Als Negatives aufbewahrt

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Das Jetzt, welches Nacht ist, wird aufbewahrt, das heißt, es wird behandelt als das, für was es ausgegeben wird, als ein Seiendes; es erweist sich aber vielmehr als ein Nichtseiendes. Das Jetzt selbst erhält sich wohl, aber als ein solches, das nicht Nacht ist; ebenso erhält es sich gegen den Tag, der es jetzt ist, als ein solches, das auch nicht Tag ist; oder als ein Negatives überhaupt.

Die Gegenständlichkeit des Jetzt und die Wahrheit/Falschheit von Zeitaussagen führen im Subjekt-Objekt-Rahmen zur Initialzündung der Dialektik. Als intuitiver Hintergrund wird angenommen, dass sich ein Jetzt wie ein Geldstück irgendwo deponieren läßt und dabei einen Behauptungssatz bestätigt: "Diese Münze ist fünf Euro wert". Ein Jahr später hat die Inflation dazu geführt, dass dieser Satz auf dieses Geldstück nicht mehr zutrifft.

Behandelt das Alltagsverständnis den Augenblick wie eine Münze? Das läßt sich schwer entscheiden. Die von Hegel betrachtete Wissensform ist teils ein Phänomen und teils ein Konstrukt innerhalb seiner Philosophie. Zum Fortgang des Gedankenganges muss angenommen werden, dass sich das Jetzt festhalten läßt. Das macht nur im Subjekt-Objekt-Verhältnis Sinn. Der Aufbewahrungsort ist das Bewusstsein. (Aufbewahren sowie Aufbewahrungsort können in Anführungszeichen gesetzt werden.)

Damit sind zwei Systempositionen, ein Gegenstand und zwei Entwicklungsstufen genannt:

  • das Bewusstsein eines Subjekts gegenüber dem Seienden
  • ein Jetzt-Moment
  • ein Zeitverlauf

Das Jetzt wechselt die Position. Innerhalb des Zeitverlaufes wird es vom Seienden zum erinnerten Jetzt. An seine frühere Stelle tritt etwas anderes. Man kann das verschieden ausdrücken:

  • Das Jetzt ist nicht mehr; es ist zum "Nichtseienden" geworden.
  • Ein "neues" Jetzt ist an seine Stelle getreten.

Frage: Was hat der Ausdruck "Jetzt" in diesen beiden Beschreibungen gemeinsam? Hegel antwortet: Es handelt sich um einen Gegenstand, der keine einzelne Bestimmung, sondern eine Vorgabe zur Qualifikation aller Zeitpunkte ist. Es ist ein systematisches Moment, welches wir brauchen, um die Erfahrung der Zeit fassen zu können. Gegen alle speziellen Zeitpunkte verhält es sich negativ.

In diesen Überlegungen tritt Zeit, entsprechend der allgemeinen Themenstellung, in doppelter Weise auf: Zeiteb ist in der sinnlichen Gewissheit objektiviert, Zeitph schließt auch den Zeitverlauf ein, der sich quasi hinter dem Rücken der sinnlichen Gewissheit zuträgt und sie subvertiert. Die Chance zum Perspektivenwechsel ist entscheidend.




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