Diskussion:Joseph Ratzinger: Unterscheidung des Christlichen: Unterschied zwischen den Versionen

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Mir scheinen diese Überlegungen auch plausibel. Wir könnten einen Weltkongress zur Biererzeugung veranstalten und zulassen, dass es sich dabei auch um alkoholfreies Bier und bestimmte Limonaden handelt ("root beer"). Dann stellt sich irgendwann die Frage, ob wir noch vom Selben sprechen, oder nur ein gleichklingendes Wort verwenden. Wie schon mehrfach gesagt worden ist: um sich artikulieren zu können, muss man Grenzen fordern/einhalten. Die Wiener Philharmoniker werden nicht Udo Jürgens als Pianisten engagieren. Die Sache muss schärfer zugespitzt werden. Es geht um "all inclusive"-Einstellungen. "Nur das ist Bier", "Nur das ist überhaupt ein Gebet". Eine manchmal beinahe instinktive Reaktion auf solche Behauptungen ist die Relativierung: "Warum soll dieses Ingwer-Getränk nicht auch als Bier gelten?" Aber das kann nicht die ganze Geschichte sein. Wer das zu sehr ausreizt, zerstört sich die Pointe des Satzes. Der muss ja einen sinnvollen Gebrauch von "Bier" enthalten. Wer diesem Begriff zuviel zumutet, zerstört den Behauptungscharakter der Formulierung. ("Die Donau ist ein Strom aus Bier".) -- [[Benutzer:Anna|anna]] 10:16, 14. Nov 2005 (CET),","
 
Mir scheinen diese Überlegungen auch plausibel. Wir könnten einen Weltkongress zur Biererzeugung veranstalten und zulassen, dass es sich dabei auch um alkoholfreies Bier und bestimmte Limonaden handelt ("root beer"). Dann stellt sich irgendwann die Frage, ob wir noch vom Selben sprechen, oder nur ein gleichklingendes Wort verwenden. Wie schon mehrfach gesagt worden ist: um sich artikulieren zu können, muss man Grenzen fordern/einhalten. Die Wiener Philharmoniker werden nicht Udo Jürgens als Pianisten engagieren. Die Sache muss schärfer zugespitzt werden. Es geht um "all inclusive"-Einstellungen. "Nur das ist Bier", "Nur das ist überhaupt ein Gebet". Eine manchmal beinahe instinktive Reaktion auf solche Behauptungen ist die Relativierung: "Warum soll dieses Ingwer-Getränk nicht auch als Bier gelten?" Aber das kann nicht die ganze Geschichte sein. Wer das zu sehr ausreizt, zerstört sich die Pointe des Satzes. Der muss ja einen sinnvollen Gebrauch von "Bier" enthalten. Wer diesem Begriff zuviel zumutet, zerstört den Behauptungscharakter der Formulierung. ("Die Donau ist ein Strom aus Bier".) -- [[Benutzer:Anna|anna]] 10:16, 14. Nov 2005 (CET),","
 
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Meiner Meinung nach kommt es bei dieser Diskussion auch zu einer Verwechslung zwischen Inhalt und Zweck eines Gebets. Für die christliche Orthodoxie mag die Formreinheit des Gebets, der Inhalt und die exakt einzuhaltende Form des 'Ansprechpartners' Gott seine Richtigkeit und Wichtigkeit haben. Das Gebet hat aber meiner Meinung nach, so wie andere religiöse Zeremonien, nicht nur den Zweck, eine formal korrekte und inhaltlich 'reine' Darbietung zu sein, sondern auch das religiöse Erleben der am Gebet Teilnehmenden zu bereichern und eine gemeinschaftliche Erfahrung zu sein. Auf der Ebene der Praxis kann es dabei durchaus zu Widersprüchen mit der Theorie kommen, und zwar nicht nur in der Religion, sondern praktisch in jedem Lebensbereich. Eine Idee als absolut zu betrachten ist sicher wichtig, um diese und ihre ursprüngliche Bedeutung zu bewahren. Im täglichen Leben ist nichts absolut, nicht einmal Gott. Ich mag zwar von der Absolutheit Gottes überzeugt sein, das wird mich aber nicht daran hindern, zu schnell auf der Autobahn zu fahren oder meine Ehefrau zu betrügen.
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Auf die Toleranz umgelegt bedeutet das: Ich kann mit jemanden etwas tun, das meinen Überzeugungen widerspricht(zum Beispiel als Christ mit einem Buddhisten eine religiöse Zeremonie vollziehen), weil es in einer bestimmten Situation nicht darum geht, ob meine Idee oder die der anderen richtig ist. Insofern kann und wird oftmals eine Überzeugung, die lange als unumstößlich gegolten hat, durch das Gelebte und Praktizierte relativiert, der Gedanke wird von der Realität, die sich nicht in Schemata wie richtig oder falsch pressen lässt, eingeholt.

Version vom 21. November 2005, 00:47 Uhr

Ratzingers Bedenken gegen die Möglichkeit des interreligiösen Gebetes wirken auf mich aus dem Horizont einer Offenbarungsreligion gedacht nicht unschlüssig. Mir scheint jedoch in dieser Zuspitzung auf das „Letzte“ und „Tiefste“ ein entscheidendes Moment der nicht nur zwischenreligiösen sondern zwischenmenschlichen Toleranz im Allgemeinen berührt. Ratzingers Argument, daß Beten qua dialogischer Vorgang ein gemeinsames Verständnis des Gesprächspartners voraussetzt, muß – um die Rede vom Dialog sinnvoll zu halten – dahingehend erweitert werden, daß auch ein gemeinsames Verständnis nicht nur über das gemeinsam im Gebet Gesagte sondern auch über das als Antwort Gehörte prinzipiell erreichbar sein müßte, um überhaupt von einem „gemeinsamen Gebet“ sprechen zu können. Wenn über die gehörte Antwort nicht wenigstens ein grundsätzliches Einverständnis herstellbar ist, macht es wenig Sinn, überhaupt von einem „gemeinsamen Dialog“ zu sprechen. Somit stellt sich die Frage, ob das, was im Gebet als „Antwort Gottes“ gehört wird, diskursiv vermittelbar ist. Ich sehe - auch losgelöst vom Religiösen - im Kontrast zwischen diesem unrelativierbaren „Tiefsten“ (wenn man so will: der "inneren Stimme Gottes"), dem eigentlich Wahrsten also, das sich gleichwohl nicht mehr als solches begründen läßt, auf der einen und dem diskursiven Raum auf der anderen Seite eines der entscheidenden Spannungsfelder, in denen Toleranz passieren kann – oder aber eben auch nicht. --Jakob 17:09, 13. Nov 2005 (CET)

Mir scheinen diese Überlegungen auch plausibel. Wir könnten einen Weltkongress zur Biererzeugung veranstalten und zulassen, dass es sich dabei auch um alkoholfreies Bier und bestimmte Limonaden handelt ("root beer"). Dann stellt sich irgendwann die Frage, ob wir noch vom Selben sprechen, oder nur ein gleichklingendes Wort verwenden. Wie schon mehrfach gesagt worden ist: um sich artikulieren zu können, muss man Grenzen fordern/einhalten. Die Wiener Philharmoniker werden nicht Udo Jürgens als Pianisten engagieren. Die Sache muss schärfer zugespitzt werden. Es geht um "all inclusive"-Einstellungen. "Nur das ist Bier", "Nur das ist überhaupt ein Gebet". Eine manchmal beinahe instinktive Reaktion auf solche Behauptungen ist die Relativierung: "Warum soll dieses Ingwer-Getränk nicht auch als Bier gelten?" Aber das kann nicht die ganze Geschichte sein. Wer das zu sehr ausreizt, zerstört sich die Pointe des Satzes. Der muss ja einen sinnvollen Gebrauch von "Bier" enthalten. Wer diesem Begriff zuviel zumutet, zerstört den Behauptungscharakter der Formulierung. ("Die Donau ist ein Strom aus Bier".) -- anna 10:16, 14. Nov 2005 (CET),","

Meiner Meinung nach kommt es bei dieser Diskussion auch zu einer Verwechslung zwischen Inhalt und Zweck eines Gebets. Für die christliche Orthodoxie mag die Formreinheit des Gebets, der Inhalt und die exakt einzuhaltende Form des 'Ansprechpartners' Gott seine Richtigkeit und Wichtigkeit haben. Das Gebet hat aber meiner Meinung nach, so wie andere religiöse Zeremonien, nicht nur den Zweck, eine formal korrekte und inhaltlich 'reine' Darbietung zu sein, sondern auch das religiöse Erleben der am Gebet Teilnehmenden zu bereichern und eine gemeinschaftliche Erfahrung zu sein. Auf der Ebene der Praxis kann es dabei durchaus zu Widersprüchen mit der Theorie kommen, und zwar nicht nur in der Religion, sondern praktisch in jedem Lebensbereich. Eine Idee als absolut zu betrachten ist sicher wichtig, um diese und ihre ursprüngliche Bedeutung zu bewahren. Im täglichen Leben ist nichts absolut, nicht einmal Gott. Ich mag zwar von der Absolutheit Gottes überzeugt sein, das wird mich aber nicht daran hindern, zu schnell auf der Autobahn zu fahren oder meine Ehefrau zu betrügen. Auf die Toleranz umgelegt bedeutet das: Ich kann mit jemanden etwas tun, das meinen Überzeugungen widerspricht(zum Beispiel als Christ mit einem Buddhisten eine religiöse Zeremonie vollziehen), weil es in einer bestimmten Situation nicht darum geht, ob meine Idee oder die der anderen richtig ist. Insofern kann und wird oftmals eine Überzeugung, die lange als unumstößlich gegolten hat, durch das Gelebte und Praktizierte relativiert, der Gedanke wird von der Realität, die sich nicht in Schemata wie richtig oder falsch pressen lässt, eingeholt.