„Wie umweltverträglich sind unsere Bedürfnisse?“

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Tina Pairits über einen Text von Karl G. Zinn



Welche Umwelt ist schützenswert?

Der Volkswirtschaftler Karl Georg Zinn antwortet nicht explizit auf die Frage, welche Umwelt denn schützenswert sei, dennoch ist eine stark anthropozentrische Position erkennbar. Zinn stellt zwar den Anspruch, menschliches Wirtschaften dem Endzweck Umwelterhaltung unterzuordnen, doch weisen seine Argumente keinen, bis nur sehr geringen Selbstzweckcharakter auf. Die Bestimmung, welche Umwelt zum schützenswerten Kulturgut zählt, geschieht vor allem in Hinblick auf die Sicherung des menschlichen Lebensraumes. Sein primäres Interesse gilt ökonomisch relevanten Ressourcen, also Rohstoffen, die gleichzeitig wichtige Produktionsfaktoren darstellen, sowie der abiotischen Natur: Klima, Atmosphäre, Boden und (Grund-)Wasser. Die Schutzwürdigkeit der Tiere kommt zumindest in diesem Aufsatz explizit nicht vor. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass sie als Teil des gesamten Ökosystems im seinem Umweltbegriff inkludiert sind.


Womit kann die Schützenswürdigkeit der Umwelt begründet werden?

Die wesentliche Motivation für das Unternehmen Umweltschutz sieht er in der Bewahrung des Ökosystems als menschliche Lebensgrundlage. Die von ihm genannten Beispiele sind entweder ökonomischen Charakters oder beziehen sich auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und die Zukunftssicherung für künftige Generationen.

Zinn sieht die Umweltzerstörung als Folge des Wirtschaftswachstums, wodurch Raubbau an den natürlichen Ressourcen betrieben wird und die mit der Produktion verbundenen Schadstoffe das Öko-System gefährden. Da Zinn der Ansicht ist, dass unser ökonomisches Handeln durch menschliche Bedürfnisse bestimmt ist, liegt sein Hauptanliegen in der Klärung des Zusammenhangs zwischen Wirtschaftswachstum und Bedürfnisbefriedigung.

In den Wirtschaftswissenschaften „stehen sich zwei scheinbar unvereinbare Auffassungen gegenüber: Das Sättigungstheorem und die These von der Unbegrenztheit der Bedürfnisse. Sättigung würde unbegrenztes Wachstum überflüssig machen. Die Unbegrenztheit impliziert hingegen, dass Knappheit allenfalls gemildert, aber niemals völlig überwunden werden kann.“(2)

Da für die traditionelle Ökonomie eine Wirtschaft ohne Wachstum nicht denkbar ist, erfordert dies für Zinn das Konzept eines ökonomischen Systems, das nicht auf unbegrenztem Wachstum beruht, sondern auf Nachhaltigkeit; nicht auf quantitativem, sondern auf qualitativem Wirtschaftswachstum.

Der Konflikt, der sich aus dieser Forderung ergibt, ist folgender: Nachhaltiger Umweltschutz ist einzig durch einen Verzicht auf quantitatives Wirtschaftswachstum denkbar, und das wiederum bedeutet einen Verzicht auf stetige Wohlstandssteigerung. Um im Sinne der Nachhaltigkeit die Bedürfnisse der Menschen von heute zu stillen, ohne der Generation von morgen die Möglichkeit der eigenen Bedürfnisbefriedigung oder gar Lebensgrundlage zu nehmen, ist ein gewisses Umdenken erforderlich.

Den Reibungspunkt zwischen Ökonomie und Ökologie sieht Zinn in der menschlichen Bedürfnisbefriedigung. In diesem Zusammenhang stellt er die Frage „ inwiefern Wachstum zur Befriedigung welcher Bedürfnisse notwendig ist“(3).

Grundbedürfnisse, wie Hunger, Durst und Schutz, können ausschließlich auf materieller und somit konsumabhängiger Ebene gestillt werden. Geltungs- und Rangbedürfnisse hingegen sind zwar traditionsbedingt, aber nicht zwingend konsumabhängig. So ist zwar unser Denken ökonomisch geprägt, doch Zinn erinnert an dieser Stelle an den Wirtschaftstheoretiker Joseph Alois Schumpeter, welcher „die eigentliche Motivation des Unternehmers nicht im Gewinn, sondern im Macht- und Geltungsstreben“(4) sieht. Das bedeutet, dass unser Handeln vorrangig nicht von dem Bedürfnis nach mehr oder besseren Gebrauchswerten bestimmt ist, sondern in erster Linie ein Streben nach sozialem Ansehen, Rang und Macht ist - also eine Prestigefrage. Hier liegt für Zinn die Chance, wenn es auch nicht möglich ist, Ökonomie und Ökologie zu versöhnen, sie zu mindestens einander anzunähern. Das Sättigungsstreben der unbegrenzten Bedürfnisse (Geltungs- und Rangstreben), welches in großem Maße umweltschädigend wirkt, ist zwar traditionell ökonomisch orientiert, aber nicht zwingend konsumabhängig. Zinn setzt auf die Emanzipation der Vernunft, welche allein fähig ist, die menschlichen Bedürfnisse in dem Ausmaß zu begrenzen, dass unsere Wirtschaftsweise keine existenzbedrohenden Ausmaße annimmt.


Fußnoten:

(1) Karl G. Zinn, „Wie umweltverträglich sind unsere Bedürfnisse?“, in: Sigurd M. Daecke (Hg.), Ökonomie contra Ökologie, (Stuttgart, Metzler, 1995), S. 31-62.

(2) Ebd. S. 31.

(3) Ebd. S. 33.

(4) Ebd. S. 60.