Armut und Behinderung in Österreich

Aus Philo Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

Zusammenhang Armut und Behinderung

Armut und Behinderung hängen insofern zusammen, da mit sinkender Sozialschicht-Zugehörigkeit die Gefahr behindert zu werden steigt. Dies gilt grundsätzlich für alle Arten von Behinderung. (vgl. Cloerkes 2001, S. 64) Es kann jedoch nicht von Armut allein auf Entwicklungsstörungen geschlossen werden. Das Risiko behindert zu werden, hängt auch von anderen Faktoren ab, welche mit Armut in Verbindung stehen:

  • Intensität und Komplexität:

Unterversorgung in zentralen Lebensbereichen wie Einkommen, Arbeit, Wohnen, Ernährung, Bildung, Gesundheit und psychischem Wohlergehen schränkt die Gestaltungsspielräume der Familie sehr ein. (vgl. Antor und Bleidick 2006, S. 208)

  • Zeitpunkt und Dauer:

Vor allem die ersten Lebensjahre sind wichtig für die kindliche Entwicklung. Langzeitarmut hat (nach Studien in den USA) daher schwerwiegendere Folgen für die kognitive Entwicklung als kürzere Armutsabschnitte. (vgl. Skoluda/ Holz 2003, S.114, zit. nach: Antor und Bleidick 2006, S.208)

  • Familiale Belastung und Bewältigung:

Steigende Reizbarkeit, depressive Verstimmungen, willkürliches Strafverhalten, Inkompetenzgefühle und Beeinträchtigungen des Familienzusammenhaltes können die Risikofaktoren verstärken. (vgl. Walper 1995, S. 199, zit. nach: Antor und Bleidick 2006, S.208)

Menschen mit schweren und längerfristigen Schädigungen werden häufig als behindert bezeichnet, allerdings sind sie durch ihre Schädigung noch nicht unbedingt behindert. Wenn an sie laufend hohe Erwartungen gestellt werden oder wenn unzureichende Bedingungen gegeben sind, kann eine Behinderung auftreten. Wenn also an ein Kind mit kognitiver Störung in bestimmten Situationen und Kulturkreisen nur geringe kognitive Ansprüche gestellt werden, kann das Kind nicht gefördert werden. Je stärker Benachteiligungen in materiellen oder sozialen Gegebenheiten sind, desto größer ist das Risiko, dass bei geringer Schädigung eine Behinderung entsteht. Unter materiellen und sozialen Gegebenheiten verstehen wir Wohnraum, Spiel- und Arbeitsplatz, Schlafgelegenheit, Ernährung, Hilfsmittel, Hilfen, Unterstützung, zwischenmenschliche Bezugsverhältnisse und emotionale Komponenten. Häufig ist bei sozialer Benachteiligung statt regelhafter Zugewandtheit Distanz und Ablehnung gegeben, außerdem erfolgt statt Anregung und Hilfe mehr oder weniger starke Isolation und Vorenthaltung von Handlungsbedingungen. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Behinderung sowie die Häufigkeit und Stärke ist abhängig von der Behebung oder Besserung von Schädigungen, Korrektur der Erwartungshaltung und Minderung oder Verstärkung von Benachteiligungen. Durch soziale bzw. materielle Benachteiligung kann es zu somatischen, kognitiven und emotionalen Schädigungen kommen, welche durch Belastungen wie Überforderung und Unterforderung verstärkt werden. (vgl. Cloerkes 2001, S.68f)

Lernbehinderung und soziale Herkunft

Die Begriffe „lernbehindert“ und „Lernbehinderung“ entstanden 1960 als die Hilfsschule in „Schule für Lernbehinderte“ umbenannt wurde. Es ist schwierig die beiden Begriffe klar zu definieren und von anderen Ausdrücken wie Lernversagen oder Lernstörung abzugrenzen. (http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Behinderung/s_586.html) “Lernbehinderung” ist nicht eindeutig messbar. Ob ein Kind in eine Sonderschule aufgenommen wird oder nicht hängt vor allem von der „Schulleistung“ und der „Intelligenz“ ab, also wenn eine angemessene Förderung in einer Regelschule nicht möglich ist oder wenn das Kind in seiner Intelligenz deutlich von der Norm abweicht. (vgl. Cloerkes 2001, S. 68)

Soziale Merkmale lernbehinderter Kinder:

Ca. 90% der Sonderschüler gehören einer unteren Sozialschicht an. Das heißt jedoch nicht, dass fast alle Kinder, die aus unteren Schichten kommen als lernbehindert eingestuft werden können. Etwa 10% der Unterschichtkinder gelten als lernbehindert. Große Familien, beengende Wohnverhältnisse, schlechte Wohngegenden können zu einer Lernbehinderung beitragen. (vgl. Cloerkes 2001, S.68)

Wo soziale Ungleichheit herrscht, da ist auch die gesundheitliche Ungleichheit vorhanden. Überlegungen zur Aufnahme an einer Sonderschule sind sehr subjektiv.

Auch der hohe Anteil von Ausländerkindern ist von Bedeutung. Ausländische Familien wohnen häufig sehr beengt mit vielen Kindern in schlechten Wohngegenden. Diese Familien haben oft starre Regeln ohne Begründung und mangelnde Zukunftsorientierung. Sozio-ökonomische Benachteiligung zeigt sich häufig in physischen Krankheiten. Es können leichte hirnorganische Defekte auftreten, welche eine Lernbehinderung mit sich bringen. Eine Schule für Lernbehinderte ist häufig eine Schule für Benachteiligte, die Chance auf Gleichheit wird dadurch eher noch vermindert, als erhöht. Für die Vermeidung einer Behinderung ist Früherkennung und Vorsorge eine wichtige Maßnahme. Ist dies jedoch durch mangelnde Bildung und schlechte ärztliche Versorgung nicht gegeben, steigt gleichzeitig das Risiko behindert zu werden. Während einer Schwangerschaft und nach der Geburt ist die ärztliche Versorgung häufig unzureichend, weil die soziale Schicht ärztliches Handeln beeinflusst und sprachliche Barrieren die Familien häufig daran hindern gesellschaftliche Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Es wurde erforscht, dass die Anzahl Behinderter in unteren sozialen Schichten weit höher ist, als in anderen Schichten. (vgl. Cloerkes 2001, S.68f)

Jeder sechste in Armut lebende Mensch, ist ein Mensch mit Beeinträchtigung. Verantwortlich für Behinderung von Menschen sind z.B.: Mangel –und Unterernährung, Krankheiten wie Kinderlähmung oder Lepra, Kriege, aber auch mangelndes Wissen und fehlende Aufklärung. Für behinderte Menschen ist ein Entkommen aus der Armut noch schwieriger als für Menschen ohne Beeinträchtigung. Ursachen, die häufig zum Ausschluss vom Entwicklungsprozess führen, sind u.a. schlechte Schulbildung, mangelnde sozial Sicherungssysteme und religiöse sowie kulturelle Vorurteile. In Ländern der „Dritten Welt“ sind Rehabilitationsmöglichkeiten kaum vorhanden. Würde die medizinische Versorgung in betroffenen Ländern ausgebaut werden, so könnten viele Behinderungen gemindert bzw. durch Früherkennung sogar vermieden werden. (http://www.rezag.de/Texte/arm_behind.htm)


Verwendete Literatur

  • CLOERKES, G. (2001): Soziologie der Behinderten. Eine Einführung. Heidelberg.
  • ANTOR, G. und BLEIDICK, U. (2006): Handlexikon der Behindertenpädagogik. Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis. Stuttgart.
  • SKOLUDA, S. und HOLZ, G. (2003): Armut im frühen Kindesalter – Lebenssituationen und Ressourcen der Kinder. In: Frühförderung interdisziplinär. Frankfurt am Main.
  • WALPER, S. (1995): Kinder und Jugendliche in Armut. In: Bieback, K.-J. und Milz, H.: Neue Armut. Frankfurt am Main.
  • http://www.rezag.de/Texte/arm_behind.htm download: 03.05.2007
  • http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Behinderung/s_586.html download: 03.05.2007