MSE/Vo 05

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

<root> <div class='right_side_navigation' style='width:156px;position:fixed;bottom:50px;background-color:#efefef;border-color:#bbbbbb;border-width:1pt;border-style:solid;padding:1px 2px;font-size:8pt;text-align:center;filter:alpha(opacity=90);-moz-opacity: 0.9;opacity: 0.9;'> <comment><!---------------------------------------------------------------------------------------------------------------> </comment> Übersicht<br /> Hauptseite<br /> Letzte Änderungen<br /> Alle Seiten

<hr />

Vorlesungen<br /> MSE/Vo 01<br /> MSE/Vo 02<br /> MSE/Vo 03<br /> MSE/Vo 04<br /> MSE/Vo 05<br /> MSE/Vo 06<br /> MSE/Vo 07<br /> MSE/Vo 08<br /> MSE/Vo 09<br /> MSE/Vo 10<br /> MSE/Vo 11<br /> <comment><!--MSE/Vo 12<br /> MSE/Vo 13<br /> MSE/Vo 14<br /> --> </comment> <hr />

Hilfe<br /> Wiki Hilfe<br />


<comment><!---------------------------------------------------------------------------------------------------------------> </comment></div><ignore><includeonly></ignore><ignore></includeonly></ignore></root>

Einleitung und Anknüpfung

Ja ich begrüße sie nach der Unterbrechung der verlängerten Osterunterbrechung und freue mich, dass sie den Termin noch nicht vergessen haben zwischendrin. Ich beginne gleich mit einer Anknüpfung an das, womit ich aufgehört habe, nämlich, erinnern sie sich, an unsere Überlegungen zur Schrift bei Platon im Phaidros. Die gingen in die Richtung - ich muss jetzt nur schauen, wo ich meinen Einstiegspunkt finde, da habe ich nämlich irgendwo einen Link, den ich - ahja hier!

Das war einer der bildlichen Indentifikationspunkte, um die es da gegangen ist. Das kommt zwar jetzt nicht mit aus dem Phaidros, aber ich habe es verwendet als Illustration von dem, worum es geht. Und als eine Illustration darüber, welche Spannung im Text von Platon festzustellen ist. Diese Spannung ergibt sich über zwei Interpretationslinien und Beobachtungslinien, die eine ist die, die ich von Havelock kommend, dargestellt habe, relativ breit: dass die platonische Ideenlehre, um es in sehr abgekürzter Form zu sagen, einen antiverbalen, einen antimündlichen Effekt hat, dass die Art und Weise wie Platon hier die Philosophie aufsetzt etwas damit zu tun hat, dass er reagiert auf eine mündliche Tradition, die sich langsam - darüber haben wir das letzte Mal auch geredet - zu wandeln, zu ergänzen beginnt mit Schriftlichkeit und dass das was man mit Texten machen kann und was zunehmend etwas wie in die Kultur eingeflossen ist, dass das ein wesentlicher Bestandteil für diese Ideenlehre gewesen ist. Aber darauf komme ich noch zurück. Das ist die eine Richtung.

Die andere Richtung, die ich ihnen das letzte Mal gezeigt habe, ist das derselbe Platon von dem hier behauptet wird dass er hier mit seiner Ideenlehre eine Konsequenz der Schriftlichkeit vollzieht zumindest in zwei sehr prominenten Schriftäussereungen - muss man dazu sagen - die uns überliefert sind über die Schrift - da haben sie schon die Paradoxie - also in zwei Zitaten, die wir hier diskutieren können, sich ausgesprochen skeptisch und ironisch über die Segnungen der Schrift ausspricht. Also der selbe Platon von dem Havelock sagt "er ist, was er ist, durch die Schrift" hat eigentlich gar keine große Wertschätzung über die Schrift - da habe geendet.

Erinnern sie sich an diese wunderschöne Stelle im Phaidros wo er sagt, die niedergeschriebenen Gedanken sind eigentlich so was wie eine Mischung wie Kinder, die ausgesetzt sind im Wald, damit sie, hilflos und ohne Schutz und gleichzeitig sind sie ein bisschen megärenartig, wenn man sie so aussetzt, diese Kinder, dann haben sie vollkommen neue Fähigkeiten und Gefahren ergeben sich von diesen ausgesetzten Kindern, weil die schweifen dann in der Welt herum und gehen überall dorthin wo man gar nicht will, dass sie hingehen und stiften dort möglicherweise ziemlich viel Unruhe. Ich habe ihnen das durch diese etwas flapsige Querbeziehung zum Internet verdeutlicht, um ihnen zu sagen, dass wir noch immer in diesem Problem sind, dass wir in dem Moment in dem wir eine Diskussion führen, die zum Beispiel darüber geht "ja, ist denn das verlässlich was wir finden, das steht irgendwo, aber kann man das auch ernst nehmen?" Haben wir heute noch und gerade wieder im Internet eine Situation, die uns zurückerinnert an diese Geschichte und zwar wenn ich das in der Klammer dazusagen darf auf eine verstärkte Art und Weise, als es noch 25 oder 30 Jahren gewesen ist, ich muss sie sozusagen nur darauf hinweisen, ich weiß nicht wie lebendig das bei ihnen noch ist, aber sagen wir - vor 35 Jahren kann ich in Ruhe reden - und vor 35 Jahren war es einfach so, wenn sie Nachrichten gekriegt haben, dann in der Zeitung oder im Fernsehen um 1930 Uhr. Um 1930 Uhr hat ihnen ein mehr oder weniger staatlich beauftragter Sprecher oder Sprecherin hat ihnen vorgelesen, was staatlich beauftragt die jeweilige Nachrichtelagen war. Man konnte sich ungefähr ausrechnen welchen Drive, welchen Drall, welche Interessen usw. es gehabt hat. Es waren absehbare Nachrichtenübermittlungen. Und wenn sie das nicht ausreichend gefunden haben, dann haben sie eine Zeitung konsultiert oder das Radio natürlich. Das Radio hat jede Stunde Nachrichten gehabt muss man dazu sagen, das war damals auch schon so.

Diese Zeitungen, aber also ganz allgemein die monopolisierten Staatsmedien und die Zeitungen waren irgendwie absehbare Faktoren in der Informationslandschaft. Da konnte auch etwas einmal falsch laufen - klarer weise - und es war klar das der ganze allgemeine Rahmen, innerhalb dessen berichtet worden ist, auch nicht der sauberste und objektiv vertretbarste gewesen ist. Aber man konnte, durch langjährige Erfahrung, sich in etwa ausrechnen, was man abziehen und was man hinzutuen soll. Man konnte sich den eigenen Mix an Nachrichten zusammenstellen und hatte eine vergleichsweise eine stabile Informationsumgebung. Das ist heute schlicht und einfach nicht mehr so ist und das ist der Punkt, wo die Schriftlichkeit - wenn sie den Titel der Vorlesung nehmen: "mündlich, schriftlich, elektronisch" - wo die Schriftlichkeit, als es also die Schriftlichkeit der Zeitungen und der Skripts - Broadcasting war natürlich schon damals nicht schriftlich, obwohl die Nachrichten, die Redaktion der Nachrichten, sehr wohl schriftlich passiert ist. Aber diese Form von Schriftlichkeit kollabiert in einer Art und Weise wieder die durchaus in die Oralität zurück geht. In einer gewissen weise an Zustände erinnert, die man in einer Verwirrung von vielen Stimmen - wenn eine Menge aufgeregt herum läuft und jeder sagt irgendetwas, was er grad interessant findet, was er gesehen hat. Wenn sie sich vorstellen ein Verkehrsunfall oder irgendeine andere einschneidende Geschichte und sie haben dort 500 Leute, die dort sind, und sie fragen alle diese 500 Leute und die sagen ihnen jeweils was verschiedenes, je nachdem was sie interessiert, wo sie gestanden sind, was die Leute sagen wollen und was sie nicht sagen wollen. Sie nehmen das alles auf und dann haben sie alle diese Geschichte und jede von diese Personen hat einen Blog und sie sind jetzt mit der Aufgabe betraut aus den 500 Blogs, die es da gibt, etwas herauszufinden, was für sie eine stabile Informationsgrundlage. Also das war jetzt ein kleiner Seitensprung im Zusammenhang mit der Frage: "wie kontrollierbar und unabsehbar sind Texte, die sich verbreiten im Internet?" Was ich damit andeuten wollte ist, dass obwohl Blogs - wie ich schon genannt habe - und letztlich natürlich auch Videos, die übers Internet kommen, weil die Internettechnologie ist eine massiv schriftliche Technologie. Das heißt um die Videos im Internet sehen zu können brauchen sie Programmierung. Das muss mit zum Beispiel mit einem php-script einprogrammiert werden, die kommen sonst nicht in ihren Browser.

Das heißt diese Art von Schriftlichkeit, die sie an der Stelle haben, ist eine zumindest so eine Desorientierung im Vergleich zu der Schriftlichkeit, die wir hatten, und Platon hat das schon angedeutet in dem besprochenen Phaidros-segment. In einem zweiten Text, den ich ihnen heute dann auch noch vorstellen möchte und das ist der sogenannte siebte Brief. Es gibt Briefe die Platon geschrieben hat. Dabei ist eher umstritten, ob er alle diese Briefe wirklich von Platon selbst verfasst worden sind. Der siebte Brief ist aber etwas, was in aller Wahrscheinlichkeit von Platon selber geschrieben worden ist. Der siebte Brief ist das zweite bekannte Beispiel dafür, dass Platon sich über die Schriftverfahren sehr despektierlich äußert. Das wird der erste wichtige Punkt sein von dem was ich heute bespreche.

Dann habe ich zunächst einmal mein Kapitel Griechen abgeschlossen, und das nächste Kapitel, wie sie ja wahrscheinlich ja gesehen haben, heißt dann "die Christen" und mit dem werde ich heute beginnen. Zu Beginn des Kapitels "die Christen" werde ich auf das, was ich jetzt gesagt habe, nochmal in einem kleinen Schlaglicht auch aktualisiert eingehen, um ihnen dann ein bisschen etwas zu präsentieren über die Situation aus der Zeit von vor 2000 Jahren im "nahen ost-Bereich". Also was da in Galiläa stattgefunden hat und was uns noch immer erreicht und beschäftigt nämlich das Auftreten Christi. Sie werden sehen, dass das es etwas zu tun hat mit der ganzen Medienfrage, die wir hier diskutieren.

Die Ideenfrage

Ideen ist ein Wort - „eidos“ - die Idee, ist ein irreguläres Verb und heißt "sehen", („das zu Sehende“). Es ist damit also quasi schon greifbar, wenn man jetzt "greifbar" auch noch sagen kann, dann ist man in einer netten Triade von Sinnlichkeit - wir reden von Hören, Sehen und Greifen - und ich habe ihnen jetzt in der Besprechung des Verhältnisses von Hören und Sehen habe ich mich gleich instinktiv auf das Greifen zurückgezogen. Man kann nicht sagen es ist "hörbar". Also es ist greifbar, dass im Ideenkonzept das Sehen drinnen ist und die Opposition, die wir behandeln, ist eben die zwischen Sehen und Hören. Die Spezialität des Sehens ist, dass man im Sehen distinkte Wahrnehmungen hat, die Separation gestatten. Die einem zum Beispiel gestatten diese Art von Rahmen zu machen, Ausschnitt von Rahmen, von Konturen. Das Sehen geht nach Außen und strukturiert im äußeren Bereich, im Raum, bestimmte Grenzen, bestimmte Kontraste. Sie wenn sie mir zuhören, wenn sie mir jetzt eine Frage stellen, erfüllen mit ihrer Stimme den Raum. Da ist als erstes nicht diese Distinktheit. Es ist sogar völlig simpel: wenn ich sie sehe, sehe ich einzelne Figuren, die hier stehen. Wenn sie mich hören, dann hören mich alle Leute gleichzeitig und das was ich sage hat zwar einen in sich strukturierten Aufbau - hoff ich zumindest - allein schon dadurch, dass es nicht "Gebrabbel" ist sondern Worte, die sie hören können. Aber die Fähigkeit mit diesen Worten umzugehen, diese Worte ganz einfach zu hören, diese Fähigkeit erlangen sie ohne das sie sich zum Beispiel Gedanken darüber welche einzelnen Worte ich spreche.

Welche akustischen Aktionen ich mache, das ist eine Einheit der "Redner und Hörer"-Situation hier, die auf eine Art und Weise weniger segmentiert ist als das was im Sehen erschlossen wird. Einer der Punkte an dem das sehr schön kommt - ich greif da auch voraus auf etwas was ich jetzt dann noch sagen werde ist - überlegen sie sich mal, wie das mit der Stimme und insgesamt mit einer Lauterzeugung, mit der Erzeugung von akustischen Phänomenen ist. Die haben die Besonderheit, dass sie erzeugt werden. Es gibt einen akustischen Impuls und in dem Moment, in dem das nicht mehr erzeugt wird, ist der weg. Der ist weg. Den gibt es nicht mehr. Der ist auf ewig - abgesehen jetzt davon, dass wir es aufnehmen. Das übersehe ich natürlich nicht - Aber in einer klassischen und ersten Situation der menschlichen Sozialisation, sind alle dies Laute einmal gesprochen unwiederbringlich vergangen.

Die sind - es ist natürlich auch so, dass es vor dem vor der Erfindung der Photographie auch für die visuelle Darstellung das nicht gegeben hat. Also wir wissen nicht wie Caesar ausgesehen hat. Wir wissen nicht wie Maria Theresia - nja das wiss‘ ma‘ schon jetzt von Bildern natürlich wie die ausgesehen hat, also das gibt es schon - Aber wir wissen nicht wie der Dschingis Khan ausgesehen hat und Caesar gibt es auch Büsten. Aber das hilft mir natürlich dann doppelt mit meiner Geschichte: wir wissen nicht wie der Caesar geredet hat, ja das geht nicht. Wir haben keine Ahnung, was für einen Slang der gesprochen hat. Wie seine Stimme gewesen ist. Und an der Stelle sehen sie es schon sehr deutlich, dass Stimme etwas mit Körper und Einmaligkeit zu tun hat auf eine Art und Weise, wie weder das Sehen noch das Schreiben zu tun hat.

Diese Vorbemerkungen gelten jetzt dazu, dass ich hinleiten will dazu, dass wir zwar mithilfe von Hören und mithilfe von Sehen Kompetenz in der normalen Sprache entwickeln - Das war mein Beispiel das letztes Mal von der Art und Weise wie Kinder den Umgang mit dem Wort, mit dem sichtbaren Sessel lernen - Das wir aber solange wir im Bereich des Hörens bleiben, hier jeweils vergleichsweise abgeschlossene Events haben. Kleine Portionen von Erfahrung in denen das was man sieht, das was man hört, das was man tut, zusammenpassen in eine Art und Weise - ich hab das das letzte Mal nicht gesagt, aber ich füge es hier hinzu als Erläuterung von dem, als eine zusätzliche Erläuterung, worum es da geht. Es gibt einen Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts der diese Mikroevents, diese Episoden, von denen man da reden könnte, sehr eindrucksvoll beschrieben hat und der diese Mikroepisoden zur Grundlagen seiner ganzen Philosophie gemacht hat und das ist Martin Heidegger in: "Sein und Zeit". Heidegger hat eine Auffassung der Welt entwickelt, die so aussieht, dass er sagt: "Menschen sind in der Welt und befinden sich in besorgenden Umgang mit Dingen" Das ist ein bisschen artifiziell-philosophisch stilisiert. Was er damit aber anspricht ist das "praktische-sich-auskennen" mit Worten, mit Dingen, mit Ansichten, indem wir uns in der Regel bewegen. Ich habe mir von Wittgenstein hier kommend diese Situation des Sprachlernens und des Kindes das sich in die Sprache "hineinsozialisiert" angesprochen. In einer "heideggerianischen" Redeweise könnte man sagen der alltägliche Umgang mit der Welt hat etwas so kontinuierlich verlaufendes. Ich habe den Sessel wenn ich stehe und mich darauf setze nicht als etwas was ich separiere, sondern ich verwende ihn ganz einfach, indem ich mich hinsetze und wieder aufstehe und solche ähnlichen Sachen mache. Der Grund warum ich den Heidegger an der Stelle zitiere ist, weil diese Form zu beginnen mit Philosophie von Heidegger ganz gezielt als eine Reaktion auf die platonische Tradition, die erkenntnistheoretische und platonische Tradition gedacht ist. Auf die platonische Tradition in der wir operieren mit solchen Fragen wie: "Aber was ist denn ein Sessel?". Die Frage "Aber was ist denn ein Sessel?" geht traditionell auf mehr als das: "naja was fragst so blöd"-"da is‘ ein Sessl‘ "; sondern geht darauf das man nicht nur einfach hier diese Art von Gerät kennt und weiß wie man damit umgeht, sondern plötzlich kommt man in Situationen - ich glaube ich habe ich ihnen das letzte Mal auch schon gezeigt; kommt man plötzlich in Situationen, so ein bisschen zugespitzt, ich hätte pädagogisch vermittelnder eine Reihe von anderen, ein bisschen weniger trickreichen, Sesselbeispielen bringen können, aber ich mache diesen großen Sprung und sage ihnen: "OK, glauben sie das ist das ein Sessel? Kann das ein Sessel sein? Und wenn das Sesseln sind, dann sagen's ma doch, was ist das gemeinsame da drann, ja?" Eine Sache kann ich ihnen Vorhersagen: Sie werden Schwierigkeiten habe das auf der Basis dieser Beispiele zu beschreiben und damit sind wir an dem Punkt den ich ihnen durch mehrere Wendungen versucht habe klar zu machen, dass die Frage "Was ist denn jetzt eigentlich ein Sessel?" entsteht in der visuellen Situation, in der sie jetzt separieren können, diese unterschiedlichen Events, diese unterschiedlichen Ansichten, und sich fragen: "Was ist diesen unterschiedlichen Ansichten gemeinsam?". Und wir werden im siebenten Brief von Platon sehen, dass genau diese Form von - er nennt es "Paideia", "den Aufstieg", den Aufstieg von der einfachen Konfrontation mit Sprachausdrücken und visuellen Eindrücken zu einer Fragestellung, die er den Sokrates formulieren lässt als: was?, was ist?, was ist etwas?. Dass das, genau diese Bewegung, die Bewegung der Ideenlehre ist und diese Bewegung zur Ideenlehre das ist - wenn ich's voraus schicken darf - die Spannung, die da drinnen ist, und die noch immer mit uns ist - quasi -, die hat nun den folgenden zweipoligen Charakter:

Auf der einen Seite basiert sie darauf, dass wir mit Worten nicht einfach so umgehen - Mit Worten und Bildern - dass wir sagen können: "Damit können wir etwas anfangen. Damit können wir nichts anfangen. Können wir nichts damit anfangen, dann lassen wir es bleiben. Und wenn wir was damit anfangen können dann gibt's ja kein Problem damit, weil dann wissen wir, was wir damit tun." Das wir mit Worten nicht einfach so umgehen, sondern plötzlich vor einem Wort stehen, oder vor einem Bild stehen, und uns Fragen: "Was soll das jetzt eigentlich? Wofür steht das jetzt? Was steckt da dahinter?", weil wir vergleichen wollen. Es wäre ja denkbar - das ist ja der entscheidende Witz an der Geschichte - es , wenn ich so beginne, wenn ich jemanden der keine Sessel kennt, der kennt zum Beispiel nur solche Bälle. Eine Zivilisation, da gibt es nur dies Styropor-Bälle, wo man sich draufsetzt - die heißen so "Knutschkissen" oder sowas, von dieser Art - es gibt keine Sessel. Dann gebe ich der, dann zeige ich der Person das Ding hier und die wäre zum Beispiel überhaupt nicht interessiert und hätte keinen Anlass zu fragen, ob da was gleiches ist. Das sind halt vier verschiedene Kunstobjekte, die miteinander kaum etwas zu tun haben. Das heißt die Frage: "Was haben die miteinander zu tun?". Sie merken, das ist die Basisfrage nach: "Was ist der Begriff, welcher der da dahinter ist?". Diese Frage entsteht durch den Vergleich und diesen Vergleich gibt es indem es diese distinkten Ansichten gibt. Von daher sind die Schriftlichkeit und das Aufgezeichnete und diese Art von Fixierung an der man anstößt, an der man wegen der Schwierigkeit des Vergleiches anstößt, ist ein unersetzlicher Ansatzpunkt für die Frage nach dem was dahinter steckt, nach dem Wesen. Und zweitens aber - das ist die andere Seite der Medaille - wird sich sehr schnell zeigen, dass das wo man dahinkommt, der Begriff, das was ein Sessel ist, das Wesen, dass das gewonnen wird, und gewonnen werden muss über die Verwerfung dieser Form von Notation und diesem Eingang. Das ist der entscheidende Punkt von dem, was ein platonischer Bildungsvorgang ist. Der platonische Bildungsvorgang besteht darin, dass man ein einsteigen muss in eine Welt der Sinnlichkeit. In dieser Welt der Sinnlichkeit aber nicht einfach zurechtkommt oder nicht zurechtkommt, sondern konfrontiert ist mit einer Frage, die von der Art ist: "Weißt du auch wovon du redest, wenn du von Sesseln redest?" - Beispiele habe ich jetzt genug gebracht - und in dem Moment in dem er sich einlässt auf das "weißt du jetzt wovon du redest" das ist dieselbe Frage, wie die, die sich für die Höhlenbewohnerinnen ergibt, wenn man ihnen die Frage vorstellt: "Ok. Du siehst da eine Person. Du siehst da jemanden vorübergehen. Weißt du was diese Person ist oder wird dir da nicht etwas vorgespielt? Du musst es hinterfragen!" In dem Moment in dem man sich einlässt auf dieses Hinterfragen, gerät man in einen Bereich, der sich nicht in diesen sinnlich fixierten und eben auch schriftlichen Momenten ausdrücken lässt.

Genug der Einleitungen!

Der Platonbrief

Das ist aus dem siebenten Brief und es handelt sich in diesem Brief insgesamt auf weite Strecken um einen Bericht über philosophische Erziehungsversuche, die Platon mit dem Tyrannen von Syrakus, dem Dionys gemacht hat. Das interessiert uns jetzt hier weniger. Es ist aber notwendig es zu sagen, um zu erläutern, was er hier über die Schrift sagt. Interessanter Weise beschäftigt er sich an der Stelle mit dem Problem des Plagiats. Das es nebenbei in einer Schrift, in einer mündlichen Tradition nicht geben kann. Das Weitererzählen kann niemals ein Plagiat sein, weil allein schon deswegen - ich mein man kann; was es in mündlichen Bereich gibt: man kann etwas sagen, das bereits ein anderer gesagt hat, ohne zu sagen, dass man es von ihm hat. Um das geht es hier beim Platon jetzt gerade. Aber dass man das nachweisen kann, dass man eine wirkliche organisationstechnische Möglichkeit hat ein Plagiat nachzuweisen, das gibt es erst, wenn man im Bereich der Schrift ist, wenn man nämlich sagen kann: "Ich hab' das geschrieben!" Das kann man dokumentieren, dass ich das da geschrieben habe und "wenn du das jetzt geschrieben hast und nicht sagst, dass du es von mir abgeschrieben hast, dann habe ich so etwas nachgewiesen." Interessanterweise gibt es hier genau diese Geschichte.


Er selbst hatte ja - HH: der Dionys ist das jetzt - wie er sich den Anschein gab schon Wissen genug und zwar in den größten Geheimnissen und war bereits ganz fertig in Folge der von Andren aufgefangenen Weisheit. - HH: "Für ganz fertig" heißt in dem Sinn "vollkommen" - nicht "kaputt" -
Später aber, wie ich von Hörensagen weiß, soll er über die damals von mir gehörten Gedanken geschrieben haben, als wenn es sein eigenes System wäre, und nichts von eben dem was er hörte, ich kenn' aber nichts von dem.
– Plato: 7. Brief, 341a - 342a


Von Andren zwar weiß ich - HH: und jetzt geht es hier mehr zu der Sache – daß sie über eben dieselben Materien geschrieben haben, dagegen gibt es auch gewisse Andere welche nicht ein Mal selbst wissen, daß sie geschrieben haben. Über alle Schriftsteller hierüber, sowohl über die jetzigen wie über die künftigen, welche versichern über die Hauptmaterien meines Studiums Etwas zu wissen, sei es aus meinem eigenen Munde oder aus dem Anderer oder durch eigne Auffindung, habe ich hier den Satz auszusprechen, jene Schreiber verstehen, nach meinem philosophischen Glaubensbekenntnisse wenigstens, über die Philosophie gar nichts.
– Plato: 7. Brief, 341a - 342a


Wenn sie sich das anhören, ich nehme an es wird ihnen, genau wie mir, der eine Punkt geradezu ereignishaft; man kann es sozusagen gar nicht schöner machen das Problem darzustellen, um das es hier geht. Er hat hier einen Satz auszusprechen. Der Satz, den er ausspricht, der besteht darin, dass er sagt, die Leute, die sich auskennen, die verstehen von Philosophie nichts. Warum verstehen sie von Philosophie nichts? Weil in den Schulausdrücken der Schrift, dort wo man das hinschreibt, worum es gehen würde, das nicht enthalten ist, worum es eigentlich geht. Worum geht es?


Denn in bestimmten sprachlichen Schul-Ausdrücken darf man sich darüber wie über andre Lerngegenstände gar nicht aussprechen, sondern aus häufiger familiärer Unterredung gerade über diesen Gegenstand sowie aus innigem Zusammenleben entspringt plötzlich jene Idee aus der Seele wie aus einem Feuerfunken das angezündete Licht und bricht sich dann selbst weiter seine Bahn.
– Plato: 7. Brief, 341a - 342a


Es geht um die wichtigen Dinge. Es geht nicht um, zum Beispiel, Schriftsysteme zur Aufzeichnung Amphoren oder von Galeeren, von weltlichen Besitz oder so was ähnliches. Also es geht nicht an dieser Stelle um die Funktion der Schrift; ganz allgemein die Funktion der Schrift als ein Gedächtnis und ein Kommunikationssystem. Sondern es geht darum, worum es in der Philosophie geht. Was das höchste Ziel der Philosophie ist. Darum ist das eine Story der Bildung, der Tyrannen-Lehre an der Stelle. Dabei ist es einfach so, dass Platon darauf hinweist zu sagen: "wenn du glaubst, da hast du das Lehrbuch und in diesem Lehrbuch steht es schon drinnen, worum es in der philosophischen Erziehung geht, dann hast du überhaupt nichts verstanden". Denn das worum es im Lernen geht, das besteht nicht darin, dass man bestimmte schriftliche Darlegungen internalisiert, auswendig lernt, hersagen kann, sondern es geht, sagt er, "in so many words" um einen Geistesblitz. Es geht darum, dass man mit Hilfe von Schulausdrücken, die man meinetwegen auch in einem Handout transformieren kann, Notizen die man haben kann. Aber es geht nicht - und das ist etwas was ebenso bis zum heutigen Tage bei uns ganz wesentlich eine Rolle spielt: es geht nicht um die Handouts, sondern es geht darum, dass man weiß, was da drinn' steht. Dass man damit etwas anfangen kann. Dass man die Idee - wie wir heute eben auch sagen - dass wir die Idee davon mitkriegen, worum es geht. Diese Idee wird an dieser Stelle (Zitat oben) als Inspiration, als Feuerfunke, als ein neues Event beschrieben, das man schlicht nicht haben kann, wenn man auf den Zettel schaut. Also der Zettel alleine produziert diese Idee keineswegs, sondern es ist eine Hilfe dafür, dass jemand in seiner Seele - Seele sagt Platon an dieser Stelle - genereller könnte man sagen, an dieser Stelle: sein kognitives Vermögen wird herausgefordert, wird getriggert zu einer Einsicht. Hier haben sie nochmal dieselbe Motivenstellung, die wir im Phaidros auch schon gesehen haben im Hinblick auf die verlassenen und unkontrollierbaren Effekte der Schrift.


Und soviel wenigstens weiß ich in dieser Beziehung, daß schriftliche oder mündliche Äußerungen hierüber doch am besten von mir geschehen würden, und da muß es mich denn sehr arg schmerzen, daß meine Gedanken entstellt in die Welt hinausgeschrieben worden sind. Wenn es mir vernünftig geschienen hätte, daß jene Gedanken durch Schrift und durch Wort unverschleiert unter dem Volke verbreitet werden dürften, was für eine schönere Lebensaufgabe würde ich da gehabt haben als der Menschheit großes Heil zu bescheren und dabei das Wesenhafteste des Universums aller Welt an's Tageslicht zu bringen!
– Plato: 7. Brief, 341a - 342a


Also Platon sagt: wenn ich glauben würde, dass ich meine Erkenntnisse über das worin es in der Philosophie geht, worauf es letzlich ankommt, in einem Bildungsprozess, dass ich das einfach hinschreiben kann und allen Leuten sagen - das wär doch absolut super! Dann müssen die Leute einfach nur mehr lesen und alle hätten's und ich müsste gar nicht dort sein und der Rest der Weltgeschichte würde sich viel besser entwickeln, weil die Leute das höchste worum es geht durch eine schriftliche Verbreitung, die keine persönliche Anwesenheit der Personen mehr braucht, sich ereignen würde und sich vollenden würde.

Die Konsequenz, die Platon daraus zieht, ist ihnen jetzt schon bekannt: Skepsis gegenüber der Schrift und stattdessen ein Hinweis darauf, dass es - der Fachausdrück in der Gelehrtenwelt ist "eine ungeschrieben Lehre gibt". Das was in seiner Schule unterrichtet wird, das wie man lernt mit den Handouts umzugehen. Das ist eigentlich das Wesentliche und das verlangt eine Form von persönlicher Anwesenheit, von sozialer Interaktion, von "give and take" in der Diskussion, die eine Lehrsitutation ist und die von der griechischen Zeit an bis zu den Seminaren, die wir abführen und LVs und VOs, die wir haben, im Prinzip dasselbe Muster ist: sie sitzen da, sie hören mir zu, sie machen sich ihre Gedanken, sie antworten vielleicht oder auch nicht, auf die Sachen, die ich sage und damit kriegen sie mit worum es da geht, was ich da im Wiki für die ganze Welt zum lesen bereitgestellt habe. Diese Konstellation hat allerdings einen Aspekt auf den ich sie extra hinweisen möchte und der ist beim Platon komplett greifbar und wird sich in der weiteren Folge, wenn man den Brief jetzt in einem zweiten Zitat dann noch ansehen noch genauer zeigen. Das ist die Folge das es elitär ist. Es ist schlicht und einfach elitär. Nämlich sie sitzen da. Sie können mit dem was machen. Sie sitzen an der Universität um zu lernen wie sie mit Handouts umgehen. Und der Rest der Welt, die alle das Glück haben das Wiki sehen zu können, wenn sie es wollten, der Rest der Welt bleibt unerleuchtet. Wenn ich mal davon ausgehe, dass wir hier Erleuchtung produzieren - Erleuchtung ist also auch diese Flamme, der Feuerfunken, der hier stattfindet. Ich mache mich ein bisschen lustig darüber, aber ich will doch sagen, es ist natürlich meine Absicht hier ihnen ein zwei Ideen vorzustellen, mit denen sie etwas anfangen können, aufgrund derer sie den Rest der Umgebung, der sich hier so ergibt, ein bisschen schärfer sehen, neuer sehen, auf eine andere Art und Weise sehen. Also diese Art von Produktion betreibe ich hier sehr wohl. Darum sollte ich mich vielleicht nicht nur lustig machen über die Erleuchtung, sondern darauf hinweisen, dass das ein Geschäft ist, das uns an der Stelle gemeinsam ist. Warum ich das aber extra jetzt sage und warum ich extra auf das Elitäre hinweise, das Elitäre, das eben darin liegt, dass Platon an der Stelle ganz explizit sagt: "der Rest der Welt der wird das nicht verstehen, der Rest der Welt der kann das nicht verstehen. Die brauchen mich dazu." Das ist auch ein entscheidender Faktor der platonischen Bildung. Ich bin schon sehr gespannt, was da kommt, weil die ganze Debatte über "Uni-Brennt" und "Bildung" und "Bildung für alle", hängt an dieser Stelle natürlich tatsächlich groß zur Diskussion.


Person1:
Die Anmerkung geht eigentlich in eine andere Richtung. Mir geht es darum, dass die Schrift alleine ned ausreicht, weil man jetzt sagt: „ok heute funktioniert der Livestream nicht, aber audio ist zumindest“ Also Sprache ist da. Wenn man dann schaut in der Universität ist es inzwischen oft so, dass man in Vorlesungen selber gar nicht mehr spricht. Sondern man hört zu, ja man denkt während dem Hören mit, aber es ist die Interaktion weg, die möglicherweise bei Platon eine wichtige Rolle spielt.


HH:
Absolut Korrekt! Der nächste Schritt, wenn ich fertig bin mit Brief sieben. Anfang des Kapitels über Christlichkeit komme ich genau auf das noch wieder zurück und können sie dann noch mal was dazu sagen. Ich wollte genau, genau das ist die Richtung in die ich hingehe.


Person2:
Geht es dabei auch um Intertexualität und um Translation? Also Translation als Erklärung dessen.

Zur Intertextualität

HH: Das ist auch ein Thema, auf das ich noch kommen werde. Ich sage ihnen vorlaufend, wo das wieder auftreten wird: Die christliche Tradition, also das, was sich anknüpft an das Auftreten von Jesus von Nazareth, ist dadurch gekennzeichnet, dass Jesus, so wie der Sokrates, nichts geschrieben hat. Dass es dann aber schon im 1. Jahrhundert schon Texte gibt, Evangelien, die geschrieben worden sind. Ab diesem Zeitpunkt ist die christliche Tradition eine Tradition der Intertexualität. In der Bibel steht es geschrieben und dann gibt es die Kirchenväter und die haben schon 50 Jahre nachdem die Evangelien geschrieben worden sind und haben sich auf das bezogen, was in dieser, was in den kanonischen Schriften und in dem Apokryphenschriften steht. Ich sage eine Pointe auf die ich noch kommen werde, nur weil sie es gerade ansprechen: Das ist eine, wie sich herausgestellt hat, eine weltgeschichtlich geniale Verwendung des Mediums durch die frühen Christen. Die haben das neue Medium der Schrift sofort aufgegriffen und haben sich über Intertextualität, indem sie sich nämlich selber, indem sie die Bibel zitiert haben, also über Intertextualität eigentlich ausgebreitet. Die Interessante Frage, die die Theologen dann stellen werden - dies war mir selbst auch nicht so klar, weil ich bin auch so aufgewachsen in der Intertextualität der christlichen Überlieferungsgeschichte: Bibel, Kirchenväter, Konzilen, Dogmen - was es alles gibt. Die interessante Frage, auf die die draufgekommen sind: "Na, was ist denn eigentlich mit dem ersten Schritt? Als es noch nicht um Intertextualität ging, sondern wo es darum geht, dass es ein Event gibt, das in die Textualität überhaupt erst hineingerät, weil die Lehre Christi - genauso wie die Lehre des Sokrates - ist kein Text. Sondern ist diese Frage von Event. Das ist etwas was mündlich geschehen ist an einem bestimmten Ort und einer Zeit. Was man sich dann Fragen kann: Was ist das Verhältnis von dem, was hier entstanden ist, als ein Ereignis - zu dem wie das dann aufgezeichnet, und in der Aufzeichnung weitergebracht wird. Ich sag das deswegen jetzt alles im Anschluss an ihre Intertextualitätserwähnung, weil wir im akademischen Bereich abgerichtet sind - kann man schon sagen - darauf - und auch im kirchlichen Bereich an vieler Stelle - abgerichtet sind darauf, Addition und Forschungszusammenhänge einfach nur als Intertextualität zu sehen. Intertextualität in dem klassischen Sinn: "gehen wir in die Bibliothek und schauen wer hat darüber schon etwas geschrieben". Mittlerweile haben wir schon auch eine Videothek und eine Audiothek, wo wir auf das auch zurückgreifen können. Aber die sind Ergänzungen zu dem, was wir als Intertextualität quasi praktizieren. Das kann bestimmte Aspekte der griechischen Situation, über die wir da jetzt reden, - griechischen und christlichen Situation - nicht erfassen. Und ich sage ihnen den einen Punkt, wo es in der Platonforschung deutlich geworden ist: Es gibt eine Richtung, die "Tübinger Schule". Die "Tübinger Schule" hat diese Zitate aus dem siebenten Brief, die ich ihnen gerade vorstelle, hervorgeholt und hat gesagt: "da muss es eine ungeschrieben Lehre von Platon geben! Etwas was er seinen Schülern gesagt hat. Und was war das bloß?" Das ist natürlich auch wiederum eine Forschungsaufgabe, herauszufinden, ob wir in dem Geschrieben Spuren finden können von dem, was er gesagt hat. Aber der zweite Punkt, der an dieser Stelle sehr, sehr deutlich wird ist ein Motiv, das abgesehen von der Tübinger Schule in der Philosophie durchaus aktuell und wichtig ist. Klaus Puhl hat in der Ringvorlesung, zur Einführung in das Studium der Philosophie darüber geschrieben. Der ist derjenige, der am Institut für Philosophie da am ehesten etwas macht. Und es ist Philosophie nicht als eine Lehre sondern als eine Lebensform.

Philosophie nicht als ein System, nicht eine Doktrin, nicht Etwas, was man schriftlich niederlegt und schriftlich diskutiert mit den nächsten Jahrhunderten oder so was ähnliches. Sondern Philosophie als eine Form sein Leben auf eine geglückte Art und Weise zu verbringen. Michel Foucault ist jemand der mit den Praktiken des Wissens in eine ähnliche Richtung gegangen ist. Michel Foucault hat es nebenbei - zur erläutern und auch ein bisschen zur Legitimierung meiner Griechenrückgriffe -, ein wichtiger Faktor, dafür das der Foucault sich mit der Lebensform des Denkens und der Philosophie in Griechenland beschäftigt hat ist Pierre Ado?. Ado?, der ein Kollege von ihm in der Académie française war, und der ein Experte genau über diese philosophische Lebensführung gewesen ist, die zu tun hat mit der Paideia, mit der platonischen Paideia, sie müssens sich es von der weltgeschichtlichen Situation so vorstellen, das mit dem Zusammenbruch der athenischen Volksbestimmung und Demokratie, dieser kleinen Blase, die es da gegeben hat, in der Sokrates noch eine Form von öffentliche Figur war, eine Diskussionsbasis auf einer breiteren Ebene vorhanden war. Diese breitere Ebene, die beim Platon noch drinnen ist, wenn er die Idee hat davon: es ist eigentlich etwas, was alle Menschen angehen könnte. Platon schreibt ja seinen Staat als ein gesamtes Politsystem für die ganze athenische Polis. Nachdem das zusammenbricht bleibt übrig - einfach rein philosophiegeschichtlich - bleiben übrig diese Schulen. Diese kleinen Communities, die nun genau so funktionieren, dass man bestimmte Schriften hat und diese Schriften verbindet mit "Guruartigen" Momenten. Die weisen Männer, das Guruhafte, das Überzeugende, das liegt ja in dem Gedankenblitz, in dem Funken liegt es ja drinnen. Da gibt es eine unweigerliche Tendenz, die den Moment von, "das kannst ja nachlesen" zu konterkarieren durch "wenn du dort bist, das ist wirklich ein begeisternder Vortrag", "da wirst du mitgerissen" - wie man an diesen Stellen so schön sagt. Und diese Art von "cliquenartiger" Praktik, das waren die Schule. Das sind die philosophischen Schulen. Und das ist so gewesen, dass die Leute das ab dem Hellenismus in der frühen römischen Zeit, bei Plotin kann man das sehr sehr gut sehen: der Typ kommt nach Rom. Hat beste Beziehungen mit der Frau des Kaisers und macht dort, subventioniert, gesponsert ein einfaches, kaiserliches Sponsoring, macht er dort seine Schule. Dort kommen einfach Leute hin, die sich von Plotin anhören, wie die Welt ausschaut. Plotin schreibt das dann auch hin, aber es entsteht aus dieser Form von Praxis, die Platon an der Stelle auch anspricht.

Ich geh mal schnell bis zum Ende von diesem siebenten Brief, damit wir dann zum andern auch noch kommen.

Plato's Erkenntnisstufen:

Es gibt da nämlich eine wie soll man sagen eine „Platoverdammnis“. Wenn sie eine zweifellos nachweisbare, leicht zu lesende, schöne Stelle brauchen, aus der hervorgeht, wie das System von Platon funktioniert, dann lesen sie sich das durch. Und zwar schaut das folgendermaßen aus:

Das sind jetzt seine Erkenntnisstufen:

Ich habe normalerweise, bei den Erkenntnisstufen lasse ich mich dann meistens auf das Höhlengleichnis, auf die Paideia, auf die Ideenlehre usw. ein. Hier macht er das auf eine sehr nüchterne und kurze Art und Weise und sagt, es gibt einfach 5 Stufen zur vollständigen geistigen Erkenntnis. Zum Mitschreiben sozusagen. Erstens, Zeitens, Drittens, Viertens, Fünftens; und jemand fragt: "bitte was war das Dritte nochmal? Ich habe es nicht gehört? Ich muss es mir aufschreiben.". Das erste ist der Name. Das zweite ist die Begriffsbestimmung. Das dritte sind die körperlichen Sinne. Das vierte begriffliche Erkenntnis und das fünfte ist worum die Erkenntnis geht, nämlich die Idee - das wars.


Beispiel Kreis

Sie haben an der Stelle auf eine nur nicht nur frivole Art und Weise, auf eine sehr schöne Art und Weise nachvollzogen, nachvollziehbar wie sich das abspielt - was ich ihnen vorher schon angedeutet habe - dieser platonische Aufstieg. Es gibt Namen und von den Namen - nehmen wir es beim Kreis: sie können es dann lesen. Er macht es am Beispiel des Kreises fest. Es gibt ein Phänomen das heißt "Kreis". Das nennt man Kreis. Das ist der Name vom Kreis - so wie Sessel. Er sagt auch weiter unter, dass was er über Kreis macht das gilt genauso für das Gute und das Schöne. Also Kreis ist noch einmal was spezielles, weil es mathematischer Begriff ist, also sie können Sessel an der Stelle auch nehmen. Da gibt es einfach etwas, das ein kleines Soundbite, das heißt "Kreis", das heißt "Sessel", das können sie lernen, das können aussprechen lernen, das ist etwas was sie als Basisinstrument brauchen. Aber das gibt ihnen noch gar nichts. Das ist einfach ein Sound. Dieser Sound verbindet sich mit einer Erklärung: Was ist den Kreis? Naja Kreis ist die Linie, gleicher Abstand von einem Punkt - das wissen sie - das ist die Definition des Kreises. Das ist etwas, was hinter dem Namen steht - "hinter" unter Anführungszeichen. Womit sie eintrainiert werden, in den Gebrauch dieses Soundbites "Kreis". Das ist schon gar nicht so wenig, aber an vielen Stellen ist es so, dass sie mit dieser Art von Definition noch nicht viel anfangen können: "also das ist jene Linie, die von einem gegebenen Punkt; die gegebene Linie, die alle Punkte umfasst, die von einem gegebenen Punkt denselben Abstand haben" könnte passieren das jemand, der das das erste Mal hört sich darunter nichts vorstellen kann. Warum ist der dritte Punkt die Vorstellung? Ganz wichtig: Das heißt man zeichnet auf die Tafel einen Kreis: "schau! Das meine ich damit!" und implementiert und inkrementiert, ergänzt die begriffliche Bestimmung auf diese Art und Weise durch etwas sinnlich Anschaubares.


Das Dritte ist das durch die körperlichen Sinne wahrnehmbare Bild,
– Plato: 7. Brief, 342a - 344d


Die Abbildung, die niemals abgebildet wird

Und das Vierte ist jetzt, das ist jetzt eine Kombination vom Vierten und vom Fünften - das fünfte ist das wahre Urbild des Dings, was hier auch angesprochen wird. Wenn sie jetzt in der Situation sind, die ich schon angesprochen habe, sie haben die vier verschiedenen möbelstückartigen Gebilde und es geht jetzt um den Gedankenblitz und der Gedankenblitz ist das sie draufkommen: "das sind ja alles ein bisschen komische, aber Sessel". Und das sie rauskommen, dieser klassische Testfall für Intelligenzbestimmung für minderjährige Kinder: Was gehört da zusammen? Basis unserer Intelligenz: Sie haben zwei Kreise und zwei Vierecke, was ist sich ähnlich? Sie testen auf diese Weise das Abstraktionsvermögen. Und dieser Geistesblitz, das gehört zusammen. Die verschiedenen sinnlichen Abbildungen, sind Abbildungen von etwas, was in diesen Abbildungen nicht drinnen ist und auch nie in die Abbildungen hineingehen kann. Das kann nie abgebildet werden. Was sie da als Gemeinsamkeit sehen. Jedes Mal wenn sie versuchen hinzuzeigen oder hinzuzeichnen, was sie glauben, was das gemeinsame ist, produzieren sie noch ein weiteres sinnliches Abbild, von dem, was sie entdeckt haben, was da gemeinsam ist. Das ist das ganze Geheimnis - naja nicht das ganze Geheimnis - aber das ist ein zentrales Geheimnis - Anführungszeichen - der "Ideenlehre": Das man in diesem Prozess hingeordnet wird, eintrainiert wird, auf das entdecken von Gemeinsamkeiten zwischen physischen Gegebenheiten, die schriftlich und bildlich vorhanden sein können und von denen wir reden wollen, weil wir davon reden wollen, dass wir uns verständigen über die Gemeinsamkeiten unserer Praxis. Und die man - folgend Platon - Ideenbegriffe, oder so etwas nennt.

Hier das letzte diesbezüglich noch vorlesen:


(Und wenn) erst durch fleißige gegenseitige Vergleichung -HH: machen wir folgendes - Namen, definierende Beschreibungen mittels der Sprache, sinnliche Anschauungen und Wahrnehmungen in Beziehung auf ihre Aussagen vom Wesen der Dinge in leidenschaftslosen Belehrungen -HH: bringen wir sozusagen zusammen - (berichtigt werden,) und wenn wir hierbei ohne leidenschaftliche Rechthabereien die rechte dialektische Methode anwenden, dann erst geht uns das Licht der rein geistigen Wahrnehmung und der reinen Vernunftauffassung des inneren Wesens der Dinge auf.
– Plato: 7. Brief, 342a - 344d


Muss ich jetzt nicht mehr kommentieren, außer ihnen noch dazuzusagen, dass diese dialektische Methode, die er da drinnen anspricht, da müssen's zu ihm in die Schule gehen. Die dialektische Methode lernen sie nicht in irgendwelchen Büchern, sondern das ist eine Praxis, das ist eine Form mit dieser Vergleichung umzugehen und jemand der das verstanden hat, der ist


weit entfernt über ernste, hochwürdige Gegenstände seine Gedanken durch die Schrift unter der Menschheit zu veröffentlichen und dadurch sie der Schwatzsucht und Herabwürdigung des Pöbels preis zu geben.
– Plato: 7. Brief, 342a - 344d


Also ich habe die Übersetzung jetzt nicht mehr nach dem griechischen gecheckt, muss ich ihnen sagen. Das ist nebenbei eine Intertextualitätsfrage. Da haben wir das Problem, dass man sagt: "also das ist offensichtlich eine Übersetzung mit einer Agenda" Das kann man aber auch anders übersetzen. Das kann man auch so übersetzen, dass es nicht so klar wird, dass der Platon ein "gottverdammter-elite-Philosoph" ist, der sich an der Stelle verwahrt dagegen, dass das worum es ihm geht, von der Mehrheit der Bevölkerung verstanden werden kann, wenn es hingeschrieben ist.


Person3:
"aber das heißt, wenn man sich jetzt Platon in die heutige Zeit, sagen wir die derzeitigen Unis dazu denken würde, würde er dann immer noch sagen: "nein, eigentlich kann man es nur von mir lernen." Oder würde er dem Gedanken, dass mehr Leute diesen Zugang haben eigentlich dann doch begrüßen müssen, oder?


HH: Habe ich mir eigentlich gedacht, auch während ich das gesagt habe. Er hat ja Bücher geschrieben. Also die Spannung dazwischen, dass er ausführlich geschrieben hat und dass der Erfolg der Bücher, die er geschrieben hat, weltgeschichtlich einzigartig ist. Man muss sich das, zum Beispiel, vorstellen - das ist ja auch eine medientechnische Beobachtung - es ist ja überhaupt nicht selbstverständlich, das Sachen, die vor zweieinhalbtausend Jahren geschrieben worden sind, über die verschiedenen Einbrüche, Abbrüche, Katastrophen überliefert worden sind. Also es gibt von Aristoteles ein bisschen was. Es ist, zum Beispiel, eher ein Zufall, dass die Aristotelesschriften über das Arabische aufbewahrt worden sind. Dann im 10 Jahrhundert nochmal in den abendländischen Zusammenhang hineingekommen sind. Aber der Platon ist von Anfang - und das ist jetzt meine Pointe - die Schriften von Platon sind von Anfang an, geschrieben und vervielfältigt worden, so dass wir einen hohen Grad von Wirksamkeit darüber haben. Und das kann nur darum sein, weil Leute es damals gegeben hat, die es wichtig gefunden haben und die das verbreiten wollten und die die platonische Lehre - ohne Platon - auch fortgeführt haben. Es gab zwar die platonische Schule, aber die Schrift, die Verschriftlichung und ist natürlich in einer viel, viel breiteren Weise angelegt worden. Und es liegt - und das ist das zweite, was ich sagen will zu dem was sie sagen - es liegt natürlich im platonischen Lehrsystem drinnen, dass es zumindest offen bleibt, wie breit die Gruppe der Leute ist, an die er sich richten will. Also in dem Höhlengleichnis - das ist an der Stelle immer mein Hinweis - man könnte es vielleicht so sagen: Das Höhlengleichnis ist in der Politeia eingebettet. Die Politeia ist ein Buch das hat eine ziemlich rigide Einteilung von Leuten die schaffen es niemals und Leute die haben "das Zeug dazu". Aber in dieser sehr rigiden Einteilung gibt es dieses Höhlengleichnis und in dem Höhlengleichnis sitzen die Leute in der Höhle unten und da wird nicht gesagt: "da gibt's welche, die sind befugt dazu den Weg zur Erkenntnis zu machen." Sondern da ist die Rede davon, dass die gefesselt sind. Und dass es jemand gibt, der die Fesseln öffnet. Und es ist durchaus denkbar, dass die alle der Reihe nach da rauf spazieren. Von der Logik des Gleichnisses her. Die Logik des Gleichnisses sieht nicht vor, dass es hier diese Art von Restriktionen gibt. Das heißt, da würde in der Logik des platonischen Systems selber, ist da ein Moment drinnen, von Allgemeinheit, die zwar, zunächst einmal abgestimmt ist und organisiert ist für diejenigen, die die Philosophinnen und Philosophen sind, die aber von der Logik des Ganzen ist es eigentlich für alle Menschen geltend. Also ich würde das mal so sagen: Es gibt eine berühmte Stelle - im Meno ist es. Im Meno gibt es ein kleine Szene, da verwendet der Sokrates den Sklaven vom Menon, um zu demonstrieren, dass in dem Sklaven drinnen, die Erkenntnis der Mathematik vorhanden ist, sie muss nur geweckt werden. Wenn das mit dem Sklaven geht, dann hat man an der Stelle schon die beiden Momente: das kann in Wirklichkeit ein jeder Mensch machen, aber es schafft nicht jeder. Das wäre in etwa die Tendenz. Das ist eigentlich bis zum heutigen Tag die Auffassung der Philosophie - also einer bestimmten Art von Philosophie ist es nach wie vor die Auffassung und ist vielleicht gar nicht so absurd, weil das wird mit Mathematik nicht ähnlich sein oder mit Chemie oder auch mit Zeichnen. Manche schaffen bestimmte Skizzen leicht und manche lernen es ein Leben lang nicht. So wie ich. Ich werde es nie schaffen schöne Portraits zu zeichnen. Man könnte mich zwingen irgendetwas zu machen. Das ist eine Schaltung, das ist ein Problem, das mit Pädagogik überhaupt zu tun hat und bei Platon ist eben das ein pädagogisches Problem: wenn ich ein allgemeines Bildungsziel habe und dieses allgemeine Bildungsziel verkünde, auch als ein politisches Programm, dann entgehen mir diese kleineren, die feinen Unterschiede: das nicht jeder dieselbe Bildung haben will und haben kann. Das fallt nicht so sehr auf solange es darum geht, dass man sagt: "also willst du jetzt Betriebswirtschaftslehre oder Mineralogie studieren oder möchtest lieber Jus machen?" Das sind Bildungsziele, die vergleichsweise harmlos nebeneinander stehen. "OK der eine mag lieber das lieber, andere mag lieber das andere." Die Besonderheit in der Philosophie besteht darin, dass man da ein allgemeines Bildungskonzept hat, das jetzt nicht darum geht, ob einem mehr die Gesetze interessieren oder mehr die Steine, sondern dass es darum geht das man Fragen wie: "Was ist gut? Was ist richtig? Was ist gerecht?" haben will. Also wenn man es bei Jus macht, nicht einfach: "Das steht im Gesetz." Sondern "Was ist gerecht?". Und in dem Moment, in dem man sagt "mich interessiert aber, was ist gerecht" ist man in einer Dimension, wo es plötzlich alle angeht. "Gerechtigkeit ist geschehen." hat der amerikanische Präsident Anfang der Woche gesagt. Ja? Weiß man das wirklich? - Aber da gehe ich jetzt nämlich bruchlos zu meinem nächsten Punkt, den ich schon angekündigt habe.

Einleitung zum Christentum

Betrachtung einer Vorlesung

Vorher vorher will ich das nochmal einleiten mit einer Wiederaufnahme dieser Skizze aus der ersten Vorlesung und da komme ich jetzt an der Stelle zurück zu der Frage von ihnen von vorher. "Wie schauen heutzutage Vorlesungen aus?". Ich habe ihnen hier in ein paar Worten diesen zugegebenermaßen jetzt ein bisschen, eingeblendeten Zusammenhang, das ist jetzt ein kleines Interludium bevor ich zu den Christen komme.

Der Ausgangspunkt bei einer Vorlesung und bei einem Vorlesungsstreaming steht in der Tradition der Schulausbildung nach dem Muster der platonischen Akademie. Also ich habe ihnen ja angefangen auf der ersten Seite zu zeigen, da gibt es im klassischen Sinn ein Ereignis, das ist die Vorlesung. Diese Vorlesung wird traditionell vielleicht in Zusammenhang gebracht mit einem Skriptum und dieses Skriptum erfasst schriftlich, was mündlich in der Vorlesung passiert ist. Solche Skripten gibt es dann in der Bibliothek zu studieren oder im Geschäft zu kaufen und auf die Art und Weise haben wir ein Situation, die klassisch und post-klassisch wiedergegeben wird durch so ein Spannungsverhältnis von kontaktstunden und e-learning. Sie haben dieses Problem täglich und in der Curricularentwicklung zum Beispiel ständig noch vorhanden. Ich habe am Anfang auch etwas gesagt über elektronische Prüfungsanmeldung.

Kontaktstunden technisch sind etwas, was Studierende wollen. Die wollen jemanden sehen, die wollen mit jemandem reden über die Dinge und die wollen nicht einfach vor einem Monitor sitzen und ein elektronisches, programmiertes Lehrprogramm aufrufen. Dass dieses e-learing, in dem Sinn, ist eine gegenwärtige Erscheinungsform von Schriftlichkeit, im Gegensatz zur der Mündlichkeit. Was Studierende verlangen, in der Tradition, die ich aus dem akademischen Bereich und philosophischen jetzt vor Augen geführt habe, ist diese Form von Anwesenheit von Studierenden in den Bildungsprozess. Nun ist die Frage auf die sie gekommen sind, also die sie schon angesprochen haben und auf die ich jetzt wieder zurückkomme, ist die, ob denn das noch stimmt, wie denn das jetzt - wenn man sich wirklich die Gegebenheiten der gegenwärtigen Informationstechnologie ansieht - wie sich das darstellt. Ich habe am Anfang der Vorlesung, dass das alles um vieles komplizierter ist und das wir jetzt von der Seite der akademischen Umgangsweise damit, das ist jetzt einfach direkt, eigentlich ziemlich "inner-universitär" damit rechnen müssen, dass wir durch das Streaming eine Form von Aufbrechen des hier lokalisierten Zusammenhangs haben. Die gar nicht mehr zusammenpasst mit der Vorstellung: "das sagt er einmal irgendwo und das gibt es in einem Text und das kannst du dann in der Bibliothek nachlesen." Das ist eben nicht mehr so. Du kannst es live auf der ganzen Welt nachlesen, wenn es kein fuckup gibt der entsprechenden Leute hier. Und du kannst es transkribieren und du kannst es diskutieren. Das habe ich ja schon entsprechend für den akademischen Bereich angesprochen.

Beachte die Dimension

Was ich jetzt machen will, bevor ich dann zu den christlichen Überlegungen kommen, ist einen Unterschied deutlich zu machen, den ich noch nicht gesehen habe am Anfang der Vorlesung, der mir jetzt erst eben unter anderem durch die zwei Ereignisse deutlich geworden ist, die man mit dem Stichwort "Fukushima" und "Abottabad" beschreiben kann. Und zwar nämlich das folgende: Wenn ich jetzt nicht die Vorlesung nehme, als eine schön kontrollierte, kleine Veranstaltung im Rahmen der großen Institution Universität, und die betrachte im Vergleich zu dem großen Netzwerk von Kommunikationsmöglichkeiten, das wir inzwischen haben. Also das war ja meine Point in dieser "Stricherlskizze". Wir haben ein raffiniertes - wie sagt man da - "ubiquitous cloud" hat den Preis gemacht, wenn ich das richtig sehe. Im Ars Electronica hat die Uni-Brennt Bewegung den Preis für "ubiquitous cloud" gemacht. In dieser ubiquitous cloud sind wir in der Vorlesung spaßhaft, spaßhalber auch mit drinnen. Aber was natürlich um vieles einschlägiger ist und was an der Stelle einfach genannt werden muss ist, dass diese Sachen von denen wir da reden, nur eine Spielzeugversion ist - solange sie von der Vorlesung handelt. Nehmen wir einmal zwei Sachen die keine Spielzeugversion bedeuten, nämlich die nicht-Spielzeugversion davon, dass ein Atomreaktor in die Luft geht und die nicht-Spielzeugaktion, dass ein weltweit gesuchter Terrorist ermordet wird. Das sind zunächst einmal auch Ereignisse, so wie das was hier als Vorlesung angeboten wird. Der Unterschied ist der, dass die ganze Welt zuschaut, dass es eine Form von Rezeption gibt, in der auf die schnellste Art und Weise eine Wolke von Information entsteht - an des hab ich schon gedacht, wie ich am Anfang der Vorlesung ihnen etwas gesagt habe über einen Verkehrsunfall und die fünfhundert Blogger. Hier haben sie es in Realität und das Besondere, das Wichtige worauf es mir jetzt ankommt ist, sie haben dieses Verhältnis von, da ist an einer Stelle etwas passiert und das was das passiert ist, ist nur für wenige Leute persönlich und mündlich und so weiter zugänglich. Und das, was dort passiert ist, hat sich in raschester Folge eingeschrieben in einen weltweiten Zusammenhang von Mitteilung, von Korrespondentenberichten, von Tweeds, von Kommentaren, von Kommentaren zu Kommentaren, von endlos weiter betriebenen Neuaufbereitungen, Echokammerartig dieser Sachen und das alles unter Gesetzlichkeiten, die in einem gewissen Sinn noch immer noch die absolut urtümlichen Gesetzlichkeiten von: an einer Stelle in Raum und Zeit ist das Ding in die Luft gegangen, hat es den Tsunami gegeben, ist der Typ niedergeschossen worden und dann hat sich ein ganzes Netz von Kommunikation, Interaktion, Information und Wissen darübergelegt. Es ist mir völlig unmöglich - das wird natürlich in weiterer Folge von vielen Medientheoretikerinnen und so gemacht werden - das ein bisschen auseinanderzutüfteln. Das was ich angedeutet hab, nochmal am Anfang der Stunde, ist dass das eine neue Art von Aufgabe ist. Da gibt es nicht mehr die New York Times und den Guardian und die Frankfurter Allgemein in denen man nachlesen kann, worum es da geht. Das sind neue Formen von Mitteilung, die über die Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Elektronik gesteuert werden. Ich will ihnen durch dieses kleine Flashlight, diese kleine Zwischeneinschaltung, nur deutlich machen, in welcher Dimension wir uns da bewegen. Es geht eben nicht nur einfach um die Dimension des platonischen, akademischen, Philosophie und gute-Lebens-Zusammenhang, sondern es geht auch um die Kompetenzen in dem Übergang zwischen Ereignissen und dem gegenwärtigen Weisen, wie diese Ereignisse global kommuniziert und verarbeitet werden. Eine Position zu finden für das ich ein paar Hinweise und Gedanken anbieten möchte. Das war jetzt die Einleitung und hier komme ich jetzt zum Christentum:

Das Christentum

Diese Einleitung passt jetzt so zum Christentum, dass ich sagen möchte, dass was zwischen Sokrates und Platon - Homer, Sokrates und Platon - stattgefunden hat, betrifft unsere Geschichte tiefgehend, ist aber doch etwas, was die Geistesgeschichte und die Denkweisen betrifft, wie immer man das wertschätzen mag oder nicht wertschätzen mag. Es gibt einen Übergang von einem Event in die Schriftlichkeit, ungefähr zur selben Zeit, der nicht nur die Geisteswelt betrifft, sondern der die gesamte Weltgeschichte auf eine Art und Weise betrifft, die einfach umwerfend ist und das ist das Auftreten Christi. Die Tatsache, dass es einen palästinensischen Propheten, prophetisch auftretenden Typ gegeben hat, der herumgezogen ist, seine Lehren, seine Weisheiten, seine Gleichnisse, seine Interventionen, Wanderpredigerintentionen realisiert hat. Und Was dort passiert ist hat sich auf eine Art und Weise weltweit explosiv ausgebreitet, vergleichsweise - heutzutage haben wir's am selben Tag - aber damals waren das, sagen wir mal - fünfzig bis hundert Jahre. Es waren, sie müssen sich vorstellen, in dreihundert Jahren hat so ein jüdischer Sektierer, Prediger bewirkt, dass das Christentum die Staatsreligion des damaligen Amerikas gewesen ist. Wenn man sich vorstellt, dass das doch alles ein bisschen langsamer vor sich gegangen ist als ist heutzutage vor sich geht, sind das schon unglaubliche Zeitdimensionen. Das ist eine Fragestellung, die eben auch jetzt fokussiert wird und fokussiert werden kann auf das Verhältnis, von dem was er gesagt hat, das er da gepredigt hat und dem was mit diesen Predigten passiert ist, was dabei entstanden ist. Das ist einer der Punkte - rein von der Forschungssituation her - finde ich, ein sehr interessanter und witziger Punkt, dass nämlich die Exegeten also eine Reihe von christlichen Theologen, der bekannteste von ihnen ist Walter J. Ong ein Jesuitenpater, der Mitte des vergangen Jahrhunderts, zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts geschrieben hat, die Überlegungen über Platon und die vorherige homerische Oralität aufgegriffen hat. Das was ich ihnen vom Havelock erzählt habe, und worauf sich der Havelock wieder bezieht, nämlich diese Recherchen darüber, wie der Homer zu verstehen ist und wie die oralen Kulturen im Verhältnis zu den dann schriftlichen, also dann Festschreibungen stehen, das haben Theologen aufgenommen und gesagt, "na dann schauen wir uns doch nochmal und wieder an, wie das mit Jesus steht." und haben auch eine sehr lange in der Theologiegeschichte vorhandene Korrespondenz, die ich ja auch schon genannt habe, nämlich zwischen Sokrates und Jesus, nochmal wiederaufgenommen, die traditionelle Analogiekorrespondenz zwischen Sokrates und Jesus hat irgendwas zu tun gehabt mit Gewissen, mit dem Guten, mit dem Märtyrertod. Solche Dinge sind traditionell gesprochen worden, durch die neue Perspektive, von der wir jetzt reden, ist dann dazugekommen, dass man gesagt hat, "na schauen wir uns doch mal an, wie schaut es mit beiden aus im Zusammenhang damit, dass beide nichts geschrieben haben und wirksam geworden sind durch eine Nachwelt, in der sie quasi festgehalten, das was sie sind und was sie tun festgehalten wurden" und ich habe ihnen drei Exzerpte, eines etwas länger, aus der Theologiediskussion gebracht. Das wichtigste worauf ich erst das nächste Mal kommen werde sind Exzerpte dieser Schrift: "Orality and Literacy" von Ong, die ganz allgemein und unabhängig von theologischen Zusammenhängen als ein bahnbrechendes Werk für den Zusammenhang von Mündlichkeit und Schriftlichkeit gilt. Der, um das noch kurz zu sagen, am Rande noch schon Bezug nimmt auf Derrida, weil das ist etwas, was ihnen in weiterer Folge jetzt dann auch noch bevorsteht. Sie kennen die Grammatologie möglicherweise. Sie kennen die Schrift, das Interesse von Derrida an Schrift. Derrida hat über Platon genau auch über diese Schriftkritik von Platon geschrieben. Das kommt in weiterer Folge in der Vorlesung auch noch vor. Aber der Ong, der die meisten seiner Sachen vor der Dekonstruktion geschrieben hat, kommt aber noch immerhin noch soweit, dass er sich auf die Dekonstruktion bezieht und für mich damit eine gewisse Kontinuität herstellt. Ich habe jetzt die ganze Zeit keine Pause gemacht für Kommentare. Aber sie sind ja natürlich herzlich eingeladen, vor allem können sie vielleicht die Möglichkeiten der Schriftlichkeit ausprobieren, indem sie - ich bin nicht eingeloggt - aber hier können sie zum Beispiel die Möglichkeiten der Schriftlichkeit ausnützen oder noch besser auf der Diskussionsseite.

Dann wünsche ich ihnen ein schönes Wochenende!