5 Vielseher und Wenigseher
5 Vielseher und Wenigseher
Kinder, die verhältnismäßig viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen, bezeichnet man als Vielseher, die anderen als Wenigseher. Zum Vergleich des Fernsehverhaltens von Kindern wurde in einer 1997 in Deutschland durchgeführten Studie folgende Einteilung getroffen:
„Die Einteilung einer Stichprobe nach Viel- und Wenigsehern ist eine Definitionsfrage. In einer grösseren Untersuchung an 3 bis 13jährigen Kindern wurden Kinder mit einem Fernsehkonsum unter 41 Minuten täglich als Wenigseher und Kinder mit einem Konsum von 111 Minuten und mehr als Vielseher bezeichnet. Legt man diese Definition zugrunde, so ergaben sich in der Stichprobe 30 % Wenig-, 42 % Durchschnitts- und 28 % Vielseher. Die Wenigseher sahen dabei im Durchschnitt 20 Minuten, die Durchschnittsseher 74 und die Vielseher 164 Minuten täglich fern.“ (Myrtek, S.21)
Vielseher kristallisieren sich eher bei den Jugendlichen im Alter von 12 und 13 Jahren heraus. Am wenigsten Zeit verbringen Sechs- und Siebenjährige vor dem Bildschirm. Dabei wird das Fernsehverhalten der Kinder von jenem der Eltern extrem beeinflusst. Eine Untersuchung von 200 Kölner Familien (1996) mit Kindern zwischen 8 und 11 Jahren ergab, dass Kinder mit elektronischen Medien im Kinderzimmer einen weitaus größeren Bildungsmangel aufwiesen als Kinder ohne direkten Zugang zu diesen Medien. Die Studie deckte außerdem eine große Korrelation zwischen Fernsehverhalten und sozialer Schicht auf. Familien aus unterer und mittlerer Schicht sahen öfter und länger fern als Familien der oberen Schicht.
In den Jahren 1990 und 1993 betrug die durchschnittliche Zeit, die deutsche Kinder zwischen 6 und 13 Jahren vor dem Fernseher verbrachten, täglich 95 Minuten, das entspricht ~1,6 Stunden. Unterschiede im Fernsehkonsum zeigten sich auch in Abhängigkeit von Arbeit und Schule im Wochenverlauf. An normalen Arbeitstagen unter der Woche saßen die Kinder im Schnitt nur 1,4 Stunden vor dem Fernseher, an Wochenenden und Feiertagen hingegen 2,2 Stunden.
Die Hauptfernsehzeit für Kinder ist nach dieser Studie am Abend zwischen 18 Uhr und 21 Uhr. Mit höherem Alter verlängert sich die Fernsehzeit. 25 % der Kinder sitzen sogar noch um 22 Uhr vor dem Fernseher. (Myrtek, S.17)
Natürlich empfinden Kinder das Fernsehen als angenehme Freizeitbeschäftigung. Doch wenn man sich täglich und regelmäßig in reaktionsloser Passivität von diesem Medium berieseln lässt, kann das nicht ohne Folgen auf Verstand und Seele bleiben. Der Leiter des kriminologischen Forschungsinstitutes in Niedersachsen, Christian Leitner, stellte fest: „Zu viel Medienkonsum macht dick, dumm, krank, traurig und vielleicht auch aggressiv.“ (Nitschmann Berliner Zeitung 16. Februar 2008)
Das Problem dabei scheint die unglaublich leichte Verfügbarkeit der „Droge Fernsehen“ zu sein. Auf Knopfdruck erscheinen die Milka-Kuh, der Papst oder grölende Bands. Und auf Knopfdruck verschwinden sie wieder, um anderen Attraktionen Platz zu machen.
„Fernsehen in der gängigen Weise verwendet, ist eine einzige Einübung in die Lieblosigkeit, Unsorgfältigkeit und Bequemlichkeit.“ (Biscioni, S. 30)
Kinder verlieren durch übermäßiges Fernsehen den Bezug zur Wirklichkeit. Das wirklich Wichtige wird durch Fernsehen banal und seicht, und dem Seichten und Banalen wird zu viel Bedeutung beigemessen.
Ob Kinder zu Viel- oder Wenigfernsehern gehören, ist von einigen Faktoren vorgezeichnet. Das Fernsehverhalten der Eltern wirkt sich auf jenes der Kinder aus. Die soziale Schicht spielt dabei eine große Rolle. Das eigene Fernsehgerät im Kinderzimmer verführt zum wahllosen Vielfernsehen und entzieht den Eltern die Kontrolle. Schließlich kann stundenlanges Sitzen vor dem Bildschirm auch zu Haltungsschäden führen und die Gesundheit beeinträchtigen.