Diskussion:Tabellarisch und abfragbar: Verbindung zu Datenbanken (BD)

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Inhaltliche, Technische und Praktische Überlegungen zur letzten Vorlesung

Ich habe mir die letzte Vorlesung zweimal angehört und bin der Meinung, dass es hier um sehr wichtige Dinge geht, vor denen wir uns konfrontiert sehen in einer Zeit, wo jeder seine Abfragen an Datenbanken stellt (sei es google, netbanking oder das sammelzeugnis), wo aber andererseits trotz aller Strukturiertheit der Daten ein Wunsch nach einer anderen Ordnung mitschwingt, die nicht ausschließlich von Automatismen und Zeichenmanipulation geprägt ist.

Ein paar Anschlussgedanken dazu:

Die Voraussetzungen, den Meta-Sprung zu verbieten

Datenbank eigenen sich auf der Benutzerbene sehr gut dazu, die wichtigen Dinge im Traktatus zu erläutern, wie das in der Vorlesung geschehen ist.

Was ich ergänzen möchte: Wenn man eine Abfrage stellt, dann sieht man innerhalb der Antwort ja auch die einzelnen Attribute mit ihren Bezeichnungen - eben im Kopf der Tabelle. Jetzt kann sich jemand, der die Antwort erhält, sofort die Frage stllen, warum die Tabelle so strukturiert ist.

Wittgenstein verbietet im Traktat diese Frage, weil dort vorausgesetzt wird, dass die Struktur der Welt ein für alle Mal festgestellt werden kann und wenn das geschehen ist, gibt es nichts mehr zu tun. Alles, was gesagt werden kann, wird im Rahmen dieser Struktur gesagt und fertig.

Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass jeder, der das "und fertig" hört, sofort das Gegenteil im Kopf haben kann, nämlich: Nagut, du hast diese Struktur festgelegt. Aber sobald sie festgelegt ist, sage ich: Da fehlt noch etwas. Wie aber möchte mir jemand, der dieses Verbot ausspricht, plausibel machen, dass das alle Bedingungen vernünftigen Redens sind? Das kann er nicht denn sobald er das tut ist er selbst in der Meta-Betrachtung. Ich glaube sogar,dass das Verbot selbst schon eine Meta-Betrachtung ist. Natürlich schafft man sich einige (logische und philosophische) Probleme vom Hals, wenn man den Meta-Sprung verbietet, aber die natürliche Reaktion auf etwas, was als eine vollständige Struktur daherkommt, ist nunmal Skepsis und Nachfrage - vor allem wenn es um die Bestimmung geht, wovon man vernünftigerweise reden darf.

Das ist tatsächlich ein entscheidender Unterschied. Er hängt damit zusammen, dass Wittgenstein in der Tradition der platonischen Universalbetrachtung (die Vernunft) denkt, während Datenbanken immer nur Einzelkonstruktionen sind. Der philosophisch-informatische Witz der Situation ist dabei natürlich die besondere "Starrheit" solcher Entwürfe. In beiden Fällen spielt weder die Zeit, noch die Interdependenz einzelner Komponenten eine Rolle. Das ist offensichtlich unrealistisch - und doch in gewisser Weise auch unvermeidbar. --anna 05:00, 22. Mai 2009 (UTC)

Der Meta-Sprung und Social Tagging

Ist es mit Wittgenstein kompatibel, wenn man sagt: Sobald man den Meta-Sprung versucht, geht man nicht tatsächlich auf die Meta-Ebene sondern verschiebt nur die Grenzen der Tabelle; oder anders: Durch den Meta-Sprung entkommt man der Tabelle nicht, sondern erweitert sie nur?

Ich frage, weil ich folgendes im Hintergrund habe:

Die Netzgemeinschaft praktiziert in letzter Zeit und vielleicht genau als Reaktion auf die Erkenntnis, dass die starren Sachverhalte "nichts wert sind", wenn wir sie vom "Ideenhimmel" trennen, genau das, was Wittgenstein im Traktat verboten hat: Sie reorganisiert die Tabelleninhalte ständig auf neue Weise (Stichwort: Social Tagging).

Diese Tätigkeit dürfte aber nichts Elitäres an sich haben, denn es steht nicht nur einer einzigen Gruppe von (gebildeten) Leuten (z.B. Datenbank-Administratoren oder Philosophen) frei, den Inhalt zu strukturieren, sondern prinzipiell jeder, der den Inhalt lesen kann, darf die Inhalte Kategorisieren (was auch die Problematik bzgl. "sinnvoller" Daten etwas weniger problematisch macht, denn sinnlose Daten, mit denen niemand etwas anfangen kann, werden durch die Struktur gar nicht erst erfasst).

Dadurch wird u.A. die Dichotomie zwischen Datenfriedhof und Menschen-nahes Wissen etwas mehr verwischt, da ständig andere Datenaggregationen (Sichtweisen auf Daten) angefertigt werden. Wenn man das will könnte man sagen, dass sich dadurch Cluster bilden, die man zu bestimmten Vernunftversionen zusammenfassen kann.

Die "folksonomy" (folk taxonomy) ist ein gutes Beispiel sowohl für die Plastizität der Einteilungen, als auch dafür, dass sie - zumindest in diesem Kontext - auf einer Starrheit aufbauen muss. Sobald ich ein weiteres Attribut einführe, habe ich in die Datenbankstruktur eingegriffen und eine Option geschaffen. Dadurch ist der Möglichkeitsspielraum erweitert worden. Der Preis dafür: ich operiere mit einem komplexeren System und muss auch etwas vorsehen, diese Zusätze eventuell wieder auszuschalten. --anna 05:06, 22. Mai 2009 (UTC)

Üblicherweise hat man mehrere (verknüpfte) Tabellen

Noch ein kleines technisches Detail: Auch abgesehen von Social Tagging, stehen hinter den meisten Web-Anwendungen nicht nur eine, sondern eine Vielzahl von Tabellen, die z.B. mit Fremdschlüssel miteinander verbunden sind.

DATENbanken, nicht INFORMATIONS-Depots

In Bezug auf Egon Becker:

Ich sehe die Dinge, die in Datenbanken sind, als Daten/Junks und nicht als Information. Symbole, die nach bestimmten Regeln geordnet werden, auch wenn die Art und Weise, wie die Regeln geordnet sind, selbst veränderbar ist. (Auf einer tieferen Ebene muss übrigens auch die Struktur der Tabelle ein Inhalt sein, denn irgendwo muss sie ja physikalisch gespeichert werden)

Dass auf einer Website Informationen deponiert sind, ist also metaphorisch gesprochen und möchte verdeutlichen, dass man dort etwas finden kann, was man eventuell braucht.

Selbst in der Nachrichtentechnik ist Information nicht einfach ein bestimmter Inhalt, sondern bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Folge von Inhalten (z.B. eine Zeichenkette) auftaucht. Je unwahrscheinlicher es ist, dass diese Folge durch die Daten, die man bereits hat, vorhergesehen werden kann, desto größer ist der Informationsgehalt und im gleichen Maß geringer die Redundanz.

Es ist also redundant, im Attribut Sozialversicherungsnummer nochmals "19 03 1970" einzutragen, wenn das bereits im Attribut Geburtsdatum steht.

In Bezug auf den Nutzer einer Website: Information entsteht erst dann, wenn jemand eine Abfrage stellt und die Antwort dazu führt, dass sich die Menge der Anschluss-Möglichkeiten, die man hat, verändert. "Aha - Überflieger wohnt also in Entenhausen 12 - jetzt habe ich die Möglichkeit, ihm einen Brief zu schreiben oder ihn gegen seinem Willen Werbung zu schicken". Googolplex 14:54, 21. Mai 2009 (UTC)