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Version vom 21. Oktober 2005, 07:01 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Krieg
Ein Beitrag aus der "Philosophie der Alltagssprache"
- von Gerhard Polt (Tipp von Jason Smith)
Kampfhähne/Kampfhennen
Carnivale
"Muslim Massacres"
und Frieden
Lessing
Lessings Ringparabel ist ein hilfreicher Bezugspunkt in der Auseinandersetzung über Absolutheitsansprüche. Es war einmal ein Ring, der von selbst Ansehen und Macht verlieh, doch heute sind mehrere nicht unterscheidbare Exemplare im Umlauf. Lessing empfiehlt unter diesen Umständen den Verzicht auf die Suche nach dem Original. Die Zeit möge entscheiden.
Religiöser Fundamentalismus ist eine pointierte Gegenreaktion. Die Parabel löst das Problem des richtigen Lebens, indem sie den Rückgriff auf Ursprünge blockiert und den Fortschritt der Menschheit anvisiert. Aus integralistischer Sicht ist das ein Ablenkungsmanöver. Das Weichzeichnen ideologischer Differenzen ist eine bequeme Art, sich der Festlegung auf die eigene Herkunft zu entziehen.
Beide Einstellungen existieren in historischen Konstellationen. Der Islamismus erhebt seinen Einspruch gegen die Ungläubigkeit im Rahmen der post-kolonialistischen Hegemonie westlicher Wirtschaft- und Militärmacht. Er ist keine traditionelle Doktrin, sondern eine Antwort auf die traumatische Dynamik des säkularistischen Erfolgsprinzips der europäischen Neuzeit. Fortschritt sollte für alle Menschen gelten, de facto reicht er nur für wenige.
Im Einflußbereich von Marokko bis Pakistan treffen Königshäuser und Staatsparteien, die teilweise am neo-liberalistischen Waren- und Gedankenaustausch teilnehmen, auf islamisch geprägten Widerstand. Er greift auf die religiöse Tradition zurück, gewinnt seine Schärfe aber aus einer aktuellen Analyse der globalen Machtverhältnisse. Die zentrale Kritik betrifft den Anspruch des Westens, in Glaubensdingen neutral und im Hinblick auf die Weltordnung gerecht zu sein. Das sind für Islamisten leere Worte, hinter denen sich Herrschaftsinteressen verbergen. Der Kollaboration nationaler Führungsschichten in ihren Heimatländern setzen sie eine Art Selbstbehauptung entgegen. Scharia bedeutet "der rechte Weg zur Wasserstelle" -- unerläßlich in der Wüste.
Die innere Stimmigkeit ihres Glaubenssystems ist für die Vertreter der islamischen Erneuerung dem Taktieren des Westens und seiner Erfüllungsgehilfen in der 3. Welt vorzuzuziehen. Persönliche Integrität, soziales Engagement und Erfüllung der religiösen Gebote bieten den Orientierungsrahmen. Anständigkeit ist nicht immer gewaltfrei. Sie eignet sich als Waffe gegen Fremde, besonders wenn sie als Bedrohung empfunden werden. Der Abstecher zum echten Ring führt über Opfer und Tod.
Interkulturell
Die aktuellste Verwendung des Toleranzbegriffes ist das US-amerikanische ,,zero tolerance``-Prinzip. Die Polizei schreitet beim geringsten Anlaß ein. Diese Entwicklung wirft ein schiefes Licht auf das Ideal des verständnisvollen Umgangs mit Andersartigkeit und Grenzverletzung, wie es im Repertoire der aufgeklärten Bildungselite vorzufinden ist. Die für den Polizeieinsatz vorgebrachte Begründung besagt, daß halbherzige Maßnahmen Verwirrung stiften und letztlich sogar den Gewaltpegel steigern. Wie dem auch sei, eines ist sicher richtig: Toleranz ist eine Kompromißform, ein Zwischending aus Überzeugung und dem Verzicht auf Überzeugung. Franz Wimmers Einleitung in einer IWK-Publikation zum Thema spiegelt die milde Schizophrenie der betreffenden Einstellung.
- "Abstrakt genommen müßten Menschen, die unterschiedliche Religionen vertreten, einander notwendig tolerieren, weil keiner von ihnen etwas anderes als die innere Überzeugung für die Richtigkeit seiner Glaubenswahl anführen kann ... Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprache, Ethnie oder Tradition ist für den einzelnen theoretisch natürlich genau sowenig ein Argument, andere zu verachten oder deren Anders sein nicht zu tolerieren." (F.M. Wimmer)
Schön ist zu sehen, wo der Hebel angelegt wird. Gesetzt, Herkunft und Überzeugung jeder Person seien prinzipiell relativierbar. Dann fehlt die theoretische Basis des Hegemonieanspruches; Toleranz ist die plausible Konsequenz. Aber diese Voraussetzung ist fragwürdig. Der gewünschte Effekt wird teuer bezahlt. Wenn alles gleich gut ist, fehlt überall ein Schwerpunkt.
Darum fährt Franz Wimmer fort:
- "Doch geraten wir hier in ein Dilemma: das Eigene, mit dem wir uns identifizieren, können wir nicht leichthin relativieren. Doch kann, um der leidigen Alternative der Intoleranz zu entgehen, der Dialog gesucht und wo immer möglich praktiziert werden."
Diese Zeilen geben die Halbherzigkeit wieder, mit der sich die Mehrzahl der europäischen Intellektuellen in Wahrheitsfragen eingerichtet hat. Sicher, jede Stellungnahme kommt aus einer ganz spezifischen Position. Das ist schon darum wichtig, weil die Sprecherinnen nicht in der Masse untergehen wollen. Doch andererseits herrscht Toleranz: jede soll sagen können, was sie denkt und keiner kann dem anderen das Recht auf seine Sache absprechen. Leben und leben lassen, ein durchaus angenehmer Zustand. Nur leider: das gilt nur bei gutem Wetter. Das Leben ist auch ein Verdrängungswettkampf und die Personen, die sich nicht an ihre Hausmacht halten, sind oft die Dummen. Die Kritik des Toleranzgestus geht noch tiefer. Die eben heraufbeschworene Dummheit erweist sich, bei näherer Prüfung, in vielen Fällen als die überlegene Einstellung. Offenheit und Lernfähigkeit übertrumpfen Dogmatismus. Und darin kann man erst recht ein Gegenargument gegen die Fürsprecher der Toleranz machen. Nur wenn es mir nicht an den Kragen geht, eröffnet sich die Freiheit, vom Andersartigen zu profitieren. Toleranz ist ein Erfolgsrezept für Besserverdienende, denen eine normverbürgte Leitkultur eher als Hindernis erscheint.
Demokratie, Relativismus, Glauben
Literatur
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