DEIBL, Marlene (Arbeit2)

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DEIBL Marlene - Matrikelnummer a0802743 15. Februar 2009, abgegeben am 31. März Essay 2 zur Übung zur Ringvorlesung „Methoden und Disziplinen der Philosophie“ mit besonderer Bezugnahme auf den (zweiten) Beitrag von Prof. Dr. Nemeth Mit Samthandschuh und Spitzhacke Die bedeutendste Frage, die sich im Lauf dieser Vorlesungsreihe stellt, ist die, welche Methoden des Zugangs zu philosophischen Fragestellungen wirklich sinnvoll und „benutzerfreundlich“ sind, besonders für jemanden der am Anfang eines Philosophiestudiums steht und die Zielsetzung sogenannter Einführungsphasen wirklich erreichen will: Orientierung. Von wem, und vor allem wie wurden (meine) Gedanken oder Einfälle schon zuvor bearbeitet und wie kann ich das nutzbar machen für mein Denken? Wie soll ich denn eigentlich nachdenken? Da eine einheitliche Antwort oder schon ein einheitlicher Zugang zu dieser Fragestellung schwierig zu finden ist, sei sie an dieser Stelle, wie schon in der Vorlesung, auf die sich dieser Versuch bezieht, eingegrenzt: Auf die Frage, wie wir als Philosophie-Treibende mit zuvor und von anderen gewonnener (historischer) Erkenntnis, die uns jetzt präsentiert wird, umgehen sollen. Umgehen bedeutet dabei vor allem das Einsetzen des schon Gedachten zum eigenen Erkenntnisgewinn. Vielleicht lässt sich dieser Ansatz dann auch auf das in den Vorträgen gehörte rück-anwenden. Der folgende Aufsatz soll ein Versuch zu dieser Frage werden. Ich möchte die grundlegende Unterscheidung der klar abgegrenzten Begriffe „Philosophie lernen“ und „Philosophieren lernen“, die im ersten Vortrag von Prof. Nemeth vorgenommen wurde, nicht näher wiederholen, sondern nur auf Folgendes hinweisen: Wir sind jetzt auf der Suche nach einem geeigneten Weg, wirklich Philosophie zu lernen und, wenn dabei alles gut geht, auch ein wenig Philosophieren zu lernen. In den Grundzügen gefasst, werden im Lauf des Vortrags zwei Varianten dieses Umgangs mit in der Geschichte der Philosophie (oder des Philosophierens) durchgespielt. In einer Ecke befindet sich Ernst Tugendhat, der das vorhandene Wissensgut als willkommenen Steinbruch betrachtet, aus dem sich, nicht beliebig, aber ohne größere Skrupel Teile heraushauen lassen. Diese Teile werden dann benutzt, am besten um eigene oder zeitgenössische Probleme zu betrachten und möglichst zu ihrer Lösung beizutragen oder sie zu modifizieren. Probleme entstehen dann besonders in Anbetracht der Annahme, dass sich der heutige Philosophierende mit bloß veränderten Werkzeugen auf die gleiche Welt beziehen kann wie schon Plato vor geraumer Zeit. Am anderen Ende des Spektrums, weniger radikal wirkend, steht Kurt Flasch mit seinem eher DEIBL Marlene - Matrikelnummer a0802743 musealen Zugang zur Philosophiehistorie. Was schon gedacht, entdeckt und erlebt wurde, ist hier in seinem zeitlichen und räumlichen Umfeld und in seinen Grundannahmen derart von Heutigem verschieden, dass es nicht im gleichen Licht betrachtet, geschweige denn einfach weiterbearbeitet werden kann. Wir können aber sehr wohl davon lernen, nämlich durch kritisches Bewerten der schon geschehenen Denkfortschritte und -fehler und von später gemachten Fehlern im Umgang mit diesen. Die beiden Vorgangsweisen sind so radikal von einander unterschieden, als sie trotzdem dasselbe anstreben. Die Denkgeschichte soll auf die Denkgegenwart bezogen werden. Das ist eine Notwendigkeit, denn wer alles bereits Gedachte völlig zu ignorieren imstande wäre, der würde keinen besonderen Fortschritt erzielen. Außerdem ist es unmöglich, sich dem zuvor Erkannten total zu entziehen, da gewisse Denkmuster und Ideologien immer schon in die Erziehung und aus der alltäglichen Umgebung mit einfließen. Wie also habe ich heranzugehen an die Philosophiegeschichte? Es ist eigentlich schon schwierig, diese als solche festzumachen, da sie stark von der Überlieferungstradition abhängt, vom jeweiligen Autor, der sie in seinen Kontext stellt und so weiter. Was ich als heutiger Denkender oder Philosophiestudent will, ist, möglichst genau zu verstehen, was der frühere Philosoph mitzuteilen hatte. Ohne zumindest subjektiv empfundenes, wirkliches Verständnis ist es schwierig oder unmöglich, wirklich Kritik zu üben und das sozusagen Erlernte dann auch praktisch anzuwenden und zu bearbeiten Also sind Nachschlagewerke und Sekundärliteratur immer nur bedingt geeignet, um sich ein Bild davon zu machen, wie der vorhandene Gedankengang aussieht und wie er zustatten gekommen ist. Wenn wir die Kathedrale von Chartres betrachten wollen, reicht es kaum aus, nur Fotos zu betrachten, um den Lichteinfall und dergleichen im tatsächlichen Bauwerk zu erkunden. Wenden wir uns aber Primärtexten zu, stehen wir wieder vor dem bekannten Problem. Es kann Verständnisprobleme mit der originalen Sprache geben oder die Überlieferung oder Übersetzung gaukelt uns Falsches vor. Genauso können wir uns, wie angedeutet, eigentlich nie sicher sein, ob wir alles richtig verstanden haben. Was ist eigentlich richtiges Verstehen? In erster Linie hängt es einmal vom jeweiligen Vorwissen ab und vom Grad der Bereitschaft, sich auf Gedachtes und Präsentiertes einzulassen. Richtiges Verstehen kann auch verschiedene Dinge meinen, und das ist hier möglicherweise einer der Knackpunkte. Richtig kann meinen: Im ursprünglichen Sinne des Verfassers oder es kann DEIBL Marlene - Matrikelnummer a0802743 bedeuten, dass ich etwas von vornherein aus der Perspektive meiner eigenen Denk- oder sogar Alltagsprobleme sehe. Dann suche ich ganz natürlich gleich nach meinen Spiegelbildern in einem Text oder einer anderen Form der Überlieferung. Das sollte jedoch in beiden Betrachtungsweisen nicht nur in Hinblick auf den Inhalt des Gedachten, sondern auch auf die Methode der Argumentation und auf die jeweilige Disziplin. Zum Beispiel ist die eher theologische Frage, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben, heute inhaltlich vollkommen irrelevant. Was aber die Argumentationsstruktur angeht, könnte sie bis heute noch erfolgreich verwertet werden. Genauso kann man hier wieder die Inhalte und Vorgehensweisen, die in der Ringvorlesung und in anderen Einführungsvorlesungen präsentiert wurden, betrachten. Auch wenn es für uns vielleicht eher irrelevant scheint, was einen behandelten Inhalt ausmacht oder wenn uns das nötige Vorwissen für das detaillierte Verständnis eines Vortrages oder eines Aspektes eines solchen fehlt, ist es notwendig, nicht sofort aufzugeben. Solange der Argumentation halbwegs gefolgt werden kann oder der Inhalt interessant oder entfernt bekannt scheint, bietet der Vortrag einen Anhaltspunkt. Von diesem Punkt ausgehend, kann ich jetzt versuchen, das Gesagte zu erfassen, zu ergänzen, und letztlich zu verstehen. Die Art des Verstehen kann ich mir nun nach den oben angeführten Kriterien aussuchen. Idealerweise führt beides zu einem fruchtbaren Verwenden oder Verwerten des Vorliegenden. Verwendet wird es dabei eher nach der den geschichtlichen, biographischen und sprachlichen Kontext des Autors erfassenden Vorgehen. Verwertung- in einem nicht abwertenden Sinn - wird es eher dann sein, wenn ich schon mit meiner eigenen Brille an das Ganze herangegangen bin. Natürlich wird niemand seine Voreinstellungen und Ansichten ganz ausblenden können, aber das ist auch nicht weiter von Bedeutung. Vollständig ist demnach das Verstehen voraussichtlich erst dann, wenn das vorliegende Fremde jetzt auch weiterverarbeitet werden kann. Hier scheiden sich nun endgültig die Geister. Soll ich, nach dieser mehr oder weniger vorn mir gefärbten historischen Betrachtung, deren Ergebnisse als mahnende oder ermunternde Beispiele für mein Denken sehen, sie hin und wieder betrachten und mir dabei vielleicht zur einen oder anderen Anregung verhelfen lassen? Oder soll ich sie ohne viel weiteres mit meinen eigenen philosophischen Werkzeugen behauen und sogar sie als Werkzeuge für meine Argumentationen verwenden? DEIBL Marlene - Matrikelnummer a0802743 Soll ich das Gehörte, Gelesene, Gesehene jetzt also als auf meine konkreten Probleme Bezogenes oder als bloße Kuriositäten ansehen? Die Frage stellt sich, ob ich das bisher in der Geistesgeschichte geschehene oder, etwas bescheidener, das von meinen Professoren Vertretene jetzt einfach nehmen und für mich, die sich mir akut stellenden Probleme und Schwierigkeiten, verwenden, zumindest unter der Voraussetzung, dass sie in etwas das gleiche damit bezeichnen; oder muss ich dies als solches Gedachte, Geschehene unverändert, aber inspirierend, auf sich als abgeschlossener Weg beruhen lassen? Offenbar liegt das Problem hier tief in der jeweiligen Welt-Sicht, deren Realisierung in Sprache und Überlieferung und so weiter, und wir stehen wieder auf einem weiten Feld, dicht mit akut und aktuell zu lösenden Fragen bestanden.

Praktisch anwendbar für das eigene Denken ist das aber leider immer noch nicht. 

Konkret am besten anwendbar und am erfolgreichsten ist wohl ein mehr oder weniger goldener Mittelweg. Weder der Samthandschuh noch die Spitzhacke werden vollständig erfolgreich sein (wobei sich wieder darüber streiten ließe, ob dieser Anspruch in der Philosophie wirklich sinnvoll ist). Einerseits kann uns das, was uns überliefert oder präsentiert wird, nur weiterhelfen, wenn wir es möglichst reflektiert und wohl überlegt tun. Sie als bloße Warntafeln und Erbauungsobjekte zu betrachten, ist ebenso wenig förderlich. Wenn wir allerdings die Spitzhacke mit dem Samthandschuh anfassen, kann es vielleicht gut gehen. Das Aufgenommene zum eigenen Vorteil zu verarbeiten ist nicht so einfach. Wenn wir aber auf dem schmalen Grat zwischen reiner Eigeninterpretation und musealem Staunen wandeln, könnte das eigene Nachdenken zum Erfolg oder zu einem halbwegs zufriedenstellenden Ergebnis führen. Gerade aus dem bearbeiteten „input“ entstehen dann aber immer weitere Fragen – und das ist vielleicht schon das angestrebte Ziel. Immerhin: Die Dinge, über die wir nachdenken müssen, gehen uns sicher nicht aus.


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