Freud: Die Übertragung (Vorlesung)

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Worauf wir uns stützen

Noch einmal zu Maine de Biran, dem französische Philosoph, der in der Genealogie der Psychoanalyse nicht übergangen werden sollte: Uns ist er als Vertreter eines Ich-will begegnet, das dem cartesianischen Ich-denke vorausliegt oder das mit diesem Ich-denke im Hinblick auf die Konstitution des Ichs als eines Subjekts konkurriert. Woher beziehen wir unsere Selbstgewissheit? Ist es, wie Descartes sagt, unser Denken, das uns vor dem Verlorengehen schützt? Oder sind es andere Kräfte, etwa ein Ich-will oder ein Ich-kann? Die Psychoanalyse fragt zwar nicht, wovon wir ausgehen sollen, was wir als Fundament des Subjekts ansehen können. So wird auf dem Feld der Philosophie gefragt. Aber die Psychoanalyse gibt implizit Antworten auch auf nicht gestellte Fragen. Und solche Antworten verdanken sich zum Beispiel Einflüssen wie jenen von Maine de Biran.

Freud war sich zunächst nicht sicher über den Weg, auf dem er Heilung bewirken könne bei oder in seinen HysterikerInnen. Der Mesmerismus, das Konzept des Ausgleichs magnetischer Kräfte durch Einwirkung auf das Fluidum, wurde bereits vor Freuds Geburt, nämlich 1851, widerlegt oder ersetzt. James Braid gilt als Erfinder der Hypnose. Und mit der Hypnose hält die Suggestion als heilendes Agens Einzug in die europäische Medizin. Freud hat Hyppolite Bernheim besucht, jenen französischen Psychiater, welcher die Hypnose nicht nur auf HysterikerInnen beschränkt sah, sondern sie auch bei Gesunden anwendete. Freud hat ihn befragt zum Phänomen der posthypnotischen Suggestion. Außerdem hat Freud Bernheims Buch über Die Suggestion übersetzt und mit einer Vorrede versehen.

In einem Brief an Wilhelm Fließ distanziert sich Freud allerdings von Bernheim. Denn Freuds Vorbild heißt Charcot. Freud steht gleichsam zwischen zwei verschiedenen Schulen: der Schule von Nancy und der Schule der Salpetriere, die damals von Charcot bestimmt war. Neyraut meint, dass Freud inhaltlich trotzdem mehr von Bernheim als von Charcot übernommen hat. Und Neyraut sieht darin ein Übertragungsphänomen: Freud war von Charcot als Mensch so viel mehr beeindruckt als von Bernheim, sodass er die inhaltlichen Unterschiede beiseite lassen konnte: „wir gewinnen daraus die durch die analytische Praxis täglich neu bestätigte Vorstellung, daß man die Rufe des Unbewußten leichter auf Menschen als auf Ideen überträgt“ (Neyraut 1976, 127).

Bernheim, der in Nancy lehrte, betonte die psychische Seite der Hypnose. Freud gibt sich damals mehr an der physischen interessiert. Er wolle nicht irgendeinem Hypnotisierten eine beliebige Symptomatik aufdrängen, sondern in der Hypnose sei er bestrebt, Erscheinungsreihen sichtbar zu machen, welche im Nervensystem des Hypnotisierten bestehen. Anders gesagt: das Gehirn der Hysterikerinnen ist die Basis ihrer Reaktionsmöglichkeiten.

Seinen eigenen Grundsätzen bleibt Freud in der Folge nicht ganz treu. In den Studien über Hysterie finden sich durchaus Passagen, in welchen Freud der Hypnotisierten eine mehr oder minder beliebige Symptomatologie aufdrängt. Das zeigt sich etwa in seinem Fallbericht über Frau Emmy v. N. (Freud 1895, 66-124).


Frau Emmy von N., die Freud ab dem 1. Mai 1889 behandelt, wird von ihm gleich zu Beginn seines Fallberichts als eine „Persönlichkeit“ bezeichnet, deren Leiden ihm „so viel Interesse einflößten, daß [er] ihr einen großen Teil [s]einer Zeit widmete und [sich] ihre Herstellung zur Aufgabe machte“ (Freud 1895, 66). Er beschließt, sie nach Breuerscher Anregung zu hypnotisieren, um sie dabei über ihre Vorgeschichte zu befragen. Ihre Erkrankung ist abgesehen von einem Stocken im Sprechen und Unruhebewegungen der Hände sowie tickartigen Zuckungen im Gesicht und an den Halsmuskeln durch folgendes Symptom gekennzeichnet: Sie bricht alle paar Minuten das Sprechen ab, zeigt eine verzerrtes, von Grauen gezeichnetes Gesicht und ruft Freud mit ängstlicher Stimme zu: „Seien Sie still – reden Sie nichts – rühren Sie mich nicht an! (ebd., 68).“ Freud vermutet, dass sie halluziniert. Sie ist, wie Freud anfügt, Witwe nach einem Großindustriellen, 13. Kind ihrer Eltern, Mutter zweier kränklicher Töchter, die 14 und 16 Jahre alt sind, ist viel gereist, hat zahlreiche lebhafte Interessen und einen Herrensitz an der Ostsee. Sie ist seit 14 Jahren erkrankt und nimmt Freuds Vorschlag, sich im Sanatorium in Wien aufnehmen zu lassen, damit er sie täglich zur Behandlung besuchen kann, sofort an. Emmy v. N. klagt am ersten Tag über Kälteempfindungen. Freud ordnet einerseits warme Bäder an und beschließt andererseits, sie täglich am ganzen Körper zu massieren. Neben dieser direkten Einflussnahme auf die Patientin über ihren Körper beginnt er sogleich mit der Hypnose. „Sie ist ausgezeichnet zur Hypnose geeignet. Ich halte ihr einen Finger vor, rufe ihr zu: Schlafen Sie! Und sie sinkt mit dem Ausdrucke von Betäubung und Verworrenheit zurück. Ich suggeriere Schlaf, Besserung aller Symptome u. dgl., was sie mit geschlossenen Augen, aber unverkennbar gespannter Aufmerksamkeit anhört und wobei ihre Miene sich allmählich glättet und einen friedlichen Ausdruck annimmt. Nach dieser ersten Hypnose bleibt eine dunkle Erinnerung an meine Worte; schon nach der zweiten tritt vollkommener Somnambulismus (Amnesie) ein. Ich hatte ihr angekündigt, daß ich sie hypnotisieren würde, worauf sie ohne Widerstand einging. Sie ist noch nie hypnotisiert worden, ich darf aber annehmen, daß sie über Hypnose gelesen hat“ (ebd., 69). Emmy v. N. erzählt Freud bei einem späteren Treffen von der Lektüre eines Zeitungsartikels über die Misshandlung eines Lehrbuben. Sie berichtet, dass dem gefesselten Lehrbuben eine weiße Maus in den Mund gesteckt worden sei, und er sei am Schreck gestorben. Emmy v. N. unterbricht ihre Erzählung, die von weiteren Ratten und Tieren in Paketen und im Bett handelt, mehrmals mit ihrem stereotypen Satz: „Seien Sie still, reden Sie nichts, rühren Sie mich nicht an!“ Freud hypnotisiert sie und liest in der Zeitung über die Misshandlung des Lehrbuben nach. In der Zeitung ist nicht von Tieren die Rede. Freud „verscheucht“ die Tiere unter Hypnose und Emmy v. N. kann sich am Abend nicht mehr an die weißen Mäuse erinnern. Unter Hypnose erfährt er von ihr, dass sie als Kind bisweilen ohnmächtig gewesen sei, wenn ihre Geschwister mit toten Tieren nach ihr geworfen hätten und später, als ihre Schwester tot im Sarg gelegen sei, als der Bruder sie als Leintuchgespenst erschreckte und als die Tante verstarb. Freud sieht in den traumatischen Erfahrungen den Grund ihrer Schreckhaftigkeit und verlegt sich nun darauf, die ihre Erinnerungsbilder zum Verlöschen zu bringen. Zur Unterstützung der suggestiven Rede streicht er ihr immer wieder über die verschlossenen Augen (ebd., 72). Auch einen Magenschmerz entfernt er durch Streichen über den Bauch (ebd., 73). In den folgenden Hypnosen tauchen eine Reihe von grauslichen Erinnerungen auf, an eine Cousine, die ins Irrenhaus transportiert wird, an die Mutter, welche Emmy v. N. mit 14 Jahren tot aufgefunden hat, an einen Cousin, dem sämtliche Zähne auf einmal gezogen worden sind. Begleitet werden die Berichte von Schmerzen im Oberbauch, von Menstruationsbeschwerden und –unregelmäßigkeiten, auf die Freud in der Hypnose einzuwirken bestrebt ist. Er arbeitet mit jenen Mitteln, die wir heute in der Verhaltenstherapie von Phobien kennen. Er fordert die Patientin auf, sich zu erinnern, die Erinnerungen zu ertragen, gibt ihr den Auftrag, zu vergessen, erteilt ihr Lehren und massiert sie beständig. Ihre Symptomatik bessert sich, nachdem sie von einem Nadelkissen ihrer Kindheit erzählt, aus welchem einen Tag nachdem sie es geschenkt bekommen hat, Würmer hervorgekrochen sind, was sie sehr erschreckt hat. Und auch der Bericht über einen Spaziergang mit einem Mann im St. Petersburger Park, dessen Wege mit Kröten voll waren, sodass man umkehren musste, trägt zur Besserung bei. Bemerkenswert an dem Bericht über Emmy v. N., der an dieser Stelle noch lange nicht endet, ist mehreres: 1) Freuds manuelle Tätigkeit, womit er seinen Suggestionen Nachdruck verleiht. Zwar bedient er sich bei Emmy v. N. nicht des Drucks auf die Stirn, jenes Kunstgriffs, den er erst später bei Miss Lucy und bei Fräulein Elisabeth v. R. einsetzt, aber er ist bemüht, mittels Massagen, Streichbewegungen und dem Wischen über die Augen direkt auf das Subjekt einzuwirken. Wir treffen hier noch einmal auf Maine de Biran und zwar in einem Zusammenhang, den ich Ihnen hier nur grob skizzieren kann, der aber einer weiteren Untersuchung würdig wäre: Rolf Kühn, der in Maine de Biran einen speziellen Verankerungspunkt für eine Theorie einer Selbstmanifestations des Erscheinen sucht, kommt im Verlauf seiner 2006 erschienenen Untersuchung mit dem Titel Pierre Maine de Biran – Ichgefühl und Selbstapperzeption. Ein Vordenker konkreter Transzendentalität in der Phänomenologie auf die Hand zu sprechen. Er verweist auf eine Geschichte der Berührung, die sich bei Maine de Biran findet und darauf, dass Berührung stets auch etwas mit einer Ausschließlichkeit zu tun hat. Dort, wo sich die Finger einer Hand befinden, kann sich keine andere Hand aufhalten. Aber das ist nicht das einzige, was die Berührung zu einer besonderen Art der Wahrnehmung macht. Auf Berührung, das finden wir auch bei Derrida, sind wir in besonderer Weise angewiesen. Wir brauchen gar nicht auf die Spitzschen Hospitalismusprobleme zu verweisen. Es gibt keine Lebewesen ohne Berührungssinn, wiewohl es blinde oder taube Tiere sehr wohl gibt. Dass die Psychoanalyse auf diesen Sinn verzichtet, obwohl Freud am Anfang so sehr und so fest auf ihn gesetzt hat, lässt sich kaum damit erklären, dass auch Blicke berühren können. Denn die optische Modalität fehlt in Analysen ebenso wie die haptische. 2) Freud hält sich keineswegs immer an seine eigene, in Zusammenhang mit dem Vorwort zu Bernheims Buch schon erwähnte Vorgabe, dass die Hypnose nicht zum Selbstzweck zu erfolgen habe. Als Emmy v. N. Zweifel an ihrer eigenen Folgsamkeit äußert, entwickelt Freud folgendes Szenario: Er schreibt einige Worte auf einen Zettel, reicht ihn seiner Patientin und sagt ihr unter Hypnose, dass sie ihm heute nachmittag ein Glas Rotwein einschenken werde. Wenn er davon zu trinken beginne, werde sie, die Antialkoholikerin ist, ihn auch um ein Glas bitten, ihn dann aber doch ersuchen, ihr nichts einzuschenken. Dann werde sie in ihre Tasche greifen und den Zettel, den er ihr gerade gegeben habe, darin finden. Stolz berichtet Freud weiter unten im Text, dass sich in der Folge alles so zugetragen hat, wie er es in der Hypnose festgelegt hat. 3) Der dritte Punkt, auf den ich hinweisen möchte, betrifft explizit die Übertragung. Freud spricht im Text von Übertragung und zwar in einer nicht ganz klaren Weise: Emmy v. N. beendet die Behandlung nach sieben Wochen und begibt sich zurück an die Ostsee. Dort erkrankt ihre Tochter und Emmy v. N. macht in der Folge Freud und den behandelnden Arzt der Tochter verantwortlich dafür, dass es dieser schlecht geht. Sie hob, so Freud, „gewissermaßen durch einen Willensakt (Denken Sie hier an Maine de Biran!) die Wirkung [s]einer Behandlung auf und verfiel alsbald wieder in dieselben Zustände, von denen [er] sie befreit hatte“ (ebd., 96). Breuer versucht die Patientin zu beruhigen. Aber sie lässt sich nicht bewegen, zu Freud zurück zu kehren. Breuer schickt sie zu einem anderen Arzt in Norddeutschland. Doch: „Dieser Versuch einer Übertragung mißlang ganz gründlich. Sie scheint sich von Anfang an mit dem Arzte nicht verstanden zu haben“ (ebd., 97). Übertragung kann hier heißen: Es wird ein Behandlungsauftrag übertragen von Freud auf den Kollegen. Es kann sich die Übertragung aber auch beziehen auf die positive Affektion auf seiten der Patientin, welche notwendig ist, damit die Hypnose erfolgreich sein kann. Diese positive Affektion nennt Freud auch im abschließenden Kapitel zur Psychotherapie der Hysterie als Bedingung der Überwindung der Widerstände: „ein affektives Moment, die persönliche Geltung des Arztes, [wird man] selten entbehren können, und in einer Anzahl von Fällen wird letzteres allein imstand sein, den Widerstand zu beheben“ (ebd., 300). Wenig vorher im Text spricht er von der Bedingung, die aufseiten des Arztes erfüllt sein muss, damit eine Behandlung gelingen kann: Es muss ein Maß von Sympathie vorhanden sein. Wir können dieses Maß von Sympathie als einen Bestandteil der Gegenübertragung auffassen. Das würde bedeuten, dass nicht die Übertragung das erste ist, sondern die Gegenübertragung. Michel Neyraut, Autor des zuletzt erwähnten Buches Die Übertragung, beginnt bei der Gegenübertragung. Er hält sie für vorrangig. Sie bildet den Bezugsrahmen, in welchem sich die Übertragung des Patienten überhaupt erst entwickelt. Was ist gemeint mit Gegenübertragung? Das Ensemble von Leidenschaft und Passion, welches sich aufseiten der/des Analytikerin/s zeigt, sagt Neyraut. Leidenschaft und Passion klingen ähnlich. Eine Passion ist eine Leidenschaft. Aber Passion hat auch etwas zu tun mit Erdulden, Erleiden. Neyraut versucht mit dem Hinweis auf Leidenschaft und Passion ein aktives und ein passives Moment in der Gegenübertragung zu erfassen. Die Definition der Gegenübertragung ist in der Psychoanalyse ebenso umstritten wie ihre Bedeutung. Laplanche und Pontalis bezeichnen als Gegenübertragung bei Freud die Gesamtheit der unbewussten Reaktionen des Analytikers auf die Person des Analysanden und insbesondere auf seine Übertragung. So lässt sich Gegenübertragung auch definieren. Aber Neyraut macht drauf aufmerksam, dass es lange vor der Reaktion auf eine spezifische analytische Situation eine Reihe von Attitüden, Verhaltensweisen, Einstellungen, Empfindungen, eben Leidenschaften gibt, die im Vorhinein prägend für eine spätere einzelne analytische Situation sind: die Lehranalyse, die Ausbildungssituation, orthodoxe Positionen, mit denen sich AnalytikerInnen auseinanderzusetzen haben. All dies bestimmt den Rahmen. Neyraut macht also auf zwei Momente aufmerksam: die Gegenübertragung ist so etwas wie Voraussetzung der Übertragung. Und die Gegenübertragung ist ein affektives Geschehen mit aktiven wie mit passiven Momenten. Eine Vorgängigkeit der Gegenübertragung konstatiert Neyraut auch in der Entwicklung von Freuds Theorie: Der Entwurf einer Psychologie und viele Arbeiten vor dem Fall Dora zeigen Freuds Widerstand, die Übertragung zum Thema zu machen (Neyraut 1976, 22). Auch die Gegenübertragung wird in dieser Phase nur selten explizit genannt. Sie wird von Freud insgesamt noch viel weniger behandelt als die Übertragung. Aber im Sinne Neyrauts, dass nämlich die Gegenübertragung der Übertragung vorausgeht, dass ein Rahmen gebildet wird, innerhalb dessen sich die Übertragung manifestieren kann, spielt die Gegenübertragung von Anfang an eine prominente Rolle bei Freud. Die Schwierigkeiten mit der Terminologie, das Jonglieren mit den eigenen Fachausdrücken führt zu Missverständnissen, die vermeidbar sind: Neyraut versteht unter Gegenübertragung etwas anderes als Lacan, Lacan etwas anderes als Freud. Lacan bezieht sich zunächst positiv auf die Gegenübertragung. Während es bei Freud an vielen Stellen so aussieht, als seien Gegenübertragungsphänomene vor allem zu überwinden seien, betont Lacan, dass die Souveränität im Umgang mit affektiven Zuständen, die sich auf Seiten des Analytikers auf AnalysantInnen beziehen, ein Spiegel des Erfolgs der vom Analytiker durchlaufenen eigenen Lehranalyse sei. Je besser analysiert, desto lebbarer werden Empfindungen wie Liebe oder Zurückweisung auf seiten des Analytikers. Was Lacan an der Gegenübertragung mehr und mehr abzulehnen beginnt, ist der unpassende Umgang mit diesen Affekten. Und einen solchen sieht er an vielen Stellen. Außerdem impliziert für ihn später der Ausdruck Gegenübertragung, dass es eine Symmetrie zwischen Analytiker und AnalysantIn gäbe. Eine solche Symmetrie bestreitet er. Beide, Analytiker wie AnalysantIn sind von ihrer Übertragung bestimmt. Und die Übertragung ist nicht symmetrisch.

Mit der Frage der Gegenübertragung haben wir uns von der Übertragung etwas entfernt. Kehren wir noch einmal zurück: Es ist also am Ende der Studien über Hysterie ein erster Begriff der Übertragung gewonnen. Er betrifft die Beziehung zwischen Arzt und Patient und wird als ein falscher Bezug, als eine Messaliance angesehen. Es kommt, so Freud, in Analysen regelmäßig vor, dass peinliche Vorstellungen auf den Arzt übertragen werden. Dabei handelt es sich gewissermaßen um einen Irrtum. „Die Übertragung auf den Arzt geschieht durch falsche Verknüpfung“ (Freud 1895, 319). Auftauchende Assoziationen werden mit der Person des Arztes verknüpft, was zum Auftauchen der Affekte führt, die zum Zeitpunkt der Verdrängung eines Wunsches bestanden haben. Dieses Auftauchen ermöglicht die Bearbeitung des Konflikts. Und die „Kranken lernten auch allmählich einsehen, daß es sich bei solchen Übertragungen auf die Person des Arztes um einen Zwang und um eine Täuschung handle, die mit der Beendigung der Analyse zerfließe“ (Freud 1895, 321). Nach den Studien über Hysterie ist es Doras Fallgeschichte, welche von der Übertragung handelt, wenngleich Freud die Übertragungskonstellation von Dora falsch aufgefasst hat. Neyraut betont, dass Freud eigentlich mit Dora erst beginnt, eine Theorie der Übertragung auszuarbeiten (Neyraut 1976, 142). Für unser Seminarthema ist wichtiger, dass die Übertragung in der Traumdeutung an zwei Begriffen festgemacht werden kann, an der Verdichtung und an der Verschiebung. Aus einer energetischen Perspektive ist die Übertragung eher eine Verschiebung: Es werden Besetzungsenergien, Affektbeträge von einer Vorstellung auf die andere verschoben. Aus linguistischer Sicht wäre eher von Verdichtung zu sprechen. Denn Übertragung ist die deutsche Übersetzung des griechischen Wortes Metapher. Und die Verdichtung, so wie sie Freud in der Traumdeutung als einen Mechanismus der Traumarbeit im Dienste der Traumzensur beschreibt, trägt Züge einer Metapher: „Erwähnenswert ist noch der Fall, daß im Traum ein an sich nicht bedeutungsloses Wort erscheint, das aber, seiner eigentlichen Bedeutung entfremdet, verschiedene andere Bedeutungen zusammenfaßt, zu denen es sich wie ein „sinnloses“ Wort verhält“ (Freud 1900, 304). Verdichtung und Verschiebung, Metapher und Metonymie, stehen in engem Zusammenhang, lassen sich oftmals auch schwer voneinander unterscheiden. Zur Zeit der Studien über Hysterie trägt Freuds Übertragung deutlich Züge einer Metonymie. Die Traumdeutung lässt auch eine andere Lesart zu. Wir werden heute Freuds letzte und zusammenfassende Darstellung der Übertragung besprechen.










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