Diskussion:PROTOKOLLE - MuD09 - Gruppe1 - 03.11.
Ring- VO „Methoden und Disziplinen der Philosophie“ Vortragender: Prof. Martin Kusch „Die soziale Komponente des Wissens“ 1. Teil: Persönliche Laufbahn des Dozenten 2. Teil: Soziologische Geschichte der Philosophie: Philosophie und Psychologie: Macht Nach Wundt gibt es 3 Bewusstseinselemente: Empfindung, Vorstellung und Gefühl Empfindungen seien Farben, Töne und dergleichen mehr Vorstellungen zB abstrakte Bilder Gefühle wären Angst, Liebe, … Diese drei Elemente bilden eine Bewusstseinsstruktur, ein Fundament des Bewusstseins, welches nach Wundt nicht mehr weiter analysierbar sei. In Kombination ergeben diese Komponenten den Gedanken, der durch den Willen „gebaut“ (O- Ton Kusch) wird. Nun – so Kusch bzw. Wundt – sei der Wille selbst nichts anderes als ein Gedanke, was eine verblüffende Nähe zu den Erläuterungen von Prof. Gotz hstl. der Reflexion und deren Abbruch durch den Willen aufzeigt. Nach Wundt sei der Gedanke allein wertvoll; diese Überzeugung impliziert eine Hierarchie: Gedanke Vorstellung Empfindung Gefühl Dem Wundt’schen Ansatz stehen die „Würzburger“ (Külpe, Bühler) gegenüber. Die Würzburger gehen davon aus, dass auch der Gedanke nur ein Teil jener erwähnten Bewusstseinselemente darstellt, deren Spitze bei Wundt der Gedanke bildet. Der Gedanke sei bei den Würzburgern ebenso einfach wie Vorstellungen, Gefühle oder Empfindungen, wodurch die Wundt’sche Hierarchie angegriffen wird. Nach Wundt ist der Gedanke nur in der Völkerpsychologie analysierbar, da die Individualpsychologie die komplex sei. Die Individualpsychologie der Würzburger ist für Wundt nicht einlösbar; daraus resultiert ein unmittelbarer Zusammenhang von politischer Struktur und Bewusstseinsstruktur. Das Individuum wird also bei Wundt zugunsten des Kollektivs des Staates und somit der Nation zurückgedrängt, was unweigerlich in eine Stärkung der politischen Hierarchie führt. Der völkisch reine Staat ist bei Wundt wichtiger als das Individuum, da nur der Staat Repräsentant der höchsten Werte und Gedanken sein kann. Dieses Konzept wird von den Würzburgern angegriffen, sie treten für Individualismus und Internationalismus ein. Dies führt weiter zu einer theologischen Machtdebatte: Die Katholiken erkennen eine Parallele zur Würzburger Schule; sie wollen im Individualismus einen Zusammenhang mit dem Intellektismus, also dem reinen, unkörperlichen Intellekt eines Thomas v Acquin und somit eine Bestätigung ihrer Theorie der Seele erkennen, wohingegen die Protestanten auf Seiten Wundts eine starke Verbindung zum Voluntarismus (der Zentralität des Willens) und somit zu Luther und Kant (den großen Autoritäten des Protestantismus) sowie zum Konservatismus und zum Deutschtum erkennen. Somit wird aus der Philosophie der Psychologie – von einer naturwissenschaftlichen Psychologie der Moderne kann noch keine Rede sein – eine politische Kontroverse zwischen Staat und Individuum und in späterer Folge eine religiöse Debatte zwischen Katholizismus und Protestantismus: Die Verbindung von Philosophie und Macht ist demonstriert. 3. Teil: Erkenntnistheorie – Philosophie der Zeugnisse Klassische Definition des Wissens als gerechtfertigter, wahrer Glaube (zweifelhaft) Quellen des Wissens: Wahrnehmung, logisches Denken (reasoning), Erinnerung, Zeugnis (testimony) – durch Mitmenschen Wahrnehmung, log. Denken und Erinnerung sind individuelle Wissensquellen, Wahrnehmung und logisches Denken zusätzlich generative Wissensquellen (also wissens-vermehrende Quellen), Erinnerung und Zeugnis sind nicht- generativ (transportierend), und das Zeugnis ist nach Kusch generell problematisch. Können Erinnerungen und Zeugnisse auch neues, generatives Wissen schaffen? Hypothese (?): Akt der Mitteilung kann neues Wissen generieren Sind Zeugnisse je generative Wissensquellen? Lässt sich auf Zeugnis rational vertrauen? Individualist: Nein, nur durch Wahrnehmung und logisches Denken lässt sich Wissen generieren, auf ein Zeugnis kann man nur vertrauen, wenn es sich objektiv rechtfertigen (und somit auch ohne diesem Zeugnis belegen[Anm. d. Autors]) lässt. Kommunitarist: Das Zeugnis ist generativ, allerdings kann man nicht rational darauf vertrauen, da die Abhängigkeit von Zeugnissen ohnehin zu groß ist, als das man darauf aufgrund mangelnder Reliabilität verzichten könnte. J LECKY (amerikan. Philosophin) bringt beispielhafte Argumente dafür, dass Zeugnisse doch generative Wissensquellen seien: Das erste Beispiel handelt von einer Lehrerin: Sie glaubt nicht an die Evolutionstheorie, sondern ist Kreationistin, bringt allerdings ihren Schülern die Evolutionstheorie bei, welche ihr Glauben. Daraus folgt nach Lecky, die Schüler wissen von der Evolutionstheorie. Dies scheint mir – also dem Autor – allerdings höchst zweifelhaft: Wenn nämlich Wissen per definitionem gerechtfertigter, wahrer Glaube sei, transportiert zuallererst die Lehrerin kein Wissen, denn sie glaubt es nicht. Nun glauben es allerdings die Schüler, was mich zum Vorwurf der Beliebigkeit drängt: der Begriff des Wissens scheint hier unangebracht zu sein, wenn an ihn nach gutdüngen geglaubt werden kann, oder nicht. Das 2. Beispiel handelt von einer Frau, die einen Wahrnehmungsfehler hat. Sie sagt ihrem Freund, die Ampel sei grün, dieser glaubt ihr und die Ampel ist tatsächlich grün. Sie selbst weiß aber eigentlich nicht, dass die Ampel grün ist, weil sie glaubt, sie könne Farben nicht richtig erkennen. Somit generiert sie wissen an ihren Freund, dass sie selbst eigentlich nicht besitzt. Auch hier scheint zweifelhaft zu sein, ob der Freund tatsächlich weiß, ob die Ampel grün ist, oder dies einfach nur glaubt. 4. Teil: Rechtfertigungen für Zeugnisse David Hume: reduktive, globale Rechtfertigung Thomas Reid: fundamentale Rechtfertigung Es sind 3 Gruppen von Wissen zu unterscheiden: bestätigtes, widersprechendes, und nicht- eigenes Wissen Nach Hume kommt die erste Gruppe, also das bestätigte Wissen, öfter vor als b, und die Annahme, es komme auch öfter vor als c sei gerechtfertigt, woraus folgen soll, dass man anderen vertrauen soll. Dies ist offensichtlich falsch, da der weitaus größte Teil des Wissens jener des nicht- eigenen Wissens ist. Reid meint, Gott habe uns derart geschaffen, die Wahrheit zu sprechen, was rechtfertige, Anderen zu vertrauen. Auch diese Argumentation kann kaum ernst genommen werden. 5. Teil: Soziale Seite des Wissens Anhand zweier Beispiele: Idealisierungen Risto-, Sepposuche: Die Ristosuche funktioniert mithilfe von Stempeln: Gegenstände werden abgestempelt, eine Person muss die gestempelten Gegenstände finden. Die Verifikation des Wissens geschieht über Identifikation und also über Wahrnehmung, es handelt sich um eine Extension (Sammlung) von Wissen und somit notwendigerweise um Fortschritt. Von Wahrheit wird gesprochen, wenn der Gegenstand einen Stempel hat. Die Wahrheit ist also erkenntnisunabhängig, da der Stempel auch ohne ihn wahrzunehmen vorhanden ist. In diesem Modell nähern wir uns der Wahrheit an. Die Sepposuche funktioniert über Verhandlung: es werden 3 Gegenstände bestimmt, die aufgrund ihrer Eigenschaften ähnlich sind. Ein Mitspieler muss einen weiteren ähnlichen Gegenstand bestimmen und diesen argumentativ rechtfertigen. Wissen entsteht hier durch Wahrnehmung und Verhandlung. Selbstständig lassen sich keine weiteren Seppos ausfindig machen da sie nicht wie beim Risto objektiviert sind. Es handelt sich um eine nicht- extensive Art des Wissens und sie ist nicht fortschrittlich. Von Wahrheit wird gesprochen, wenn die argumentierte Ähnlichkeit auch akzeptiert wird, d.h. wenn es für die Ähnlichkeit vernünftige Gründe gibt. Diese Form der Wahrheit ist nicht erkenntnisunabhängig Im Nachhinein wird das Spiel De- Idealisiert: Beim Risto Spiel ist der Stempler Gott, der Spieler die Wissenschaft. Beim Seppo Spiel nähert man sich den tatsächlichen Umständen der Welt bzw. der Wissenschaft eher an: der klassische Begriff der Wahrheit macht in unserem Zeitalter keinen Sinn. Die Verhandlung unserer Wahrnehmung ist ebenso wichtig wie unsere Wahrnehmung selbst. Die soziale Dimension des Wissens ist demnach wesentlich.