Diskussion:Interaktivität, theoretische Ansätze (PSI)

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Der Spieler in einer philosophischen IF

Mir ist beim Durchspielen der IF aufgefallen, daß ich als Dialogpartner ziemlich eingeschränkt bin. Das mag wohl an dem Versuch liegen, einen bereits ausgearbeiteten Text in einem interaktiven Medium zu repräsentieren, aber etwas Sinnvolles zu sagen und gleichzeitig mehr oder weniger alle möglichen Antworten vorauszusehen ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Interessant dabei, daß die Dialoggeneratoren, die den Leuten das Gefühl vermitteln, auf ihre Antworten einzugehen, Chatbots wie Eliza sind, die nie irgend etwas aussagen. Und die ständig Fragen stellen.

Bezugnehmend auf diese Aussage, sollten wir uns vielleicht überlegen, wie wir mit dem Problem umgehen, dass unsere Antwortmöglichkeiten bei IF begrenzt sind. Meine Überlegungen und Vorschläge dazu sind:

  • Zunächst müssen wir bedenken, dass wir innerhalb der IF etwas von philosophischen Gehalt aussagen oder bewirken wollen.
  • Im Prinzip hat man dieses Problem der mangelnden Antwortmöglichkeiten auch bei normalen Text, z.B. beim Verfassen einer Seminararbeit. Man kann oft in der Gliederung des Textes feststellen, dass versucht wird, sachlichen Einwänden vorzubeugen oder diese zu stärken. Es wird implizit ein fiktives Gegenüber angenommen, das dumme oder weniger dumme Fragen stellt (bei Platon ist das Gegenüber noch explizit im Text präsent).
  • Im Falle von IF ist das Gegenüber nicht fiktiv, aber die Umgebung ist es. Trotzdem kann man annehmen, dass das Gegenüber entweder Fragen stellt, die bestimmten Themen zugeordnet werden können oder keine Fragen stellt, weil für ihn gerade nichts fragwürdig ist.
  • Im Buch ist der Platz beschränkt und in Programmen die Anzahl der Fälle, die man unterscheidet. Wir sollten uns daher typische Rollen überlegen, die man Platons Argumentation gegenüber vertreten kann (seien sie philosophisch oder aus dem Alltag motiviert).
  • Wir könnten die Rollen auch live im Seminar simulieren, wenn wir einen Text besprechen. Die Einwände der jeweiligen Rollen können wir dann festhalten und ins IF übertragen. Wenn uns eine Rolle besonders wichtig erscheint, könnten wir sie als zusätzliche Person in die virtuelle Welt einfügen, die stellvertretend für uns unsere Interessen/Argumente vertritt ;).
  • Ich nehme an, dass unsere IF viele Dialoge und Konversationen enthalten wird. Ich habe mich noch nicht genau damit beschäftigt, aber es gibt bereits einige Erweiterungen für Inform7 zum Thema "Saying complicated things". Ich denke, dass man mehr Möglichkeiten hat, als es auf den ersten Blick scheint.
  • Der Spieler sollte auch die Möglichkeit haben, eine Weile zuzuhören (der "Weiter"-Button). Man könnte einen Pfad im Spiel vorsehen, bei dem ziemlich originalgetreu die Argumentation nachvollzogen werden kann. Doch wenn an einer bestimmten Stelle Zweifel in der Argumentation auftauchen, sollte es auch möglich sein, sie zu formulieren.
  • Wir müssten dafür den Text ziemlich exzessiv auseinandernehmen - Themen und Rollen identifizieren, mit denen man Platon konfrontieren kann.
  • Wir könnten eine Person "Bodyguard" einführen, den wir immer dann sprechen lassen, wenn wir einen Einwand nicht für gerechtfertigt halten in Anbetracht unserer Lektüre. Platons Figuren müssten nicht unbedingt vom Originaltext abweichen, doch man kann die Folge ihrer Aussagen unterbrechen (a.) vom Spieler selbst oder b.) von zusätzlichen Figuren) oder überspringen (wenn die Interventionen des Spielers bestimmte Aussagen hinfällig machen).

Diese Gedanken sind verbesserungswürdig und erweiterungsbedürftig. --Andyk 01:15, 10. Nov. 2008 (CET)



Es ist wichtig, sich die verschiedenen Positionen klar zu machen, die in konventionellen und interaktiven Texten auftreten. Wir Andyk in Erinnerung ruft gibt es in Büchern die implizite Leserin, also eine textimmanente Konstuktion der Person, die an den Text herangeht. Das verkompliziert sich in der IF insofern, als in der Diegese (d.h. im Erzählungsablauf) eine durch die Leserin steuerbare Instanz auftaucht, die in der Regel als deren Delegatin ("Avatar") behandelt wird. Diese Konstruktion ist meistens nicht ausformuliert, bisweilen aber tatktisch eingesetzt ("Liebe Leserin ..."). Ein instruktives Beispiel bietet L. Sternes Tristram Shandy:

I wish either my father or my mother, or indeed both of them, as they were in duty both equally bound to it, had minded what they were about when they begot me; had they duly consider'd how much depended upon what they were then doing;--that not only the production of a rational Being was concerned in it, but that possibly the happy formation and temperature of his body, perhaps his genius and the very cast of his mind;--and, for aught they knew to the contrary, even the fortunes of his whole house might take their turn from the humours and dispositions which were then uppermost;--Had they duly weighed and considered all this, and proceeded accordingly,--I am verily persuaded I should have made a quite different figure in the world, from that in which the reader is likely to see me.--Believe me, good folks, this is not so inconsiderable a thing as many of you may think it;--you have all, I dare say, heard of the animal spirits, as how they are transfused from father to son, &c. &c.--and a great deal to that purpose:--Well, you may take my word, that nine parts in ten of a man's sense or his nonsense, his successes and miscarriages in this world depend upon their motions and activity, and the different tracks and trains you put them into, so that when they are once set a-going, whether right or wrong, 'tis not a half-penny matter,--away they go cluttering like hey-go mad; and by treading the same steps over and over again, they presently make a road of it, as plain and as smooth as a garden-walk, which, when they are once used to, the Devil himself sometimes shall not be able to drive them off it.

"Believe me, good folks ..." richtet sich an die Leserinnen. In einer interaktiven Variante könnte man den weiteren Textablauf nun so steuern, dass die verschiedenen Bedingungen zur Zeugung eines "gelungenen" Menschen durch die Text-Delegierte der Leserin im Lauf der Entfaltung des Textes hergestellt (durchgespielt) werden.

Damit entstehen neue Optionen für das lesende "Gegenüber". Das Auftreten des Textes wird mitbestimmt durch die Wahlmöglichkeiten, die der realen Leserin eingeräumt werden.


Ein Beispiel (siehe die Spielbeschreibung hier):

Exhibition by Ian Finley (version 2.1)

The Foyer

  Mirrors. Far too many mirrors in this small room. Confusing. Maybe it’s 
just the stress of this evening, or the fact that it’s freezing outside. 
New York is always freezing outside. Four people are caught in 
the mirrors, suspended in reflection. A beautiful woman with black 
hair piled up on her head, certainly someone’s wife. 
An elderly man in a silver tuxedo half his age, surveying the room critically.
A young man, almost a boy, with golden curls and an embarrassingly thin 
tie. A sharp-looking woman with tight glasses and the cynical air of 
a student. Which one do you wish to listen to?

   A) The wife.
   B) The critic.
   C) The boy.
   D) The student.

Please choose a letter, or type ABOUT if you need assistance.

>A

’Emigravit’ is the inscription on the tombstone where he lies;
Dead is he not, but departed— for the artist never dies.  

— Henry Wadsworth Longfellow, 1844

The Foyer

I must pull myself together. I must appear always calm and smile to the 
people who come to see Anatoly’s paintings. I do not need to speak to 
them, they will understand I do not know their language. They will be 
kind to a widow, and I will smile, to show them that it is his art that 
matters tonight, and then this last ordeal will be over, and the 
lawyers quieted, and I can return to Russia, after these three years. 
This tiny room is so stuffy, so tight with reflections. I will go up 
the broad stairs into the gallery and look at his paintings, he would 
like that. All twelve of the paintings he made since we came to America, 
all collected here for a special showing. The lawyers said it had to 
be done, to raise money to pay his debts because his life insurance did 
not cover suicides, but I do not know of such things. In the southwest 
is the sound of traffic, and to the northeast the gallery and the 
noisy chittering of Americans. I will go in there and look at my 
husband’s paintings for the last time, and I will not cry. At all.

[You may switch to another character at any time by typing CHARACTER]

>CHARACTER

Perhaps you’d like to listen to someone else.
Please choose the WIFE, the CRITIC, the BOY, or the STUDENT: >

--anna 08:49, 13. Nov. 2008 (CET)

Ein einfacher Trick, um sicherzustellen, daß gewisse Textpassagen gesagt werden, ohne dem Spieler allzu viel von seiner Handlungsfreiheit zu nehmen, könnte darin bestehen, daß der Hauptstrang des Dialogs von den anderen Charakteren getragen wird. Dh wenn wir auf eine bestimmte Anfrage und auf Sokrates' Antwort darauf nicht verzichten wollen, dann implementieren wir einen Glaukon und übertragen ihm die Frage, statt uns darauf zu verlassen, daß der Spieler draufkommen wird. Der Spieler kann nach Belieben intervenieren, das Gespräch vorübergehend in andere Bahnen leiten, er kann bewirken, daß einzelne Nodes viel früher abgearbeitet werden als von vornherein vorgesehen, er kann auch das Gespräch zeitweise unterbrechen und später wieder darauf zurückkommen, aber er kann das Spiel nicht beenden, bevor nicht alles in seiner Gegenwart gesagt wurde, was er hören soll. Kurz gesagt: Solange er nicht dagegen interveniert, läuft das Gespräch ab wie geplant, wenn er es "stört", wird es unterbrochen und/oder umarrangiert. Das setzt natürlich seinen Einflußmöglichkeiten eine gewisse Grenze, aber entweder wir bestehen auf etwas oder nicht, und wir können ihm immerhin seine Handlungsfreiheit lassen. --H.A.L. 01:03, 17. Dez. 2008 (CET)

Zum Thema Dialoge

Zum Thema Dialogessays allgemein habe ich ein Zitat von Douglas Hofstadter gefunden: Douglas R. Hofstadter: Gödel, Escher, Bach#Ein_Kommentar_zum_Thema_Dialogessays --H.A.L. 13:14, 19. Nov. 2008 (CET)

Ein älteres Beispiel

Ich habe ein paar Gedanken zu einem älteren Projekt zusammengeschrieben, an dem ich mitgearbeiten habe: Benutzer:H.A.L./Freiraum

Was versteht Jeremy Douglas nun unter "Implied Code"?

Die Zitate von Jeremy Douglas haben mich verwirrt. Versteht Douglas unter implizitem Code eine Repräsentation der Weise, in der die Software Eingaben verarbeitet, oder der Naturgesetze, nach denen die erzählte Welt funktioniert? Gegen Anfang heißt es ja: "When considered as a process in time, the formation of the implied code can generally be described as a coming-into-understanding. In contemporary literary IF, the interactor’s progress in learning to interact is often paralleled by the progress of the protagonist within the work, who also struggles to understand something within the world of the story. Implied code sets the pace of a dual epiphany that is both the climax and the conclusion: the character understands the world in the moment that the reader understands the code, and at that moment the work ends." Das habe ich so verstanden, daß der Interactor die Regeln der Simulation in der Weise herausfindet, in der die Protagonistin die Regeln der Welt herausfindet, und daß beide an dem Punkt, an dem sie die Welt verstehen, die Welt in einer Weise manipulieren können, die zu einem glücklichen Ende führt.

Später dagegen reduziert Douglas den impliziten Code dagegen ausdrücklich auf technische Aspekte, wenn er schreibt, ausgehend vom impliziten Code könne man vorhersagen, daß der Parser talk to Claudius als Sprechakt interpretiert, nicht aber, wie Claudius antworten wird, denn Mutmaßungen über Claudius' Verhalten seien "part of an entirely different order of knowledge from the implied code". Dann sagt Douglas aber nur aus, daß der Interactor lernt, das Programm zu bedienen, weil er sich eine Vorstellung von dessen Funktionsweise macht. Dann verstehe ich aber nicht, was das für Spiele sein sollen, in denen der Interactor in dem Moment lernt, wie die Software funktioniert, in dem die Protagonistin lernt, wie die Welt funktioniert - das wäre eine Art Tutorial, das in dem Moment gewinnbar ist, in dem man alle relevanten Interaktionsmöglichkeiten lernt. Das ist nicht einmal in Dreamhold der Fall, wo auch noch nicht alle Rätsel erschöpft sein dürften, wenn man die wichtigen Kommandos durch hat. Meistens weiß der Interaktor, wenn er sich an ein neues Spiel setzt, aber bereits, daß er mit einem Objekt wie Claudius mit talk-Befehlen interagieren kann, und muß herausfinden, daß die Protagonistin Claudius bei Nacht aufsuchen, und ihm erzählen muß, sie habe in den Bergen ein Schaf verloren, damit er ihr seine Taschenlampe leiht, mit der sie die Höhle erkunden kann, und dann noch etwas nettes über seine Schmetterlingssammlung sagen, damit er freundlich wird und sie erst nach ein paar Tagen zurückverlangt.

Man könnte Douglas dahingehend interpretieren, daß der Interactor Claudius eben nicht als einen Mann mit einer Schmetterlingssammlung und einem gewissen Verständnis für Schafhirten wahrnimmt, sondern als ein Objekt in einer Simulation, das auf gewissen Input reagiert. Aber dann ist wiederum nicht klar, warum Douglas so genau unterscheidet zwischen dem Code, der Inform, und dem, der das Spiel definiert.

-- H.A.L. 00:28, 9. Jan. 2009 (CET)