Der Schuster ohne Leisten
Es ist nach wie vor die Frage offen, als was wir sprachliche Figuren wie den Schuster, der keinen Leisten hat, auffassen wollen....
Der Leisten
Georg Kreisler
Von allen Wörtern hört man heut am meisten
das Wort: Ein Schuster bleibt bei seinem Leisten.
Doch sagt das jemand mir, sag ich: Was schreist'n?
Ich kann mir meinen Leisten nicht mehr leisten.
Und außerdem - und das kommt noch dazu -
lässt folgende Idee mich nicht in Ruh:
Was mach' ich, wenn ich keinen Leisten hab, bei dem ich bleiben kann, und hinter meinem Ohr zuwenig Platz, wohin ich schreiben kann? Und wenn ich nicht zwei Übeln hab, dass ich das klein're wählen kann, und niemals eine Reise tat und deshalb nix erzählen kann? Was mach ich, wenn ich tanzen will und keinerlei Vulkan besitz', und weder einen Pudelskern noch eine schiefe Bahn besitz'? Ich hab auch kein Kolumbus-Ei, ob das mich nicht zu Schaden führt?, und kenne einen Weg, der statt nach Rom nach Baden-Baden führt. Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei, was werd'n die Leute sag'n, was werd'n die Leute sag'n? Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei, die Leute tuscheln schon, das kommt davon.
Ich suche Eulen überall, die ich Athen verehren darf, und wohne im Hotel, wo ich vor meiner Tür nicht kehren darf. Ich trank im Gasthaus fünf Glas Bier mit Schäumen, die nicht Träume war'n, und habe einen Wald gesehn, obwohl dort lauter Bäume war'n. Mit Weile eilen kann ich nicht, vom Brot hab ich allein gelebt, und hab mich in Neapel statt zu sterben bestens eingelebt. Hoch klingt das Lied vom Radio, nur leider singt's a schlimmer Mann. Auch hab ich eine Axt im Haus, und wer kommt doch? Der Zimmermann. Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei, was werd'n die Leute sag'n, was werd'n die Leute sag'n? Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei, die Leute tuscheln schon, das kommt davon.
Jetzt endlich hab ich Schluß gemacht, ich schau die andern Leute an, und tu, was ich nicht lassen kann: Ich passe mich dem Heute an. Mein Partner wird a Wilder, der sich seitwärts in die Büsche schmeißt. Ich übe Treu und Redlichkeit und hab an Koch, der Hunger heißt. Was schert mich Weib, was schert mich Kind, sie werd'n doch zu Hyänen nur, ich füll mein Danaidenfass und ess mein Brot mit Tränen nur und grabe andern Gruben, in die ich mich dann alleine werf' und sitz in einem Glashaus, nur damit ich keine Steine werf'. Doch jetzt bin ich verzweifelt, eieiei, die Leute loben mich, die Leute lieben mich, und ich bin so verzweifelt, eieiei, ich bin genau wie sie, das wollt ich nie! Das wollt ich nie! Das wollt ich nie!
--Uk 08:57, 31. Okt. 2007 (UTC)
Eddie Siblik zu Georg Kreislers LeistenBruch :-)
Es handelt sich um ein schönes Beispiel von Resignifikation bzw. um die Metapher einer Metapher zum Zweck einer Kritik sozial vereinbarter Platzhalter zur Beschreibung von Lebenssituationen und Verhaltensregeln - die Kritik bezieht sich auf die allgemein akzeptierte Sichtweise der beschriebenen Lebenssituationen/Verhaltensregeln und auf die Tatsache die allgemein verständliche Metapher benutzen zu müssen um verstanden und als soziales Subjekt anerkannt zu werden. die humorvolle Neubewertung der verwendeten Metaphern ist ein Weg beides zu erreichen - Kritik und Verständnis.
--Silber 08:01, 5. Nov. 2007 (UTC)
Ich bin zur Hälfte einverstanden: die Kritik an sozial vereinbarten Platzhaltern ist zweifellos das Thema. Diese sozial vereinbarten Platzhalter nennen wir aber üblicherweise Sprichwörter. Sind Sprichwörter Metaphern?
--Uk 18:28, 6. Nov. 2007 (UTC)
Meiner Meinung nach - Ja. Sprichwörter stellen ein Ensemble an Situationsbeschreibung und Verhaltensregeln dar. Als solches handelt es sich um eine Art Metapher 2.Ordnung welche sich so weit entwickeln kann, dass nur die verkürzte Form "Schusterleisten" die Assoziationskette auslösen kann - insofern eine Metapher. Oder?
--Silber 21:02, 6. Nov. 2007 (UTC)
Der Leisten des Schusters, der Schusterleisten, ist ein Handwerksgegenstand. Wenn wir den Ausdruck "Schusterleisten" verwenden, verbindet sich, je nach individueller Kenntnis des Handwerks, folgendes Bild damit:
Dass der Ausdruck "Schusterleisten" Ausgangspunkt von Assoziationsketten werden kann, macht aus ihm noch keine Metapher. Das bedeutet freilich nicht, dass in den von Kreisler verwendeten Idiomen nichts Metaphorisches ist. Bloß in einzelnen Ausdrücken wie "Schusterleisten" kann ich das Metaphorische nicht sehen.
--Uk 19:12, 7. Nov. 2007 (UTC)
achmed: cooles konzert heute, die mädels verstehen ihr handwerk - frizzi: ja fand ich auch gut - britney kommt dazu (sehr blond, sehr schrill) - achmed und frizzi: ohgottohgott - britney: na was sagt ihr - die sind ja soooo schick die mädels - ich mach jetzt auch eine band und fange zu singen an - achmed: naja das ist halt so eine schusterleistengeschichte - britney: jaja die schuhe kann ich mir auch nicht leisten - frizzi(zum kellner): noch zwei bier bitte und für die dame einen dreifachen vodka (vieleicht hörts ja dann zum reden auf, was auch so eine sache mit dem schusterleisten ist)
ist der schusterleisten nun eine tote metapher, oder resignifiziert, oder überhaupt keine metapher und dadurch unverständlich?
--Silber 12:14, 20. Nov. 2007 (UTC)