21.10.2010 Caillois, Roger (1934): Die Gottesanbeterin

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Roger Caillois scheint mit seinen Schriften einen großen Plan zu verfolgen, der in der Auflösung bestehender Kategorien von Mensch/Tier sowie Tiere/Pflanze bis hin zur Aufhebung einer Trennung von belebter und unbelebter Natur verläuft. Er sucht nach so etwas wie Grundstrukturen der Existenz und scheint sie in der vergleichenden Biologie zu finden. Das ist kein Zufall, die Biologie war zur Entstehungszeit dieser Texte eine Art Leitwissenschaft, die auf die unterschiedlichsten Wissensgebiete Einfluss ausübte. Caillois wirft sozusagen einen surrealistischen gewendeten Blick auf die biologischen Forschungsergebnisse. Das hat weitreichende Konsequenzen für ein bewusstsseins-zentriertes Denken. Wie bereits für Lacan hervorgehoben: eine genauere historische/wissenschaftsgeschichtliche Kontextualisierung wäre es wert unternommen zu werden.--Christine Brandner 10:34, 26. Okt. 2010 (UTC)


@Beweiskette: Zugegeben, ich werde diese lange »Beweisführung« ein zweites Mal lesen müssen und versuche eine erste kurze (hoffentlich nicht gänzlich verfehlte) Interpretation: Caillois formuliert zunächst die These, dass gewisse Gegenstände und Bilder auf Grund ihrer Form oder ihres Inhalts eine größere ›lyrische Macht‹ besitzen. Damit eröffnet er die Frage, wie sich eine derartige lyrische Macht konstituieren kann, impliziert dies doch eine bestimmte Vorgängigkeit in Bezug auf ihre Lesbarmachung. Die über viele Seiten reichende Beweiskette lässt ihn diese lyrische Macht als eine lyrische Objektivität kennzeichnen: »objektive Ideogramme, die in der Außenwelt die lyrischen und affektiven Möglichkeiten des Bewußtseins materiell verwirklichen« (19) Wie ist das möglich?

a) physiologisch-psychologische Faktoren (wir identifizieren uns eher mit Wesen, deren Erscheinung an den menschlichen Körper erinnert [20]) und
b) die Psychoanalyse weist grundlegende Komplexe aus, denen ein Restbestand an Verhaltensweisen vorgängig ist, die bei anderen Lebewesen beobachtet werden kann.

Konsequenz: Die Beweiskette ist also deshalb möglich, weil es (biologische) Mechanismen gibt, die den Lebewesen (damit auch dem Menschen) zu Grunde liegen und auf deren Basis ähnliche Lesarten (Deutungen) möglich werden. (Ironisch könnte man dann auch hier ein Spiegelbild entdecken.)

In Bezug auf Lacan: Interessant ist hier nun die Verschiebung auf den letzten Zeilen zu Gunsten einer ›vergleichenden Biologie‹: Es scheint (d.h. ich lese das vorläufig so, bin mir dessen noch unsicher), als ob Caillois auf eine ›Macht‹ anspielt, die dem sozialisierten Wesen - und der Psychoanalyse (»vielleicht sollte man bei der Erforschung ihres Ursprungs mehr von der vergleichenden Biologie als vom menschlichen Bewußtsein ausgehen«, [20]) vorangeht. Lacan kommt - soweit ich das verstanden habe - zu einem gegensätzlichen Ergebnis: Für Lacan sind beispielsweise die Instinkte ein biologisches Substrat, welches aber vom gesellschaftlichen Wesen überschrieben wird. Der soziale Aspekt rückt bei ihm in den Vordergrund. »Wenn wir Komplex und Instinkt opponieren, sprechen wir dem Komplex nicht jeden biologischen Grund ab; wenn wir ihn durch bestimmte ideale Bezüge definieren, binden wir ihn gleichwohl an seine materielle Basis.(…) Während der Instinkt einen organischen Träger hat und nichts anderes als dessen Regelung in einer vitalen Funktion ist, hat der Komplex nur gelegentlich einen organischen Bezug, wenn er auf eine vitale Insuffizienz durch die Regelung einer sozialen Funktion wettmacht« (Lacan, Die Familie, Schriften III, 52) --9876543210 15:40, 21. Okt. 2010 (UTC)

Zur ironischen Bemerkung »Spiegelbild« wäre noch anzumerken: Nach diesem Lektüreversuch ist das Außen Spiegelbild im Sinne eines sich im Außen-Erkennens; Ein Innen, welches sich im Außen wiedererkennt (Caillois); bei Lacan wäre das genau anders herum: das Außen wird zum konstitutiven Moment für das Innen (im Spiegelstadium erzeugt sich das Ich [moi] ja gerade erst durch das andere)

@Komplex: Was versteht Caillois unter ›Komplex‹ im Unterschied zu Lacan? Wie sieht es überhaupt mit der Verwendung der Psychoanalytischen Begrifflichkeit bei Caillois aus? Wie verwendet er als Biologe und Soziologe diese Begrifflichkeiten? Auf wen stützt er sich primär (Freud?)? --9876543210 08:31, 24. Okt. 2010 (UTC)



Simon Hagen: Ich finde es zunächst nicht verwunderlich, dass die Gottesanbeterin offenbar schon seit sie dem Menschen bekannt ist gewissermaßen von Mythen umrankt wird. Caillois sieht offenbar die Hauptursache dafür in der "lyrischen Objektivität" (S. 18), die gewisse Gegenstände und Vorstellungen auf den Menschen ausüben. Interessant wäre allerdings, worin diese "lyrische Objektivität" genau besteht. Caillois beschreibt diese am Beginn des Textes als eine Folge der "Form oder [des] Inhalts" (S. 9) von gewissen Gegenständen, in diesem Fall der Gottesanbeterin. Besonderheiten der Gottesanbeterin wären also beispielsweise ihre Haltung, ihr Körperbau und ihr Paarungsverhalten. Wie allerdings bereits erwähnt wurde, gibt es eine Vielzahl anderer Tiere, insbesondere Insekten, bei denen ebenfalls das Weibchen während oder nach der Paarung das Männchen verschlingt. Also muss es tatsächlich auf die anderen Merkmale (oder eben auf die "lyrische Objektivität") zurückzuführen sein, dass diesem Tier ein solcher Sonderstatus zukommt. Ein interessantes Detail findet sich in den Anmerkungen zum Text, nämlich jenes, dass "die Normalstellung der Mantis nicht dejenigen einer Betenden gleicht, sondern der Stellung des Menschen bei der Liebe" (S. 23). Dies zeigt, dass aufgrund der vielen Mythen, die dieses Tier umgeben, auch ein verzerrtes Bild entstanden ist. Was mich im Zusammenhang mit diesem Text interessiert ist vor allem, wie nun der Zusammenhang zwischen Liebe und Tod zu sehen ist, wobei sich hier die Psychoanalyse als Informationsquelle anbietet, sowie die Verbindung zwischen Lacans und diesem Text.--Simon Hagen 14:03, 21. Okt. 2010 (UTC)

--So.ha 14:44, 21. Okt. 2010 Das zentrale Element dieser Analyse stellt für mich der Anthropomorphismus dar, der sich bestimmten Gebären und weniger vom Aussehen der Mantis ableiten lässt. Ihre große Aufmerksamkeit, die der Mensch ihr entgegenbringt, und das, wie Caillois darstellt, kulturunabhängig ist, ihre Auffassung lässt sich anscheinend nur im Extrem ansiedeln. Besonders interessant finde ich den Teil (Seite 17) indem Caillois darauf eingeht, wie ein Vergleich der Mantis mit einer Androide im allgemeinen Kanon des Anthropomorphismus möglich ist bzw. –und hier liegt ein interessanter Knotenpunkt- weshalb er gerade möglich ist. Das psychoanalytische Motiv der Zerstückelung, das wir bereits bei Lacan angeschnitten haben, wird in diesem Text mit dem Schwerpunkt auf den Mythos der „abtrennbaren Kraft“ eingebracht. Dies stellt Caillois auffälliger Weise nicht in Bezug mit dem Töten des Männchens, obwohl er auf die Verbindung zwischen sexueller Wollust und Wollust auf Nahrungsaufnahme eingeht. Oder doch? (Seite 15, bei Breton) Unerwähnt – wenn auch hier schon mehrmals besprochen- darf hier auch nicht die deutlich männliche Position des Autors bleiben, die sich der Gottesanbeterin, wie auch der Frau, als „das andere“ nähert. Die heutige Inszenierung der Gottesanbeterin: http://www.youtube.com/watch?v=6hGuallLPcM

--LS 09:18, 21. Okt. 2010 (UTC) Ich habe so meine Probleme mit dem Text von Caillois, vielleicht könnt Ihr mir ja weiterhelfen. Erstens ist mir völlig unklar, wie das schon unten angesprochene Zitat, dass die "objektive Fähigkeit unmittelbarer Einwirkung auf die Affektivität" der Gottesanbeterin und zwar "auf jedes einzelne Individuum wirken kann, ohne daß eine Symbolik vorläge, welche ihre Bedeutung im wesentlichen von ihrem gesellschaftlichen Gebrauch und ihre emotionale Wirkung größtenteils von der Rolle herleiten würde, die sie in der Kollektivität spielt" (Caillois, S.9) begründet wird. Natürlich wirken anthropomorphe Insekten auf Menschen auf eine bestimmte Weise anziehend (Argument: Indentifikation wegen ihres Äußeren), aber das gilt auch für Affen mit denen wir uns ja viel stärker identifizieren. Ich bezweifle, dass die Gottesanbeterin in einer Kultur, die über deren Sexualleben nichts weiß, den selben Stellenwert hat, wie in einer, die das tut. Ich frage mich also zunächst, wo die "Objektivität" der Fähigkeit (der Gottesanbeterin unmittelbar auf Affektivität einzuwirken) herkommt und wie diese begründet wird.

Zweitens ist mir die Auswahl der Gottesanbeterin als Beispiel unklar. Natürlich, ist sie kulturell eines der bekannteren Beispiele für einen vampiristischen Fortpflanzungsakt, aber keineswegs das Einzige! Und beim Akt zu sterben und ggf. ganz oder teilweise gefressen zu werden, gehört für die Männchen gerade unter den Insekten ja fast schon zum Standard (vgl. Bienen). Und gerade dass Bienen in unserem Kulturkreis trotzdem positiver besetzt sind als Gottesanbeterin, hat sicherlich auch mit der kulturellen Darstellung zu tun. Dass die Biene Maya positiver für das Insektenimage ist als der Pan aus "Pans Labyrinth" oder das Alien aus Ridley Scotts "Alien" (vgl. Aussehen der Gottesanbeterin) liegt ja auf der Hand.

Zusammefassend halte ich die Übertragung von verhaltensbiologischen Befunden (deren Auswahl nicht einmal begründet wird)auf psychoanalytische Sachverhalte für recht problematisch und frage mich zudem, ob man den kulturellen Kontext einfach ausklammern kann.


Thomas Karner:

Der nun vorliegende Text über die Gottesanbeterin scheint mir - und das sicherlich nicht unbeabsichtigt - auf Lacans Spiegel zu verweisen. Die Abstraktionsfähigkeit des Menschen führt beim lacanschen Spiegel zur Konstitution des menschlichen Ich, das heißt, wie ich finde, zur Menschwerdung überhaupt. Im Falle der Gottesanbeterin offenbart dies den unbewussten menschlichen Akt sich im jeweiligen Gegenüber wieder zu finden, ja wiederzuspiegeln. Wie auch Laura Steiner schon geschrieben hat, scheint die Anatomie und das Gebaren der Gottesanbeterin den menschlichen Betrachter in höchstem Maße zu affizieren. Der kontradiktorischen Berichte - einerseits einer Verehrung und andererseits einer Diabolisierung der Mantis in den verschiedenen Kulturen, scheint eine Sichtweise, welche primär eine Herabwürdigung der Frau an sich konstatiert (siehe Text S. 11, wo von den Hottentotten berichtet wird und deren Verehrung der Mantis als Gottheit), vehement zu widersprechen. Dennoch scheint es aber der Fall zu sein, dass der bloße Anblick der Mantis in der Lage ist tiefliegende Ängste im Menschen zu wecken. Ich will hier nicht den Kastrationskomplex ansprechen, sondern dass sich teilweise Wiederfinden in einem Wesen, dass mit seinem Verhalten konträr zum menschlichen steht. Bar jeder Vernunft und jeglicher Emotion funktioniert die Mantis wie ein Automat. Dieser Umstand wird meiner Meinung nach noch von ihrer tödlichen Verhaltensweise untermauert. Wieder deutlich erkennbar ist der unbewusste Akt des Menschen allem, was in ihm die Idee äußerlicher Ähnlichkeit erweckt sogleich die menschliche Emotonsfähigkeit aufzupfropfen.

+ Eine Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach den sogenannten Spiegelneuronen. Soviel ich darüber weiß - und das ist nicht viel, versetzen dies den Menschen in die Lage Schmerz oder Leid im Gegenüber wahrzunehmen und nachzuempfinden. Inwieweit dies auf die Mantis zu übertragen ist, kann ich nicht beurteilen. Aber erkennt sich der Mensch zu einem gewissen Grade in einem anderen Lebewesen wieder, so wie es bei der Mantis zu sein scheint, dannn klingt es nicht abwegig, wenn diese Spiegelneuronen daran teilhaben, wenn wir von der Gottesanbeterin auf so emotionale Weise berührt werden. --Thomas Karner 06:45, 21. Okt. 2010 (UTC)


Laura Steiner: (zu Roger Caillois: Die Gottesanbeterin) Diese, scheints' intersubjektiv vertretene, lyrisch umschriebene Identifikation mit Lebewesen, die der menschlichen Gestalt rein physisch ähneln, ist aus biowissenschaftlicher Sicht, wenn man die epigenetischen Grundvoraussetzungen anerkennt, keine kontradiktorische Begebenheit. Jahr Millionen lebten die prähistorischen Menschen in Kleingruppen, in denen sich verschiedenste überlebensdienliche Verhaltensweisen ausbildeten. So auch die schnelle Gestaltwahrnehmung, oder philosophisch ausgedrückt, das Subsummieren eines Falles unter die Regel. Das Phänomen der Abstraktionsfähigkeit, das uns den Umriss einer Form in Kathegorien wie gleich und anders einteilen lässt, hat sich als evolutionsstabile Strategie erwiesen. Doch stößt diese Vergleichshypothese des Hervorhebens der essentiellen Merkmale an ihre Grenzen. Im Falle der Mantis gaben sich die Menschen von der Provence bis zu Einwohnern Südafrikas durch diese anthropomorphe Gestalt der Täuschung hin, von der Form des Lebewesens auf die eigene Lebensweise zu schließen. Dies löst einerseits Faszination und andererseits Abscheu bei der Umlegung der menschlichen Sozialstruktur auf die, zum größten Teil durch Instinkt gesteuerte Verhaltensweise der Gottesanbeterin aus. Ich meine, dass schon das reine Andenken der Möglichkeit eines solchen Verhaltens, welches dieses Insekt an den Tag legt, deswegen so polarisierende Affekte bei uns auslöst, weil wir uns als Menschen von den pathologischen Antrieben(im Sinne Kantens')der sinnlichen Welt im Grunde als befreit bestimmt haben und der Ratio folgen, die uns über unsere physische Existenz zu erbeben vermag.--L.M. Steiner 23:14, 20. Okt. 2010 (UTC)

Zu Caillois: Bei der Betrachtung von Caillois Text darf, trotz der Ausführlichkeit von Caillois Beschreibung der Lebensweise der Gottesanbeterin und der in verschiedenen Kulturen mit ihr in Verbindung zu bringenden Rituale, nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hierbei lediglich um ein Beispiel für die "objektive Fähigkeit unmittelbarer Einwirkung auf die Affektivität" (Caillois, S.9) handelt. Spannend finde ich daher weniger die eben erwähnte Darlegung der Lebensweise der Gottesanbeterin, als vielmehr die Tatsache, dass der Anblick der Mantis "auf jedes einzelne Individuum wirken kann, ohne daß eine Symbolik vorläge, welche ihre Bedeutung im wesentlichen von ihrem gesellschaftlichen Gebrauch und ihre emotionale Wirkung größtenteils von der Rolle herleiten würde, die sie in der Kollektivität spielt" (Caillois, S.9). Die Gottesanbeterin führt also bei jedem beliebigen menschlichen Betrachter zu einer emotionalen Reaktion. Die scheinbar irrationalen Ängste des Menschen finden ein objektives Gegenstück in der Betrachtung der Mantis. Insofern ließe sich die Gottesanbeterin doch durchaus mit dem lacan´schen Spiegel gleichsetzen, der sobald in Verwendung, zu einem Prozess; bei Lacan zur Ichfindung; im Fall der Mantis möglicherweise zur Erkenntnis der menschlichen Ängste, führt. Wie bei der Ichfindung spielt die Sprache eine wichtige Rolle, denn die Mantis verfügt nach Caillois über eine "lyrische Kraft", die sich in zahlreichen poetischen Ausdrücke für die Gottesanbeterin niederschlägt und so möglicherweise zur Bewältigung der Ängste beitragen kann.--SarahG 20:09, 20. Okt. 2010 (UTC)

Laura Steiner: (noch zu Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion) Lacan beruft sich im Spiegelstadium rein methodisch gesehen zuallererst auf empirische Daten der Zoologie, um den Unterschied von Mensch und Primat zu deduzieren. Für mich war es interessant zu sehen, wie er den Übergang von den Erfahrungswissenschaften zur idealistischen Sichtweise des Symbolischen, des Imagos, welches kein sichtbares, sondern ein, in der Vorstellung existentes Bild ist, bewältigt. Im sogenannten Aha-Erlebnis greift er die Schnittstelle zwischen der Passivität des "in die Welt geboren worden-seins" und dem Gewahrwerden des Ichs(Je) auf. Die Postulierung, dass bereits in der ontogenetischen Phase des menschlichen Infans-Stadiums der Einstieg in eine symbolische Welt stattfindet, impliziert, dass dies nicht etwa schon von einem vollständigen "Subjekt" zu Stande gebracht wird, sondern von einem, wie Lacan sagt, Wesen, welches noch eingetaucht ist in eine motorische Ohnmacht. Diese Bestimmung der Fähigkeit des noch nicht subjektivierten Wesens symbolische Formen zu besitzen, unterscheidet Lacans Theorie stark von den philosophischen Ansichten Ernst Cassirer, der sich Zeit seines Lebens mit symbolischen Formen auseinandersetzte. Cassirer, der den Menschen als homo symbolicus, also nicht bloß auf Grund seiner Vernunftbegabtheit, sondern gerade durch die Fähigkeit in ein Kontinuum symbolischer Formen einzutreten, bestimmte, ging immer schon von einem vollständigen Ich aus, das Lacan nicht einmal einem älteren Menschen zusprechen würde. "In dem Augenblick, in dem ICH nicht nur von außen her und reflektierend diese Bedeutung(der symbolischen Formen) erfasse, sondern indem sie mich innerlich ergreift, in dem ich in ihr lebe und bin, ist die Gestalt die ich vor mir sehe, wie erfüllt und durchtränkt mit einem neuen Sinne. Sie ist umwittert mit einem magischen Zauberhauch; sie wirkt nicht mehr bloß als ästhetische Form, sondern wie eine Uroffenbarung aus einer anderen Welt." (Ernst Cassirer, Schriften zur Philosphie der symbolischen Formen, hrsg. von Marion Lauschke, Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2009, Seite 96, 97). --L.M. Steiner 18:48, 20. Okt. 2010 (UTC)


Meiner Meinung nach, wird in diesem Text oft ein Zusammenhang zwischen der Gottesanbeterin und der Frau hergestellt. Die Gottesanbeterin wird einerseits als etwas Heiliges und Mystisches gesehen, andererseits als etwas Gewalttätiges. Durch den "Vergleich" finde ich, wird die Frau stark auf ihr Körperliches reduziert und nicht wirklich als menschliches und bewusstes Wesen wahrgenommen. In diesem Text wird auch erwähnt, dass bei der Gottesanbeterin ein Zusammenhang zwischen Sexualität und Ernährung besteht. Sie lockt ihre Beute, die sie verschlingen will durch Wollust an. Hier wird meiner Meinung nach das mystische und gefährliche vereint, womit auch die Frau verglichen wird, einerseits als unnahbar und mystisch andererseits als etwas Gefährliches und Hinterhältiges. --Petra Szabo 14:37, 20. Okt. 2010 (UTC)


Stefanie Feilinger: Ich finde den Satz auf Seite 10 sehr aussagekräftig: Dass die Mantis einerseits als heilig, andererseits als etwas Teuflisches angesehen wird. Einerseits vergöttert man sie, weil sie etwas Besonderes und Mythisches ist, andererseits hat man aber auch Angst, was hauptsächlich auf ihre Gewalt im Geschlechtsakt zurückzuführen ist. Mir ist aufgefallen, dass im Text oft ein Zusammenhang zwischen der Gottesanbeterin und der Frau gezogen wird. Von einer Prostituierten , die einen Mann verschlingt, von der Gefährlichen Geliebten, vom Kastrationskomplex und die Angst des Mannes vor einer gezahnten Vagina ist die Rede. Diese Gleichsetzung reduziert meiner Meinung nach die Frau auf das Körperliche und spielt auf die „Gefährlichkeit“ von Frauen an. Daher finde ich diese Gleichsetzung auch frauendiskriminierend. Auf Seite 20 nimmt der Autor dazu auch Stellung, denn er schreibt von der Neigung des Menschen, alles, das äußerlich dem menschlichem Körper ähnelt wie in diesem Fall die Gottesanbeterin, mit ihm (in diesem Fall mit ihr) zu identifizieren. Damit lässt sich auch erklären, warum viele Tiere immer vom Menschen selbst in ihrem Aussehen und in ihren Verhaltensweisen vermenschlicht dargestellt werden.--Stefanie feilinger 07:13, 20. Okt. 2010 (UTC)


--Karoline Orth 15:28, 19. Okt. 2010 (UTC) Caillois Roger, Die Gottesanbeterin

Zur "Nomenklatur" der Gottesanbeterin (sh. seite 13) möchte ich anmerken, dass sie, ganz allgemein, in einer Relation mit dem steht, wie sie sich in ihrer Natur (sei es ihrer sexuellen Natur nach, oder ihres Aussehens nach) verhält. Kann man nun, nach dem Text urteilend, sagen, sie passe sich ihrer Umwelt bspw. farblich an und identifiziere sich gleichsam auch mit ihr? Wie ist es allerdings zu verstehen, dass sie ihr Gegenüber nach/während des sexuellen Aktes derart körperlich benutzt (sei es durch Tötung oder durch Nahrungszufuhr), dass es zu einem Abbruch/Ende des Identifikationsprozesses kommt? Ist jeder Prozess, an dem man sich beteiligt, gleichzeitig ein Identifikationsprozess des selbst im anderen? In welchem Zusammenhang steht das Bild der Mantis mit demjenigen des Individuums in der heutigen Gesellschaft, genauer auch mit dem Bild der Frau?


--Zwakkelmann 18:32, 19. Okt. 2010 (UTC) (F. Kos ad Gottesanbeterin)

Wenn die Mantis im enthaupteten Zustand das Leben mimt und sich als Tote gar noch totstellen kann, so möchte Caillois hier die Verbindung zwischen biologischem Phänomen und menschlicher Vorgangsweisen, Mechanismen knüpfen. Jene Definition, die beabsichtigt, den Menschen als gesondertes Wesen zu denken, soll zu Gunsten einer einheitlich umfassenden Naturvorstellung im Sinne automatischer Prozesshaftigkeiten, welche im Zustand des ausgeschalteten Bewusstseins den Verstand als maschinenähnlichen intakt halten, geopfert werden. Um dem lyrischen Bild treu zu bleiben, bedeute dies de facto eine Fortführung sozialer und biologischer Eigenschaften durch einen kopflosen Körper und seine Triebregungen. Caillois bemüht sich um einen Pantheismus als Imagination eines Aufblühens in der Natur und markiert parallel eine Rückkehr in ursprüngliche Fühllosigkeit, das vorgeburtlich Unbewusste. (Vgl. Vera Venz, Zwischen Traum und Wirklichkeit, München 2000, 15-17.)

Die Unterscheidung zwischen Natur und Kultur wird unscharf, John le Carré 79 Jahre alt: „An sich stellt die Tätigkeit des Täuschens keine übermäßigen Anforderungen an den Menschen. Es ist eine Frage der Erfahrung, des beruflichen Könnens, es ist eine Fähigkeit, die sich die meisten von uns aneignen können. Aber während ein Betrüger, ein Schauspieler oder ein Hasardeur nach seiner Vorstellung zurücktreten kann, hat der Geheimagent keine Möglichkeit, sich diese Erleichterung zu verschaffen. Für ihn ist die Täuschung anderer in erster Linie eine Frage der Selbsterhaltung. Für ihn genügt es nicht, sich nur nach außen abzuschirmen, er muss sich auch vor seinem eigenen Inneren schützen, und zwar gegen die natürlichsten Impulse.“ (John le Carré, Der Spion, der aus der Kälte kam, Wien 1963.) Diesem performativen Textausschnitt folgen, in Verbindung mit vorangegangen Überlegungen, schüchterne, ineinander übergehende Fragen. Bemerke: Der Text(auszug) kann der Thematik in seiner lyrischen Befangenheit mehr oder weniger dienlich sein, nie jedoch eine lückenlose Über-Setzung erwirken. Es scheint, als stehe ein gewisser Automatismus immer an der Schwelle zu seiner Wirksamkeit, gegen welche der Spion anzukämpfen hat. Kann ihm dieses Unterfangen gelingen? Unter welchen Umständen? Gilt es zwischen Individuen zu differenzieren, da sie in ihrer Eigenheit ein unterschiedliches Gerichtet-Sein auf gewisse Handlungsweisen kennen, Aufmerksamkeit und Verantwortung bewegliche Termini sind? Vielleicht finden wir bei Caillois selbst die Chance zur Konturierung eines ursprünglich Gegebenen, Unbewussten unter menschlichem Aspekt, wenn wir uns im Folgenden auf den gewählten Begriff der „Möglichkeiten“ näher einlassen: „(…) gewisse ursprüngliche Gefühlsreaktionen und -konstellationen, die man beim Menschen manchmal nur als Möglichkeiten antrifft, die aber in der übrigen Natur klar erkennbaren und häufig zu beobachtenden Tatsachen entsprechen.“ (S. 20) Abschließende Diversität in spontaner Reihenfolge:

+ Kann das Unbewusste als schlummerndes verborgen bleiben, inwiefern wäre aktive Gegenwehr des Verstandes möglich?

+ Caillois‘ Schilderung erweckt, in menschlichen Kategorien gedacht, eher den Anschein eines negativ besetzten Unbewussten, welches gelegentlich in Form der Automationswalze durchbricht. Handelt es sich hierbei um einen gerechtfertigten Eindruck oder schlichte Belanglosigkeit?

+ Was bietet uns weiterführend das Unbewusste bei Schelling, der Grund?


--René Hügel 09:29, 20. Okt. 2010 (UTC) (Roger Callois, Die Gottesanbeterin)

Wie im Text von Roger Callois unmissverständlich zum Ausdruck kommt, muss man den Kannibalismus der Gottesanbeterin vielseitig betrachten und er übt zweifelsohne eine Anziehungskraft auf uns Menschen aus. André Breton erzählte Roger Callois, dass er das Verhalten der Gottesanbeterin als eine ideale sexuelle Beziehung bezeichnen würde. Die Herabsetzung des Mannes verbunden mit der gleichzeitigen Erhebung der Frau ist mit einer Natürlichkeit verbunden, welche die Frau in diesem jenen Moment ausnutze, um ihren Mann zu verschlingen oder zumindest zu töten. (vgl. Callois, Die Gottesanbeterin: S.15) Zur Frage “In welchem Zusammenhang steht das Bild der Mantis mit demjenigen des Individuums in der heutigen Gesellschaft, genauer auch mit dem Bild der Frau?“ von Karoline Orth: Wie sich im vorigen Absatz ergibt, verdeutlicht bzw. bestätigt meiner Meinung nach die von Breton getätigte Aussage eine Identifikation des Menschen mit der Mantis. Im Falle der Gottesanbeterin, welche dem Männchen nicht nur gleichgestellt ist sondern es in allen Belangen dominiert, könnte sich das identifizierende Verlangen der heutigen Frau nach Gleichberechtigung und in gewissem Maße auch nach einer Form von Dominanz widerspiegeln. Eine angesprochene Gleichsetzung der Gottesanbeterin mit der Frau sehe ich nicht, wie weiter oben diskutiert, als frauenfeindlich an.

Weiters stellt sich mir hier die Frage, inwieweit die Perversionen beim Menschen, also in diesem Fall eine Neigung zu Sadismus/Masochismus, auch in Bezug auf die Gottesanbeterin und ihre "Vorlieben" relevant sind. Kann man diese Überlegungen in irgendeiner Weise mit der (unfreiwilligen?) Hingabe der "männlichen Gottesanbeterin" vergleichen? Gibt es auch im Tierreich abweichende Individuen, welche spezielle Formen oder Anomalien in dieser Hinsicht aufweisen?

Wie auf den ersten Seiten des Textes beschrieben wird, wird bzw. wurde die Gottesanbeterin immer schon als heilig und zugleich teuflisch betrachtet. Diese ambivalente Haltung der Menschen gegenüber der Gottesanbeterin ist gewiss auf die lyrische Macht zurückzuführen, sie löst jedoch auch einen Gefühlskonflikt aus und stößt beim Menschen zweifelsohne auf Missverständnis seitens der kannibalistischen Handlungen. Derweil sind es die eigenwilligen Paarungsriten, das Verschmelzen mit der Natur und das Verzerren bzw. Einverleiben des Geschlechtspartners während und/oder nach der Paarung, welche den Sprung von der Biologie zur Psychologie/Psychoanalyse ermöglichen. Dadurch, dass diese Disziplinen das Vorhandensein des Ödipus-, Kastrationskomplexes,... aufgezeigt haben, finden sich Parallelen in der Natur und im speziellen im Tierreich., Laut Callois sollte man auch die vergleichende Biologie bei der Erforschung des menschlichen Bewusstseins heranziehen. „Denn aus diesem Gesichtswinkel wird man offenbar der Perspektive dieser Komplexe eher gerecht: so würde – um die in dieser Monographie dargelegten Tatsachen auszuwerten – die Angst, von der Frau verschlungen zu werden, nicht mehr als Abwandlung der Kastrationsangst erscheinen, sondern ganz im Gegenteil die Kastrationsangst als ein Sonderfall jener anderen Angst, die höchst wahrscheinlich das ursprünglich Gegebene ist, weil sie als Restbestand einer Verhaltensweise aufgefasst werden kann, die bei vielen anderen Lebewesen nachweisbar ist.“ (Calloir, Die Gottesanbeterin: S. 20) Nach Callois’ Meinung würde also die Psychoanalyse mit ihren Erforschungen der menschlichen Seele der Biologie nachhinken, da sie das ursprünglich Gegebene, welches sich in der Tierwelt findet, vernachlässigt und ausser Acht läßt. Würde das einfach nur bedeuten, dass die Psychologie und die Psychoanalyse sich in (erster Linie) auf die vergleichende Biologie stützen sollten und die Erforschung der menschlichen Seele nicht als gesondert vom „Rest der Welt“ betreiben soll? Kann das tatsächliche Vorgehen der Gottesanbeterin nicht einfach als eine Form angesehen werden, welche dem Menschen nur im Unbewußten, also beispielsweise die Kastrationsangst als Wahnsvorstellungen von einer gezahnten Vagina verschlungen zu werden, zugänglich ist? Oder heißt es, dass die explizite Ausführung bei der Mantis sozusagen eine gewisse Urform darstellt?

um in der Biologie zu bleiben: Wäre es zu simpel, wenn man sagen würde, dass die Anpassung von Form, Farbe, Verhalten, etc. der Gottesanbeterin an die Natur bzw. ihre Umgebung schlichtweg einen Tarn- und Täuschmechanismus darstellt, welcher ihr beim Beutefang zur Verfügung steht und sie vor ihren Feinden schützt?


Seite 21/5,. Absatz: "Die Hottentotten veranstalteten zu einer bestimmten Zeit des Jahres äußerst laszive Tänze, und die in dieser Zeit gezeugten Kinder werden unmittelbar nach der Geburt getötet." Dieser grausame und mir unverständliche Ritus eines primitiven Volkes - hier als sexueller definiert - zeigt, dass in der menschlichen Natur eine Fehlschaltung vorliegen muss. Menschenopfer waren jedoch keineswegs nur bei primitiven Völkern üblich, sondern lange Zeit auch gängige Praxis bei Hochulturen. Bereits in der Bronzezeit kannte man Opferkulte (Beschwichtigungsopfer, um die Götter gnädig zu stimmen). Die Azteken waren besonders grausam und töteten jedes Jahr 1000-e Menschen ihrem Gott Quetztalcuatl. Welche Gründe auch immer dafür vorgebracht wurden oder werden - (Mantiskult, Götterglauben, etc.) - ich finde so ein Verhalten abwegig. Es widerspricht doch unserer heutigen Vorstellung von Ethik und Moral und, um mit Kant zu sprechen, ist dem Menschen doch immer schon a priori das Gefühl für Gut und Böse angeboren? --Joechtl 13:03, 20. Okt. 2010 (UTC)


--Daniel Attia 20:07, 20. Okt. 2010 (UTC): Callois: Eingangs möchte ich kurz auf das Thema der Reduktion der Frauen eingehen. Tatsächlich werden in diesem Text Frauen in gewissen hinsichten auf bestimmte Aspekte reduziert. Und trotzdem sehe ich kein Problem darin. Bloß weil bestimmte Aspekte unter bestimmten psychoanalytischen Schwerpunkten (Kastrationskomplex,...) betrachtet werden wird die Frau noch keineswegs in einem moralisch negativen Sinne reduziert. Es werden einfach bestimmte Hinsichten betrachtet, jedoch wird nirgendwo gesagt (und so habe ich es auch nicht verstanden), die Frau sei nur so und so, bzw. herabgewertet. Der Autor möchte bestimmte Themen behandeln, da wäre es fehl am Platz die Frau in ihrer Ganzheit mit einzubeziehen.

Die für mich interessanteste Frage die sich bezüglich des Seminars inwieweit die Psychoanalyse von der vergleichenden Biologie lernen kann? Inwieweit lässt sich vom Tierreich letzten Endes auf psychische Phänomene des Menschen schließen? Ich halte die These, zwischen der "sexuellen Wollust" und der "Wollust der Nahrungsaufnahme" für sehr interessant, die ja auch dann bspweise bei der Frau irgendwo laut Callois zu bestehen scheint. So sei es angeblich ein bekanntes Phänomen, dass die Frau nach dem Sex das Verlangen spüre, den Mann zu beißen... Mich würde eben interessieren welcher/ob ein Zusammenhang da prinzipiell in der Psychoanalyse gesehen wird.

Interessant war aufjedenfall auch, wie versucht wurde zu zeigen, dass der Mensch in Tiere die gewisse Ähnlichkeiten mit dem MEnschen aufweisen (so der Daumen der Feldermaus) in diese viele Symbole und Bilder hineinlegt; wie eben bei der Mantis.


Weiters möchte ich noch bezüglich des Kommentars des Kollegen Joechtl sagen: Wie sie selbst sagen, es widerspricht unserer heutigen Vorstellung von Ethik und Moral, jedoch wandelt sich eben diese praktisch im Laufe der Zeit und innerhalb eines Kulturkreises. Dass Sie das genauso wie ich befremdlich finden wundert hoffentlich niemanden, dass es in einigen Kulturen aber dennoch keineswegs als böse oder schlecht galt, ja in manchen Kulturen auch (soweit dass die Funde eben vermuten lassen) freiwillige Selbstopferung herrschte und nicht als bloßer "Zwang", Mord o.ä. betrachtet werden kann und dass hier Ihr/unser Wertemaßstab über deren aufgesetzt wird sollte trotz aller berechtigten Kritikpunkte beachtet werden. Zudem finde ich auch die Wortwahl "primitiv" problematisch, da hier wiederum eine sehr Wertung fehlt die womöglich auch leicht missverstanden werden kann.


Was ich hier einwerfen möchte,..in Mitten dieses "die beißende Frau": Die Männer, die während des Sex (in welcher Variation auch immer) beißen, währenddessen oder auch danach. Ich denke, dieses "beißende Frau"Schema ist etwas...lahm. Mystifizierung der weiblichen Sexualität, weil einerseits keine eigene Sexualität zugesprochen wird und andererseits weibliche Sexualität "damals" als "unmöglich und sowieso ganz unanständig" gelesen wurde. Dazu kurz ein Einwurf: Der Kastrations/Ödipusskomplex: Es ist, finde ich, schon fatal, das in den klass. Modellen der PA die weibliche Sexualität auf das "Loch" focussiert wird. Also der Wechsel von der Klitoris zur Vagina, das wäre so, als wenn die männliche Sexualität vom Penis auf die Hoden transferiert würde. Möchte wissen, ob die Penetration an sich in diesem Fall immer noch "Mittelpunkt des Aktes" wäre. Zurück zum beißenden Mann: Die vergleichende Biologie könne sogar herhalten. Der Löwe, der die Löwin beim Akt am Genick packt/beißt. etc pp. .. . Die Gottesanbeterin, die frisst um zu (über)leben? Welches Bild wird transportiert?--chris.oliver 20:46, 25. Okt. 2010 (UTC)

Valerie Richter: Ich denke, dass es notwendig ist diesen Text im Kontext seiner Zeit zu betrachten, um seine Relevanz für heute richtig einschätzen zu können. 1934 entstanden ist er sehr von der Psychoanlyse Freuds beeinflusst. Caillois schreibt am Anfang seines Textes, dass es viele Mythen um die Mantis gibt, dass sie in manchen Kulturen als Gottheit verehrt und in anderen als täuflisch angesehen wird. Caillois möchte in seinem Text begründen, warum sich die Menschen mit diesem Insekt so stark identifizieren. (Seite 12) Die anthropomorphe Gestalt, die der Mantis zugesprochen wird, darf nicht außer Acht gelassen werden. Weiters schreibt Caillois über die in der Psychoanalyse Freuds definierte Kastrationsangst, die möglicherweise eine Spezifizierung der Angst des Mannes wäre, von der Frau verschlungen zu werden. - Wie es im Tierreich bei der Mantis Wirklichkeit ist. (vgl. Seite 15) Es ist nachvollziehbar, dass die Beobachtung der Paarung einer Mantis Faszination, Entsetzen oder/und Motivation zur Interpretation beim Menschen hervorruft. Es geht um die Überlegenheit der Frau und die Herabsetzung des Mannes, der verschiedenen Theorien zufolge, die Begattungsbewegungen im geköpften Zustand sogar ausgeprägter und länger ausführt. Doch ich denke nicht, dass es angebracht ist aus heutiger Sicht Biologie in dieser Form zu vergleichen (Seite 21), oder das Paarungsverhalten von Insekten als Spiegelbild der Errungenschaften der Psychoanalyse anzusehen.


Michael Ebner: Im Text nimmt Callois den Menschen einen Teil der Last des Kastrationskomplexes ab, indem er eben diesen als besondere Ausprägung der allgemeinen Angst vorm Verschlungenwerden definiert und somit postuliert, dass Mensch wie Insekt von den gleichen "Gefühlen" getrieben werden - bzw. deswegen Ehrfurcht des Menschen vor der Mantis, weil er sich durch ihr Verhalten irgendwie angesprochen, berührt, entdeckt fühlt. Die Angehensweise, mithilfe Vergleichender Biologie die Psychoanalyse zu stützen, scheint doch recht waghalsig bzw. mutig. Zweifel machen sich breit, obwohl das Unternehmen doch sehr amüsant ist. "Die Psychoanalyse ist dort am richtigsten, wo sie am amüsantesten ist." (sinngemäß, Autor bzw. Buch leider vergessen und nicht mehr gefunden)


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