Diskussion:Die wunderbarste geistige Maschine, die je entstand (Code)

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Version vom 18. April 2008, 14:42 Uhr von Richardd (Diskussion | Beiträge) (Das uneigentliche Zeichen als Residuum einer notwendigen Verantwortungslosigkeit und der Laplacesche Dämon)
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Code als Instrument

Das instrumentelle Uneigentliche bei Husserl befördert möglichereise ein Sprachverständnis, das Sprache, zumindest teilweise, auf ein Gebrauchsmittel, ein "Arbeitsinstrument" reduziert. In einer vielleicht überzogenen Interpretationsweise, die sich mit Bestimmtheit aus einer Ausweitung des Einflusses der Technik speist, könnte dem uneigentlichen "Platzhalter" ein Verlust von "Gewicht" attestiert werden.

In einer Zugangsweise die von Heidegger motiviert wäre, könnte man sagen, dass der uneigentliche Umgang jedwedes Lebenszusammenhanges verlustig gegangen ist. Die uneigentlichen Vorstellungen bleiben starr und gegenwärtig, sie erlangen den Charakter von Gegenständen und forcieren eine von Heidegger negativ besetzte Metaphysik.

Wir kommen hier zurück zu einem Thema des vorigen Semesters. Transponiert auf eine elektronische Ebene ließe sich hier wieder von der Ebenen- bzw. Generationsthematik von Programmiersprachen sprechen, die z.B. Kittler aus dem protected-mode las.

[1]

Der Mensch ist durch die komplexe Codifizierung und Blackboxing essentieller Vorgänge in der Uneigentlichkeit festgefroren.

Inwieweit eine Kritik an der pragmatischen Nutzung von Codes zulässig ist beherrschte auch schon damals die Diskussionen: http://philo.at/wiki/index.php/Diskussion:Traumas_of_Code_%28Code%29

--Richardd 11:25, 18. Apr. 2008 (CEST)


Das uneigentliche Zeichen als Residuum einer notwendigen Verantwortungslosigkeit und der Laplacesche Dämon

Kunst und Wissenschaft sind seit dem 19. Jahrhundert geprägt von einer Bewusstwerdung der Kreisläufigkeit bzw. Selbst- und Rückbezüglichkeit aller Vorgänge. Natürlich ließe sich dieses Paradigma noch viel weiter zurückverfolgen, um sich jedoch nicht in unendlichen, möglicherweise ebenfalls "rückprojektiven" Interpretationen zu verlieren ist es durchaus praktikabel einen Punkt zu setzen, von dem her, bzw. aus dem heraus, eine Interpreation begonnen wird, oder der diese möglicherweise sogar ersetzt. Besonders leicht ablesbar wird eine Formung der Kreisläufigkeit und Reziprozität in hermeneutischen Theorien wie sie an relativ prominenter Stelle schon im 18. Jahrhundert zu finden sind:


Auszug aus "Einleitung zur richtigen Auslegung vern�nftiger Reden und Schriften"(1742) von Johann Chladenius

308. Von einer Geschichte hat man mehr als eine richtige Vorstellung

Das, was in der Welt geschieht, wird von verschiedenen Leuten auch auf verschiedene Art angesehen: daß, wenn viele eine Beschreibung von einer Geschichte machen sollten, in jeder etwas Besonderes würde angetroffen werden, wenn sie sich gleich insgesamt die Sache, soviel an ihnen gelegen, richtig vorgestellt hätten. Die Ursache dieser Verschiedenheit ist teils in dem Ort und in der Stellung unseres Leibes, die bei jedem verschieden ist, teils in der verschiedenen Verbindung, die wir mit den Sachen haben, teils in unserer vorhergehenden Art zu gedenken, zu suchen, vermöge welcher dieser auf das, der andere auf jenes Achtung zu geben sich angewöhnt hat. Man glaubt zwar gemeiniglich, daß jede Sache nur eine richtige Vorstellung machen könnte, und wenn daher in den Erzählungen sich einiger Unterschied befinde, so müsse die eine ganz recht und die andere ganz unrecht haben. Allein diese Regel ist weder andern gemeinen Wahrheiten noch einer genaueren Erkenntnis unserer Seele gemäß. Wir wollen jetzo mit einem gemeinen Exempel erweisen, wie verschiedene eine einzige Sache sich auf mancherlei Art vorstellen können. Gesetzt es befinden sich bei einer vorfallenden Schlacht drei Zuschauer, davon der eine auf einem Berge zur Seite des rechten Flügels der einen Armee, der andere auf einer Höhe zur Seiten des linken Flügels, der dritte hinter derselben Armee der Schlacht zusieht. Wenn diese drei ein genaues Verzeichnis von dem, was sich bei der Schlacht zugetragen, machen sollten, so wird allen Fleißes ungeachtet keines Erzählung mit den übrigen ganz genau übereinkommen. [...] Ebenso ist es mit allen Geschichten beschaffen; eine Rebellion wird anders von einem getreuen Untertanen, anders von einem Rebellen, anders von einem Ausländer, anders von einem Hofmann, anders von einem Bürger oder Bauern angesehen, wenn auch gleich jeder nichts, als was der Wahrheit gemäß ist, davon wissen sollte. Es ist zwar gewiß, daß alle wahren Erzählungen von einer Geschichte in gewissen Stücken derselben übereinkommen müssen, weil, wenn wir uns gleich gewissermaßen in verschiedenen Umständen befinden, und also auch gewisse St�cke der Geschichte nicht auf einerlei Art ansehen, wir dennoch überhaupt in den Regeln der menschlichen Erkenntnis miteinander übereinkommen. Allein wir wollen dieses behaupten, daß, wenn verschiedene Personen, auch nach ihrer richtigen Erkenntnis, eine Geschichte erzählen, in ihren wahren Erz�hlungen sich dennoch ein Unterschied befinden könne.

309. Was der Sehe-Punkt sei

Diejenigen Umstände unserer Seele, unseres Leibes und unserer ganzen Person, welche machen oder Ursache sind, daß wir uns eine Sache so und nicht anders vorstellen, wollen wir den Sehe-Punkt nennen. Wie nämlich der Ort unseres Auges, und insbesondere die Entfernung von einem Vorwurf, die Ursache ist, daß wir ein solches Bild und kein anderes von der Sache bekommen, also gibt es bei allen unseren Vorstellungen einen Grund, warum wir die Sache so und nicht anders erkennen: und dieses ist der Sehe-Punkt von derselben Sache. [...] Das Wort Sehe-Punkt ist vermutlich von Leibniz zuerst in einem allgemeinern Verstande genommen worden, da es sonst nur in der Optik vorkam. Was er damit anzeigen sollte, kann man am besten aus unserer Definition ersehen, welche denselben Begriff deutlich erklärt. Wir bedienen uns hier desselben Begriffs, weil er unentbehrlich ist, wenn man von den vielen und unzähligen Abwechslungen der Begriffe, die die Menschen von einer Sache haben, Rechenschaft geben soll.(S. 71-73)


Quelle: [2]


Dass jeder analytische Ansatz die Einbeziehung des jeweiligen Standpunktes des Analytikers verlangt, zumindest die vorherige Analyse desselben vorraussetzt, um "objektive" Betrachtungen anstellen zu können, ist eine triviale Vorgehensweise, deren Immersion in das naive Wissenschaftstreiben längst vollzogen ist. -- Offensichtlich wird dieser Umstand besonders bei populären Wirtschaftstheorien bis hin zur Unschärferelation in der Naturwissenschaft.

Radikale Ausformungen dieser reziproken Darstellung schließen die Veränderung der Ausgangsposition selbst mit ein. An dieser Stelle verliert eine herkömmliche Rollenverteilung z.B. in Handlungsmustern ihre Bedeutung, wo das Aktive auf sich rückwirkend, nicht mehr vom Bewirkten und Be-handelten getrennt werden kann.

Aus ethischer Perspektive betrachtet wächst mit dem Wirkungskreis, will man nun einmal von einer Radikalisierung zur De-subjektivierung absehen, natürlich auch das Maß an Verantwortung, das bei jeder Handlung zu tragen ist. Technische Mittel potenzieren die Größe des Wirkungskreises des Menschen.

Eine übergroße Verantwortung könnte um eine temporale Perspektive vervielfältigt zur einfachen Zersetzung der menschlichen Persönlichkeit führen, die schon alleine aus situationspraktikablen Gründen unwahrscheinliche Wirkungsstränge ausblendet.

Das uneigentliche Zeichen ist in diesem Sinne weniger eine Amputation lebensnotwendiger Sinnzirkulationen, als vielmehr die Einrichtung eines notwendigen Residuums der Verantwortungslosigkeit, in das sich das "ich" vor dem Zerdenken flüchten kann.

Die Wissens- und Kulturgeschichte auslegend könnte man den Laplaceschen Dämon als einen Protagonisten der Weltgeschichte seit dem 19. Jahrhundert bezeichnen. --Richardd 14:30, 18. Apr. 2008 (CEST)