Diskussion:Die wunderbarste geistige Maschine, die je entstand (Code)

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Version vom 22. April 2008, 15:05 Uhr von Richardd (Diskussion | Beiträge) (Das uneigentliche Zeichen als Residuum einer notwendigen Verantwortungslosigkeit und der Laplacesche Dämon)
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Code als Instrument

Das instrumentelle Uneigentliche bei Husserl befördert möglichereise ein Sprachverständnis, das Sprache, zumindest teilweise, auf ein Gebrauchsmittel, ein "Arbeitsinstrument" reduziert. In einer vielleicht überzogenen Interpretationsweise, die sich mit Bestimmtheit aus einer Ausweitung des Einflusses der Technik speist, könnte dem uneigentlichen "Platzhalter" ein Verlust von "Gewicht" attestiert werden.

In einer Zugangsweise die von Heidegger motiviert wäre, könnte man sagen, dass der uneigentliche Umgang jedwedes Lebenszusammenhanges verlustig gegangen ist. Die uneigentlichen Vorstellungen bleiben starr und gegenwärtig, sie erlangen den Charakter von Gegenständen und forcieren eine von Heidegger negativ besetzte Metaphysik.

Wir kommen hier zurück zu einem Thema des vorigen Semesters. Transponiert auf eine elektronische Ebene ließe sich hier wieder von der Ebenen- bzw. Generationsthematik von Programmiersprachen sprechen, die z.B. Kittler aus dem protected-mode las.

[1]

Der Mensch ist durch die komplexe Codifizierung und Blackboxing essentieller Vorgänge in der Uneigentlichkeit festgefroren.

Inwieweit eine Kritik an der pragmatischen Nutzung von Codes zulässig ist beherrschte auch schon damals die Diskussionen: http://philo.at/wiki/index.php/Diskussion:Traumas_of_Code_%28Code%29

--Richardd 11:25, 18. Apr. 2008 (CEST)


Die Diskussion von gestern (20.4.08) weist auf Differenzierungen zu diesen Feststellungen hin. Wenn "Uneigentlichkeit" ein ganz normaler Zug des menschlichen Lebens ist (was Heidegger durchaus zugeben würde), kann man nicht direkt vom uneigentlichen Sprachgebrauch auf "Entfremdung" schließen. Es ist ja auch gerade Heideggers Pointe, dass das alltägliche, ungenierte Verhalten als solches ernst zu nehmen ist und vor der Analyse liegt. Sicher, es gibt eine Vertikale dazu, die "Eigentlichkeit" und die wirft die Frage nach ursprünglichem Seinsverständnis, Zeit, Metaphysik etc auf. Man muss sich aber klar machen, dass diese Zuspitzung in der allgemein gefassten "Existenzialontologie" ein Weg ist. --anna 11:29, 22. Apr. 2008 (CEST)


Das uneigentliche Zeichen als Residuum einer notwendigen Verantwortungslosigkeit und der Laplacesche Dämon

Kunst und Wissenschaft sind seit dem 19. Jahrhundert geprägt von einer Bewusstwerdung der Kreisläufigkeit bzw. Selbst- und Rückbezüglichkeit aller Vorgänge. Natürlich ließe sich dieses Paradigma noch viel weiter zurückverfolgen, um sich jedoch nicht in unendlichen, möglicherweise ebenfalls "rückprojektiven" Interpretationen zu verlieren ist es durchaus praktikabel, einen Punkt zu setzen, von dem her, bzw. aus dem heraus, eine Interpreation begonnen wird, oder der diese möglicherweise sogar ersetzt. Besonders leicht ablesbar wird eine Formung der Kreisläufigkeit und Reziprozität in hermeneutischen Theorien wie sie an relativ prominenter Stelle schon im 18. Jahrhundert zu finden sind:


Auszug aus "Einleitung zur richtigen Auslegung vernünftiger Reden und Schriften"(1742) von Johann Chladenius

308. Von einer Geschichte hat man mehr als eine richtige Vorstellung

Das, was in der Welt geschieht, wird von verschiedenen Leuten auch auf verschiedene Art angesehen: daß, wenn viele eine Beschreibung von einer Geschichte machen sollten, in jeder etwas Besonderes würde angetroffen werden, wenn sie sich gleich insgesamt die Sache, soviel an ihnen gelegen, richtig vorgestellt hätten. Die Ursache dieser Verschiedenheit ist teils in dem Ort und in der Stellung unseres Leibes, die bei jedem verschieden ist, teils in der verschiedenen Verbindung, die wir mit den Sachen haben, teils in unserer vorhergehenden Art zu gedenken, zu suchen, vermöge welcher dieser auf das, der andere auf jenes Achtung zu geben sich angewöhnt hat. Man glaubt zwar gemeiniglich, daß jede Sache nur eine richtige Vorstellung machen könnte, und wenn daher in den Erzählungen sich einiger Unterschied befinde, so müsse die eine ganz recht und die andere ganz unrecht haben. Allein diese Regel ist weder andern gemeinen Wahrheiten noch einer genaueren Erkenntnis unserer Seele gemäß. Wir wollen jetzo mit einem gemeinen Exempel erweisen, wie verschiedene eine einzige Sache sich auf mancherlei Art vorstellen können. Gesetzt es befinden sich bei einer vorfallenden Schlacht drei Zuschauer, davon der eine auf einem Berge zur Seite des rechten Flügels der einen Armee, der andere auf einer Höhe zur Seiten des linken Flügels, der dritte hinter derselben Armee der Schlacht zusieht. Wenn diese drei ein genaues Verzeichnis von dem, was sich bei der Schlacht zugetragen, machen sollten, so wird allen Fleißes ungeachtet keines Erzählung mit den übrigen ganz genau übereinkommen. [...] Ebenso ist es mit allen Geschichten beschaffen; eine Rebellion wird anders von einem getreuen Untertanen, anders von einem Rebellen, anders von einem Ausländer, anders von einem Hofmann, anders von einem Bürger oder Bauern angesehen, wenn auch gleich jeder nichts, als was der Wahrheit gemäß ist, davon wissen sollte. Es ist zwar gewiß, daß alle wahren Erzählungen von einer Geschichte in gewissen Stücken derselben übereinkommen müssen, weil, wenn wir uns gleich gewissermaßen in verschiedenen Umständen befinden, und also auch gewisse Stücke der Geschichte nicht auf einerlei Art ansehen, wir dennoch überhaupt in den Regeln der menschlichen Erkenntnis miteinander übereinkommen. Allein wir wollen dieses behaupten, daß, wenn verschiedene Personen, auch nach ihrer richtigen Erkenntnis, eine Geschichte erzählen, in ihren wahren Erzählungen sich dennoch ein Unterschied befinden könne.

309. Was der Sehe-Punkt sei

Diejenigen Umstände unserer Seele, unseres Leibes und unserer ganzen Person, welche machen oder Ursache sind, daß wir uns eine Sache so und nicht anders vorstellen, wollen wir den Sehe-Punkt nennen. Wie nämlich der Ort unseres Auges, und insbesondere die Entfernung von einem Vorwurf, die Ursache ist, daß wir ein solches Bild und kein anderes von der Sache bekommen, also gibt es bei allen unseren Vorstellungen einen Grund, warum wir die Sache so und nicht anders erkennen: und dieses ist der Sehe-Punkt von derselben Sache. [...] Das Wort Sehe-Punkt ist vermutlich von Leibniz zuerst in einem allgemeinern Verstande genommen worden, da es sonst nur in der Optik vorkam. Was er damit anzeigen sollte, kann man am besten aus unserer Definition ersehen, welche denselben Begriff deutlich erklärt. Wir bedienen uns hier desselben Begriffs, weil er unentbehrlich ist, wenn man von den vielen und unzähligen Abwechslungen der Begriffe, die die Menschen von einer Sache haben, Rechenschaft geben soll.(S. 71-73)


Quelle: [2]


Dass jeder analytische Ansatz die Einbeziehung des jeweiligen Standpunktes des Analytikers verlangt, zumindest die vorherige Analyse desselben vorraussetzt, um "objektive" Betrachtungen anstellen zu können, ist eine triviale Vorgehensweise, deren Immersion in das naive Wissenschaftstreiben längst vollzogen ist. -- Offensichtlich wird dieser Umstand besonders bei populären Wirtschaftstheorien bis hin zur Unschärferelation in der Naturwissenschaft.

Radikale Ausformungen dieser reziproken Darstellung schließen die Veränderung der Ausgangsposition selbst mit ein. An dieser Stelle verliert eine herkömmliche Rollenverteilung z.B. in Handlungsmustern ihre Bedeutung, wo das Aktive auf sich rückwirkend, nicht mehr vom Bewirkten und Be-handelten getrennt werden kann.

Aus ethischer Perspektive betrachtet wächst mit dem Wirkungskreis, will man nun einmal von einer Radikalisierung zur De-subjektivierung absehen, natürlich auch das Maß an Verantwortung, das bei jeder Handlung zu tragen ist. Technische Mittel potenzieren die Größe des Wirkungskreises des Menschen.

Eine übergroße Verantwortung könnte um eine temporale Perspektive vervielfältigt zur einfachen Zersetzung der menschlichen Persönlichkeit führen, die schon alleine aus situationspraktikablen Gründen unwahrscheinliche Wirkungsstränge ausblendet.

Das uneigentliche Zeichen ist in diesem Sinne weniger eine Amputation lebensnotwendiger Sinnzirkulationen, als vielmehr die Einrichtung eines notwendigen Residuums der Verantwortungslosigkeit, in das sich das "ich" vor dem Zerdenken flüchten kann.

Hier zeigt sich die Vielschichtigkeit der Betrachtungsweisen gut. Die "lebensnotwendige(n) Sinnzirkulationen" sind ja nicht die Positionen der Eigentlichkeit, in die man erst über den Zusammenbruch der Sinnzirkulation kommt. Sie mögen zwar charakteristisch für bestimmte "Spitzenleistungen" des Menschen sein, aber lebensnotwendig ist zunächst einmal der gewöhnliche Zeichengebrauch in beiden von Husserl dargestellten Formen, der natürlichen und künstlichen Zeichensysteme. Damit kommt man in die systematische Schwierigkeit, einen Negativbegriff ("uneigentlich") als deskriptiven und ontologisch unentbehrlichen Terminus einzusetzen. Vgl.: "Der Mensch ist flugunfähig" (ohne Flugzeug). --anna 11:29, 22. Apr. 2008 (CEST)

Es ist wohl verständlich, warum Entfremdung, dessen Gebrauch (meines Wissens) durchgehend negativ konnotiert ist, keinen besonders guten Halt bietet um auf das heideggersche Denken angewendet zu werden (alleine die mögliche Suggestion eines ursprünglich authentischeren "Lebens" gibt diesem Begriff einen einseitigen Drall der Geschichtlichkeit, grobe Probleme die sich alleine hieraus ergeben und andere lasse ich einmal unerwähnt). Ansonsten müsste die Entfremdung ebenso als schon im Menschen angelegt gelesen werden, selbst wenn die Darstellung des Subjektwerdens in psychoanalytischer Hinsicht (z.B. im Spiegelstadium, wonach das Ich wieder von einer Fremdheit eingeholt wird) oder passend im Sinne Batailles vielleicht interessant wäre.

Dennoch scheint es mir (ich bewege mich hier allerdings auf einem mir nicht allzu vertrauten Gebiet) als wäre "die Kehre" in Heideggers Spätwerk eine notwendige Radikalisierung eines solchen Zikulationskonzepts, das sich aus einer überzogenen Hermeneutik speist. Ebenso schien es mir bei der Lektüre einiger Texte Heideggers z.B. im Humanismusbrief wo eindeutig auf eine metaphysischen Sprachgebrauch hingewiesen wird, der sich in meinem Verständnis (auch wenn dies wohl ungesagt bleibt, wahrscheinlich habe ich es hineingelesen) aus einer Uneigentlichkeit speist. Wo ist aber außerhalb des Daseins, das hier als Medium dienen konnte, das Uneigentliche aufzufinden? Worin liegt die metaphysische Sprache begründet? Oder habe ich hier einen Schritt angenommen den Heidegger garnicht gemeint hat? Mein Fehlverständnis in diesem Fall hat mich wahrscheinlich dazu gebracht die Überspitzung der entfremdung anzuwenden, wobei dann natürlich sogar noch hier zu fragen bliebe, Entfremdung wovon, und wer entfremdet sich?

P.S. Meine Erwähnung des Humanismusbriefes ist natürlich noch dahingehend brutal, als sich Heidegger (wenn ich mich richtig erinnere (ich habe keine Ausgabe zur Hand) darin kritisch gegenüber der marxschen Entfremdung äußert.

P.S. Beantwortung meiner eigenen Fragen Natürlich ist im Spätwerk garnichtmehr von Eigentlichkeit oder Uneigentlichkeit die Rede, da diese Begriffe ja bloß in Verbindung mit dem Dasein zum tragen kommen. Ab der Auflösung des Subjekts, mit Verweisung der Metaphysik und der metaphysischen Sprache muss vom Sein selbst her gedacht werden, hierin spielt die Uneigentlichkeit natürlich keine Rolle mehr, hierin liegt aber die verabsolutierte Zirkulation die ich meinte, das Denken des Seins lässt kein Subjekt von dem her gedacht wird mehr zu. Dennoch halte ich das Wort Entfremdung überaus angemessen für einen Modus der Verfallenheit, wenn natürlich auch meine Verwendung der metaphysischen Sprachkritik in Bezug auf das Uneigentliche falsch war, da sich die Präferenz des zirkulären Sprechens wie ich es meine in der formalen Anzeige Heideggers auch schon im Frühwerk vorzeichnet.--Richardd 14:15, 22. Apr. 2008 (CEST)

Die Wissens- und Kulturgeschichte auslegend könnte man den Laplaceschen Dämon als einen Protagonisten der Weltgeschichte seit dem 19. Jahrhundert bezeichnen. --Richardd 14:30, 18. Apr. 2008 (CEST)