Diskussion:21. Mai 2007

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Der Name des Vaters ist ein weiter Begriff. Im Ethik-Seminar wird eine Annäherung zwischen Gott und dem Namen des Vaters versucht (vgl. auch für das Folgende: Porge 1997, 44f.). Der Name des Vaters verweist als Ausdruck auf den religiösen Raum. Freud hatte Gott zum getöteten Vater der Urhorde erklärt. Für Freud war Gott, Lacan zufolge, damit zu einem Symptomgott geworden. Lacan schließt sich Freud nicht an, insofern er nicht dieselbe Chronologie wählt. Er setzt nicht bei der Urhorde an, um von da aus etwas über den Gott der Theologen zu sagen. Sondern er bezieht sich auf den Befund der Gegenwart. Der Name des Vaters im Sinne des Namens eines religiösen Gottes hat seine Glaubwürdigkeit eingebüßt. Der von Nietzsche ausgerufene Tod Gottes bestimmt die Gegenwart. Zentrale Theoreme der Psychoanalyse wie der Mord am Urvater oder auch der ödipale Mord hat Freud nicht zufällig gewählt, sondern sie passen für Lacan zu einer Zeit, für die Gott tot ist. „Wenn aber Gott tot ist für uns, dann ist er es seit jeher, und genau dies sagt uns Freud“ (Lacan, Die Ethik der Psychoanalyse 215). Um diesen toten Vater ist eine Ordnung errichtet worden. Eine Ordnung, die das Begehren geregelt hat, ja immer noch regelt. Oder zeigt der Ausschnitt aus Vinterbergs Film etwas anderes?

Lit.: Porge, Erik (1997), Les noms du père chez Jacques Lacan. Ponctuations et problematiques, Paris: Érès.

--Uk 10:21, 24. Mai 2007 (CEST)


Eric Laurent gibt eine gute Zusammenfassung der Einführungsvorlesung zum nie gehaltenen Seminar XI, die Namen des Vaters (1963), ich gebe hier eine kurze Zusammenfassung Laurents. (Ich habe nur eine Kopie davon, ohne Angabe, wo der Text veröffentlicht ist. Werde das nachholen, wenn ichs in Erfahrung bringen sollte)

Es geht um die verschiedenen jüdischen Versionen Gottes, wobei Lacan drei heraushebt, die durch die drei Gott gegebenen Namen akzentuiert werden.

Das Tier. ELOHIM Elohim steht für das Ahnentier, ist ein animalischer Gott, der nur sein Genießen kennt, der Kindesopfer fordert (von Abraham). Es ist der Urvater Freuds aus Totem und Tabu – Ein Vater noch vor jedem Gesetz.


Der Pakt. EL SHADDAI Es gibt verschiedene ethymologische Interpretationen dieses Namens Gottes, Lacan stützt sich am meisten auf shedai, d.h. that enough (auf dt: das genug, so genug?), und interpretiert es als den Namen des Gottes, der Nein sagt zum Kindesopfer (es ist genug), damit Nein sagt zum Genießen (es ist genug). Es ist der Gott, der mit dem Menschen einen Pakt schließt, besiegelt und bekräftigt durch die Beschneidung. In diesem Pakt ist der Verzicht auf das volle Genießen impliziert, in der Beschneidung wird etwas weggenommen – ein Schnitt ins Fleisch, der einen Moment der Angst erzeugt – , und dadurch wird das Begehren eingeführt. (Laurent weist hier noch auf einen Unterschied zwischen jüdisch-christlicher Mystik - zeigt immer die Spuren eines Gottes des Begehrens - und der anderer Religionen – wollen mehr ganz im Genießen Gottes aufgehen).

So könnte es eigentlich mit diesen beiden Gottesbegriffen ein Gleichgewicht geben, notwendige gegenseitige Ergänzung einer Einführung des Gesetzes (des Pakts), das dem Genießen seine tödliche Dimension nimmt und dennoch vom Wunsch nach ihm (Begehren) seine ganze Kraft bekommt. Aber die Ubiquität der Neurose zeigt etwas anderes: Durch das väterliche Nein zum Genießen ist es keineswegs verschwunden, sondern verschoben: Das Genießen der Mutter wird dem Kind verboten, der Vater nimmt es weiter für sich in Anspruch. D.h. die Einführung des Gesetzes hat den unterdrückenden Vater keineswegs aufgehoben, sondern sogar noch präsenter gemacht.

Das Loch. YHVH Das ist der Name des Gottes Israels, ein einzigartiger Eigenname, der nicht ausgesprochen werden darf und kann. Es ist ein Signifikant, der auf sich selbst zurückweist: Ich bin der ich sein werde. Es ist sogar nur ein Deckname, der einen anderen Namen verbirgt, der gar nicht geschrieben werden kann. Diese Unaussprechbarkeit verweist auf ein Loch in der Kette der Signifikanten und Bezeichnungen. (Das Reale, Anm. GG) Die Juden sprechen von diesem YHVH nur mit Hilfe verschiedener Ausdrücke für das Wort „Der Name“, in Bezug und als Ersatz für das Unaussprechliche. Alle verschiedenen Ausdrücke für diese unaussprechlichen Namen Gottes zeigen diesen jeweils als Agent eines Aktes, d.h. einer eigenen Version des Begehrens und eines bestimmten Umgangs mit dem Genießen – d.h. sie sind keine Metaphern sondern wirkliche Eigennamen, in denen jeweils der Vater und das Genießen in einer Form zusammen sind. Dieser Übergang von dem einen unaussprechbaren Namen zu einer Serie von Namen impliziert den Durchgang durch ein Loch im Symbolischen. Lacan: „Die Juden erklären sehr gut, was sie den Vater nennen: Sie stecken ihn in den Punkt eines Lochs, das man sich nicht vorstellen kann. Ich bin was ich bin, das ist ein Loch, oder? Ein Loch... es verschlingt und dann gibt es Momente, wo es ausspuckt. Es spuckt aus was? Den Namen, den gebräuchlichen Namen des Vaters... Der entscheidende Punkt ist, das alles in einem beruht, in einem als einem Loch, das seine Konsistenz allem anderen gibt.“


Ich denke, dass diese Überlegungen einen guten Eindruck vermitteln von Lacans Auffassung des Ursprungs der Ethik im Realen. Einen ähnlichen Bezug auf diese Eingangsseminar Lacans findet sich auch bei Zizeks Kapitel „Die drei Väter“ (In Zizek: die Tücke des Subjekts, suhrkamp 2001, 429-442). GG



Drei Bemerkungen zur Seminararbeit von Christian Haddad:

     a) die Schwierigkeit einer Lektuere Lacans, des Dings
     b) die Verbindung zwischen de Sade und Kant
     c) die Frau des Naechsten
     a) Zweifellos ist nicht ganz leicht, Lacans Texte (in Deutsch) zu lesen zu
     beginnen. Dagegen ist Freud zu lesen trivial. Aber ich wuerde diese
     Schwierigkeit weniger auf so große Konzepte wie den Verzicht auf
     Intelligibilitaet oder das Gleiten der Signifikanten zurueckfuehren, als
     auf ein eigenes Vokabular Lacans, das gelernt werden kann wie jedes andere
     (etwa Heideggers). Eine spezielle Schwierigkeit ergibt sich m.E. eher
     durch die Tatsache, dass Lacan viel ueber "Dinge" spricht, ueber die mit
     Wittgenstein nicht gesprochen werden kann. Das Ding ist ein besonders
     gutes Beispiel fuer dieses Problem. Lacan ist damit aber weder in der
     Philosophie allein, noch unterscheidet er sich sehr von Freud. Denn auch
     Freud arbeitet sich am Unbeschriebenen und teilweise Unbeschreibbaren ab.
     An Ihren Bemerkungen zum Ding ist mir hauptsaechlich aufgefallen, dass Sie
     den griffigsten Teil, naemlich seine Genese ueber ein ex-post
     wahrgenommenes Verhaeltnis zur Mutter oder einem ersten Objekt nicht
     besonders beruecksichtigen. Dazu gab es auch eine kleine, aber wichtige
     Meldung von Elisabeth Schaefer im wiki, wo dann der Unterschied zwischen
     dem Ding und einem reinen Signifikanten deutlich gemacht werden konnte.
     b) Die enge Verbindung, ja gewissermaßen Ununterscheidbarkeit zwischen
     Kants Kategorischem Imperativ und dem de Sadeschen "Genieße" argumentiert
     Lacan meines Erachtens anhand Kants eigenen formalen Vorgaben: Der
     Unterschied zwischen den Kantschen und den de Sadeschen Maximen laesst
     sich nur mittels eines Gefuehlselements erfassen. Die Beruecksichtigung
     eines Gefuehlselements ist aber von Kant selbst ausgeschlossen. Daher gibt
     es, von Kant aus betrachtet, keinen Unterschied zwischen den beiden
     Imperativen.
     c) Ich denke, dass es wichtig ist, dass nicht alles gleich klar wird, weil
     nur so der Wunsch nach mehr aufrechtzuhalten ist. Insofern moechte ich mit
     meinen abschließenden Einfaellen nicht den Eindruck erwecken, als koennte
     ich erklaeren, womit Sie "nicht viel anfangen". Trotzdem hier eine kurze
     Paraphrase zu einigen Saetzen aus dem vorletzten Absatz auf S.103: Die
     Frau des Naechsten, die zu begehren geradezu immer an der Tagesordnung
     ist, steht in einem speziellen Verhaeltnis zu dem Ding. (Das sagt Lacan im
     drittletzten Absatz.) Im Unterschied zur Frau des Naechsten (die mit
     Levi-Strauss ein Tauschobjekt ist) ist das Ding nicht dasjenige, was
     diesen Tausch per Gesetz regelt. Es ist nicht dasjenige, was die
     triebhaften Ablaeufe sozial legitimiert. Sondern (der folgende, von Ihnen
     zitierte Satz ist auch im Franzoesischen recht umstaendlich, wozu kommt,
     dass statt "das Krude" dort der wohl durch einen Hoerfehler entstandene
     Ausdruck "das Trude" steht) all die Frauen haben ein direktes Verhaeltnis
     zu dem Ding. Dieses direkte Verhaeltnis besteht nicht darin, dass die
     Frauen das Ding zu einem besonderen Gut erheben, sondern dass es umgekehrt
     das Ding ist, woher sich die Frauen verstehen (Lacan sagt "begruenden") -
     ich nehme an, das ist eine Anspielung auf die prinzipielle Moeglichkeit
     einer Mutterschaft fuer eine Frau. Das Ding befindet sich am Anfang wie
     das Sprechen....
     Das Gebot, Du sollst nicht begehren Deines naechsten Weib steht in
     besonders engem Verhaeltnis zum Ding. UEber die Frau des Naechsten wird 
     dieser enge Bezug zum Ding aktualisiert.

--Uk 14:52, 26. Aug 2007 (CEST)