soziologische Aspekte einbezieht, stellt er in Punkt zwei und drei dar.
Als Beispiel dient ihm in Punkt zwei die Denkpsychologie von Wilhelm Wundt auf der einen Seite und Oswald Külpe und Karl Bühler auf der anderen. Wundt ordnet Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle den durch Willensakte entstehenden Gedanken unter. Külpe und Bühler tun dies nicht, bei ihnen sind diese vier Bestandteile des Bewusstseins gleichberechtigt. Bei soziologischer Betrachtung findet man die hierarchischen Strukturen von Wundts Theorie auch in seiner Institutsverwaltung und im von ihm vertretenen Nationalismus wieder. Aus einer Kontroverse in der Theorie wird ein Konflikt von sozialen Gruppen, von Ideologien und Konfessionen. Eine interessante Frage an dieser Stelle ist nun, ob die Theorie an erster Stelle steht und dann indirekt verwendet wird, um eine Machtposition zu sichern, oder ob aus einer gesellschaftlichen Grundhaltung heraus ein Individuum auf eine Theorie zur Sicherung seiner Position kommt. Aus soziologischer Sicht scheint jedenfalls ein gegenseitiger Einfluss zu bestehen. Den zwischenmenschlichen Einfluss bei der Wissensgeneration erläutert Martin Kusch in Punkt drei: Er stellt die individualistische Erkenntnistheorie der kommunitaristischen gegenüber. Das Grundproblem ist hier, ob der Dialog an sich wissensgenerativ ist, also ob in der Kommunikation neues, bisher nicht vorhandenes Wissen entstehen kann oder nicht. Anhand mehrerer Beispiele zeigt Martin Kusch, dass ein Dialogpartner Wissen vermitteln kann, das er selber nicht besitzt und somit bei einem anderen Wissen stiftet. Der Dialog ist dann also produktiv; das entspricht der kommunitaristischen Perspektive. In einem weiteren Schritt versucht Martin Kusch aufzudecken, ob man den Glauben an Zeugnisse anderer rechtfertigen kann. Hier steht der Rechtfertigende vor der Schwierigkeit, dass er fast ausschließlich auf Zeugnisse aus der Vergangenheit berufen muss, um die Rechtfertigung anzutreten, ja, dass sogar seine Denkstruktur selbst und deren Richtigkeit auf Zeugnissen anderer beruht. Durch diese intensive Verstrickung mit dem Wissen anderer lässt sich nach kommunitaristischer Ansicht keine unvoreingenommene Rechtfertigung für die Glaubwürdigkeit von Zeugnissen erbringen.
Im vierten und letzten Punkt führt Martin Kusch die kommunitaristische Theorie noch etwas weiter aus. Er kritisiert die idealistische Perspektive der Suche nach „der einen Wahrheit“. Die „wahren Ergebnisse“ der Wissenschaft beruhen vielmehr auf dem Konstrukt einer Gemeinschaft, die sich auf eine Wahrheit einigt, denn keiner ist fähig unvoreingenommen und ohne die Unterstützung der Zeugnisse anderer ein Ergebnis zu produzieren. Die Wahrheit in der Wissenschaft existiert nicht unabhängig vom Konsens.
Der Vortrag betont die Bedeutung des Dialoges als Grundlage von Wissen überhaupt und stellt ihn gleichzeitig als Möglichkeit der Wissensproduktion dar. Auch gesellschaftlicher Druck und das Verfolgen von persönlichem Vorteil kann zu einer Theorie führen, die aufgrund ihrer politischen Brisanz intensiv diskutiert und zu „einer Wahrheit“ wird. Die Wahrheitssuche der Philosophie wird damit mehr in die Alltagswelt gerückt, die äußeren Einflüsse, womöglich auch Zufälle beim Formulieren einer neuen Theorie werden sichtbar. Der Vortrag versucht das Bild vom einsam räsonierenden Philosophen zugunsten der Akzeptanz der Bedeutung des Dialoges aufzulösen – er weist die Unfähigkeit des Individuums auf, unabhängig von allem Gedachten zu Denken.
Hlavac, Alexander
Mehtoden und Disziplinen der Philosophie Vo. III
Gehalten von Martin Resch
1. Biografische Einleitung
Martin Resch interessierte sich bereits in seiner Jugend für Psychoanalyse und Marxismus, was ihn schließlich ein Philosophiestudium in Berlin beginnen ließ. Dort widmete er sich dem sprachanalytischen Ansatz vonTugendhat, wechselte anschließend nach Finnland und studierte unter Habermas (Marxismus, Soziologie, Psychoanalyse, Sprachanalyse, Wissenschaftstheorie). Er schrieb seine Dissertation "Zur Sprache bei Husserl und Heidegger" und nahm anschließend einen Lehrstuhl an und beschäftigte sich ausführlich mit Foucault, danach mit Soziologie in Edinburgh und trat eine Professur in Cambridge und anschließend in Wien an.
2. Philosophie, Psychologie und Macht
Wie hängen Philosophie und Machtstrukturen zusammen?
Anhand von zwei verschieden Denkmodellen zeigt Resch auf, wie philosophische Modelle für den Aufbau von Gedanke zu sehr verschieden Ausprägungen der Machtverhältnisse und Lebensweisen führen kann:
a) Leipziger Aufbau
Das erste Modell stammt von Wundt. Er postuliert drei unreduzierbare Bewusstseinselemente: Empfindung, Vorstellung, Gefühl. Gedanken sind koplizierte Verbindungen dieser Elemente und werden durch Willensakte aufgebaut, die ebenfalls koplizierte Verbindungen sind. Wundt betonte, dass Gedanken und Willensakte einen höheren Wert haben, als ihre Elemente.Besonders der Wille, da er die "wertvollen" komplexen Gedanken erschafft. Daraus ergibt sich eine Hierarchie die sich auf verschiedene Systeme übertragen lässt, z.B. Sitte und Sprache, Staate und Volk über das Individuum, Volkspsychologie über die Individualpsychologie, Dozent über Student.
b) Würzburger Aufbau
Ein anderes Modell stammt von Külpe und Bühler. Sie sehen vier Grundelemente, die unreduzierbar sind: Empfindung, Gefühl, Vorstellung UND Gedanken. Sie alle liegen auf einer Ebene und bilden keine Hierarchie.
Diese beiden Ansätze erlauben auch starke Assoziationen im Kontext mit dem Zeitgeist, z.B. der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, Voluntarismus und Intellektualismus.
3. Erkenntnistheorie
Die Erkenntnisphilosophie ist die Philosophie der Zeugnisse. Wissen ist gerechtfertigter, wahrer Glaube.
Es gibt vier Quellen des Wissens:
1. Wahrnehmung
2. Logisches Denken
3. Erinnerung
4. Zeugnisse, also die Mitmenschen als Wissensquelle
1-3 sind Individuelle Wissenquellen (WQ), 1-2 generative WQ (die Wissen generieren), 2-4 nicht generative WQ
4 ist zudem problematisch und wirft zwei Fragen auf:
Sind Zeugnisse generativ? Und: Lässt sich das Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen?
Resch ist der Auffassung, das Zeugnisse immer generativ sind und, dass unsere Abhängigkeit von Zeugnissen zu tief reicht um gerechtfertigt zu werden.
Um den Rahmen der Veranstaltung nicht zu sprengen führt Resch nur ein Beispiel aus, das zeigt, das Zeugnisse generativ sein können.
Doch kann man anderen Menschen trauen?
Ein wichtiger Ansatz, der dieser Frage nachgeht stammt von David Hume. Es gibt verschiedene Arten von empfangenen Berichten:
a) durch eigenes Wissen (erster Hand) bestätigte Berichte b) dem eigenen Wissen (erster Hand) wiedersprechende Berichte c) Berichte ohne das man Wissen erster Hand Besitz
Es gibt öfter Fall a) als Fall b) und Fall c) seltener als Fall a):
a) > b) und a) > c) also sollte ich auf Grund der Häufigkeit zunächst Vertrauen. Aber! Es gibt c) viel häufiger als a) und b), also ist der Schluss falsch.
Ein weiterer, heute eher überholter Ansatz stammt von Thomas Raids. Er postulierte: Gott hat uns so geschaffen, dass wir die Wahrheit sagen und anderen glauben.
Doch woher wissen wir das? Aus der Bibel? Hier gelangen wir zu einer zirkulären Rechtfertigung.
4. Risto- und Seppo- Suche
Durch die Idealisierung zu einem Suchspiel zeigt Resch zum Schluss wie die Wissenschaften in ihrer Suche nach Wahrheit vorgehen, wobei sich beide Spiele durch ihre Art des Suchens unterscheiden. Während beim Ristospiel ein Regelwerk und empirische Mittel ausreichend sind bedarf es beim Sepposuche Kommunikation und Verhandlung um voran zu kommen.
Das Ristospiel ist für viele Philosophen analog zur Sprache, währen das Seppospiel aufzeigen soll, dass die Idee der Wahrheit keinen Sinn macht, Verhandlung wichtig für die Wahrnehmung ist und, dass die soziale Dimension für Wissenschaften wesentlich ist.
Weger, David
Ring-VO Martin Kusch, 29.10.2009, „Philosophie und (Sozial-) Wissenschaft“
Folien: http://homepage.univie.ac.at/~kuschm3/Kusch.Ringvorlesung.Folien.pdf
- (1) À la recherche du temps perdu: über die Zufälle, die mich zu meinen heutigen Interessen gebracht haben
Der Titel des ersten Punktes ist eine Anlehnung an das gleichnamige Werk (frz. À la recherche du temps perdu, dt. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) von Marcel Proust. Der Vortragende gibt einen kurzen Abriss seines philosophischen Werdegangs und nennt einige der Persönlichkeiten die den größten Einfluss auf ihn hatten. Erwähnt werden eigene Professoren (Ernst Tugendhat in Berlin) und berühmte Philosophen (Ludwig Wittgenstein, Georg Henrik von Wright, Jürgen Habermas, Michel Foucault), aber auch Personen aus dem Privatbereich die unter anderem auf die Entscheidung nach Finnland zu ziehen oder Foucault zu fokussieren (eine studentische Forderung) nennenswerte Einflussnahme hatten. Frühe Interessen des Martin Kusch sind Marxismus und Psychoanalyse, später auch Sprachanalytik. Seine Dissertation verfasst er 1989 zur „Sprachphilosophie bei Husserl und Heidegger“ (namentlich: "Language as Calculus vs. Language as Universal Medium: A Study in Husserl, Heidegger and Gadamer"). Kuschs Interesse ist es von Beginn an Soziales und Politisches mit den verschiedenen Bereichen der Philosophie zu verknüpfen (daher wohl auch die Affinität zu beispielsweise Foucault welcher sich mit den Zusammenhängen von Wissen und Macht bzw. Kontrolle anhand konkreter Exempel wie Polizeiwissenschaften oder angewandter Psychoanalyse als Mittel zur Kontrolle auseinandersetzt). Es liegt daher nur nahe, dass Kusch begeistert ist als die Wissenschaftssoziologie von Vertretern wie Bloor, Collins und Shapin zum „Nachfolger der Philosophie“ erklärt wird. Seine Meinung relativiert sich jedoch bald als er feststellt, dass man sich „philosophischer Argumente bedient um die Philosophie zu kritisieren“. Das prinzipielle Interesse bleibt dennoch bestehen. (Folien 1-8)
- (2) Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
Kusch verweist hier erneut auf die teils fließenden Grenzen zwischen einzelnen Wissenschaften. So erklärt er, dass zu Lebzeiten des Wilhelm Wundt (1832-1920) die Denkpsychologie nicht von der Philosophie des Geistes getrennt war. Wundt der vormalig als Philosoph gehandelt wurde, und vielleicht mehr Werke zur Metaphysik als zur Psychologie verfasst hat, ist laut Kusch heute vorrangig als Psychologe bekannt. Kusch wirft die Frage auf was sich durch soziale Analyse aus der Philosophie herauslesen lasse (z.B. Politisches).
Der genannte Wundt ist hierfür als Vertreter der „Leipziger Auffassung“ wichtig, welche besagt: Es gibt drei basale, nicht weiter zu reduzierende Bewusstseinselemente. Diese sind: 1. Empfindungen, 2. Vorstellungen, 3. Gefühle; Sie stellen das Fundament dar, Gedanken sind Kombinationen aus 1-3 und werden durch Willensakte konstruiert. „Gedanken sind also wertvoll weil sie kompliziert sind.“ (Folien 10, 11)
Dem gegenüber steht Würzburg, namentlich Oswald Külpe (1862-1915) und Karl Bühler (1879-1963). Sie sprechen von vier Grundelementen: 1. Empfindungen, 2. Vorstellungen, 3. Gefühle, 4. Gedanken; (Folien 12, 13)
Kusch nimmt hier eine soziologische Analyse der Debatte vor: Für Wundt hat das Bewusstsein eine streng hierarchische Struktur. Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle sind minderwertig, Gedanken stehen deutlich über ihnen. Der Wille spielt eine entscheidende Rolle, denn ohne den Willen gäbe es keine Gedanken. Diese Überlegungen führen zu einer Psychologie des Kollektivs (Völkerpsychologie). Die These ist: Da Gedanken so kompliziert sind, kann man sie an einem Individuum kaum analysieren. In einem ganzen Volk ist das Denken jedoch sozusagen sedimentiert. Da die Teilnehmer an dem Denken so zahlreich sind, geschieht eine „Vergrößerung“. Daraus folgt, dass Wundt die Völkerpsychologie ebenfalls hierarchisch weit über die experimentelle Psychologie erhebt, sie solle das „Herzstück“ der Psychologie sein. Daraus ergibt sich ein radikaler Nationalismus: Für Wundt ist es die moralische Pflicht jedes Individuums sich für den Staat zu opfern, und er geht sogar noch weiter: die letztendliche Ausübung der Völkerpsychologie müsse ihm – ganz im Zeichen der hierarchischen Strukturen die seine Ideen durchziehen - selbst vorbehalten sein.
Für die Würzburger hingegen herrschen keine solch festen Strukturen. Völkerpsychologie ist nicht erforderlich und somit wird Wundt sogar seine besondere persönliche Position abgesprochen.
Es ist zu erkennen, dass hier Nationalismus und Internationalismus/ Individualismus aufeinander prallen. Somit ist eine soziologische Komponente gegeben. (Folien 14-17)
Die Kontroverse nimmt weiterführend sogar ein theologisches Ausmaß an, da eine enge Assoziation zwischen Wundt (Leipzig), Voluntarismus (Kant, Luther) und Protestantismus (und Deutschtum) erfolgt. Dieser Seite gegenüber stehen die Würzburger mit einer Affinität zwischen Intellektualismus (z.B. Thomas von Aquin) und Katholizismus (und Internationalismus). (Folie 18)
- (3) Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis
Die Philosophie bemüht sich seit der Antike den Begriff des Wissens zu definieren. Essentiell für diesen Abschnitt des Vortrages ist die Definition des Wissens als "gerechtfertigter wahrer Glaube" (eigene Anmerkung: denn wenn dies als Axiom abgelehnt wird können die Relevanz der Diskussion um generative Zeugnisse bzw. einzelne Argumentationen in Frage gestellt werden). Als Quellen des Wissens nennt Kusch: 1. Wahrnehmung, 2. Logisches Denken, 3. Erinnerung, 4. Zeugnis (Bericht durch Mitmenschen) (Folien 20, 21)
Traditionell gilt: 1-3 Individuelle Wissensquellen, 1-2 Generative Wissensquellen, 3-4 Nicht-generative Wissensquellen.
Kusch thematisiert hier folgende Debatte: A Sind Zeugnisse je eine generative Wissensquelle? B Lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen? (Folie 22)
Wiederum stehen sich zwei Seiten gegenüber: Individualisten und Kommunitaristen. Erstere vertreten die Auffassung, neues Wissen erfolge ausschließlich durch Wahrnehmung und logisches Denken. Vertrauen auf Zeugnisse müsse sich für sie rational rechtfertigen lassen. Sie sehen Zeugnisse als nicht generativ, denn das Wissen „verschiebt“ sich nur und ist ja schon bei dem Bezeugenden vorhanden. Kommunitaristen sagen jedoch: Zeugnisse sind generativ. Zudem sitze die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von Zeugnissen so tief, dass sie im Allgemeinen nicht hinterfragbar sind. Die Frage: „Warum soll ich Anderen vertrauen?“, stellt sich für die Kommunitaristen nicht. Zulässig wäre höchstens „Warum sollte ich in diesem speziellen Fall misstrauen?“. Für einen Kommunitaristen ist es möglich, dass vor dem Gespräch keiner der zwei Gesprächspartner Wissen über etwas hat, im Laufe der Auseinandersetzung jedoch zumindest einer das Wissen erlangt.
A: Um zu beweisen, dass Zeugnisse generativ sein können bedient sich Kusch zweier Beispiele von Jennifer Lackey: „Der Fall von Lehrerin Schmidt“ und „Der Fall von Maria“. In ersterem lehrt eine Lehrerin ihre SchülerInnen die Evolutionstheorie, sie selbst glaubt nicht daran, die SchülerInnen aber schon --> Wissen nach obiger Definition entsteht. Die Theorie die sich daraus für Kusch ergibt ist: Vielleicht muss nicht jedes Element der Übertragungskette die Tatsache wissen; es reicht, wenn der Anfangspunkt es weiß. Wissen wäre hiermit indirekt von Darwin zu den Schülern übertragen worden. Im zweiten Beispiel berichtet eine Frau die nicht auf ihre Farbwahrnehmung vertraut ihrem Freund, dass die Ampel grün ist. Dieser glaubt ihr --> Wissen wird generiert. (Folien 23-28)
B: Um die Frage ob sich das Vertrauen auf andere im Allgemeinen rechtfertigen lässt zu beantworten werden die beiden schottischen Philosophen David Hume (1711-1776) und Thomas Reid (1710-1796) bemüht. Hume vertritt dabei die These der reduktiven globalen Rechtfertigung. Wenn man dazu von drei Gruppen von empfangenen Berichten ausgeht, nämlich: 1. durch eigenes Wissen (erster Hand) bestätigte Berichte, 2. eigenem Wissen (e.H.) widersprechende Berichte, 3. Berichte zu Themen für die ich kein eigenes Wissen (e.H.) habe; so meint Hume, dass 1 viel häufiger (größer) als 2 wäre und man dieses Verhältnis auch auf 3 übertragen kann. Dies würde bedeuten, dass man neuen Berichten grundsätzlich vertrauen kann. Allerdings ist dies ein Trugschluss, da 3 bedeutend größer ist als die beiden anderen Kategorien – Ich weiß sehr viel mehr nicht, als ich weiß!
Reid hingegen versucht eine fundamentalistische globale Rechtfertigung. Er meint, dass Gott den Menschen so geschaffen hat, dass er immer die Wahrheit sagt und anderen glaubt. Zwar wären so Zeugnisse eine genauso legitime Wissensquelle wie Wahrnehmung und Logik, allerdings darf auch diese These stark in Frage gestellt werden.
Kusch zieht für sich also den Schluss, dass eine Rechtfertigung des Vertrauens auf die Zeugnisse anderer nicht möglich ist. Dies ist wie erwähnt der Standpunkt der Kommunitaristen. (Folien 29-34)
- (4) Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft
Risto Suche: Zwei SpielerInnen, A und B - ein Stempel - ein grosses Zimmer mit vielen Gegenständen - A geht 5 Minuten raus - B stempelt 10 Gegenstände (versteckt) - A kommt und muss in 2 Minuten die "Ristos" finden, d.h. die gestempelten Gegenstände (Folie 37)
Seppo-Suche: Drei SpielerInnen, A, B, C (kein Stempel) - A geht raus, B & C einigen sich auf drei Gegenstände, die sie einander ähnlich finden: "Seppos" - A kommt zurück, bekommt die drei Seppos gezeigt - A muss weitere Seppos vorschlagen und argumentieren – Jedes Mal wird von allen abgestimmt - Kommt ein neues Seppo hinzu, fällt ein altes heraus (Folie 38)
Dies sind im Sinne des Finitismus entworfene vereinfachte Allegorien um unterschiedliche Weltanschauungen darzustellen. Das Risto-Spiel ist für Kusch eine Analogie zur Philosophie und anderen Wissenschaften welche oft vom Streben nach einer absoluten Wahrheit dominiert werden. Für Kusch macht diese Idee der Wahrheit jedoch keinen Sinn, er hebt die notwendige soziale Dimension der Wissenschaften hervor. Dieser Abschluss erscheint diametral zu dem der vorangegangenen Ring-Vorlesung in welchem Gerhard Gotz zur Suche nach einem allumfassenden Sinn aufgerufen hat. (Folien 39-44)
Haas, Sophie
1) Philosophie und Sozialwissenschaft
Den ersten Teil der Vorlesung konnte ich leider nicht besuchen, da ich in diesem Moment es für wichtiger hielt, mich aktiv an der im Rahmen der Proteste entstandenen Arbeitsgruppe Philosophie zu beteiligen.
2.) Soziologische Geschichte der Philosophie: was hat die Philosophie der Psychologie mit Macht zu tun?
Im zweiten Punkt stellt Kusch die soziologische Geschichte der Philosophie in den Vordergrund. Dabei thematisiert er das konträre Verhältnis von Willhelm Wundt (1832- 1920) zur allgemeinen Würzburger Lehrmeinung.
Wundt unterschied drei nicht mehr zu reduzierende Bewusstseinselemente: Empfindungen Vorstellungen: Erinnerungsbilder, Gefühle
Diese sind nicht mehr weiter zerlegbar und somit nicht analysierbar. Gedanken sind komplexe Verbindungen dieser drei und können nur bewusst, also durch Willensakte aufgebaut werden. Folgerung: Gedanken stehen als Produkt dieser drei Elemente und ebenfalls durch das Bewusstsein über ihrer Bildung eine Ebene über ihnen. Der Gedanke ist für Wundt das „eigentlich wertvolle am Geist“.
Dessen entgegen steht die allgemeine Lehrmeinung, die besonders geprägt ist Oswald Külpe und Karl Bühler. Sie erkennt vier Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen und stellt die Gedanken auf gleiche Ebene wie die Empfindung, Vorstellungen und Gefühle. Nun stellt sich Kusch die Frage, welche Konsequenz diese Einteilung/Hierarchie in philosophischer, theologischer, sozialer und politischer Sicht haben könnte: Wundt war der Meinung das Gedanken sich experimentell nicht untersuchen ließen, da die Forschung am Individuum nur die drei minderwertigen Elemente zeigte und sich keine Gedanken daraus ableiten ließen. Für Wundt waren Gedanken so komplex, dass sie nur greifbar waren, wenn sie im Kollektiv geforscht werden. Nur von der Völkerpsychologie konnte man also aussagekräftige Thesen ableiten. Durch den Durchschnitt der Ergebnisse der Experimente lässt sich die Tendenz der Gedanken am deutlichsten aufzeigen. Wundt stellte die Völkerpsychologie klar über die Experimentalpsychologie und durfte sie auch als einziger am Institut ausführen. Dadurch resultierte für Wundt, dass sich das Individuum unter dem Staat einzuordnen habe und sich unbedingt ihm zu opfern habe. Nur dadurch könne das Ideal vom „reinen völkischen Staat“ erreicht werden. Wundt ist klar nationalistisch, Volk und Staat sind für ihn die höchsten Werte. In ganz radikaler Gegenposition dazu stand die allgemeine Lehrmeinung in Würzburg, die sich klar als Individualisten und Internationalisten verstanden. Der Grundintention dieser Auseinandersetzung zieht sich auch durch Konfessionsstreit. Wundt war klarerweise ein vehementer Vertreter des Voluntarismus, einer philosophischen Richtung mit starker Betonung auf den Willen (durch den nach seiner Auffassung erst Gedanken entstehen können). Kusch wies darauf hin, dass zu Wundts Zeit kaum Unterschied zwischen Lutherismus und Kantilismus gemacht wurde. Die Würzburger allerdings waren mehrheitlich katholisch und strebten den reinen Intellekt an, der nicht durch eine Verbindung zum Körper verunreinigt wird. Sie besinnten sich dabei auf Thomas von Aquin.
3) Erkenntnistheorie und Gemeinschaft: Die Rolle der Anderen in meinem Wissen und meiner Erkenntnis
Um es als Wissen zu definieren muss das Gedankenkonstrukt drei Kriterien entsprechen: 1) Man muss daran glauben. 2) Man muss es für wahr halten 3) Man muss es vor anderen rechtfertigen können Für Kusch gibt es vier Quellen des Wissens: Wahrnehmung, logisches Denken, Erinnerung und Zeugnis. Er stellt die These auf das Erinnerung und Zeugnis nicht generativ sind, das heißt, kein Wissen erzeugen. Neues Wissen kann nur durch Wahrnehmung und logisches Denken erstehen. Das Zeugnis transportiert nur das Wissen. Diese Position nennt er Kommunitarist. Hier führt Kusch ein Beispiel an: Fräulein Schmidt glaubt nicht an die Evolutionstheorie, sie verschweigt dies aber und unterrichtet sie ihren Schülern. (Sie glaubt sie nicht, deswegen kann sie die Theorie nicht wissen) 1.) Die SchülerInnen glauben daran 2.) Sie halten es für wahr, weil Frau Schmidt als vertrauensvolle Zeugin gilt. 3.) Sie können sie rechtfertigen. Sie wissen die Theorie! Vor dieser Unterrichtsstunde „wusste“ allerdings noch keiner der Beteiligten die Theorie. Wissen ist also generativ. Das Gegenargument dazu ist, das dieses Wissen anhand einer Kettenreaktion weitergegeben wurde, die von Darwin ausgeht. Fräulein Schmidt ist hier nur ein Zwischenelement. Lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen? Frei nach Hume ist Zeugnissen erstmal Vertrauen zu schenken, da die mitgeteilte Menge an Wissen, dass durch eigenes Wissen bestätigt wird, ist sehr viel größer, als die die dem eigenen Wissen widerspricht. Allerdings, so Kusch, ist die Menge des mitgeteilten Wissen, zu dessen Thema ich überhaupt keine Meinung habe, die größte.
4) Risto-Sucheund Seppo-Suche: zweiSpielezumThemaGemeinschaft, Wahrheit, Fortschrittund Wissenschaft
Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft Beim Risto müssen von einem Mitspieler fünf gestempelte Gegenstände (Ristos) in einer vorgegebenen Zeit gefunden werden. Beim Seppo wird von einer Gruppe Personen drei Gegenstände (Seppos) bestimmt, die sie einander ähnlich finden. Einer unbeteiligten Person werden diese Gegenstände gezeigt und sie muss weitere Seppos vorschlagen und argumentieren. Wahrheitssuche Ristos werden auf Grund einer bleibenden Eigenschaft, dem Stempel, als Ristos erkannt und fallen somit (egal welche Beschaffenheit haben) unter den Risto. Es wird von von einer Extension gesprochen Beim Risto ist der Stempel die Kennzeichnung für die Wahrheit. Umso mehr Ristos man findet, desto näher kommt man an die Wahrheit. Die Wahrheit ist in diesem Fall „erkennungsunabhängig“. Beim Seppo entscheidet eine Gruppe von Personen, ob der Vorschlag angenommen wird, also wahr ist. Dieser Prozess ist also erkennungsabhängig. Kusch vergleicht im Anschluss die Wissenschaft mit der Risto Spiel. Es werden immer Um Seppos zu finden, muss eine Gruppe vorhanden sein mit der ein Konsens darüber gesucht werden muss, ob dieser Gegenstand ein Seppo ist. Die Entscheidung kann von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich ausfallen und ist nicht wie beim Risto durch einen Stempel objektiviert. Durch die Suche nach objektiven Belegen, wie ein Stempel, ist die derzeitige Vorgangsweise der Wissenschaft und der Sprache. Kusch stellt allerdings die These auf, dass die objektive Wahrheit absurd ist. Wahrnehmung und Verhandlung sind für ihn für den Prozess gleich wichtig. Zielführender wäre es der sozialen Dimension in der Wissenschaft mehr Bedeutung zu überlassen.
Zimmermann, Bettina
Kusch betitelt seine Vorlesung „Philosophie und (Sozial-) Wissenschaft“. Er beginnt mit einer kurzen Beschreibung seiner eigenen philosophischen Biographie.
Teil 2 der Vorlesung stellt an einem Beispiel anschaulich dar, was die soziologische Geschichte der Philosophie an neuen Einsichten bringen kann. Als Beispiel dient die Debatte zwischen Wundt (Leipzig) und Külpe / Bühler (Würzburg) über die Struktur des Bewusstseins. Bei Wundt gibt es drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen: Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle. Gedanken sind komplexe Verbindungen aus diesen drei Elementen, die durch Willensakte aufgebaut werden. Willensakte setzen sich selbst wieder aus den drei Elementen zusammen. Die Gedanken als das komplexere sind somit das wertvolle am menschlichen Geist, sie sind den drei Elementen übergeordnet. Für seine Gegner aus Würzburg gibt es vier Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen: Empfindungen, Vorstellungen, Gefühle und Gedanken. Für sie sind also auch die Gedanken ein unreduzierbares Element. Dieser Unterschied löste in der damaligen Zeit eine große öffentliche Debatte aus. Warum dieser Unterschied so dramatisiert wurde und welches grundsätzlich unterschiedliche Weltbild hinter den beiden Gegenpositionen steht, lässt sich erkennen, wenn man eine soziologische Analyse durchführt:
Wundt vertritt eine hierarchische Struktur des Bewusstseins. Es ergibt sich eine Minderwertigkeit von Gefühlen, Empfindungen, Vorstellungen gegenüber den Gedanken. Die Wichtigkeit des Willens wird betont. Diese hierarchische Struktur war vergleichbar mit der Struktur der Psychologie (Abwertung der Experimentalpsychologie gegenüber der Völkerpsychologie), der hierarchischen Struktur Wundt’s Instituts, sowie der Ansicht, dass das Kollektiv (Staat, Volk) über dem Individuum steht. Eine Aufopferung des Individuums für den Staat wurde gefordert. (Nationalismus) Die Gegner aus Würzburg griffen diese hierarchischen Strukturen an, sie vertraten einen Individualismus und Internationalismus.
Weiters spiegelt sich in dieser Debatte auch der Unterschied zwischen Katholizismus (Würzburg katholische Universität; Thomas von Aquin -> Betonung des reinen Intellekts, der reinen Gedanken, unabhängig von Körper und Gefühlen) und Protestantismus (Wundt war Protestant; Voluntarismus -> Betonung des Willen; enge Verknüpfung zwischen Kantianismus und Protestantismus).
Es lässt sich also zeigen, wie bei einer philosophisch-psychologischen Theorie Bezüge zum politischen, sozialen und religiösen gefunden werden können, die nicht offensichtlich sind.
Teil 3 behandelte ein erkenntnistheoretisches Problem – die Philosophie der Zeugnisse. Ausgehend von der Definition des Wissens als gerechtfertigter wahrer Glaube und vier Quellen des Wissens, d.s. Wahrnehmung, Logisches Denken, Erinnerung und Zeugnis, werden die Fragen untersucht, ob es sich beim Zeugnis um eine generative Wissensquelle handelt, und ob sich unser Vertrauen auf Zeugnisse rational rechtfertigen lässt. Hier stehen sich die Positionen des Individualisten (nicht-generativ, rational rechtfertigbar) und des Kommunitaristen (generativ, nicht rational rechtfertigbar) gegenüber. Anhand von Beispielen lässt sich zeigen, dass Zeugnisse in bestimmten Situationen (sozialer Aspekt) auch generativ sein können. Auch zur Frage der Vertrauenswürdigkeit von Urteilen anderer gibt es widerstreitende Positionen: Kusch zeigt, dass sowohl die Position Hume’s (Schluss aus der Tatsache, dass die Menge der durch eigenes Wissen bestätigten Berichte erheblich größer ist, als die Menge der dem eigenen Wissen widersprechenden Berichte, auf die Vertrauenswürdigkeit von Berichten zu Themen, zu denen kein eigenes Wissen vorhanden ist.) als auch die Position Reid’s (Argumentation mit Gott als Garant für die Wahrheit) nicht überzeugen können.
Kusch zeigt mit diesem Beispiel die Wichtigkeit der sozialen Seite des Wissens: die Akte des Mitteilens von Wissen, die Übertragung und Generierung von Wissen.
Teil 4 der Vorlesung ist betitelt mit „Risto-Suche und Seppo-Suche: zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft“. Er zeigt hier, wie über die Darstellung einer Situation anhand konstruierter Spiele eine Idealisierung durchgeführt werden kann, um damit ein Problem auf einen einfachen Kern zu reduzieren. Über die unterschiedlichen Spielregeln bei Risto-Suche und Seppo-Suche werden zwei „Welten“ mit unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich der Wichtigkeit und Richtigkeit von Wahrnehmung, der Extension, der Identifizierbarkeit und des Fortschritts generiert. Nachdem anhand der Spielsituationen die jeweiligen Konsequenzen der unterschiedlichen Spielregeln deutlich vor Augen geführt wurden, beginnt die De-Idealisierung, d.h. die Spielregeln und Situationen werden nun auf unsere Wirklichkeit umgelegt. So stellt sich konkret die Frage, ob Sprache und Wissenschaft mehr Analogien zur Risto-Suche oder doch mehr zur Seppo-Suche aufweisen. Kusch vertritt die Ansicht, dass die Seppo-Suche der Sache näher kommt. Die soziale Dimension ist wesentlich in der Wissenschaft.
Pöckl Manfred; Scherhaufer Stefan
MuD, Ring-VO, MartinKusch, 29. Oktober 2009
Folien zur Vorlesung: http://homepage.univie.ac.at/~kuschm3/Kusch.Ringvorlesung.Folien.pdf
- Philosophie und Sozialwissenschaft
Persönlicher Zugang zur Philosophie
Kusch gab einen Überblick zu seinem Werdegang in der Philosophie und welche „Zufälle“ und Begegnungen entscheidend waren für seine jetzige Position. Seine Studien- und Lehrtätigkeiten führten ihn von Berlin u. a. nach Finnland, Toronto, Auckland, Edinburgh, Cambridge und schließlich nach Wien. Dabei kam es zu Begegnungen mit Prof. Tugendhat und er sprachanalytischen Philosophie von Wittgenstein und von Wright, Prof. Habermas und der „Theorie des kommunikativen Handelns“, einer Dissertation zur Sprache von Husserl und Heidegger, einer Lehrtätigkeit zu Michel Foucaults „Wissenschaft und Macht“, einem „Ausflug“ in die Wissenschaftssoziologie und letztlich zur Rückkehr in die „kommunitaristische Philosophie“, wo er Soziologie und Philosophie verbinden möchte.
Soziologische Geschichte am Beispiel der Denkpsychologie
Zu Beginn des 20. Jhdts gab es im Rahmen der Denkpsychologie, die damals noch eng mit der Philosophie verknüpft war, eine starke Kontroverse zwischen der „Leipziger Schule“ unter W. Wundt und der „Würzburger Schule“ mit O. Külpe und K. Bühler. Wundt behauptete, dass es drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen gäbe: Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle. Gedanken wären komplizierte Verbindungen aus diesen drei Basiselementen hervorgebracht durch den Willensakt. Dadurch wären die Gedanken als höherwertig einzustufen. Die „Würzburger“ widersprachen dieser Auffassung. Für sie waren die Gedanken ebenso unreduzierbar und nicht höherwertig. Laut Kusch kann man sehr interessante Parallelen ablesen, wenn man diese beiden Lehrmeinungen einer soziologischen Analyse unterzieht. Wundt ging von einem „hierarchischen System“ aus (Gedanken sind hochwertige Bewussteinsinhalte). Diese Struktur vertrat er auch im Rahmen der Psychologie, konkret: Völkerpsychologie wäre über die Individualpsychologie zu stellen. Der Staat repräsentiere die höchsten Werte. Und angeblich führte er auch sein Institut streng hierarchisch. Er war Nationalist, Voluntarist und militanter Protestant. Die „Würzburger“ lehnten das hierarchische System von Wundt vehement ab. Sie standen für Individualismus, Internationalismus und waren meist Katholiken. Die Strukturen ihrer Denkmodelle ließen sich also auf weite Teile ihrer Lebens- und Weltanschauungen übertragen bzw umgekehrt.
Erkenntnistheorie und Gemeinschaft
Die Rolle vom Wissen der Anderen und von Zeugnissen auf mein eigenes Wissen. Kusch definiert das Wissen als „gerechtfertigen, wahren Glauben“ und bestimmt vier Quellen des Wissens: a) Wahrnehmung, b) logisches Denken, c) Erinnerung, d) Zeugnis. Herkömmlich werden die ersten beiden Quellen als generativ erachtet (d. h. hier „entsteht“ Wissen), die letzteren beiden als nicht-generativ. Auf zwei zentrale Fragen der philosophischen Gegenwartsdebatte geht Kusch näher ein:
- 1.Können Zeugnisse generative Wissensquellen sein?
- 2.Lässt sich unser Vertrauen auf Zeugnissen rational rechtfertigen?
Dabei stellt er zwei Antwortmöglichkeiten gegenüber: die des „Individualisten“ und des „Kommunitaristen“.
Der Individualist meint:
- Ad 1.: Nein. Nur Wahrnehmung und logischen Denken sind dazu im Stande.
- Ad 2.: Vertrauen auf Zeugnisse muss sich rational rechtfertigen lassen.
Der Kommunitarist meint:
- Ad 1.: Ja. Zeugnisse sind auch gernativ.
- Ad 2.: Nein. Unsere Abhängigkeit von Zeugnisse reicht zu tief.
An Hand von vier Beispielen zeigt Kusch, warum ihn der Kommunitarismus mehr überzeugt. („Der Fall von Lehrerin Schmidt“ und „Der Fall Maria“ ad 1. und „Reduktive globale Rechtfertigung nach Hume“ und „Fundamentlistische globale Rechtfertigung nach Reid“ ad 2. , siehe Folien 20-34).
Kommunitaristische Theorie an Hand der „Risto-“ und „Seppo-Suche“
Zur Erläuterung der beiden Spiele siehe Folien 35-44.
Das Risto-Modell behauptet:
- - durch Wahrnehmen erkennen wir
- - es hat eine Extension, dh eine bestimmte vorgegebene Menge ist wahr
- - Fortschritt ist möglich, je mehr wir erkennen...
- - Wahrheit ist erkennungs-unabhängig
- - wir können uns der Wahrheit nähern
Das Seppo-Modell besagt:
- -neben der Wahrnehmung ist das Verhandeln mit Anderen wesentlich
- -es gibt keine Extension
- -dh. Fortschritt ist nicht feststellbar
- -Wahrheit ist nicht erkennungs-unabhängig
- -Annäherung an die Wahrheit ist nicht möglich
Kusch tendiert zum Seppo-Modell und betont abermals die Wichtigkeit und Wesentlichkeit der sozialen Komponente in den Wissenschaften.
Clara Maier, Kim Dinh, Alexandra Vogt
„Methoden und Disziplinen der Philosophie Ring-Vo“ vom 29.10.2009, Prof. Kusch
Martin Kuschs frühere Interessen bestanden aus dem Marxismus und der Psychoanalyse. Sein späteres Hauptaugenmerk verlegt er dann auf die sozialen Aspekte der Philosophie.
Würzburger und Leipziger Philosophie Vater der experimentellen Philosophie ist Wilhelm Wundt, der drei Typen von unreduzierbaren Bewusstseinselementen hervorhebt: Empfindungen, Vorstellungen und Gefühle – diese sind nicht weiter analysierbar, denn Gedanken sind vertrackte Verbindungen aus Empfindungen und Gefühlen. Sie sind wertvoll, weil sie kompliziert sind. Oswald Külpe und Karl Bühler, Begründer der Würzburger Philosophie, sprechen von vier unreduzierbaren Bewusstseinselementen. Zusätzlich zu den von Wundt bereits genannten, werden auch die Gedanken als Bewusstseinselement anerkannt. Laut Wundt repräsentieren das Volk und der Staat die höchsten Werte und zugleich auch das Denken, die Würzburger Philosophie hingegen empfinden den Individualismus und den Internationalismus als höchstes Gut. Nicht der Staat sei das Wichtigste, sondern die Individuen, die sich untersuchen lassen und somit das Volk vertreten.
Die Erkenntnistheorie Wissen wird als gerechtfertigter Glaube dargestellt. Kuschs Quellen des Wissens: -Wahrnehmung, Logisches Denken, Erinnerung, Zeugnis aber auch Mitmenschen werden als Wissensquelle angegeben. Individualistisches Wissen entsteht nur durch Wahrnehmung und logisches Denken und Zeugnisse müssen sich rational fertigen lassen. Der Kommunitarist allerdings meint, dass Zeugnisse als Wissensquelle generativ sein müssten und die Abhängigkeit zu den Zeugnissen zu tief reicht. Um zu bezeugen, dass der Kommunitarist nicht überzeugt, wurde als Beispiel der Fall der Lehrerin Schmidt genannt, die ihren Schülern über die Evolutionstheorie berichtet, aber zugleich verschweigt, dass sie diese nicht glaubt. Als gewöhnlich verlässliche Zeugin, wissen ihre Schüler, dass diese wahr ist, ungeachtet dessen, weiß sie aber nicht, dass die Evolutionstheorie wahr ist. Ausschlaggebend ist, dass der Anfangspunkt die richtige Information innehat, unbedeutend aber, ob die Übertragungsquelle selbst daran glaubt oder nicht.
Zwei Spiele zum Thema Gemeinschaft, Wahrheit, Fortschritt und Wissenschaft Abschließend wurde der Finitismus durch anhand von zwei Spielen erklärt. Bei der „Risto- Suche“ geht Spieler A raus, während Mitspieler B verschiedene Gegenstände in einem Raum abstempelt, die Spieler A wiederum finden muss. Die „Seppo-Suche“ benötigt drei Mitspieler, A geht raus während B und C sich auf drei ähnliche Gegenstände einigen. Dem Mitspieler A werden diese nun gezeigt und muss weitere Gegenstände vorschlagen, die den präsentierten Dingen ähneln. Durch Argumentation und Abstimmung wird entschieden, ob ein Seppo hinzukommt und ein altes rausfällt oder nicht. Ristos haben eine bestimmte Kennzeichnung, Seppos hingegen werden nicht nur durch Wahrnehmung identifiziert, sondern auch mit Verhandlung. Diese haben auch im Gegensatz zu Ristos keine Extension und man kann daher auch nicht von einem Fortschritt im Spiel sprechen. Bei der Risto- Suche ist es möglich sich der Wahrheit aufgrund der Kennzeichnung zu nähern. Die Wahrheitssuche beim Seppo- Spiel wird getrübt, da ein Seppo- Gegenstand nicht wahr ist, sondern nur als ähnlich beurteilt wird. Kusch sieht einen höheren Wahrheitsgehalt im Seppo-Spiel, da der kommunikative Charakter und auch der soziale Faktor eine erhebliche Rolle spielen.
Scheiner Benjamin/ Rogers Christoph
Leipziger Schule Whilhelm Wundt – Vater der experimentellen Psychologie Auffassung: Trinität des menschlichen Bewussteins: • Empfindungen • Vorstellungen • Gefühle Gedanken ergeben sich aus jener Trinität des Bewusstseins, aufbauend auf Willensakte – Durch ihre komplexe Stuktur seien sie nur über das Volk analysierbar, nicht jedoch durch Experimente am Individuum zu veranschaulichen. Untersuchung am Kollektivverhalten weisen folglich auf die Gedankenstrukturen der einzelnen Personen, welche sich in jenem Beziehungssystem befinden.
Würzburger Schule Külp und Bühler Auffassung: Die Würzburger Schule geht davon aus, dass Gedanken auf einer Ebene mit den anderen 3 Bewusstseinselementen befinden, damit heben sie die von Wundt hervorgebrachte Hirachsierung des Bewusstseins auf. Desweiteren seien Gedanken am Individuum über Experimente aufweisbar.
Einfluss auf Politik und Religion Der philosophisch-psychologische Disput habe seinen Einschlag auf die in Europa dominierenden christlichen Konventionen gehabt. So beriefen sich die Katholiken auf Thomas von Aquin und wiesen auf die reine Erkenntnis der Seele hin, gingen also im Sinne der Würzburger Schule von einer individuellen Gedankenführung aus. Es formieren sich weiters durch den Einfluss jener Debatte Strömungen, auf Ebene der politischen Theorie. So der Kommunismus (Erkenntnis über das Kollektive) im Gegensatz zum Liberlismus (Erkenntnis über das Individuum)
Erkenntnistheorie In diesem Teil der Vorlesung behandelt Kusch die Frage, ob Zeugnisse verlässliche Wissensquellen seien. Seiner Definition zu Folge wären sie generative Wissensquellen und in diesem Zusammenhang nicht verlässlich. So sei weiters überhaupt Wahrheit nicht absulut fassbar.
Risto und Seppo- Spiel Anhand dieser beiden Spiele weist Kusch nochmals auf den Unterschied beider Epistemologien. Im Falle des Risto Spiels wird einer der beiden Spieler gebeten aus dem Zimmer zu gehen, während der andere willkürlich drei Gegenstände im Zimmer abstempelt. Nun soll ersterer wieder eintreten, um jene Gegenstände zu identifizieren. Die abgestempelten Gegenstände symbolisieren die unverückbare Wahrheit der Dinge, welche durch Betrachtung in Erfahrung gebracht werden kann.
Im Gegensatz dazu sind bei der Seppo Variante 3 Spieler im Zimmer. Einer wird wiederum hinaus gebeten, während die anderen 2 sich auf drei Gegenstände einigen. Nun wechseln sich die Spieler gegenseitig ab, wobei einer der vereinbarten Gegenstände immer wegfellt und ein neuer hinzukommt. Dies soll die Wahrheit als etwas nie vollkommen Fassbares versinnbildlichen und weiters auf die Bedingtheit von Wahrheit gegnüber der Konvention deuten.