Historische Entwicklungen und gesetzliche Regelungen (JsB - Migration)

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Historische Darstellung der Einwanderungspolitik und schulischer Fördermaßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund in Österreich ab 1960

siehe auch eine demographische, historische Übersicht der Einwanderung nach Österreich

siehe auch einen historischen Überblick über die Asyl- und Migrationspolitik


Die "Gastarbeiterbewegung"

Am Anfang der 1960er Jahre herrschte eine starke Nachfrage nach Arbeitskräften. Aus diesem Grund wurden zunächst "Gastarbeiter" aus Spanien und später eine größere Zahl an Arbeitskräften aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei angeworben. Die österreichische Vorstellung sah dabei so aus, dass junge Männer ohne Familie nach Österreich kommen sollten um hier für eine gewisse Zeit zu arbeiten und anschließend wieder in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Diese Vorstellung bewahrheitete sich allerdings nicht, sondern das Gegenteil geschah. Viele "Gastarbeiter" blieben und holten ihre Familien aus ihren Heimatländern nach oder gründeten in Österreich eine Familie.
Aufgrund der Ölkrise 1973, die in Österreich, wie auch in den meisten anderen Industriestaaten, zu einer Rezession führte, kam es 1974 zu einem Aufnahmestopp von ausländischen Arbeitskräften und die Zahl an "Gastarbeitern" wurde in den darauf folgenden Jahren um 55 000 reduziert. (Zum Vergleich: Die Höchstzahl war 1973 mit 229 800 "Gastarbeitern" in Österreich erreicht worden.)


Bilaterale Zusammenarbeit

Durch die Rückkehr vieler ausländischer Familien in ihre Herkunftsländer sahen sich die jeweiligen Länder allerdings mit vielen "Quereinsteigern" in ihre Bildungssysteme konfrontiert. Auch in Österreich wurde Mitte der 70er Jahre die Ausbildung und Integration von Kindern ausländischer Familien, die entweder schon in Österreich geboren oder nachgeholt worden waren, zunehmend ein wichtiges Thema.
Aus diesem Grund wurden die Stimmen laut es solle eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit bezüglich Bildungsfragen entstehen, um eine Lösung zu finden, die Kindern von "Gastarbeitern" den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in das Bildungssystem des Herkunftslandes erleichtern sollte. 1977 wurden die Unterzeichnerstaaten der "European Convention on the Legal Status of Migrant Workers" aufgefordert zusammenzuarbeiten.
"Die Entsende- und Aufnahmeländer sollten nach Möglichkeit dafür sorgen ausländischen Kindern während ihres 'zeitweiligen Aufenthaltes' muttersprachliche Spezialkurse anzubieten." (Cinar/Davy: 1998, S.26)
Somit war die Möglichkeit geschaffen worden muttersprachlichen Unterricht anzubieten und Österreich begann in weiterer Folge mit der ehemaligen sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien und der Türkei im Rahmen einer bilateralen Kooperation zusammenzuarbeiten. Ihre Arbeit betraf dabei die Bestellung der Lehrkräfte, den Lehrplan und die Schulbücher. Die Zusammenarbeit blieb 15 Jahre lang bestehen. (vgl. Leichtfried: 2003, S.8)


Ziele der muttersprachlichen Förderung

Wie schon angedeutet, bestand zu dieser Zeit das vorrangige Ziel des als Schulversuch geführten "muttersprachlichen Zusatzunterrichts", wie er damals genannt wurde, darin, Kindern dadurch den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in das Schulsystem des Herkunftslandes zu erleichtern. Da man also von der Rückkehr der Familien in ihre Herkunftsländer ausging, bestand das Hauptziel darin, die kulturelle Verbundenheit mit der Heimat zu erhalten.
Der Deutscherwerb und die damit verbundene Assimilation und Integration war zwar nicht das vorrangige Ziel, doch dennoch ein Teilziel. Dies wurde jedoch in den 70er und 80er Jahren nicht als Widerspruch zum muttersprachlichen Zusatzunterricht wahrgenommen, sondern entsprach den Empfehlungen des Europarats und wurde auch in vielen anderen Industriestaaten so praktiziert. (vgl. Pallavicini: 2004, S.52ff. bzw. Cinar/Davy: 1998, S.28)


Eine neue Herangehensweise

Da viele Familien, wie schon erwähnt, nicht zurückkehrten, wurde die bilaterale Kooperation Anfang der 90er Jahre beendet. Außerdem wurde eine neue Strategie erarbeitet, wie man den sich ändernden Anforderungen an das österreichische Schulsystem begegnen könne.
So bereitete man die Übertragung der seit Mitte der 70er Jahre durchgeführten Schulversuche zur Förderung und Integration von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache ins Regelschulsystem vor. (vgl. Cinar/Davy: 1998, S.38)
Mit der Novellisierung der Pflichtschullehrpläne 1992/93 wurden drei Grundpfeiler für die Förderung von Migrantenkindern festgelegt:

  • Muttersprachlicher Unterricht
  • Das Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen"
  • "Deutsch als Zweitsprache" - Unterricht

Ab nun sind "alle SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch, ungeachtet der Staatsbürgerschaft, […] berechtigt, am muttersprachlichen Unterricht teilzunehmen" (Pallavicini:2004, S.53ff.).
Heute geht der Trend österreichweit in Richtung einer Ausweitung des muttersprachlichen Unterrichts. (vgl. Pallavicini:2004, S.54


Verwendete Literatur

Cinar, Dilek (Hg.): Gleichwertige Sprachen? - Muttersprachlicher Unterricht für die Kinder von Einwanderern. Forschungsbericht des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Innsbruck, Studienverlag, 1998

Leichtfried, Barbara: Muttersprachenförderung als Schlüssel zur sozialen Mobilität. Wie weit finden die wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich des Bilingualismus von Migrantenkindern Eingang in die österreichische Schulpolitik? Diplomarbeit aus der Studienrichtung Deutsche Philologie, Universität Wien, 2003

Pallavicini, Nathalie: Bestandsaufnahme der aktuellen Situation von Volksschulkindern mit nichtdeutscher Muttersprache im Bundesland Vorarlberg. Diplomarbeit aus der Studienrichtung Sprachwissenschaft, Universität Wien, 2004


                                                              Autorin: Daniela Weinlich (2007)