Wittgensteins "Tractatus": Platon ein für allemal (BD): Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus operiert mit einer Ähnlichkeit zwischen der Welt und den Sätzen, die sie beschreiben. Darüber hinaus setzt er logischen Formen an. Sie finden sich nicht in der Welt, sondern bestimmen ihre Gestalt. Die platonische "Teilhabe" spannt einen Bogen von der Alltagserfahrung zur philosophischen Einsicht. Diesen Zusammenhang beschreibt Wittgenstein ganz anders. | ||
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+ | Er durchtrennt den Verlauf der platonischen Paideia und die Kontinuität der ''analogia entis''. Es ist weder Zeit für Bildung, noch kann man sie in Worte fassen. Ein Lernprozess verlangt Kontituität und Vergleichbarkeit. Im ''Tractatus'' sind dafür die logischen Formen vorgesehen, die ein- für allemal feststehen und streng genommen nicht thematisiert werden können. | ||
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+ | === Wittgenstein über Schlicks Ethik === | ||
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+ | "Schlick sagt, es gab in der theologischen Ethik zwei Auffassungen vom Wesen des Guten: nach der flacheren Deutung ist das Gute deshalb gut, weil Gott es will; nach der tieferen Deutung will Gott das Gute deshalb, weil es gut ist. Ich meine, daß die erste Auffassung die tiefere ist: gut ist, was Gott befiehlt. Denn sie schneidet den Weg einer jeden Erklärung, »warum« es gut ist, ab, während gerade die zweite Auffassung die flache, die rationalistische ist, die so tut, »als ob« das, was gut ist, noch begründet werden könnte. | ||
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+ | Die erste Auffassung sagt klar, daß das Wesen des Guten nichts mit den Tatsachen zu tun hat und daher durch keinen Satz erklärt werden kann. Wenn es einen Satz gibt, der gerade das ausdrückt, was ich meine, so ist es der Satz: Gut ist, was Gott befiehlt." (WW Suhrkamp III, S.115) | ||
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*Es gibt einen Inhalt (für Schaulustige) und '''eine''' Entscheidung. | *Es gibt einen Inhalt (für Schaulustige) und '''eine''' Entscheidung. | ||
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− | Die Wirklichkeit muss durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein. | + | "Die Wirklichkeit muss durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein. |
− | Dazu muss sie durch ihn vollständig beschrieben werden | + | |
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*Die Frage ist nun: Wie passen die vielfältigen Inhalte von Sätzen damit zusammen, dass sie bestätigt oder verworfen werden? Wie kommt man von der Schaulust zur Kompetenz? | *Die Frage ist nun: Wie passen die vielfältigen Inhalte von Sätzen damit zusammen, dass sie bestätigt oder verworfen werden? Wie kommt man von der Schaulust zur Kompetenz? | ||
− | *Wittgensteins | + | *Hier ergibt sich ein Bezug zu Platon, der Aussagen über vielfältige Zustände (schöne Dinge, gerechte Verhältnisse etc.) einem Dualismus unterstellt hat. "Daß, da Schönes dem Häßlichen entgegengesetzt ist, dieses zwei sind. ... Also wenn zwei, ist auch jedes von ihnen eins." (Politeia 476a) |
− | *Hegel hatte | + | *Wittgensteins dazu passende Konstruktion ist der Elementarsatz. Er muss zwei Aufgaben erfüllen: Zustände der Welt darstellen und Grundlage eines definitiven Urteils abgeben. Das kann er dadurch, dass er einen Inhalt bietet, der ausschließlich darin besteht, dass er ''so'' oder ''so'' bewertet werden kann. |
+ | *Als Beispiel für diese Doppelfunktion eignet sich das Malteserkreuz. Zur Erläuterung seiner Beschaffenheit kann man sagen: "Das Verstehen eines Malteserkreuzes besteht darin, dass mit ''dieser'' Bildvorgabe ''diese'' Behauptungen verbunden werden. | ||
+ | *Hegel hatte etwas Ähnliches zu Beginn der "Phänomenologie des Geistes" diskutiert. Die "sinnliche Gewißheit" gibt "Tag/Nacht" oder "hier/dort". Und gleichzeitig ist jede sinnliche Gewissheit ein ''Beispiel'' einer sinnlichen Gewissheit. | ||
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+ | === Logische Form, molekulare Sätze === | ||
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+ | Der Tractatus verlangt zwingend, dass Elementarsätze voneinander unabhängig sind. Ohne dieses Postulat könnte jedes Urteil auf andere zurückgeführt werden und man könnte nirgends ''beginnen''. Die Welt wird von Anfang an ''fixiert''. Ihre elementare Beschaffenheit wird erhoben und festgelegt. Die "Schöpfungsworte" im Tractatus lauten gleichsam: "Ich gehe davon aus." Wo diese Zustände herkommen und wohin sie führen wird nicht nur nicht diskutiert, es ''läßt'' sich nicht diskutieren. | ||
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+ | Die Entwicklung der Sprache besteht darin, dass Elementarsätze durch logische Verknüpfung zusammengesetzt werden. Damit lassen sich Weltzusammenhänge beschreiben. "Es regnet und es hat 20 Grad." Zwei unterschiedliche Strukturprinzipien für Sätze sind vorgesehen: | ||
+ | *Elementarsätze haben eine Form. Mit ihrer Hilfe stellen sie etwas dar. | ||
+ | *Molekulare Sätze sind logisch verknüpft. Dadurch werden Zusammenhänge zwischen Tatsachen wiedergegeben. | ||
+ | Ein entscheidender Punkt: die Formen der Elementarsätze entstehen durch die Konfiguration der Namen, aus denen sie gebildet werden. Sie sind selber nicht benennbar und ergeben sich aus den Erfordernissen der Welt-Nachbildung. Die Verknüpfungsformen der molekularen Sätze sind nicht Teil dieser Isomorphien, sondern sie erzeugen Satz-Zusammenstellungen, die Tatsachenmengen erfassen. | ||
− | + | In diesem Zusammenhang wird oft eine Frage unterlassen: Elementarsätze sind Momentaufnahmen von Weltzuständen. Ein Buch liegt auf einem Tisch - das kann z.B. durch '''T<sup>B</sup>''' wiedergegeben werden. Aber Wenn es sich einmal so verhält folgt daraus nicht, dass so ein Verhältnis nochmals existiert oder dass es mit irgendeinem anderen Verhältnis in Zusammenhang steht. Elementarsätze sind voneinander unabhängig. Dann fällt die Welt in lauter minimale Einzelsätze auseinander, die durch logische Operatoren verkettet werden. Dabei geht eine entscheidende Absicht verloren: es soll ''ein Buch'' sein, das auf ''einem Tisch'' liegt. Das heißt: wir wollen einen Gegenstand ''wiedererkennen''. '''T<sub>B</sub>''' soll zum Beispiel besagen, dass ein Buch ''unter'' dem Tisch liegt. | |
+ | An dieser Stelle entsteht die sokratisch-platonische Frage: Was ist den relevanten Strukturen innerhalb der Elementarsätze ''gemeinsam'', dass wir sie "Buch" oder "Tisch" nennen können? Wittgensteins Antwort ist unverhohlen platonisch: ein Urbild. Er bietet eine syntaktisch-semantische Rekonstruktion der Funktionsweise solcher "Ideen". | ||
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Verwandeln wir einen Bestandteil eines Satzes in eine Variable, so gibt es eine Klasse von Sätzen, welche sämtlich Werte des so entstandenen variablen Satzes sind. Diese Klasse hängt im allgemeinen noch davon ab, was wir, nach willkürlicher Übereinkunft, mit Teilen jenes Satzes meinen. Verwandeln wir aber alle jene Zeichen, deren Bedeutung willkürlich bestimmt wurde, in Variablen, so gibt es nun noch immer eine solche Klasse. Diese aber ist nun von keiner Übereinkunft abhängig, sondern nur noch von der Natur des Satzes. Sie entspricht einer logischen Form - einem logischen Urbild. | Verwandeln wir einen Bestandteil eines Satzes in eine Variable, so gibt es eine Klasse von Sätzen, welche sämtlich Werte des so entstandenen variablen Satzes sind. Diese Klasse hängt im allgemeinen noch davon ab, was wir, nach willkürlicher Übereinkunft, mit Teilen jenes Satzes meinen. Verwandeln wir aber alle jene Zeichen, deren Bedeutung willkürlich bestimmt wurde, in Variablen, so gibt es nun noch immer eine solche Klasse. Diese aber ist nun von keiner Übereinkunft abhängig, sondern nur noch von der Natur des Satzes. Sie entspricht einer logischen Form - einem logischen Urbild. | ||
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+ | Ich trenne den Begriff Alle von der Wahrheitsfunktion. | ||
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+ | Frege und Russell haben die Allgemeinheit in Verbindung mit dem logischen Produkt oder der logischen Summe eingeführt. So wurde es schwer, die Sätze »(∃x).fx« und »(x).fx«, in welchen beide Ideen beschlossen liegen, zu verstehen. | ||
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+ | Das Eigentümliche der Allgemeinheitsbezeichnung ist erstens, dass sie auf ein logisches Urbild hinweist, und zweitens, dass sie Konstante hervorhebt. | ||
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+ | 5.523 | ||
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+ | Die Allgemeinheitsbezeichnung tritt als Argument auf. | ||
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+ | 5.524 | ||
+ | Wenn die Gegenstände gegeben sind, so sind uns damit auch schon alle Gegenstände gegeben. | ||
+ | Wenn die Elementarsätze gegeben sind, so sind damit auch alle Elementarsätze gegeben. | ||
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Aktuelle Version vom 8. Mai 2009, 08:17 Uhr
Platon konstruiert einen für die Vernunft zugänglichen Bereich von Ideen, an dem die sinnlichen Umstände partizipieren. Dieser Bereich gibt Formen vor, die ungetrennt und definit "gesehen" werden können. Die Verbindung der Bereiche stellt ein Bildungsprozess her.
Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus operiert mit einer Ähnlichkeit zwischen der Welt und den Sätzen, die sie beschreiben. Darüber hinaus setzt er logischen Formen an. Sie finden sich nicht in der Welt, sondern bestimmen ihre Gestalt. Die platonische "Teilhabe" spannt einen Bogen von der Alltagserfahrung zur philosophischen Einsicht. Diesen Zusammenhang beschreibt Wittgenstein ganz anders.
Er durchtrennt den Verlauf der platonischen Paideia und die Kontinuität der analogia entis. Es ist weder Zeit für Bildung, noch kann man sie in Worte fassen. Ein Lernprozess verlangt Kontituität und Vergleichbarkeit. Im Tractatus sind dafür die logischen Formen vorgesehen, die ein- für allemal feststehen und streng genommen nicht thematisiert werden können.
Inhaltsverzeichnis
Wittgenstein über Schlicks Ethik
"Schlick sagt, es gab in der theologischen Ethik zwei Auffassungen vom Wesen des Guten: nach der flacheren Deutung ist das Gute deshalb gut, weil Gott es will; nach der tieferen Deutung will Gott das Gute deshalb, weil es gut ist. Ich meine, daß die erste Auffassung die tiefere ist: gut ist, was Gott befiehlt. Denn sie schneidet den Weg einer jeden Erklärung, »warum« es gut ist, ab, während gerade die zweite Auffassung die flache, die rationalistische ist, die so tut, »als ob« das, was gut ist, noch begründet werden könnte.
Die erste Auffassung sagt klar, daß das Wesen des Guten nichts mit den Tatsachen zu tun hat und daher durch keinen Satz erklärt werden kann. Wenn es einen Satz gibt, der gerade das ausdrückt, was ich meine, so ist es der Satz: Gut ist, was Gott befiehlt." (WW Suhrkamp III, S.115)
Abbildtheorie und zweiwertige Logik im Tractuatus
Die Bildbasis für Wittgensteins "Tractatus"
Einloggen als "anonymous", PWD "anonymous".
Darstellung, Feststellung
- Sätze nehmen an der Wirklichkeit teil: sie sind Bilder (Isomorphie).
- Aber das reicht nicht, das tun auch Spiegelungen und Spuren. Sätze sind wahr bzw. falsch.
- Es gibt einen Inhalt (für Schaulustige) und eine Entscheidung.
Tractatus 4.023:
"Die Wirklichkeit muss durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein.
Dazu muss sie durch ihn vollständig beschrieben werden."
Elementarsätze
- Die Frage ist nun: Wie passen die vielfältigen Inhalte von Sätzen damit zusammen, dass sie bestätigt oder verworfen werden? Wie kommt man von der Schaulust zur Kompetenz?
- Hier ergibt sich ein Bezug zu Platon, der Aussagen über vielfältige Zustände (schöne Dinge, gerechte Verhältnisse etc.) einem Dualismus unterstellt hat. "Daß, da Schönes dem Häßlichen entgegengesetzt ist, dieses zwei sind. ... Also wenn zwei, ist auch jedes von ihnen eins." (Politeia 476a)
- Wittgensteins dazu passende Konstruktion ist der Elementarsatz. Er muss zwei Aufgaben erfüllen: Zustände der Welt darstellen und Grundlage eines definitiven Urteils abgeben. Das kann er dadurch, dass er einen Inhalt bietet, der ausschließlich darin besteht, dass er so oder so bewertet werden kann.
- Als Beispiel für diese Doppelfunktion eignet sich das Malteserkreuz. Zur Erläuterung seiner Beschaffenheit kann man sagen: "Das Verstehen eines Malteserkreuzes besteht darin, dass mit dieser Bildvorgabe diese Behauptungen verbunden werden.
- Hegel hatte etwas Ähnliches zu Beginn der "Phänomenologie des Geistes" diskutiert. Die "sinnliche Gewißheit" gibt "Tag/Nacht" oder "hier/dort". Und gleichzeitig ist jede sinnliche Gewissheit ein Beispiel einer sinnlichen Gewissheit.
Logische Form, molekulare Sätze
Der Tractatus verlangt zwingend, dass Elementarsätze voneinander unabhängig sind. Ohne dieses Postulat könnte jedes Urteil auf andere zurückgeführt werden und man könnte nirgends beginnen. Die Welt wird von Anfang an fixiert. Ihre elementare Beschaffenheit wird erhoben und festgelegt. Die "Schöpfungsworte" im Tractatus lauten gleichsam: "Ich gehe davon aus." Wo diese Zustände herkommen und wohin sie führen wird nicht nur nicht diskutiert, es läßt sich nicht diskutieren.
Die Entwicklung der Sprache besteht darin, dass Elementarsätze durch logische Verknüpfung zusammengesetzt werden. Damit lassen sich Weltzusammenhänge beschreiben. "Es regnet und es hat 20 Grad." Zwei unterschiedliche Strukturprinzipien für Sätze sind vorgesehen:
- Elementarsätze haben eine Form. Mit ihrer Hilfe stellen sie etwas dar.
- Molekulare Sätze sind logisch verknüpft. Dadurch werden Zusammenhänge zwischen Tatsachen wiedergegeben.
Ein entscheidender Punkt: die Formen der Elementarsätze entstehen durch die Konfiguration der Namen, aus denen sie gebildet werden. Sie sind selber nicht benennbar und ergeben sich aus den Erfordernissen der Welt-Nachbildung. Die Verknüpfungsformen der molekularen Sätze sind nicht Teil dieser Isomorphien, sondern sie erzeugen Satz-Zusammenstellungen, die Tatsachenmengen erfassen.
In diesem Zusammenhang wird oft eine Frage unterlassen: Elementarsätze sind Momentaufnahmen von Weltzuständen. Ein Buch liegt auf einem Tisch - das kann z.B. durch TB wiedergegeben werden. Aber Wenn es sich einmal so verhält folgt daraus nicht, dass so ein Verhältnis nochmals existiert oder dass es mit irgendeinem anderen Verhältnis in Zusammenhang steht. Elementarsätze sind voneinander unabhängig. Dann fällt die Welt in lauter minimale Einzelsätze auseinander, die durch logische Operatoren verkettet werden. Dabei geht eine entscheidende Absicht verloren: es soll ein Buch sein, das auf einem Tisch liegt. Das heißt: wir wollen einen Gegenstand wiedererkennen. TB soll zum Beispiel besagen, dass ein Buch unter dem Tisch liegt.
An dieser Stelle entsteht die sokratisch-platonische Frage: Was ist den relevanten Strukturen innerhalb der Elementarsätze gemeinsam, dass wir sie "Buch" oder "Tisch" nennen können? Wittgensteins Antwort ist unverhohlen platonisch: ein Urbild. Er bietet eine syntaktisch-semantische Rekonstruktion der Funktionsweise solcher "Ideen".
das logische Urbild (Tractatus Zitate)
3.31
Jeden Teil des Satzes, der seinen Sinn charakterisiert, nenne ich einen Ausdruck (ein Symbol). (Der Satz selbst ist ein Ausdruck.)
Ausdruck ist alles, für den Sinn des Satzes Wesentliche, was Sätze miteinander gemein haben können. Der Ausdruck kennzeichnet eine Form und einen Inhalt.
3.311
Der Ausdruck setzt die Formen aller Sätze voraus, in welchem er vorkommen kann. Er ist das gemeinsame charakteristische Merkmal einer Klasse von Sätzen.
3.312
Er wird also dargestellt durch die allgemeine Form der Sätze, die er charakterisiert. Und zwar wird in dieser Form der Ausdruck konstant und alles übrige variabel sein.
3.313
Der Ausdruck wird also durch eine Variable dargestellt, deren Werte die Sätze sind, die den Ausdruck enthalten. (Im Grenzfall wird die Variable zur Konstanten, der Ausdruck zum Satz.) Ich nenne eine solche Variable »Satzvariable«.
3.314
Der Ausdruck hat nur im Satz Bedeutung. Jede Variable lässt sich als Satzvariable auffassen. (Auch der variable Name.)
3.315
Verwandeln wir einen Bestandteil eines Satzes in eine Variable, so gibt es eine Klasse von Sätzen, welche sämtlich Werte des so entstandenen variablen Satzes sind. Diese Klasse hängt im allgemeinen noch davon ab, was wir, nach willkürlicher Übereinkunft, mit Teilen jenes Satzes meinen. Verwandeln wir aber alle jene Zeichen, deren Bedeutung willkürlich bestimmt wurde, in Variablen, so gibt es nun noch immer eine solche Klasse. Diese aber ist nun von keiner Übereinkunft abhängig, sondern nur noch von der Natur des Satzes. Sie entspricht einer logischen Form - einem logischen Urbild.
...
5.521
Ich trenne den Begriff Alle von der Wahrheitsfunktion.
Frege und Russell haben die Allgemeinheit in Verbindung mit dem logischen Produkt oder der logischen Summe eingeführt. So wurde es schwer, die Sätze »(∃x).fx« und »(x).fx«, in welchen beide Ideen beschlossen liegen, zu verstehen.
5.522
Das Eigentümliche der Allgemeinheitsbezeichnung ist erstens, dass sie auf ein logisches Urbild hinweist, und zweitens, dass sie Konstante hervorhebt.
5.523
Die Allgemeinheitsbezeichnung tritt als Argument auf.
5.524 Wenn die Gegenstände gegeben sind, so sind uns damit auch schon alle Gegenstände gegeben. Wenn die Elementarsätze gegeben sind, so sind damit auch alle Elementarsätze gegeben.
zurück zu Bildung und Datenbanken (Vorlesung Hrachovec, Sommer 2009)