Abstracts (Gertraud Keplinger)
Abstract:
Theunert, H. / Demmler, K. (2007). Medien entdecken und erproben. Null- bis Sechsjährige in der Medienpädagogik. In H. Theunert (Hrsg.), Medienkinder von Geburt an. Medienaneignung in den ersten sechs Lebensjahren (S. 91-118). München: kopaed.
Die Autorinnen beschäftigen sich mit der Forschungsfrage was ein Kind im Kontext seiner sozialen Umwelt, vor allem in der Familie, mit den Medien tut, auf die es aufmerksam wird, die es wahrnimmt und die es selbst in Gebrauch nimmt.
„Mit dem Begriff Medienaneignung wird der im Dreieck Subjekt – Medien – Umwelt angesiedelte Prozess der subjektiv variierenden und aktiv variierten Integration der Medien in die alltäglichen Lebensvollzüge gefasst.“ (Theunert / Demmler. In: Theunert (Hrsg.) 2007, S. 92)
Der Prozess der Medienaneignung beinhaltet zum einen die Nutzungsstrukturen, das sind die Häufigkeit bzw. der situative Rahmen der Medienzuwendung. Weiters umfasst er zum anderen die qualitativen Schritte der Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung von Medieninhalten und –aktivitäten. Demnach werden mediale Anmutungen und eigene Realität in subjektiver Interpretation aufeinander bezogen und der Mehrwert medialer Angebote wird für die eigenen Lebensvollzüge abgeschätzt.
Die Medien sind Umweltgegebenheiten, deren Inhalte und Formen von Anfang an im Blickfeld der Kinder sind. Sie versuchen diese zu sich und ihrem Alltag in Beziehung zu setzen. Medien sind aber auch Interpretationshilfen und Handlungsinstrumente. Die Kinder nützen sie zur Orientierung in der Umwelt und zur Interaktion mit ihr.
„Medien in Gebrauch zu nehmen, impliziert folglich immer mehreres: Ihre immanenten Bedeutungsgehalte zu verstehen, eigene reale Erfahrungen an ihren Inhalten abzuprüfen und über sie in Interaktion zu treten.“ (Theunert / Demmler. In: Theunert (Hrsg.) 2007, S. 93)
Bei der Altersgruppe der Null- bis Sechsjährigen ist zu berücksichtigen, dass ihre Lebensvollzüge maßgeblich außengesteuert sind, erstrangig und nachhaltig von der Familie. Die Kinder entscheiden zum geringeren Teil selber, welche Bedeutung die Medien für sie im Verlauf der ersten sechs Lebensjahre gewinnen.
„Den Ausschlag gibt das Wechselspiel zwischen den drei Größen Kind, soziales Umfeld, Medien, die am Prozess der Medienaneignung beteiligt sind.“ (Theunert / Demmler. In: Theunert (Hrsg.) 2007, S. 94)
→Die erste Kontextebene ist das Kind in seinen Entwicklungsprozessen. Bedeutend ist der Entwicklungsstand des Kindes und den daraus resultierenden handlungsleitenden Themen, die für den Mediengebrauch wichtig sind.
→Die zweite Kontextebene ist das Kind in seiner sozialen Umwelt. Bedeutend dafür sind die Familienstruktur, der sozio-kulturelle Hintergrund und das Bildungsniveau in der Familie. Wenn sich die Bewegungsräume des Kindes erweitern, gewinnen die Gleichaltrigen aus der Nachbarschaft oder dem Kindergarten und die pädagogischen Einrichtungen an Bedeutung.
→Die dritte Kontextebene ist das Kind als Zielgruppe des Medienmarktes. Das sind die Angebotsstrukturen der in der Familie bevorzugten Medien oder solche, die das Kind selbst in Gebrauch hat.
Der Prozess der Medienaneignung der Null- bis Sechsjährigen lässt sich in drei Stationen auf dem Weg ins eigene Medienleben differenzieren. Erstens erfolgt das Registrieren der Medien. Die zweite Station ist das Entdecken der Medien und drittens geschieht die Integration der Medien in den Alltag.
Sobald die Basis des eigenständigen Gebrauchs von Medien gegeben ist, kann die Förderung von Medienkompetenz beginnen. „Die Bewältigung dieser medienpädagogischen Aufgabenstellung ist gebunden an das Wechselspiel von gezielter Förderung und selbsttätiger Kompetenzerweiterung in Bildungsprozessen durch, über und mit Medien.“ (Theunert / Demmler. In: Theunert (Hrsg.) 2007, S. 109)
→Bildungsprozesse durch Medien betrachten Medien als Orte informellen Lernens. Wichtig sind ein kontrollierter Medienumgang und die emotionale Verarbeitung von Medienerlebnissen.
→Bildung über Medien betrachtet Medien als zu beurteilende Gegenstände. Kinder sollen lernen, Werbung und die Verzahnung von Medien und Merchandising zu erkennen.
→Bildung mit Medien betrachtet Medien als Mittel der Weltaneignung und Partizipation. Kinder sollen Medien als Gestaltungs- und Ausdrucksmittel nutzen und mediale Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten kennen lernen.
Bei der Gruppe der Null- bis Sechsjährigen ist der medienpädagogische Handlungsbedarf offensichtlich, sowohl bei der Erweiterung der wissenschaftlichen Kenntnislage, als auch bei der Entwicklung umfassender praktisch-pädagogischer Konzepte, sowie hinsichtlich der strukturellen Rahmenbedingungen.
Abstract:
Charlton, M. (2007). Das Kind und sein Startkapital – Medienhandeln aus der Perspektive der Entwicklungspsychologie. In H. Theunert (Hrsg.), Medienkinder von Geburt an. Medienaneignung in den ersten sechs Lebensjahren (S. 25-40). München: kopaed.
In diesem Text wird die Frage behandelt, zu welchem Zeitpunkt in der kindlichen Entwicklung sich die Voraussetzungen zu einem kompetenten Umgang mit Medien herausbilden und auf welchen Wegen Kinder die entsprechenden Fähigkeiten verbessern.
Es müssen drei Voraussetzungen erworben werden, damit Kleinkinder Medienangebote aufnehmen können.
→Die Entwicklung der kommunikativen Kompetenz, das bedeutet die Befähigung zur symbolischen Interaktion und Kommunikation.
→Die Entwicklung der kognitiven Kompetenz, das meint bezüglich der Medien die Fähigkeit, den Sinn des Medienangebots verstehen zu können.
→Die Entwicklung der emotionalen Kompetenz, das heißt in Bezug auf Medienrezeption die Fertigkeit, interessierende Themen auswählen und bedrohliche Themen abwehren zu können.
Die Kinder setzen im Entwicklungsverlauf die Techniken des Medienumgangs bei weiteren Medien ein und erlangen dabei immer mehr Kenntnisse über konventionelle Darbietungsformen von Medien, Macharten usw. Eine Folgerung daraus ist, dass die Kinder zunehmend unabhängig werden von vertrauten Rezeptionssituationen und sich dadurch auf die veränderten Spielregeln einlassen können. Diese bestimmen die vorschulische und später die schulische Mediennutzung. Es ist wichtig, sich über die Ursachen für die altersgemäße Entwicklung der Medienkompetenz Gedanken zu machen, bevor überlegt wird, wie man den Entwicklungsfortschritt medienpädagogisch beeinflussen und fördern kann. Erklären lassen sich die genannten, altersabhängigen Entwicklungsverläufe folgendermaßen:
→Die Reifung, besonders die Hirnreifung, wird als erster Motor für die Entwicklung gesehen und wirkt sich in den ersten Lebensjahren entscheidend auf die kommunikative Kompetenz, beispielsweise die Sprachentwicklung, aus.
→Cognitive apprenticeship, das ist kognitives Lernen in einem Meister-Lehrlingsverhältnis. Einen maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung der Medienkompetenz leistet die Partizipation an kultureller Praxis. Eltern, ältere Geschwister und Spielkameraden binden das Kleinkind in ihre kulturelle Praxis mit ein so wie ein Meister seinen Lehrling am Produktionsprozess schrittweise mehr teilnehmen lässt.
→Instruktionslernen ist eine Quelle der Wissensvermittlung, die eine gezielte medienbezogene Anleitung für etwas gibt.
→Entdeckendes Lernen, das ist Medienwissen, welches im Verlauf des Gebrauchs selbst entdeckt wird.
Die kommunikativen und kognitiven Kompetenzen entwickeln sich bis zum Ende der Kindergartenzeit in einigermaßen vorhersagbarer Weise. Erste Ansätze einer emotionalen Kompetenz (der Zuwendung zu interessierenden und Abwehr von ängstigenden Medieninhalten) tauchen schon im Kleinkindalter auf. Bezüglich der Entwicklung der emotionalen Kompetenz sind die individuellen Unterschiede enorm, da sie von vielen verschiedenen Faktoren abhängen.
Als Konsequenz für die Medienpädagogik ergibt sich als unverzichtbare Maßnahme die aufmerksame Begleitung der Kinder bei ihren ganz persönlichen Medienerfahrungen.
Als Konsequenz für die Filmproduktion kann die Erkenntnis gelten, dass es keine Sicherheit über die Wirkungslosigkeit eines Medienangebots gibt, was eine verantwortungsvolle Auswahl von Inhalten und Darstellungsweisen unerlässlich macht.
Als Konsequenz für die Forschung lässt sich anmerken, dass unterschiedliche Kinder unterschiedlich reagieren, deshalb ist die Medienwirkungsforschung durch eine Rezeptionsforschung ergänzt worden.