Diskussion:Wittgensteins "Tractatus": Platon ein für allemal (BD)

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Gut ist, was Gott befiehlt. Aber kompetent ist, was gewisse Kriterien erfüllt.

Mir ist die Wittgensteinsche tiefere Position insofern plausibel, weil sie meinem Verständnis nach davon ausgeht, dass man an die Struktur von den höchsten Zielen nicht herankommt; prinzipiell nicht herankommt. Aber wird auch behauptet, dass man an ganz 'normale' Ziele nicht herankommt? Denn im Beispiel des Golf-spielens oder Schach-spielens oder Programmierens kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es sich nicht um ein falsches Versprechen handelt, wenn man sagt: "Wer Golf spielen kann, hat folgende Menge von Eigenschaften" und wenn man sagt: "Du kannst dich durch Übung langsam annähern.".

Diese Kompetenzen kann man erreichen. Man kann auf Leute zeigen, die das Ziel erreicht haben. Man kann sie beobachten. Andere Leute können mich beobachten und feststellen, ob ich Golf spielen kann oder nicht.

Bedenklich ist das sicherlich bei Zielen, die nicht direkt durch Wahrnehmung überprüfbar sind, die regulativ sind, wie z.B. ein guter Mensch zu sein, denn da muss man einen Begriff von Gut haben, der nach Wittgenstein in den unzugänglichen Urbildern liegt und sich wenn dann nur zeigt.

Man könnte darauf antworten, dass die Zuschreibung der Kompetenzen (oder: der 'normalen' Ziele) stark von den Urbildern abhängt, dass jemand z.B. nur "gut" Golf spielen kann, wenn er ein "guter" Mensch ist. Das wäre aber meiner Meinung nach eine Überinterpretation der ethischen Komponente unserer Handlungen. "Gut" kann also bedeuten: "Entspricht einer anggebbaren Spezifikation, einem Verhaltenskodex" und andererseits "Entspricht einer regulativen Idee, die wir nicht streng spezifizieren können, von der wir aber aufgrund unserer Erfahrungen (mit den Verknüpfungen von Elementarsätzen) eine vage Vorstellung haben; eine Art Kraftfeld, das unsere Urteile in eine bestimmte Richtung zieht". Die erste Bedeutung von gut würde ich für funktionale Kompetenzen verwenden, die nun einmal notwendig sind für das tägliche Leben (Lesen, Schreiben, Golfspielen, Nüsse knacken, Programmieren), die andere Bedeutung für Urteile von ganzen Zusammenhangskomplexen ("Dass Maxi dem Thomas seine ehrliche Meinung gesagt hat und dabei gleichzeitig freundlich geblieben ist, fand ich sehr beeindruckend.", "Es ist nicht in Ordnung, einen Menschen grundlos ins Wort zu fallen."). Googolplex 16:54, 12. Mai 2009 (UTC)

Ich habe die "funktionale" und die "metaphysische" Betrachtungsweise von Lernprozessen nicht deutlich auseinandergehalten, sondern das Golfspielen als Beispiel für die viel prinzipiellere Frage genommen, um die es bei Platon und Wittgenstein geht. Das ist unkorrekt und Googolplex hat ganz recht, darauf hinzuweisen. Das ist andererseits nicht einfach passiert, sondern mit einem Hintergedanken verbunden gewesen.

Die sichere Vorgangsweise besteht darin, zwischen pragmatischen und universalen Zugängen zu trennen. Man kann lernen, Golf zu spielen - und dann gibt es die große philosophische Frage danach, ob man "das gute Leben" lernen kann. Die Analogie wird etabliert, nur um gleich wieder eine Unvereinbarkeit anzumelden. Für dieses Lernen bedarf es der Philosophie. (Siehe P. Hadot) Dagegen spricht sich Wittgenstein aus und um das zu verdeutlichen, habe ich den gewöhnlichen Begriff des Lernens an seinem (universalen) Thema scheitern lassen. --anna 08:29, 13. Mai 2009 (UTC)


mir fällt es schwer die Differenz der Ansätze Platons und Wittgensteins als eine prinzipielle nachzuvollziehen. Das Starkmachen der Unterschiede dieser Positionen basiert scheinbar darauf, dass sie auf Unterschiedlichen Ebenen vorgestellt wurden - wie Googolplex dies bemerkt. Während bei Platon die Ideen des Guten und Schönen den Hintergrund der Überlegungen bildeten, wurde Wittgenstein an der Bildung z.B. des Begriffs eines Buches verhandelt. Bei der Diskussion des Ersteren habe ich darauf hingewiesen, dass die Ideenlehre durchaus im Sinne einer Begriffsbildung (durch Dihairese) zu verstehen ist. Wir hätten auch hier die nicht näher bestimmbare Identifizierung von etwas ALS etwas. Ähnlich ist auch bei Wittgenstein die Leistung ein Buch als Buch zu begreifen etwas, das eben zu passieren hat, indem ich das Gemeinsame aller Bücher (intuitiv?)erfasse ohne es benennen zu können.

Dass es bei Platon eher um die "großen Themen" und bei Wittgenstein um die kleinsten Bausteine geht, ist wohl dem Grundinteresser dieser beiden Philosophien geschuldet. Aber wenn wir sie hier gemeinsam vor dem Hintergrund des Bildungsdiskurses betrachten, sollte wir folgendes beachten: Der Aufstieg zu den Ideen ist bei Platon alles andere als klar vorgezeichnet und bleibt letztlich eine fundamentale Fähigkeit (wessen auch immer) ähnlich dem "erkennen" der Urbilder Wittgensteins. Und andererseits sind die Elementarsätze zwar nichts auf das man mit dem Finger zeigen kann, aber trotzdem wissen wir ja was ein Buch ist.

Dass Platon historisch für die Vorstellung des "aufsteigens" paradigmatisch wurde, während dieser Gedanke bei Wittgenstein nicht zu finden ist, bedeutet m.E. nicht, dass Wittgenstein Bildung so denkt, dass uns die Urbilder unerreichbar im Sinne von vorgegeben (von einer Autorität? von der Gesellschaft? von Gott? vom Wesen des menschlichen Geistes? - von wem den Bitteschön?) sind, sondern bloß unerreichbar im Sinne von unbenennbar, unangebbar.

Dadurch würde die Verbindungslinie zu den Datenbanken brüchig - warum also bei Wittgenstein Bildung (letztlich Erkenntnis) als operieren in einem vorhandenen Raster gedacht sein sollte, leuchtet mir noch nicht ein.--Jokerjockel 06:35, 13. Mai 2009 (UTC)

Zugegeben, ein Unterschied besteht zwischen "dem Schönen", "der Gerechtigkeit" und dem vergleichsweise banalen "Buch". Aber die gemeinsame Absicht scheint mir doch entscheidend. Im Fall Platons geht es darum, den für alle schönen Dinge bestimmenden Begriff zu finden, bei Wittgenstein soll erfasst werden, was eine Menge von "features", die uns in Elementarsätzen begegnen, zu "Büchern" macht. Auch hier ist die bestimmende Form gefragt. Urbilder sind "Ideen", allerdings ist ihre Beschaffenheit dramatisch "verflacht": die Idee des Buches ist einfach das, was allen "features", die wir als Bücher behandeln, gemeinsam ist. Wittgenstein: es zeigt sich darin, dass in allen betreffenden Sätzen ein gemeinsames Zeichen vorkommt.

Damit verbindet sich, wie Jokerjockel völlig zu Recht schreibt, das Problem, dass wir gerne wüßten, woher wir die Urbilder kennen. Um die Gemeinsamkeit der "features" wahrzunehmen, brauchen wir eine Kompetenz. Sie wird normalerweise als Begriffsverständnis bezeichnet. Nach Platon ist sie den vernünftig Fragenden gegeben. Und tatsächlich: "Der Aufstieg zu den Ideen ist bei Platon alles andere als klar vorgezeichnet". Im Tractatus ist er blockiert. Es gibt keinen Aufstieg, die Urbilder zeigen sich. Das ist, kann man mit Recht einwenden, keine Antwort, sondern die Verweigerung einer Antwort. In Diskussion:Vielgestaltig und wahr: Verbindung zu Wittgenstein (BD) habe ich versucht, einen Lernprozess im Sinn der späteren Wittgensteins zu skizzieren.

Die Verbindung mit den Datenbanken muss ich noch näher ausführen. Vorweg angedeutet: Erkenntnis ist im Tractatus, ebenso wie in einer Datenbank, die ein Weltmodell vorgibt, vorweg durch eine sinngebende logische Form definiert, zu der es "von innen", d.h. mittels der Sprache dieses Weltmodells, keinen Zugang gibt. --anna 08:29, 13. Mai 2009 (UTC)

Die Spannende Frage ist: Wenn es keinen Aufstieg gibt, was hat das alles dann überhaupt mit Bildung (im herkömmlichen Verständnis) zu tun? Können wir dann überhaupt noch von einem Bildungsprozess sprechen? Nun ja. Auch wenn Bildung "vorweg durch eine sinngebende logische Form definiert" ist (wie kann eine logische Form sinngebend sein???), bleibt uns immer noch die Leistung, das Begriffsverständnis, das schauen der Urbilder zu tun übrig... Vielleicht sind die unterschiedlichen Ansatzpunkte auch bei dieser Frage zu berücksichtigen. Vielleicht hat Platon (man verzeihe mir die saloppe formulierung) zu großen Respekt vor Ideen des Schönen Wahren und Guten als dass er sie uns "auf einmal" erkennen lassen könnte - und es spricht ja einiges aus der Alltagserfahrung dafür, dass es schon eine Zeit braucht wirklich zu wissen was schön ist - an anderer Stelle ist aber auch von einem Tischler die Rede, der sich bei seiner Arbeit nach dem idealen Tisch richtet - ist der ideale Tisch etwas zu dem der Tischler Zugang hat, durch seinen Bildungsprozess in der Tischlerlehre Zugang gefunden hat? Oder muss er sich - genauso wie Wittgenstein wenn er wissen will was ein Malteserkreuz ist - einfach den vorhandenen Tischen überlassen und irgendwann einfach begreifen was ein Tisch ist? Auch Platons Ideen sind vorgegeben - im Ideenhimmel. Sie sind bloß etwas elaborierter als ein Buch oder ein Malteserkreuz und deswegen müssen wir mühsam zu ihnen aufsteigen. Was Platon im Gegensatz zu (dem bisjetzt von) Wittgenstein (gesagten) sieht, ist jedoch dass auch wenn der Rahmen noch so festgefügt ist, der Rahmen allein uns den Sinn nicht geben kann! Das müssen wir selbst tun und vielleicht ist "nur" das mit dem Aufstieg gemeint - nicht mehr (im Sinne der in der VO angedeuteten selbstüberschätzung des Bildungsbürgers), aber auch nicht weniger (im Sinne eines Systems von Modulen im neuen Bacherlorstudiengang).--Jokerjockel 12:02, 14. Mai 2009 (UTC)