Change Management
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Österreichs Universitäten fallen in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, das sich selbst - medienwirksam in Großbuchstaben - als "DAS ZUKUNFTSMINISTERIUM" vorstellt. Als solches zeichnet es in einer 2004 herausgebrachten Broschüre folgendes Ausgangsszenario für die Universitätsentwicklung der nächsten Jahre: "Das Universitätsgesetz 2002, das mit 1. Jänner 2004 voll wirksam geworden ist und eine neue Ära in der Entwicklung des gesamten universitären Sektors bedeutet, hat den Universitäten eine völlige Autonomie mit neuen Steuerungsinstrumenten wie Globalbudgets und Leistungsvereinbarungen u.a. gebracht. Die Universitäten wurden von Anstalten des Bundes in juristische Personen des öffentlichen Rechts übergeführt und aus der Bundesverwaltung ausgegliedert. Das Universitätsgesetz 2002 setzt auf den Dezentralisierungsbemühungen der 90er-Jahre auf und erweitert sie u.a. durch die Einführung der so genannten "Vollrechtsfähigkeit" und den Ersatz des Haushaltsrechts des Bundes durch Elemente des Wirtschaftsrechts. Damit wurde die rechtliche Grundlage für eine zukünftige "unternehmerische Universität" geschaffen, die die Möglichkeit hat, sich zusätzlich zur Finanzierung durch den Bund neue Finanzquellen zu erschließen" (Kasparovsky 2004, S. 11-12).
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Change Management
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Diese Beispiele verweisen darauf, dass der Begriff Change Management dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich entstammt. Stellvertretend für viele einschlägige Erklärungen und Definitionen soll hier jene aus dem Gabler Wirtschaftslexikon stehen: "Change Management" wird in diesem Nachschlagewerk erläutert als "laufende Anpassung von Unternehmensstrategien und -strukturen an veränderte Rahmenbedingungen. Wandel repräsentiert heute im Unternehmen nicht mehr den "exotischen" Sondervorgang, sondern eine häufig auftretende Regelerscheinung. Das Verhältnis der Gleichgewichts- und Ungleichgewichtsphasen in der Unternehmensentwicklung hat sich zu Gunsten mehr oder weniger turbulenter Veränderungsphasen verändert. Das "business as unusual" wird eher zur Regel als zur Ausnahme. Alle Prozesse der globalen Veränderung, sei es durch Revolution oder durch geplante Evolution, fallen in das Aufgabengebiet des Change Managements. - Zu den harten, revolutionären Ansätzen zählen die Modelle der Corporate Transformation und Business Transformation, die innerhalb des Reengineering propagiert werden. Sie stellen alle Bereiche des gewachsenen Kontexts zur Disposition. Weiche, stärker evolutionär angelegte Ansätze stammen aus der Organisationsentwicklung. Sie war über Jahrzehnte das dominierende Paradigma des Change Managements. Charakteristisch für Organisationsentwicklung ist das Harmoniepostulat zwischen den Zielsetzungen des Unternehmens und der betroffenen Mitarbeiter. Der Change Agent versteht sich als Katalysator, Moderator, Konfliktmanager und Prozessberater in einem partizipativ angelegten Prozess der Unternehmensentwicklung. Sie setzt sowohl auf der Ebene der Individuen (Personalentwicklung), der Gruppen als auch der Gesamtorganisation an" (Gabler 2000, S. 621 - 622).
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Universitätsreform in Österreich: Sigurd Höllingers öffentlich gezogene Zwischenbilanz
Sigurd Höllinger hält seinen Pariser Vortrag über den Wandel an Österreichs Universitäten unter dem Titel "Universities can perform if they are allowed to". Höllinger hat aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst fundierte Kenntnisse über die Veränderungen an Österreichs Universitäten. Er weiß sicherlich auch um "hinter den Kulissen" angestellte Überlegungen, um mittelfristig angedachte weitere Reformschritte, und er ist als Beamter an die Amtsverschwiegenheit gebunden. Es handelt sích also um den Vortrag eines intimen Kenners der Materie, der sich zwangsläufig der offiziellen Version des Ministeriums, aber wohl auch der eigenen "Erfolgserzählung" verpflichtet fühlen muss. Unter diesen Gesichtspunkten kann davon ausgegangen werden, dass Sigurd Höllinger in seinem Vortrag wichtige Aspekte des Reformprozesses anspricht und in kurzer Form einen pointierten und aktuellen Einblick in die komplexe Materie gewährt. Daher bietet sich der im Jänner dieses Jahres gehaltene Vortrag als interessante Informationsquelle an. Angesichts der Kürze des Vortrages darf man allerdings keine Details und angesichts von Höllingers Tätigkeit und Stellung keine unverhüllte Darstellung "heikler Punkte" erwarten. Daher sollen nach der Darlegung von Sigurd Höllingers öffentlich gezogener Zwischenbilanz der österreichischen Universitätsreform Zielsetzungen, Steuerungsinstrumente und Widerstände unter Hinzuziehung anderer Sichtweisen nochmals kritisch in den Blick genommen werden.
Die österreichische Universitätsreform soll - betont Sigurd Höllinger in seinen einleitenden Worten - Institutionen mit alten Traditionen und nationalen Besonderheiten in international ausgerichtete Universitäten europäischen Geistes überführen. Als primäre Reformziele nennt er Leistungssteigerungen in Forschung und Lehre, eine bessere Nutzung der finanziellen Mittel: Österreichs Universitäten sollen als unabhängige, effizíent geführte Institutionen ihre Entwicklung eigenverantwortlich vorantreiben, sie müssen sich - mittelfristig gesehen - als international konkurrenzfähig behaupten können.
Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitskräften und die Forderung nach Chancengleichheit in den Sechzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts - führt Höllinger aus - mündete in detaillierte Vorgaben des Staates für seine Universitäten. In der Folge steckte ein engmaschiges, regides Regelwerk den Rahmen ab, in dem sich die Universitäten "entfalten" durften. Höllinger erklärt, dass diese gesetzlichen Vorgaben in Laufe der Zeit immer weniger gemäß ihrer ursprünglichen Intention ausgelegt und angewendet wurden und dass hinzukommende gesetzliche Regelungen diesem Trend nicht entgegenzuwirken vermochten: An der Universität fest verwurzelte Interessensgruppen hatten mittlerweile gelernt, das bürokratische System in ihrem Sinne zu nutzen. Es war zunehmend üblich geworden - unterstreicht Höllinger dies in seinem Vortrag - die Gesetzgebung im eigenen Interesse zu beeinflussen und sich gleichzeitig über die Zwänge dieser Gesetzgebung zu beklagen. Daher gab es schon zu Beginn der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts die Überlegung, die Universitäten aus diesem bürokratischen System zu entlassen. Doch die Freiheit eigenständiger Universitätsentscheidungen war angesichts der damit verknüpften Verantwortung und der damit assoziierten Beschneidung der akademischen Freiheiten nicht willkommen, ein starkes Management an der Universität erschien bedrohlicher für die individuelle Freiheit als die Leitung durch das ferne Ministerium.
Der österreichische Staat - sagt Höllinger - ist gesetzlich verpflichtet, seine Universitäten finanziell zu unterstützen, und gleichzeitig muss er sicherstellen, dass sie ihren Aufgaben in Forschung und Lehre nachkommen. Das neue - durch das Universitätsgesetz 2002 geschaffene - Verhältnis zwischen Staat und Universitäten definiert sich durch diese beiderseitigen Verpflichtungen: Der Staat schließt mit den einzelnen Universitäten Leistungsvereinbarungen ab, und das Ausmaß, in dem die zwischen Rektor und Ministerium vereinbarten Leistungen von der jeweiligen Universität tatsächlich erbracht werden, hat einen nicht unerheblichen Einfluss darauf, wieviel Geld diese Universität in der Folge vom Staat erhält. Und Hölliger verweist noch auf einen anderen Aspekt der neuen Beziehung zwischen Staat und Universitäten: Die an der Universität bereits tätigen Beamten behalten zwar ihre Rechte, aber neue Mitarbeiter unterstehen allein der Universität und damit letztlich dem Rektor, nicht mehr dem Bundesministerium.
Das Universitätsgesetz 2002 konfrontiert die Universitäten mit gesetzlichen Vorgaben, die eine Universitätsentwicklung in der gewünschten Weise sicherstellen sollen. Die leitenden Organe der Universität - Rektorat, Universitätsrat und Senat - unterliegen genauen gesetzlichen Bestimmungen, es sind schließlich jene Instanzen, die den angestrebten Wandel an Österreichs Universitäten vorantreiben sollen. Bei der inneren Organisation - der Gliederung in Fakultäten, Abteilungen, Institute, ... - bleibt mehr Spielraum für die Gestaltungswünsche der einzelnen Universitäten. Das Gesetz verpflichtet den Rektor, einen entsprechenden Organisationsplan zu entwerfen, auch die Erstellung des Entwicklungsplanes und die Schaffung der Vorlage für die mit dem Ministerium auszuverhandelnde Leistungsvereinbarung obliegen dem Rektorat. Höllinger berichtet, dass in all diesen Belangen bereits wichtige Schritte gesetzt wurden. Der neue rechtliche Status unterstellt die Universitäten auch vielen schon lange gültigen gesetzlichen Bestimmungen, die aber bis zum 31. Dezember 2003 für die Universitäten nicht verbindlich waren. So unterliegt die universitäre Buchhaltung nun den Regeln der ordentlichen Buchführung, was die Universitäten die Verpflichtung auferlegte, per 1. Jänner 2004 eine Eröffnungsbilanz zu erstellen und in der Folge laufend ihre Jahresabschlüsse zu veröffentlichen. Im Studienrecht - berichtet Höllinger - unternehmen die Universitäten intensive Anstrengungen zur Implementierung der Bolognaarchitektur, überhaupt hat sich das Interesse an internationalen Entwicklungen und internationaler Zusammenarbeit erhöht. Höllinger hebt auch die gemeinsame Schaffung neuer Managementwerkzeuge durch Universitäten und Ministerium hervor und nennt in diesem Zusammenhang Wissensbilanzen und Tätigkeitsberichte.
Der Staat und die einzelnen Universitäten schließen Leistungsvereinbarungen ab, die jeweils drei Jahre gelten. Die Entwürfe dafür werden - unter Beachtung der Regierungsvorstellungen und der inneruniversitären Beratungen - von den Rektoren erstellt und vom Universitätsrat genehmigt. Die Leistungsvereinbarungen sollen auf den universitären Entwicklungsplänen fußen und sich mit jenen Aufgaben der Universität befassen, die der Staat gesetzesgemäß zu finanzieren hat. Die Universitäten sind gesetzlich zu Qualitätssicherung verpflichtet.
Sigurd Höllinger sagt in seinem Vortrag, dass ihm zwar noch keine Studien über den Fortgang des universitären Wandlungsprozesses zur Verfügung stehen, dass sich aber grundlegende Veränderungen wahrnehmen lassen. Seiner Einschätzung nach gehen die Universitäten selbstbewusst mit der neuen Autonomie um, sie entwickeln individuelle Profile, treffen dementsprechende Personalentscheidungen und offerieren ein passendes Lehrveranstaltungsangebot. Auch wenn Höllinger manche Universitäten auf diesem Wege tatkräftiger als andere voranschreiten sieht, nimmt er generell eine verstärkte Leistungsorientierung und ein erhöhtes Kostenbewußtsein wahr. Es gibt aber auch - räumt er ein - Demotivation von Universitätsmitarbeitern und Widerstand gegen die Veränderungen, gegen die als autoritär empfundenen Rektoren und gegen den neu geschaffenen Universitätsrat. Höllinger benennt den Senat, der von der Reformgesetzgebung nicht mit viel Macht ausgestattet wurde, als Kommunikationszentrum für die inneruniversitäre Unzufriedenheit, er beurteilt den Widerstand aber als im Schwinden begriffen. Universitätszielsetzungen und Entwicklungspläne werden seiner Darstellung nach intensiv diskutiert, die Rektorate kritisch, aber mit wachsender Zustimmung beobachtet und der Universitätsrat als Beratungsorgan des Rektorats, als Konfliktvermittler und Leitungsorgan, dem die Entwicklung der Universität ein Anliegen ist, geschätzt.
Höllinger betont, dass die Förderung junger Forschungstalente eine der Herausforderungen für die Universitäten neuen Stils ist, und daher ermächtigt die Reformgesetzgebung alle wissenschaftlichen Universitätsmitarbeiter ausdrücklich, neben ihren Verpflichtungen im Rahmen der Leistungsvereinbarungen auch Forschungen für Dritte durchzuführen. Höllinger sieht die Universitäten ihre Unabhängigkeit vor allem zum Vorantreiben der Forschung nutzen, bei der Lehre wird verstärkt Nachdruck auf die Vernetzung zur Forschung gelegt. Die österreichischen Universitäten gestalten momentan ihr Studienangebot im Sinne des Bolognaprozesses um. Die Doktoratsstudien im Sinne von Bologna legen den Fokus auf selbstbestimmte Forschung und sehen nur einen kleinen Teil an verpflichtenden Lehrveranstaltungen vor. Die neue Universität - sagt Höllinger - ist ein Zentrum der Grundlagenforschung, also jener Forschung, die durch wissenschaftliche Neugierde vorangebracht wird und bei der der Aspekt der kommerziellen Verwertbarkeit der Ergebnisse eine nachrangige Rolle spielt. Diese Forschung ist die Basis der wissenschaftlichen Tätigkeit, aber sie birgt - merkt Höllinger an - ein hohes Risiko des Scheiterns. Nichtsdestotrotz müssen die Universitäten ihre Schutz- und Urheberrechte an den Ergebnissen universitären Forschung sichern, und gleichzeitig müssen sie den erfolgreichen Forschern ihren Anteil zukommen lassen.
Höllinger betont in seinem Vortrag energisch, dass die Autonomie der Universitäten das traditionelle Recht auf akademische Freiheit in keinster Weise beeinträchtigt: Jeder Akademiker kann sein Forschungsgebiet selbst wählen, und Arbeit die den Forscher in einen Gewissenskonflikt stürzt, kann nicht von ihm erzwungen werden. In der neuen Universität ist die mit Leidenschaft verfolgte wissenschaftliche Neugierde, von Wissensdurst angetriebene Forschung von wachsender Bedeutung. Die Ergebnisse dieser Forschung - streicht Höllinger heraus - unterliegen einer genauen Beobachtung und sind für den Karriereverlauf maßgebend.
Als Schwäche des neuen Systems nennt Höllinger, dass weder Gebäude noch Grund in den Besitz der Universitäten transferiert worden sind: Die Universitäten sind zu Mietern einer gewinnorientierten Gesellschaft geworden. Hier hofft Höllinger auf eine kreative Lösung in naher Zukunft.
Ein anderer Bereich, in dem Sigurd Höllinger Handlungsbedarf sieht, ist der offene Zugang zu Österreichs Universitäten. Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, dass alle EU-Bürger zu gleichen Bedingungen an den Universitäten akzeptiert werden müssen, sehen sich einige Studienrichtungen mit - angesichts der vorhandenen Ressourcen - nicht zu bewältigenden Zahlen an Studierwilligen konfrontiert. Hölliger bezeichnet den offenen Hochschulzugang als "heilige Kuh" der Politiker und wünscht sich eine Abstimmung zwischen den aktuellen Nöten der Universitäten und dem jahrzehntelang hochgehaltenen politischen Versprechen der Chancengleichheit. Die moderaten Studiengebühren sind bei ihrer Einführung - merkt Höllinger in diesem Zusammenhang an - auf wenig Widerstand gestoßen und haben nicht zu sozialer Diskriminierung geführt.
Veränderungen sind sichtbar, aber - konstatiert Höllinger - sie stecken noch in den Anfängen. Er schätzt, dass es noch ein Jahrzehnt dauern wird, bis die Universitäten in der neuen Weise funktionieren werden. Ein hoher Prozentsatz der aktiven Professoren wird in dieser Zeit das Pensionsalter erreichen, Neubesetzungen werden von den Rektoren im Sinne einer Profilbildung genutzt: Forschungfelder werden aufgegeben, andere geschaffen oder gestärkt. In diesem Bereich erwartet Höllinger Machtkämpfe und Diskussionen.
Höllinger sieht in einigen Jahren - wenn die Universitäten sich in die Autonomie eingefunden haben - weiteren Veränderungsbedarf: Die Mängel schätzt Höllinger überwiegend als minderbedeutend ein, ihre Korrektur muss so behutsam erfolgen, dass das neue System nicht beeinträchtigt wird.
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Zielsetzungen
Planvolle Veränderungsprozesse implizieren Zielsetzungen: Nur wenn klar ist, was angestrebt wird, kann eine systematische Entwicklung in die gewünschte Richtung erfolgen. Sigurd Höllinger benennt in seinem Vortrag grobe Zielsetzungen für die universitäre Entwicklung der nahen Zukunft. Den einzelnen Universitäten obliegt es, diese Ziele zu konkretisieren und die entsprechenden Umsetzungsschritte in die Wege zu leiten. Dabei besteht durchaus Konsens darüber, dass die Entwicklungsplanung ein permanenter Prozess ist, der sich im Setzen immer neuer Etappenziele manifestiert. Diese ergeben sich aus der Unzufriedenheit mit dem Istzustand und den sich jeweils bietenden Verbesserungsmöglichkeiten. Im Folgenden sollen Höllingers doch recht abstrakte Zielvorstellungen die handfesten Zielsetzungen der Universität Wien gegenübergestellt werden. Dabei geht es nicht nur darum, einen Eindruck zu geben, wie die konkreten Zielsetzungen einer Universität ausschauen können. Es sollen auch mögliche Reibungsstellen zwischen Staat und Universitäten identifiziert werden.
Ein fundiertes Zukunftsdesign muss von einer Analyse des Ist-Zustandes ausgehen, die Universität Wien beginnt daher ihren Entwicklungsplan mit einer kurzen Bestandsaufnahme. In ihr verweist die Universität Wien ausdrücklich auf ihre bloß durchschnittliche finanzielle Ausstattung durch den Staat beziehungsweise die Gesellschaft, vergleichend wird die weit günstigere Finanzsituation nordeuropäischer Universitäten herausgestellt. Als ebenfalls verbesserungswürdig wird die Relation zwischen Lehrenden und Studierenden präsentiert, allerdings wird hinzugefügt, dass von einer "Massenuniversität" nur in einzelnen Fächern gesprochen werden kann (vgl. Universität Wien 2006, S. 8). Hinsichtlich der Forschung werden Publikationen beziehungsweise ihr Niederschlag in anknüpfenden wissenschaftlichen Arbeiten (Zitationen) und das Einwerben von Drittmittel als Leistungsmaßstab genannt. Und zur Darlegung ihrer Stellung im internationalen Vergleich präsentiert die Universität Wien ihre Plazierung in verschiedenen Rankings. Die Datenauswahl erweckt ein bisschen den Eindruck, dass das Aufdecken der universitätseigenen Schwachstellen - zumindest im publizierten Entwicklungsplan - nur mit äußester Zurückhaltung angegangen wird. ...
Im Einzelnen deklariert die Universität Wien in ihrem Entwicklungsplan wörtlich folgende fünf Ziele (Universität Wien 2006, S. 15):
- Erhöhung der internationalen Sichtbarkeit, Positionierung im Kreis der besten Forschungsuniversitäten Europas
- Entwicklung von einer Lehrveranstaltungsanbieterin zur international anerkannten Vermittlerin von "Bildung" und "Kompetenz", Positionierung im europäischen Bildungsraum mit attraktiven Studienangebot (europäische Studienarchitektur, Vernetzung der Studien, Ausbau der Doktoratsstudien)
- Stärkung der Bedeutung als international attraktives Zentrum für junge, innovative WissenschafterInnen, insbes. aus Zentraleuropa
- Verbesserung der Rahmenbedingungen des Studiums und des wissenschaftlichen Arbeitens durch Verbesserung der administrativen Leistungen
- Anwendung von Qualitätskriterien, die internationalen Standards entsprechen.
Zu diesen Zielsetzungen benennt der Entwicklungsplan Maßnahmen, mit denen die Ziele angestrebt werden:
Im Bereich der Forschung sind universitäre Forschungsschwerpunkte, Forschungsplattformen und fakultäre Forschungsschwerpunkte ebenso vorgesehen wie Maßnahmen zur JungwissenschafterInnenförderung (vgl. ebd., S. 112) und Initiativkollegs für DoktorandInnen (vgl. ebd., S.33-34). Unter Berücksichtigung der fakultären Forschungsschwerpunkte sind momentan sechs universitäre Forschungsschwerpunkte geplant (vgl. ebd., S. 35-37), die universitäre Arbeit in diesen Schwerpunkten wird in Form von Projekten koordiniert. Aus den Forschungsschwerpunkten und den für sie notwendigen Grundlagenfächern leitet sich die Widmung von Professuren ab, der Entwicklungsplan gibt daher auch einen Überblick über die zum Stichtag 1. Oktober 2004 bestehenden und eine Vorschau auf die geplanten Professuren (vgl. ebd., S. 41-109). Die Universität Wien erwartet sich in den nächsten Jahrten durch die universitären Forschungsschwerpunkte eine Hebung ihres internationalen Renommees als Forschungsinstitution und die Einwerbung erheblicher Forschungsmittel.
Im Bereich der Lehre wird der steigenden Mobilität der Studierenden und der zunehmenden Notwendigkeit zum Lebensbegleitenden Lernen durch Einführung der Europäischen Studienarchitektur und einer Ausweitung des Weiterbildungsangebotes Rechnung getragen. Die Gestaltung der Curricula im Sinne der Europäischen Studienarchitektur soll - soweit das Gesetz eine solche zulässt - bis zum Studienjahr 2008/09 abgeschlossen sein (vgl. ebd., S. 21). Die neuen Curricula sollen mit den Forschungsschwerpunkten der Universität, ihrer Fakultäten und Zentren korrelieren und das Bekenntnis der Universität zur forschungsgeleiteten Lehre und zur Interdisziplinarität widerspigeln: Die Studierenden sollen aktiv in die Forschung eingebunden werden, und die Vielfalt der an der Universität Wien vertretenen Wissenschaftsfelder soll als Stärke in der Lehre kenntlich sein. Unter besonderer Bedachtnahme auf jene Sprachen, in der der internationale wissenschaftliche Diskurs geführt wird, sind fremdsprachlich abgehaltene Lehrangebote geplant. Die Universität Wien beabsichtigt, ihr Lehrangebot verstärkt mit anderen Bildungseinrichtungen abzustimmen, erste diesbezügliche Schritte im Wiener Raum (vgl. ebd., S. 21) und auf europäischer Ebene (vgl. ebd., S. 19) gibt es bereits. Bei der Restrukturierung beziehungsweise Neuerstellung von Curricula wird eine mögliche Berufstätigkeit oder Betreuungsverpflichtung von Studierenden mitbedacht, der Freiraum zur individuellen Gestaltung des Studiums soll - unter Hintanhaltung administrativer Mehrbelastung - möglichst groß sein. Mediengestützte Lehr- und Lernformen und die Verbesserung der Hochschuldidaktik sollen das Lernen der Studenten unterstützen.
Darüber hinaus listet der Entwicklungsplan der Universität Wien diverse fakultäts- und zentrumsübergreifende Maßnahmen auf. Neben den schon erwähnten Maßnahmen zur Förderung von JungwissenschafterInnen sind das Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern (vgl. ebd., S. 110-111), Maßnahmen der Personalentwicklung (vgl. ebd., S. 113-114), Maßnahmen zur Qualitätssicherung (vgl. ebd., S. 115-116) und Maßnahmen im Bereich von Diversity Management (vgl. ebd., S. 117).
Sigurd Höllinger fasst die Reformvorgaben für Österreichs Universitäten in seinem Vortrag in knappe Worte: "In a nutshell, the reform objectives are: (1) enhancing the universities' research and teaching performance; and (2) improving their use of financial resources. The aim is for the Austrian universities to remain European players in research and teaching where this is already the case, and for them to become internationally competitive as quickly as possible where it is not" (Höllinger 2006, S. 1). Darin lassen sich unschwer Leistungssteigerungen in Forschung und Lehre, eine verstärkte internationale Orientierung und ein effizienter Ressourceneinsatz als zentrale Anliegen der aktuellen Universitätsreform erkennen. Dementsprechend massiv betonen die Zielsetzungen der Universität Wien den internationalen Fokus in Forschung und Lehre. Hinsichtlich der Ressourcen wird hingegen im Entwicklungsplan erläuternd festgehalten, dass das Engagement der Universitätsangehörigen allein nicht zu Spitzenleistungen in Forschung und Lehre führt, dass ohne "die Bereitschaft des Staats zur finanziellen Ausstattung der Universitäten" (Universität Wien 2006, S. 15) die ausgewiesenen Ziele nicht erreicht werden können. Während also die Leistungsvereinbarungen und die an sie anknüpfende Ressourcenverteilung für die ministerielle Sichtweise, dass gute Leistung mit entsprechenden Ressourcenzuweisungen honoriert werden sollen, zu stehen scheinen, betont die Universität Wien den umgekehrten Zusammenhang: Erst eine Erhöhung der vorhandenen Mittel machen Leistungsverbesserungen möglich. ...
Steuerungselemente
In der einleitend zitierten Passage aus der Broschüre des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur werden Globalbudgets und Leistungsvereinbarungen als Steuerungsinstrumente für die Universitätsentwicklung genannt. Und Sigurd Höllinger formuliert in seinem Vortrag: "The universities and the Ministry have jointly developed new management tools, mostly aimed at improved control, in the shape of intellectual capital reports, the 20% indicator-linked budget component, and the activity reports. By November 2005 the government had established the overall budgets of all the state universities during the first performance agreement period, 2007 - 2009" (Höllinger 2006, S. 5). Die österreichischen Universitäten haben also Leistungen zu erbringen, darüber Rechenschaft abzulegen und erhalten gemäß der Erfüllung ihrer Verpflichtungen Geld vom Staat. Dieses Geld können die Universitäten wiederum relativ flexibel so aufteilen und einsetzen, wie sie ihre Zielsetzungen am besten zu erreichen, ihrer Leistungsvereinbarung am ehesten gerecht zu werden meinen.
Insgesamt sehen sich die Universitäten durch die gesetzlich vorgegebene Zeitstruktur zu raschen Reformmaßnahmen genötigt. Das Universitätsgesetz 2002 schreibt vor, dass die ersten Leistungsvereinbarungen zwischen dem Ministerium und den einzelnen Uiversitäten für die Zeitperiode von 2007 bis 2009 abzuschließen sind. Die Entwürfe dieser Vereinbarungen sind in universitätsinternen Verhandlungen vom jeweiligen Rektor zu konzipieren, vom Universitätsrat zu genehmigen und bis zum 30. April 2006 im Ministerium vorzulegen. Das Ministerium hat vier Monate für eine Stellungnahme zu den Entwürfen Zeit. Die definitiven Leistungsvereinbarungen sind zwischen dem Ministerium und der jeweiligen Universität auszuhandeln und bis zum Beginn der Leistungsperiode abzuschließen. Für die erste Leistungsperiode haben die Leistungsvereinbarungen also bis 31. Dezember 2006 vorzuliegen (vgl. Universitätsgesetz 2002 §13(7)). Das Universitätsgesetz 2002 regelt in groben Zügen auch den Inhalt dieser Leistungsvereinbarungen: Die Leistungsvereinbarung hat die vom Bund und von der jeweiligen Universität zu erbringenden Leistungen hinsichtlich Inhalt, Ausmaß und Umfang zu regeln, den Zeitpunkt der Leistungserbringung, die Konsequenzen im Falle der Nichterfüllung der Vereinbarung, das Berichtswesen und die Rechenschaftslegung. Die primäre Leitungsverpflichtung des Bundes besteht in der Zuteilung des Grundbudgets, für dessen Bemessung das Gesetz die Kriterien Bedarf, Nachfrage, Leistung und gesellschaftliche Zielsetzungen als maßgebend aufführt. Die von der Universität zu erbringenden Leistungen haben ihren Zielen, leitenden Grundsätzen und Aufgaben zu entsprechen und werden in § 13(2)1 des Universitätsgesetzes 2002 in sechs Bereiche untergliedert:
- strategische Ziele, Profilbildung, Universitäts- und Personalentwicklung
- Forschung sowie Entwicklung und Erschließung der Künste
- Studien und Weiterbildung
- gesellschaftliche Zielsetzungen
- Erhöhung der Internationalität und Mobilität
- interuniversitäre Kooperation.
Da die Leistungsvereinbarung der Universität Wien diesem Gesetz zu genügen hat und auf dem Entwicklungsplan der Universität fußt, lassen sich bereits in diesen Entwicklungsplan Entsprechungen zu den sechs Punkten finden.
Max Kothbauer, Vorsitzender des Universitätsrates der Universität Wien,
Resümee
Literatur
Conrad, Peter (2004): Management of Change in Universitäten. Einige Anmerkungen. In: Laske, Stephan / Scheytt, Tobias / Meister-Scheytt, Claudia (Hrsg.): Personalentwicklung und universitärer Wandel. München/Mering, S. 9-31.
Gabler Wirtschaftslexikon (2000) [in 4 Bänden]. 15. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
Höllinger, Sigurd (2006): Universities can perform if they are allowed to. Presentation given at the OECD seminar "Growth strategies: Czech ambition and OECD experience", held at the OECD in Paris on 11th January 2006.
http://www.oecd.org/dataoecd/56/10/35954835.pdf
Kasparovsky, Heinz / Wadsack, Ingrid (2004): Das österreichische Hochschulsystem. 2. Aufl., Stand: 1. Juli 2004. Wien: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Kothbauer, Max (2005): Leistungsvereinbarungen als kooperatives Steuerungs- und Finanzierungsinstrument. Anforderungen an die ministeriellen Planungs- und Entscheidungsprozesse top-down. Beitrag beim Workshop "Universitäre Leistungsvereinbarungen im Spannungsfeld von Bestandssicherung, Transformation und Profilbildung im Wettbewerb" der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (Baden bei Wien, 16.-17. Dezember 2005).
http://www.univie.ac.at/universitaetsrat/vortrag_kothbauer_leistungsvereinbarungen.pdf
Teichler, Ulrich (2003): The future of higher education and the future of higher education research. In: Tertiary education and management 9, S. 171-185.
Universität Wien (2006): Universität Wien 2010. Entwicklungsplan der Universität Wien. Auf Vorschlag des Rektorats nach der einstimmig beschlossenen Stellungnahme des Senats vom 27. April 2006 vom Universitätsrat der Universität Wien am 28. April 2006 einstimmig genehmigt.
http://www.univie.ac.at/rektorenteam/ug2002/entwicklung.pdf
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Wöhrle, Armin (2005): Den Wandel managen. Organisationen analysieren und entwickeln. Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges.