Diskussion:Islamische Symbole und die Trennung von Staat und Kirche

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1.) Mir erscheint die von Galeotti ausgeführte liberale Position, die für ein neutrales Auftreten der SchülerInnen im öffentlichen Raum (öff. Schule) ist, äußerst seltsam:

Es ist doch nicht Hauptaufgabe der SchülerInnen, in der öff. Schule neutral zu sein, das Gefährdungspotential liegt wohl weit eher bei der (nicht-neutralen) Beeinflussung der SchülerInnen in der Schule. Nun ist Schule nicht nur öffentliche Sphäre, sondern viel mehr ein Lebensraum, in dem ich mich als Individuum ausdrücken und möglichst so sei können möchte, wie ich eben bin. Ich habe als Schülerin, die eine öffentliche Schule besucht hat, tatsächlich nie darüber nachgedacht, dass ich mich nun in der öffentlichen Sphäre aufhalte, wo ich im Sinne des Liberalismus keineN durch meine Kleidung belästigen darf. Was ich sagen will: Wer will sich denn noch in der öffentlichen Sphäre bewegen, wenn diese erst nach einer völligen "Neutralisierung" (also etwa Punk- Kleidung und damit ev. Lebenseinstellung ablegen,...)betreten werden darf!? Sollte es wirklich Forderung eines liberalen Staates sein, dass BürgerInnen, um die öff. Sphäre zu betreten, erst alle ihre Besonderheiten ablegen müssen? Wohin würde das führen? Wo könnten provokative, neuartige, fortschrittliche Lebenshaltungen ausgedrückt und (politisch) vorangebracht werden? Ist so eine völlig neutrale öffentliche Sphäre nicht ein Konstrukt, das Menschen mehr in ihrer Individualität einschränkt, als sie zu "befreien"? Warum könnte dieses Konstrukt dann erstrebenswert sein? Für mich hat die öffentliche Sphäre eher mit einer Art "Treffpunkt" von unterschiedlichen Menschen zu tun, wo Dinge ausgehandelt werden können, ohne dass Unterschiede als unneutral schon im Vorhinein davon ausgeschlossen werden müssten.

2.) Die liberale Trennung von öffentlicher und privater Sphäre:

Dieses Konzept funktioniert nur in positiver Weise (also ohne, dass manche davon profitieren und andere dadurch unterdrückt werden) in einer Lebenssituation, wo tatsächlich alle Menschen schon gleich (im Sinn von nicht diskriminiert) und frei sind. Diese Situation findet sich allerdings nirgends. In einer Gesellschaft, in der Frauen, MuslimInnen u.a. unterdrückt werden, geht diese Trennung auf Kosten der Unterdrückten und hat somit nichts mit Neutralität zu tun: Etwa die Beschränkung der Frauen auf die Privatssphäre, die diese nicht "nur" massivst in ihrer persönlichen Entfaltungsfreiheit beschränkt (hat), sondern auch etwa finanziell von den Männern abhängig macht(e).

3.) Die Frage, die auch Galeotti anspricht: Was ist neutral und wer bestimmt Neutralität?, scheint in der Kopftuchfrage enorm relevant zu sein.

Auch in diem Punkt zeigt sich, dass Liberalismus - zumindest in den praktizierten Ausformungen, aber wohl auch in seinen Grundlagen- nicht neutral ist und vielmehr das Dogma der Neutralität dazu dient, unterdrückte Gruppen eben nicht von ihrer Unterdrückung zu befreien (was ja der Ausgangspunkt des Liberalismus ist), sondern deren Unterdrückung vielmehr perpetuiert.

4.) Wenn die Toleranz des neutralen Staates darin besteht, sich nicht in Konflikte zwischen unterschiedlichen Positionen einzumischen und diese in die Privatssphäre zu verdrängen, ist dieses Verhalten wohl nicht tolerant, vielmehr umgeht "der Staat" eine Situation, in der Toleranz gefragt sein könnte.

Bestehen in der privaten Sphäre aber nun Ungleichheiten zwischen den Konfliktparteien, unterstützt dieser "tolerante", "neutrale" Staat eine Situation, in der Konflikte auf Kosten der Unterdrückten "gelöst" werden. Schließlich ist es nicht neutral, nichts gegen unterdrückung zu tun, sondern selbst schon wieder ein Akt der Unterdrückung.

5.) Die Behauptung des Getrenntseins von Privatheit und Öffentlichkeit ist schlicht nicht aufrecht zu erhalten: Staatliches Handeln greift massiv in Privatsleben ein (vgl. Verwaltungsstaat, Gesetze, unterlassenes Handeln, etwa das lange Absehen der westlichen Staaten davon, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen), andererseits beeinflussen die Verhältnisse in der privaten Sphäre massiv die öffentliche Sphäre, die ja aus der Summe der BürgerInnen mit ihren individuellen privaten Sphären besteht.

--Sophie 18:06, 22. Jun 2006 (CEST)