Übertragung
Fragen, Anmerkungen, Überlegungen zu ...
Berührung zwischen Kussmaul und Freud
Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft
Paul Ricoeur: Die Metapher und das Hauptproblem der Hermeneutik
Fragen von Simon Malzer
Der Einstieg in den Text bringt eine Reihe von Entgegensetzungen, die alle nicht so trennscharf sind, wie sie von Ricoeur dargestellt werden. Sowohl diejenigen von „Werk und Wort“ (358) und „Erklärung“ und „Interpretation“ (356) als auch alle, welche in der Charakterisierung des Diskurses aufgezählt werden. Dies zu zeigen würde einiges an Platz beanspruchen und da ich auch nicht genau weiß, worauf mich das stoßen könnte, belasse ich es bei dieser Andeutung. Ein Problem bezüglich des Begriffes „Diskurs“: Mir wird ein Begriff der aus diesen sehr konstruierten Entgegensetzungen zusammengestückelt ist nicht wirklich verständlich. Was soll der Diskurs dann sein? Aber Ricoeur weist selbst auf die Unvollständigkeit dieser Charakterisierung hin. Doch bleibt die Frage, ob durch das Anfügen eine gewissen Anzahl von weiteren Polaritäten und als deren endgültige Summe, der Begriff des Diskurses verständlicher würde, oder ob der Versuch, ihn in einer Summierung von Oppositionen zu bestimmen, in einem dingontologischen Verständnis verhaftet bleibt, das annimmt, der Diskurs hätte die Seinsweise eines Gegenstandes und würde in der Zusammenstellung von Polaritäten, wie ein Haus aus Ziegeln, zusammengesetzt sein.
Einige Reduktionismen in Bezug auf das Sprechen: Warum schreibt Ricoeur wie selbstverständlich: „Sprechen heißt doch, etwas über etwas sagen“ (359). „Etwas über etwas“ zu sagen trifft auf den Aussagesatz zu, aber sage ich in einer Frage oder einer Bitte „etwas über etwas“ aus? Warum ist die Referenz in der gesprochenen Sprache immer ostensiv und in der geschrieben nicht mehr? Ich kann doch wohl auch über Dinge sprechen die ich nicht ummittelbar in meiner Umgebung vorfinde und auf die ich nicht zeigen kann.
Zusätzlich zu der an sich bereits problematischen Entgegensetzung von „Ereignis und Bedeutung“ (359) verwendet Ricoeur den Begriff des Ereignisses noch in einer doppelten Bedeutung. In der Auszählung der Grundbestimmungen des Diskurses gebraucht er „Ereignis“ wie mir scheint in der Bedeutung des aktuellen Vollzuges einer Bedeutung, später (367) hat es noch immer diese Bedeutung des Aktuellen, jedoch auch des Neuen, des in einem schöpferischen Akt entstandenen, oder warum betont er extra, dass die Metapher „Ereignis und Bedeutung“ (367) ist. Ist denn nicht jedes Wort, wenn ich es aussage, beides, ein Geschehen und eine Bedeutung?
Die Frage die kommen muss wenn auf Seite 362 von der „toten“ Metapher die Rede ist. Wann stirbt die Metapher? (Daran anschließend die Fragen: Ist die Rede von der „toten Metapher“ selbst eine (tote) Metapher? Bedient man sich in der Beschreibung der Metapher als „Übertragung“ als „’metaphorische Verdrehung‘“ (358) nicht selbst einer (toten) Metapher? Bekommt man sie so jemals zu fassen, oder entzieht sie sich in diesem Zirkel, indem sie für die Beschreibung bereits selbst in Anspruch genommen wird, mit Notwendigkeit?)
Zwei Zitate von Seite 372 (Hervorhebungen von mir S.M.). „Sich selbst angesichts einer Sache, angesichts einer Welt zu verstehen [...] bedeutet, durch das Werk und seine Welt, den Horizont des eigenen Selbstverständnisses zu erweitern.“ „[...] folglich wird der Leser reicher in seiner Fähigkeit, sich selbst zu entwerfen, indem er vom Text eine neue Seinsweise erhält.“ Hört sich so an, als würde der Leser etwas bekommen, durch dessen Aufsummierung er „reicher“ würde. Hier wäre zumindest kritisch nachzufragen, wie das zu verstehen sei. Ob als Addition von „Seinsweisen“ oder nicht eher, sich keiner, aus dem Bereich der „Gegenstände“ genommenen Metaphorik bedienend, als „Horizontverschmelzung“ die keinen größeren, oder besseren Horizont hervorbringt, aber einen anderen, die eine Veränderung bewirkt.
Undurchsichtig bleibt mir auch die anscheinend einzig mögliche Antwort, die Ricoer auf Seite 366 unten gibt. Oben auf dieser Seite führt er aus warum das schöpferische Element, das für eine echten Metapher nötig ist, nicht aus der Summierung von wörtlicher Bedeutung, plus Regeln zu deren Verknüpfung, plus das „System assoziierter Gemeinplätze“ oder der „potentiellen Skala von Konnotationen“, plus „die Skala von Eigenschaften, die bislang noch nicht zur Skala der Konotationen meiner Sprache gehören“ usw. zu erreichen sei. Dann schreibt er: „man muß den Standpunkt des Hörers oder Lesers einnehmen und die Innovation einer neu entstehenden Bedeutung als das – vom Autor stammende – Gegenstück zu der Konstruktion seitens des Lesers auffassen“ (366) Ich verstehe nicht was damit erklärt werden soll.