Kommentare und Beiträge zur SE-Einheit vom 28.10.2008

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

Hier könnt ihr, nachdem ihr euch über "Anmelden" (rechts oben in der Menüleiste) registriert habt, eure Kommentare zur Seminareinheit direkt ins Feld tippen. WICHTIG! Am Ende unbedingt den Knopf "Seite speichern" (unten links) anklicken, weil sonst die ganze Mühe umsonst war. Es ist auch sinnvoll, nach eurem Beitrag den "Signatur"-Button anzuklicken, dann ist klar, von wem das Geschriebene ist. (Dieser Button befindet sich in der Formatierungsleiste als vorletztes Quadrat. Nur sichtbar wenn ihr im BEARBEITEN-Modus seid.)

Am 28.10.2008 besprechen wir die Seiten 97 bis 121 aus Pierre Bourdieus "Sozialer Sinn" (Le sens pratique).


Elemente philosophischer Anthropologie – Zukunft bei Heidegger und Pierre Bourdieu

Anmerkungen zu Sozialer Sinn Seiten 97-121 M. Winter


1.) Wie ist bei Bourdieu das Verhältnis zu (Neo-)Kantianismus und Phänomenologie?

Gemeint ist damit eben nicht der Bezug den B. setzt und mir als eine argumentative Totalisierung (Subjektivismus) durch die Reduktion der Sichtweise von Phänomenologie unter den Blickwinkel einer sich phänomenologisch nennenden Sozialwissenschaft, deren Standpunkt sich aber eigentlich nur durch die Herangehensweise an spezifische Fallunterscheidungen ausgehend von der ersten Person, durch die „Konstruktionen zweiten Grades, das heißt Konstruktionen von Konstruktionen jener Handelnden im Sozialen Feld“ (Sozialer Sinn, S.51) erzeugt werden, mit der Phänomenologie deckt. (Würde transzendentale Phänomenologie = Husserl, mundane Phänomenologie (eigentlich mundan-phänomenologische Sozialwissenschaft) = Schütz, fundanmentalontologische Phänomenologie = früher Heidegger trennen.)

Die Frage scheint mir deshalb von Bedeutung, die B. sicherlich auch starke Bezugspunkte zu Cassirer hat. Allerdings gibt es Positionen die mir zumindest mit dem Kantianismus nicht vereinbar scheinen. Etwa seine Bezugnahme auf Saussure, daß „der Standpunkt [die differenzielle Strukturbedingung] das Objekt schafft“ (Sozialer Sinn, S.58). Vom Neokantisnismus (Cassirer, Substanzbegriff und Funktionsbegriff, 1910) ist dieser Ansatz wahrscheinlich auch nachvollziehbar. Andere Abgrenzung zu Kant S. 112f.. Ist das mit Cassirer zu machen?

Aber korrelieren beide Ansätze (Neok. und Phän.) nicht aus den unterschiedlichen Voraussetzungen ihrer Bedingungen? Und wenn wo? Oder ist B. Bastler? – Dann erübrigt sich die Frage zumindest für AnwenderInnen. –

verschärft: Ich glaube, dass sich bei Cassirer und Heidegger Positionen gegenüber stehen, die in ihrem unterschiedlichen Bezug zu Leibniz unvereinbar miteinander sind; B. aber aus beiden Bereichen schöpft. Was soll man damit tun?

noch besser: Cassirer – Strukturalismus – Heidegger



ad. 114ff:

Es ist zwar objektiv richtig zu sagen, dass die Praktiken ihre Zukunft vorwegnehmen, die in den Praktiken angepeilte Zukunft aber, ist nicht die im Aktualisieren begriffene Zukunft, sondern eine vergangene Zukunft, deren objektive Strukturen, die sie hervorgebracht haben deckungsgleich oder zumindest vergleichbar sind – oder jedenfalls sein sollten – mit jenen, die der aktuellen Handlung zugrunde liegen. Damit ist der Bezugspunkt einer Handlung eigentlich die (unbewusste, weil habituelle) Analogisierung einer vergangenen Situation mit der gegenwärtigen und nicht die objektive Zukunft, auch wenn es diese ist, die sich realisiert. Es nimmt also nicht ein rational Handelnder eine objektive Zukunft (mittels Abwägung von Wahrscheinlichkeiten und damit der objektiven Voraussetzungen für das Realisieren einer bestimmten Zukunft) vorweg, sondern es sind bestimmte Denk- Handlungs- und Wahrnehmungschemata (kurz: Habitus), die auf die aktuelle Situation appliziert werden, im Sinne einer Analogisierung der aktuellen mit vergangenen objektiven Strukturen dh. Anforderungen, wodurch sich zwar ein Bezug auf ein Nachher der gesetzten Handlung ergibt, dieses Nachher aber nicht nach Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich seines Eintreffens befragt wird, sondern mittels Rekurs auf Vergangenes postuliert wird (unbewusst natürlich). Objektiv tritt natürlich eine objektive Zukunft ein, sie ist aber streng genommen nicht das Objekt des Bezugs in ihrer sich aktualisierten Form, sondern dieser Bezug ist eben eine vergangene Zukunft. Lässt sich das alles so sagen?

Konnte meine Ausarbeitung und Lektüre nicht ganz vollenden (letzter Lesedurchgang fehlt), ist jetzt also ein bisschen eine Hauruck-Aktion, weil eigentlich eine Notiz (eine etwas redundante noch dazu), die nicht fürs Wiki gedacht war ;). wäre über euer feedback daher umso dankbarer.


lg, --Katharina Bernhard 19:45, 26. Okt. 2008 (CET)




Pierre Bourdieu, Sozialer Sinn - Kritik der theoretischen Vernunft; S. 97-121.

Als „Interiorisierung der Exteriorität“ beschreibt Bourdieu den Habitus. Er unterscheidet zwei Formen: individueller Habitus und Klassenhabitus. Der Klassenhabitus ist ein geschaffenes Milieu von „Situationen“, die aus einer „systematischen Auswahl“ aus individuellen sozialen Lebensläufen sich konstituiert (Homologie). Gleichzeitig existiert der Habitus in Institutionen (durch die in den Institutionen sitzenden Subjekte) und wird durch diese geschaffen (die Institution als eine Möglichkeit der Ausbildung des Habitus). Der Diskurs herrscht durch den Habitus als Aneignungsform. Der Habitus bewirkt das Aufleben des in den Institutionen objektivierten Sinns. Bourdieu bezeichnet Wahrheit als „Dialektik von Objektivierungsabsicht und objektivierter Absicht“, die sich ständig definiert und umdefiniert. Wahrheit ist somit abhängig von den unterschiedlichen sozialen Lebensläufen und eine nie einzulösende „objektive Absicht“ (modus operandi; sowie individueller Charakter). Wahrheit ist kein Ideal mehr. Sind Wahrheit und (subjektive, objektivierte) Alltagswelt unterscheidbar? Welche ist die „mächtigere“ Komponente im Verhältnis Habitus/Diskurs? Warum können die Praktiken die den Habitus hervorbringen nicht abgeleitet werden?

--Frank Epple 23:52, 26. Okt. 2008 (CET)



Frage zu Pierre Bourdieu: Sozialer Sinn. S. 97-121

Auf S.115 wirkt es auf mich als würde Bourdieu die teleologische Beschreibung schlicht als das subjektive Gegenstück zur objektiv mechanistischen darstellen (wobei es beide zu überwinden gilt). Dazu passend schreibt Bourdieu auf S.98 im Kontext der Erklärung der Habitusformen: "Als Erzeugungs- und Ordnungsgrundlagen für Praktiken und Vorstellungen, die objektiv an ihr Ziel angepasst sein können, ohne jedoch bewußtes Anstreben von Zwecken und ausdrückliche Beherrschung der zu deren Erreichung erforderlichen Operationen vorauszusetzen, die objektiv geregelt und regelmäßig sind (...)." Hierbei frage ich mich, ob das unbewusste Anstreben von Zwecken die Zweckmäßigkeit etwa ausschließt. Speziell eine Erstkonditionierung (S.117), oder (im Gegensatz dazu) die Praxiswelt, als eine Welt realisierter Zwecke, die mit einem "dauerhaft teleologischen Charakter ausgestattet sind" (S.100), würde doch Zwecke einleiten, bzw. als Zielgrund fungieren können. Ich frage deswegen, weil ich es nicht glauben oder denken kann, dass eine teleologische Beschreibung notwendigerweise in die Kategorie des freien rational Handelnden hineinfällt. Noch weniger bin ich mir über dieses Verhältnis klar, wenn ich bedenke, dass sich die Intentionen des rational Handelnden, welcher auf S.118 als Ausnahmefall bezeichnet wird, objektiv mit den objektiv berechenbaren Profiten decken. Wird hier außerdem nicht der rational Handelnde dem mechanischen Subjekt irgendwie gleichgesetzt, indem Bourdieu versucht den beiden Polen einen derart extremen Standpunkt zuzuweisen, dass sie sich letztendlich in ihrer abstrakten Form nicht mehr voneinander unterscheiden? Oder muss ich bedenken, dass die Strukturen vom Habitus einverleibt werden und somit auch vorhanden, nur nicht mehr bewusst vorhanden sind? Aber wäre das nicht eine etwas abgeflachte Erklärung, welche das oben erwähnte Problem erneut stellt?

--Leo stadlmüller 00:31, 27. Okt. 2008 (CET)










zurück zu SE "Zukunft" bei Heidegger und Bourdieu (Nemeth)