Ist-Situation in Deutschland im Jahr 2004 (JsB - Migration)

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Statistiken wie z.B. die Berufsbildungsstatistik berücksichtigen nicht den Migrationshintergrund, sondern lediglich die Staatszugehörigkeit. Das bedeutet, dass Personen mit deutschem Pass und Migrationshintergrund nicht als Migranten berücksichtigt werden. Somit erfasst die amtliche Statistik nur einen Teil der Einwohner mit Migrationshintergrund. Tatsächlich haben schätzungsweise rund ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland einen Migrationshintergrund, doch nur rund 12% eine ausländische Staatsangehörigkeit.
20% aller bei der Bundesagentur gemeldeten Lehrstellenbewerber haben einen Migrationshintergrund.
2004 begannen zwar 40% der deutschen Bewerber, aber nur 29% derjenigen mit Migrationshintergrund eine betriebliche Lehre. Während 21% aller bei der Bundesagentur gemeldeten Bewerberinnen einen Migrationshintergrund haben, sind sie bei den Bewerberinnen, die in eine Ausbildung einmünden mit 17% unterproportional vertreten. Noch deutlicher ist der Unterschied bei den jungen Männern (20% zu 13%).
Jeder vierte Bewerber mit Migrationshintergrund mündet in Bildungsgängen des „Chancenverbesserungssystems“, d.h. in beruflicher oder schulischer Grundbildung bzw. in ein Praktikum. Im Vergleich zu Lehrstellensuchenden ohne Migrationshintergrund sind sie hier überproportional vertreten (26% zu 22%).
Jeder vierte bzw. knapp jeder fünfte Lehrstellenbewerber mit Migrationshintergrund mündet 2004 nicht in eine Grundbildung ein, sondern ist arbeitslos oder jobbt – häufiger als junge Männer und Frauen ohne Migrationshintergrund auf Lehrstellensuche (15%). 2004 befinden sich 25% aller ausländischen Jugendlichen in einer dualen Ausbildung (im Vgl. zu 59% bei deutschen Jugendlichen).


Rückwärtstrends zwischen 1993 und 2004

Die Ausbildungsbeteiligungsquote (Anteil der ausländischen Azubis an allen ausländischen Jugendlichen) schon 1994 mit 34% niedrig, so sinkt sie bis 2004 auf 25%.
Zwischen 1993 & 2004 ist die deutsche Wohnbevölkerung im Alter von 18 bis 21 Jahren, die zur Berechnung der Ausbildungsquote als Vergleichsgruppe herangezogen wird, um 18% gestiegen, die Zahl der deutschen Auszubildenden hingegen um knapp 1% gesunken. Die ausländische Wohnbevölkerung hat hier – zum Teil wegen Einbürgerungen – einen Rückgang von 26% zu verzeichnen, die Zahl der ausländischen Azubis sinkt im Vergleichszeitraum mit 43% jedoch überproportional.
Einen Rückwärtstrend gibt es besonders bei weiblichen Azubis: Die Zahl aller Azubis ist zwischen 1995 und 2003 insgesamt um ca. 5% gestiegen, aber bei denen ausländischer Nationalität um knapp 20% gesunken.
Der Anteil männlicher Jugendlichen ausländischer Nationalität an allen männlichen Azubis ging zwischen 1995 und 2005 „lediglich“ von 11% auf 6% zurück.
Die Zahl aller männlichen Azubis im Handwerk beispielsweise sinkt zwar um 16%, die der Azubis ausländischer Nationalität aber um 52%. Die Zahl aller männlichen Azubis in Industrie und Handel steigt zwar um 22%, die derjenigen ausländischer Nationalität sinkt dagegen um 33%.


Gesamtbilanz

Männliche Auszubildende verzeichnen zwischen 1995 und 2003 insgesamt zwar einen leichten Zuwachs von einem Prozent, die Zahl derjenigen mit ausländischer Nationalität jedoch sinkt um 44%. Die Zahl aller weiblichen Azubis steigt sogar um 5% an, jedoch sinkt die Zahl der jungen Frauen ausländischer Nationalität mit Lehrstelle um 20%. Also liegen die Verluste an Ausbildungsmöglichkeiten für junge Männer ausländischer Nationalität zwar doppelt so hoch wie die der Frauen, die Ausbildungsquote ist aber 2003 mit 30% noch um 5% höher als die der Frauen.


Diskussion

Eine Reihe von Untersuchungen (z.B. Pisa-Studie) zeigen, dass Bildungschancen in Deutschland in erster Linie sozial und nicht nach ethnischen Gruppen unterschiedlich verteilt sind. Andererseits belegt PISA aber auch, dass Schüler mit Migrationshintergrund ein höheres Risiko haben, zu denjenigen mit schwacher Lesekompetenz zu gehören. Dieses ist vemutlich ein Item, das die mangelnhaften schulischen Bildungsvoraussetzungen der Schüler mit Migrationshintergrund als Begründung für Nichteinstellung aus Sicht mancher Fachmänner begründet.
Doch selbst bei gleichen Schulabschlüssen liegen die Erfolgsaussichten von Bewerbern mit Migrationshintergrund deutlich niedriger als die von deutschen Jugendlichen. Bei den Hauptschülern ist dieses Verhältnis 25% zu 29%, bei Realschülern 34% zu 47%. Dies bedeutet, dass die Ausbildungschancen für Bewerber ohne Migrationshintergrund mit einem besseren Schulabschluß stärker ansteigen als die derjenigen mit Migrationshintergrund.
Weitere immer wieder angeführte Erklärungen für die ungünstige Ausbildungslage von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, wie z.B. mangelndes Interesse und Engagement werden durch wissenschaftliche Untersuchungen beständig widerlegt.


Literatur

Granato, M. (2005). Junge Frauen und Männer mit Migrationshintergrund: Ausbildung ade. Frankfurt, Berlin

Granato, M.& Soja, E. (2005). Qualifizierung junger Menschen mit Migrationshintergrund - integraler Bestandteil im Bildungsbereich? Wirtschaft und Berufserziehung, 5

Ulrich, J. G. (2005). Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Ergebnisse aus der BIBB-Berufsbildungsforschung. In INBAS(Ed.), Werkstattbericht 2005. Frankfurt, Berlin


                                                                 Autor: Michael Hölzle (2007)