Das Werk und die Wahrheit bei Heidegger (SH)

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Heidegger beabsichtigt in diesem Abschnitt seines Werkes Der Ursprung des Kunstwerkes der Wirklichkeit des Werkes auf den Grund zu gehen. Der Versuch, das Werk über das Dinghafte zu fassen, scheitert zunächst. Erst muss das Werk aus allen Bezügen genommen werden, was ein anderes als es selbst ist. Es gilt das reine Insichstehen des Werkes zu betrachten.

Das Wesen des Werkes

Weltentzug und Weltzerfall

Das Werk ist sowohl einem Weltentzug als auch einem Weltzerfall ausgesetzt. So entzieht einerseits die Versetzung in eine Sammlung das Werk seiner Welt, andererseits ist auch die Welt der vorhandenen Werke zerfallen. Weltentzug und Weltzerfall sind unumkehrbare Prozesse, wodurch die Werke zu Gewesenen werden. Als solche stehen sie der Überlieferung und der Aufbewahrung entgegen. Dieses Entgegenstehen ist eine Folge des Insichstehens.

Welt und Erde

Welt ist das immer Ungegenständliche. Ihr Wesen lässt sich nur anzeigen, da sie mehr ist, als die bloße Ansammlung aller zählbaren und unzählbaren Dinge (= Welt weltet).Wird das Werk in einer Sammlung untergebracht, wird es aufgestellt. Dies ist ein Errichten im Sinne von Weihen und Rühmen und kein bloßes Anbringen. Das Werk stellt als Werk eine Welt auf und hält das Offene der Welt immer offen.

Die Erde ist das, wohin das Aufgehen alles Aufgehende und zwar als ein solches sich zurückbirgt. Sie lichtet jenes, worauf und worin der Mensch sein Wohnen gründet. Dabei ist die Erde das wesenhaft Sich-Verschließende. Jedes Eindringen in sie lässt sie zerschellen. Das Werk hat als Werk den Charakter der Herstellung. Als solches leistet es die Herstellung der Erde, indem es sich selbst in die Erde zurückstellt. Das Werk lässt die Erde eine Erde sein.

Das Aufstellen einer Welt und die Herstellung der Erde sind die zwei grundsätzlichen Wesenszüge des Werkes

Zeug und Werk

Das Zeug nimmt den Stoff in seinen Dienst. Der Stoff ist umso besser, je widerstandloser er im Zeugsein des Zeuges untergeht.

Das Werk hingegen lässt den Stoff nicht verschwinden, sondern erst hervorkommen.

Das Aufsichberuhen des Werkes

Wird nun das Insichstehen des Werkes bedacht, so muss darin eine geschlossen Ruhe im Sinne des Aufsichberuhenes zu finden sein. Aufstellen und Herstellen haben aber eher etwas mit Bewegung zu tun. Die Ruhe muss daher etwas sein, das die Bewegung mit einschließt. Diese Ruhe der eingeschlossene Bewegung findet sich im miteinander von Welt und Erde.

Die Welt ist die sich öffnende Offenheit, die Erde das zu nichts gedrängte Hervorkommende des ständigen sich Verschließens. Welt und Erde sind wesenhaft voneinander verschieden und doch niemals getrennt. Die Welt gründet sich auf die Erde, und Erde durchragt die Welt.

Widerstreit im Werk

Es gibt aber auch das Gegeneinader von Welt und Erde. Dies ist ein Streit, bei dem jeder das andere über sich hinausträgt. Je härter der Streit, umso nachgiebiger lassen sich die Streitenden in die Innigkeit des einfachen Sichgehörens los.

Indem das Werk eine Welt aufstellt und die Erde herstellt, ist es eine Anstiftung des Streites, um des Streites willen. Das Werksein besteht nun in der Bestreitung des Streites zwischen Welt und Erde. Bestreitung ist hier die ständige sich übertreibende Sammlung der Bewegtheit des Werkes.

In der Innigkeit des Streites hat daher die Ruhe des in sich ruhenden Werkes ihr Wesen. Erst aus dieser Ruhe des Werkes vermögen wir zu ersehen, was im Werk am Werk ist.

Die Wahrheit im Werk

Das Wesen der Wahrheit

Wahr meint oft die Rede vom Wirklichen. Wahr ist, was dem Wirklichen entspricht und wirklich ist, was in Wahrheit ist: Wahrheit ist das Wesen des Wahren. Das wesentliche Wesen ist, was das Seiende in Wahrheit ist, also die Wahrheit des jeweiligen Seienden.

Die Griechen nannten die Wahrheit aletheia (gr. ἀλήθεια = das Unverborgene). Unverborgenheit ist sowohl das Verborgenste überhaupt als auch alles Anwesen des Anwesenden Bestimmende.

Wahrheit ist aber auch die Übereinstimung der Erkenntnis mit der Sache. Dazu muss die Sache selbst sich zeigen. Seit Descartes reden wir von der Wahrheit als Gewissheit (= die Richtigkeit). Richtigkeit verweist aber auf etwas zurück, was schon offenbar ist.

Der Unverborgenheit des Seienden sind wir ein- und ihr nachgesetzt. Es geht nicht nur wonach sich eine Erkenntnis richtet, sondern bereits diese „sich richten nach etwas“ ist Teil der Wahrheit.

Lichtung und Verbergung

Das Seiende steht im Sein. Niemals ist das Seiende unser Gemächte oder gar unsere Vorstellung. Im Seienden selbst gibt es eine Offen stelle, das Lichte der Mitte seiner selbst. Nur dadurch haben wir einen Zugang zum Seienden. Gleichzeitig hält es sich aber auch immer verborgen. Es werden zweierlei Verbergung unterschieden:

  1. Das Versagen: Seiendes versagt sich uns bis auf jenes Eine, dass es sei. Das Seiende erscheint zwar, aber es gibt sich anders als es ist.
  2. Das Verstellen: Das Seiende wird durch anderes Seiendes verstellt. Darin liegt die Bedingung, dass wir uns täuschen können, niemals umgekehrt.

Das Wesen der Wahrheit, d.h. der Unverborgenheit, ist durch die zweifache Verbergung von einer Verweigerung durchwaltet. Zum Wesen der Wahrheit als der Unverborgenheit gehört dieses Verweigern in der Weise des zwiefachen Verbergens. Das Wesen der Wahrheit ist der Urstreit zwischen Lichtung und Verbergung.

Dieses Offene geschieht inmitten des Seienden. Zum Offenen gehört die Welt und die Erde. Welt ist hier aber nicht einfach das Offene, und Erde das Verschlossene. Welt ist die Lichtung der Bahnen der wesentlichen Weisung, in die sich alles Entscheiden fügt. Jede Entscheidung gründet aber auf ein Nichtbewältigtes. Die Erde ist nicht nur ein Verschließendes, sondern was als Sichverschließende aufgeht.

Erde durchragt die Welt, Welt gründet sich nur auf Erde, sofern die Wahrheit als der Urstreit von Lichtung und Verbergung geschieht. Wahrheit geschieht in wenigen wesentlichen Weisen. Eine davon ist das Werksein des Werkes.

Im Werk ist die Wahrheit am Werk, je einfacher, ungeschmückter und reiner, umso unmittelbarer wird mit ihm alles Seiende seiender.

Das Dinghafte am Werk

Erst jetzt lässt sich zum Dinghaften des Werkes vordringen. Das Geschaffensein des Werkes spielt dabei eine wesentliche Rolle. Es wird unterschieden:

  1. Geschaffensein und Schaffen im Unterschied zu Verfertigen und Anfertigen
  2. Aus dem innersten Wesen des Werkes, also inwieweit das Geschaffensein zu ihm gehört, kann man erst das Werksein des Werkes ermessen

Schaffen ist immer in Beziehung auf das Werk zu setzen.

Zum Wesen des Werkes gehört das Geschehen der Wahrheit als die Unverborgenheit des Seienden. Im Werksein ist die Wahrheit am Werke. Das „Ins-Werk-Setzen“ als Schaffen der Wahrheit ist das Wesen der Kunst.