„Soziale Fallen: Wasser als Kollektivgut und die Verwässerung der Verantwortung“

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Tina Pairits über einen Text von Hans Lenk und Matthias Maring



Welche Umwelt ist schützenswert?

Lenk und Maring zählen zu ihrem Umweltbegriff nicht bloß das im Titel genannte Kollektivgut Wasser (Meere, Seen, Grundwasser etc.), sondern das gesamte Ökosystem. Ihr Umweltbegriff ist ein sehr weit gefasster und beinhaltet die Faktoren Klima, Atmosphäre, Flora und Fauna, aber auch die vom Menschen erschaffene ,künstliche‘ Umwelt, wie Parkanlagen, oder das bestellte Ackerland. Bei den aufgelisteten Beispielen handelt es sich aber vorrangig um sogenannte öffentliche oder Kollektivgüter.


Womit kann die Schützenswürdigkeit der Umwelt begründet werden?

Traditionelles ökonomisches Handeln beruht auf der Einstellung und Denkart, die betriebliche Entscheidungen von der betriebswirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Rechnung abhängig macht. Kurzfristig besteht kein Anreiz für Umweltschutz, da sich kein unmittelbarer Nutzen für die einzelnen Unternehmen ergibt. Ökonomisch, aber vor allem gesellschaftlich langfristig interessant ist nachhaltiger Umweltschutz in Bezug auf die Vorbeugung von Folgekosten bei Umweltschäden.

Obwohl Lenk und Maring sehr stark den ökonomischen Standpunkt des Umweltproblems beleuchten, betrachten sie die Umwelt nicht ausschließlich als ökonomisches Gut. Das bedeutet, sie führen auch ihre Schutzwürdigkeit nicht ausschließlich auf ökonomische Gründe zurück, sondern auf ihre Funktion als Lebensgrundlage für den Menschen, im Sinne des Gemeinwohls und in Hinblick auf zukünftige Generationen.

Der Text zeigt die Schwierigkeit auf, Umwelt als Kapital anzusehen, da Umweltverschmutzung und Gesundheitsschäden schwer in „monetäre Größen“ zu fassen sind. Weiter sind viele schützenswerte Ressourcen, wie Wasser, Fische oder die Erdatmosphäre nicht marktfähig, da sie entweder nicht als knappe Güter gelten oder keine „erkennbaren“ Grenzen aufweisen. Diese Tatsache wirft die Frage auf, ob ökonomische Ansätze überhaupt geeignet sind, um ökologische Problemstellungen zu bearbeiten.

Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Klärung der individuellen Verantwortung am Schaden eines kollektiven Guts, sowie in der „Kluft zwischen dem bekundeten Umweltbewußtsein und dem tatsächlichen Umweltverhalten“(2).

Wenn öffentliche Güter wie Wasser, Luft und andere natürliche Ressourcen Schaden nehmen, also entweder zu stark verschmutzt oder zu schnell verbraucht werden, so ist dafür meistens nicht eine einzige Person verantwortlich, sondern viele – sozusagen ein Kollektiv. Oft gelingt es dann nicht, einzelne Verantwortungsträger zu identifizieren und jemanden zur Rechenschaft zu ziehen, da sich ein schuldhaftes oder verantwortungsloses Verhalten des Einzelnen gegenüber den anderen Mitgliedern schwer nachweisen lässt. Zusätzlich fehlt es in der Realität nicht an dem nötigen Wissen, sondern an der nötigen Motivation für Umweltschutz. Die Moralische Verantwortung des Einzelnen bewirkt in der Regel wenig und stellt daher auch keinen Anreiz für umweltbewussteres Verhalten (erinnert sei an das von den Autoren angeführte Beispiel der jährlichen Stand-by-Kosten von 770 Millionen Euro: für den privaten Nutzer bietet eine Einsparung von €11,22 jährlich oder 3 Cent täglich nicht den nötigen Anreiz, auf die Bequemlichkeit einer Fernbedienung zu verzichten.).

Dies führt zu den im Titel angesprochenen sozialen Fallen. Das bedeutet, dass es für den Einzelnen von Vorteil sein kann, sich nicht an die sozialen Regeln und Normen der Gesellschaft zu halten und folgedessen nicht zu einem kollektiven Gut beizutragen.

Im Hinblick auf soziale Fallensituationen plädieren die Autoren auf einen Mix aus individuenbezogenen und institutionellen Maßnahmen. „Denn was auf individueller Mikroebene allein nicht lösbar ist, sollte auf der nächst höheren gesellschaftlichen Ebene angegangen werden.“(3) Besser bekannt ist dieses Prinzip unter dem Begriff Subsidiarität. Für betriebliche Unternehmen bedeutet das u.a. institutionelle Maßnahmen wie den Öko-Audit und ein entsprechendes Umweltmanagement.

Für die Philosophie bedeutet das die Forderung nach der Zusammenarbeit mit den Fachwissenschaften und ein Überarbeiten des Ethikbegriffs. Das Subjekt der traditionellen Ethik war fast ausschließlich das Individuum. Wie anhand des Aufsatzes gezeigt wurde, treten in der heutigen Gesellschaft vermehrt Kollektive als Handlungsträger auf. Die mit der Umweltverschmutzung entstandenen Problemstellungen können nicht mehr mit einer streng auf das Individuum bezogenen Ethik behandelt werden.


Fußnoten:

(1) H. Lenk u. M. Maring, „Soziale Fallen: Wasser als Kollektivgut und die Verwässerung der Verantwortung“, in: dies.: Natur-Umwelt-Ethik, (Münster, Lit, 2003), S. 201-255.

(2) Ebd. S. 233.