4. Juni 2007
Lacan, Jacques (1986): VII Die Triebe und die Täuschungen, in: ders.: Das Seminar. Buch VII. Die Ethik der Psychoanalyse, Berlin, Weinheim: Quadriga 1996, 109-124.
Ein weiterer Terminus wird in dieser Seminarsitzung ins Spiel gebracht: die Sublimierung. Sublimierung erinnert sowohl an das Sublime als auch an den Übergang von Feststoffen in Gase. Die Sublimierung ist ein psychoanalytisches Konzept, das Aktivitäten erklären soll, die nicht mit sexuellen Wünschen verbunden sind. Freuds Ansatz dazu ist heterogen. Gegenstand der Sublimierung sind die Partialtriebe, die nicht unter den genitalen Primat gebracht werden können. Die perversen Anteile der Partialtriebe machen demnach jenes Reservoir aus, auf das sich die kulturellen Produktionen stützen.
Bezüglich des Mechanismus der Sublimierung entwickelt Freud zwei Hypothesen:
1) Die Sexualtriebe lehnen sich gemäß Freuds früher Theoriebildung an die Selbsterhaltungstriebe an. Daher kann sexuelle Energie auch über die Selbsterhaltung abfließen. Das wäre derselbe Weg, der bei der Sublimierung eingeschlagen wird.
2) Mit der Einführung des Narzißmus wird eine Zwischeninstanz installiert. Nun zieht sich die Libido auf das Ich zurück, wo eine Desexualisierung stattfindet, auf Basis derer dann sublimierte Energien zur Verschiebung auf nichtsexuelle Aktivitäten zur Verfügung stehen.
Freud arbeitet das Konzept der Sublimierung nicht fertig aus. Es bleibt unklar, was alles unter Sublimierung fällt – gehört die Reaktionsbildung dazu? Ist jedes Denken als Sublimierung aufzufassen oder nur bestimmte Formen des Denkens? Gehört es zur Sublimierung dazu, dass ihre Produktionen in einer bestimmten Kultur besonders anerkannt werden? Oder gehören auch banalere Verhaltensweisen wie Freizeitgewohnheiten, Arbeit etc. in den Bereich der Sublimierung?
Lacan folgt Freuds Überlegungen zur Sublimierung, insofern er die kulturelle Anerkennung der Produktionen der Sublimierung voraussetzt. In einigen Punkten unterscheidet sich Lacan: Freud hält eine vollständige Sublimation für möglich, Lacan nicht. Für Freud handelt es sich bei der Sublimation um einen Wechsel des Objekts für den Trieb. Lacan hingegen sieht in der Sublimation eine Art Wechsel der Fantasien über ein Objekt. Sublimation bringt ein Objekt in die Nähe des Dings. Sublimation erhebt das Objekt zur Würde des Dings.
Laplanche, Jean / Jean-Bertrand Pontalis (1973): Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt/M.: suhrkamp.
Evans, Dylan (1996): An Introductory Dictionary of Lacanian Psychoanalysis, Hove, New York: Routledge.
Die vier Bestimmungen des Triebes
Freud unterscheidet am Trieb
* Quelle * Objekt * Ziel * Drang
Unter Quelle versteht Freud den körperlichen Reiz oder Spannungszustand, der mit dem Trieb verbunden ist.
Am Objekt des Triebs wird dessen Ziel, der Spannungsabbau, erreicht.
Das Objekt ist variabel.
Die Natur der Triebe (Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, 1905) bezeichnet Freud später (Triebe und Triebschicksale, 1915) als Drang. Er versteht darunter einen quantitativen, ökonomischen Faktor, eine Arbeitsanforderung, die dem Seelischen durch Zusammenhalt mit dem Körperlichen auferlegt ist.