Aus: Was ist eigentlich ein Begriffsschema?: Unterschied zwischen den Versionen
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− | + | === Begriffsrelativismus? === | |
− | + | Aber wie beeindruckend derartige Beispiele mitunter sein mögen, sie sind nicht so extrem, daß es unmöglich wäre, die Änderungen und die Gegensätze mit Hilfe der Mittel einer einzigen Sprache zu erklären und zu beschreiben. Whorf, der nachweisen möchte, daß die Hopisprache eine Metaphysik beinhaltet, die der unseren so fremd ist, daß Hopi und Englisch nicht einander entsprechend »adjustiert« werden können (wie er es formuliert), bedient sich des Englischen, um den Inhalt von Mustersätzen der Hopisprache mitzuteilen. Kuhn gelingt es glänzend, darzulegen, wie die Dinge vor der Revolution standen, indem er unsere nachrevolutionäre Ausdrucksweise verwendet welche sonst? Quine vermittelt uns einen Eindruck von der »prä-individuativen Phase der Evolution unseres Begriffsschemas«, während Bergson schildert, wohin wir uns begeben können, um einen Ausblick auf einen Berg zu gewinnen, der nicht durch diese oder jene ortsgebundene Perspektive verfälscht wird. | |
− | + | Die bestimmende Metapher des Begriffsrelativismus das Bild der unterschiedlichen Standpunkte - scheint eine zugrundeliegende Paradoxie zu verraten. <font color="purple">Verschiedene Standpunkte haben zwar Sinn, aber nur wenn es ein gemeinsames Koordinatensystem gibt, in dem man ihre Stelle abtragen kann; doch das Vorhandensein eines gemeinsamen Systems straft die These der überwältigenden Unvergleichbarkeit Lügen.</font> Was wir brauchen, ist, wie mir scheint, eine gewisse Vorstellung von den Überlegungen, die der begrifflichen Gegensätzlichkeit Grenzen setzen. Es gibt extreme Annahmen, die an Paradoxen oder Widersprüchen scheitern, und es gibt harmlose Beispiele, die wir ohne weiteres verstehen. Wodurch wird bestimmt, an welcher Stelle wir den Schritt vom bloß Fremden oder Neuartigen zum Absurden tun? | |
− | + | === Begriffsschemata === | |
− | + | Akzeptieren können wir die Theorie, die den Besitz einer Sprache und den Besitz eines Begriffsschemas miteinander verknüpft. Diese Verbindung kann man sich so denken: Wo Begriffsschemata auseinandergehen, unterscheiden sich auch die Sprachen. <font color="purple">Den Sprechern verschiedener Sprachen kann jedoch ein Begriffsschema gemeinsam sein, sofern eine Möglichkeit besteht, die eine Sprache in die andere zu übersetzen.</font> Die Untersuchung der Ubersetzungskriterien ist daher ein Weg, unser Augenmerk auf die Identitätskriterien der Begriffsschemata zu richten. Werden Begriffsschemata nicht in dieser Weise mit Sprachen verknüpft, wird das ursprüngliche Problem unnötig verdoppelt, denn wir müßten uns ausmalen, daß der Geist mit Hilfe seiner normalen Kategorien eine Sprache mit ihrer eigenen Ordnungsstruktur handhabt. Unter diesen Umständen würden wir gewiß die Frage stellen wollen, wer denn hier das Sagen haben soll. | |
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− | + | Demgegenüber gibt es auch die Vorstellung, daß jede Sprache die Realität verfälscht, was implizit besagt, daß der Geist, sofern er überhaupt an die Dinge, wie sie eigentlich sind, herankommt, dies nur wortlos vermag. Das heißt die Sprache als ein träges (wiewohl unweigerlich verzerrendes) Medium aufzufassen, das unabhängig ist von den menschlichen Handlungsinstanzen, die sich seiner bedienen eine Sprachauffassung, die sicher nicht aufrechterhalten werden kann. Doch wenn sich der Geist ohne Verfälschung mit dem Realen auseinandersetzen kann, müssen dem Geist seinerseits Kategorien und Begriffe abgehen. Dieses Selbst ohne Gestalt kennt man aus Theorien, die ganz unterschiedlichen Bezirken der philosophischen Landschaft angehören. So gibt es z. B. Theorien, nach denen die Freiheit in Entscheidungen besteht, die unabhängig von allen Wünschen, Gewohnheiten und Dispositionen des Handelnden getroffen werden; und es gibt Erkenntnistheorien, die geltend machen, der Geist könne die Gesamtheit seiner eigenen Wahrnehmungen und Ideen betrachten. In jedem dieser Fälle wird der Geist von den Merkmalen getrennt, die für ihn konstitutiv sind eine Schlußfolgerung, die, wie gesagt, unumgänglich ist, wenn man bestimmten Gedankengängen folgt, uns jedoch stets überzeugen sollte, die Prämissen abzulehnen. | |
− | + | <font color="purple">Begriffsschemata können wir demnach mit Sprachen gleichsetzen bzw. richtiger: mit Mengen ineinander übersetzbarer Sprachen,</font> denn wir ziehen die Möglichkeit in Betracht, daß mehr Sprachen als nur eine dasselbe Schema zum Ausdruck bringen können. Sprachen werden sich nach unserer Auffassung nicht von den Seelen trennen lassen; eine Sprache sprechen ist kein Merkmal, das der Mensch verlieren kann, während er sein Denkvermögen bewahrt. <font color="purple">Es bestehen also keine Aussichten, jemand könne einen Beobachtungsposten zum Vergleich von Begriffsschemata beziehen, indem er zeitweilig sein eigenes abstreift. Können wir demnach behaupten, daß zwei Personen verschiedene Begriffsschemata haben, wenn sie Sprachen sprechen, die sich nicht ineinander übersetzen lassen?</font> | |
− | + | === Vollständige Unübersetzbarkeit === | |
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− | + | Nach Kuhn sind Wissenschaftler, die in verschiedenen wissenschaftlichen Traditionen (im Rahmen verschiedener »Paradigmen«) arbeiten, »in verschiedenen Welten tätig«. Strawsons Buch "The Bounds of Sense" beginnt mit der Bemerkung: »Es ist möglich, sich Arten von Welten vorzustellen, die von der Welt, wie wir sie kennen, ganz verschieden sind.« Da es höchstens eine Welt gibt, sind diese Pluralgebilde metaphorisch oder bloß vorgestellt. Diese Metaphern sind jedoch keineswegs gleich. Strawson fordert uns auf zu der Vorstellung möglicher nicht-wirklicher Welten: Welten, die sich durch den Gebrauch unserer jetzigen Sprache beschreiben ließen, indem man die Wahrheitswerte in verschiedenen systematischen Weisen anders auf die Sätze verteilt. Die Deutlichkeit der Gegensätze zwischen Welten beruht in diesem Fall auf der Annahme, daß unser Schema der Begriffe unsere Beschreibungsmittel unverändert bleibt. Kuhn dagegen will, daß wir an verschiedene Beobachter derselben Welt denken, die mit inkommensurablen Begriffssystemen an sie herangehen. Strawsons viele vorgestellte Welten werden vom selben Standpunkt gesehen, gehört oder beschrieben; Kuhns eine Welt wird von verschiedenen Standpunkten gesehen. Es ist die zweite Metapher, mit der wir uns beschäftigen wollen. | |
− | + | <font color="purple">Die erste Metapher verlangt, daß in der Sprache zwischen Begriff und Inhalt unterschieden wird</font>: Wir beschreiben alternative Welten, indem wir ein starres System von Begriffen (Wörtern mit feststehenden Bedeutungen) verwenden. Manche Sätze werden einfach aufgrund der beteiligten Begriffe oder Bedeutungen wahr sein, andere aufgrund der Beschaffenheit der Welt. Bei der Beschreibung möglicher Welten spielen wir nur mit Sätzen der zweiten Art. | |
− | + | <font color="purple">Die zweite Metapher deutet statt dessen auf einen Dualismus ganz anderer Art hin, auf einen Dualismus zwischen Gesamtschema (oder Sprache) und uninterpretiertem Inhalt.</font> Ein Eintreten für den zweiten Dualismus steht zwar nicht in Widerspruch zur Befürwortung des ersten, kann jedoch durch Angriffe auf den ersten begünstigt werden. Das geht womöglich wie folgt: Wenn man die Unterscheidung zwischen analytisch und synthetisch als eine Grundlage des Sprachverstehens fallenläßt, gibt man damit die Idee auf, wir könnten deutlich zwischen Theorie und Sprache unterscheiden. Die Bedeutung das Wort in vagem Sinne gebraucht ist kontaminiert durch die Theorie, durch das, was für wahr gehalten wird. Feyerabend formuliert das so: | |
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− | + | Unser Argument gegen die Bedeutungsinvarianz ist einfach und, klar. Es geht davon aus, daß einige der Prinzipien, die mit der Bedeutungsbestimmung früherer Theorien oder Standpunkte zu tun haben, gewöhnlich in Widerspruch stehen zu den neuen ... Theorien. Unser Argument verweist darauf, daß es natürlich ist, diesen Widerspruch aufzulösen, indem man die störenden früheren Prinzipien eliminiert und durch Prinzipien oder Theoreme einer neuen . .. Theorie ersetzt. Und abschließend zeigt unser Argument, daß ein solches Vorgehen auch zur Eliminierung der früheren Bedeutungen führt. | |
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− | Unser Argument gegen die Bedeutungsinvarianz ist einfach und, klar. Es geht davon aus, daß einige der Prinzipien, die mit der Bedeutungsbestimmung früherer Theorien oder Standpunkte zu tun haben, gewöhnlich in Widerspruch stehen zu den neuen ... Theorien. Unser Argument verweist darauf, daß es natürlich ist, diesen Widerspruch aufzulösen, indem man die störenden früheren Prinzipien eliminiert und durch Prinzipien oder Theoreme einer neuen . .. Theorie ersetzt. Und abschließend zeigt unser Argument, daß ein solches Vorgehen auch zur Eliminierung der früheren Bedeutungen führt. | ||
Nun verfügen wir, wie es scheint, über eine Formel zur Erzeugung verschiedener Begriffsschemata. Wir erhalten ein neues Schema aus einem alten, sobald die Sprecher einer Sprache einen wichtigen Bereich von Sätzen, die sie früher für falsch hielten, als wahr akzeptieren (und umgekehrt natürlich auch). Diesen Wandel dürfen wir nicht so beschreiben, als handele es sich um nichts weiter, als daß die Sprecher früher Falsches später für etwas Wahres erachten, denn eine Wahrheit ist eine Proposition, und was die Sprecher nun indem sie einen Satz als wahr anerkennen akzeptieren, ist nicht dasselbe, was sie früher, als sie den Satz für falsch hielten, abgelehnt haben. Eine Veränderung hat die Bedeutung des Satzes erfaßt, denn jetzt gehört er zu einer neuen Sprache. | Nun verfügen wir, wie es scheint, über eine Formel zur Erzeugung verschiedener Begriffsschemata. Wir erhalten ein neues Schema aus einem alten, sobald die Sprecher einer Sprache einen wichtigen Bereich von Sätzen, die sie früher für falsch hielten, als wahr akzeptieren (und umgekehrt natürlich auch). Diesen Wandel dürfen wir nicht so beschreiben, als handele es sich um nichts weiter, als daß die Sprecher früher Falsches später für etwas Wahres erachten, denn eine Wahrheit ist eine Proposition, und was die Sprecher nun indem sie einen Satz als wahr anerkennen akzeptieren, ist nicht dasselbe, was sie früher, als sie den Satz für falsch hielten, abgelehnt haben. Eine Veränderung hat die Bedeutung des Satzes erfaßt, denn jetzt gehört er zu einer neuen Sprache. | ||
− | + | ... | |
− | Ich für mein Teil glaube nicht, daß es die Wissenschaft oder unser Verständnis weiterbrächte, wenn wir diesen Rat befolgten, obwohl es uns vielleicht sittlich fördern würde. Hier geht es jedoch nur um die Frage, ob wir, wenn solche Veränderungen stattfänden, berechtigt wären, sie als Veränderungen unseres fundamentalen Begriffsapparates zu bezeichnen. Das Problematische dieser Bezeichnung ist leicht einzusehen. Denken wir uns, ich will in meinem Amt als Minister für Wissenschaftssprache den neuen Beamten davon abhalten, Wörter zu verwenden, die sich etwa auf Emotionen, Gefühle, Gedanken und Absichten beziehen, und statt dessen soll er von den physiologischen Zuständen und Ereignissen reden, von denen angenommen wird, sie seien mehr oder weniger identisch mit dem mentalen Plunder. Wie soll ich angeben, ob mein Rat befolgt worden ist, wenn der neue Beamte eine neue Sprache spricht? Soweit ich weiß, können die funkelnagelneuen Wendungen obwohl sie der alten Sprache entlehnt sind, in der sie sich auf physiologische Regungen beziehen aus seinem Munde kommend dieselbe Rolle spielen wie die liederlichen alten Begriffe. | + | Ich für mein Teil glaube nicht, daß es die Wissenschaft oder unser Verständnis weiterbrächte, wenn wir diesen Rat befolgten, obwohl es uns vielleicht sittlich fördern würde. Hier geht es jedoch nur um <font color="purple">die Frage, ob wir, wenn solche Veränderungen stattfänden, berechtigt wären, sie als Veränderungen unseres fundamentalen Begriffsapparates zu bezeichnen.</font> Das Problematische dieser Bezeichnung ist leicht einzusehen. Denken wir uns, ich will in meinem Amt als Minister für Wissenschaftssprache den neuen Beamten davon abhalten, Wörter zu verwenden, die sich etwa auf Emotionen, Gefühle, Gedanken und Absichten beziehen, und statt dessen soll er von den physiologischen Zuständen und Ereignissen reden, von denen angenommen wird, sie seien mehr oder weniger identisch mit dem mentalen Plunder. Wie soll ich angeben, ob mein Rat befolgt worden ist, wenn der neue Beamte eine neue Sprache spricht? <font color="purple">Soweit ich weiß, können die funkelnagelneuen Wendungen obwohl sie der alten Sprache entlehnt sind, in der sie sich auf physiologische Regungen beziehen aus seinem Munde kommend dieselbe Rolle spielen wie die liederlichen alten Begriffe</font>. |
Version vom 31. März 2006, 08:42 Uhr
Begriffsrelativismus?
Aber wie beeindruckend derartige Beispiele mitunter sein mögen, sie sind nicht so extrem, daß es unmöglich wäre, die Änderungen und die Gegensätze mit Hilfe der Mittel einer einzigen Sprache zu erklären und zu beschreiben. Whorf, der nachweisen möchte, daß die Hopisprache eine Metaphysik beinhaltet, die der unseren so fremd ist, daß Hopi und Englisch nicht einander entsprechend »adjustiert« werden können (wie er es formuliert), bedient sich des Englischen, um den Inhalt von Mustersätzen der Hopisprache mitzuteilen. Kuhn gelingt es glänzend, darzulegen, wie die Dinge vor der Revolution standen, indem er unsere nachrevolutionäre Ausdrucksweise verwendet welche sonst? Quine vermittelt uns einen Eindruck von der »prä-individuativen Phase der Evolution unseres Begriffsschemas«, während Bergson schildert, wohin wir uns begeben können, um einen Ausblick auf einen Berg zu gewinnen, der nicht durch diese oder jene ortsgebundene Perspektive verfälscht wird.
Die bestimmende Metapher des Begriffsrelativismus das Bild der unterschiedlichen Standpunkte - scheint eine zugrundeliegende Paradoxie zu verraten. Verschiedene Standpunkte haben zwar Sinn, aber nur wenn es ein gemeinsames Koordinatensystem gibt, in dem man ihre Stelle abtragen kann; doch das Vorhandensein eines gemeinsamen Systems straft die These der überwältigenden Unvergleichbarkeit Lügen. Was wir brauchen, ist, wie mir scheint, eine gewisse Vorstellung von den Überlegungen, die der begrifflichen Gegensätzlichkeit Grenzen setzen. Es gibt extreme Annahmen, die an Paradoxen oder Widersprüchen scheitern, und es gibt harmlose Beispiele, die wir ohne weiteres verstehen. Wodurch wird bestimmt, an welcher Stelle wir den Schritt vom bloß Fremden oder Neuartigen zum Absurden tun?
Begriffsschemata
Akzeptieren können wir die Theorie, die den Besitz einer Sprache und den Besitz eines Begriffsschemas miteinander verknüpft. Diese Verbindung kann man sich so denken: Wo Begriffsschemata auseinandergehen, unterscheiden sich auch die Sprachen. Den Sprechern verschiedener Sprachen kann jedoch ein Begriffsschema gemeinsam sein, sofern eine Möglichkeit besteht, die eine Sprache in die andere zu übersetzen. Die Untersuchung der Ubersetzungskriterien ist daher ein Weg, unser Augenmerk auf die Identitätskriterien der Begriffsschemata zu richten. Werden Begriffsschemata nicht in dieser Weise mit Sprachen verknüpft, wird das ursprüngliche Problem unnötig verdoppelt, denn wir müßten uns ausmalen, daß der Geist mit Hilfe seiner normalen Kategorien eine Sprache mit ihrer eigenen Ordnungsstruktur handhabt. Unter diesen Umständen würden wir gewiß die Frage stellen wollen, wer denn hier das Sagen haben soll.
Demgegenüber gibt es auch die Vorstellung, daß jede Sprache die Realität verfälscht, was implizit besagt, daß der Geist, sofern er überhaupt an die Dinge, wie sie eigentlich sind, herankommt, dies nur wortlos vermag. Das heißt die Sprache als ein träges (wiewohl unweigerlich verzerrendes) Medium aufzufassen, das unabhängig ist von den menschlichen Handlungsinstanzen, die sich seiner bedienen eine Sprachauffassung, die sicher nicht aufrechterhalten werden kann. Doch wenn sich der Geist ohne Verfälschung mit dem Realen auseinandersetzen kann, müssen dem Geist seinerseits Kategorien und Begriffe abgehen. Dieses Selbst ohne Gestalt kennt man aus Theorien, die ganz unterschiedlichen Bezirken der philosophischen Landschaft angehören. So gibt es z. B. Theorien, nach denen die Freiheit in Entscheidungen besteht, die unabhängig von allen Wünschen, Gewohnheiten und Dispositionen des Handelnden getroffen werden; und es gibt Erkenntnistheorien, die geltend machen, der Geist könne die Gesamtheit seiner eigenen Wahrnehmungen und Ideen betrachten. In jedem dieser Fälle wird der Geist von den Merkmalen getrennt, die für ihn konstitutiv sind eine Schlußfolgerung, die, wie gesagt, unumgänglich ist, wenn man bestimmten Gedankengängen folgt, uns jedoch stets überzeugen sollte, die Prämissen abzulehnen.
Begriffsschemata können wir demnach mit Sprachen gleichsetzen bzw. richtiger: mit Mengen ineinander übersetzbarer Sprachen, denn wir ziehen die Möglichkeit in Betracht, daß mehr Sprachen als nur eine dasselbe Schema zum Ausdruck bringen können. Sprachen werden sich nach unserer Auffassung nicht von den Seelen trennen lassen; eine Sprache sprechen ist kein Merkmal, das der Mensch verlieren kann, während er sein Denkvermögen bewahrt. Es bestehen also keine Aussichten, jemand könne einen Beobachtungsposten zum Vergleich von Begriffsschemata beziehen, indem er zeitweilig sein eigenes abstreift. Können wir demnach behaupten, daß zwei Personen verschiedene Begriffsschemata haben, wenn sie Sprachen sprechen, die sich nicht ineinander übersetzen lassen?
Vollständige Unübersetzbarkeit
Nach Kuhn sind Wissenschaftler, die in verschiedenen wissenschaftlichen Traditionen (im Rahmen verschiedener »Paradigmen«) arbeiten, »in verschiedenen Welten tätig«. Strawsons Buch "The Bounds of Sense" beginnt mit der Bemerkung: »Es ist möglich, sich Arten von Welten vorzustellen, die von der Welt, wie wir sie kennen, ganz verschieden sind.« Da es höchstens eine Welt gibt, sind diese Pluralgebilde metaphorisch oder bloß vorgestellt. Diese Metaphern sind jedoch keineswegs gleich. Strawson fordert uns auf zu der Vorstellung möglicher nicht-wirklicher Welten: Welten, die sich durch den Gebrauch unserer jetzigen Sprache beschreiben ließen, indem man die Wahrheitswerte in verschiedenen systematischen Weisen anders auf die Sätze verteilt. Die Deutlichkeit der Gegensätze zwischen Welten beruht in diesem Fall auf der Annahme, daß unser Schema der Begriffe unsere Beschreibungsmittel unverändert bleibt. Kuhn dagegen will, daß wir an verschiedene Beobachter derselben Welt denken, die mit inkommensurablen Begriffssystemen an sie herangehen. Strawsons viele vorgestellte Welten werden vom selben Standpunkt gesehen, gehört oder beschrieben; Kuhns eine Welt wird von verschiedenen Standpunkten gesehen. Es ist die zweite Metapher, mit der wir uns beschäftigen wollen.
Die erste Metapher verlangt, daß in der Sprache zwischen Begriff und Inhalt unterschieden wird: Wir beschreiben alternative Welten, indem wir ein starres System von Begriffen (Wörtern mit feststehenden Bedeutungen) verwenden. Manche Sätze werden einfach aufgrund der beteiligten Begriffe oder Bedeutungen wahr sein, andere aufgrund der Beschaffenheit der Welt. Bei der Beschreibung möglicher Welten spielen wir nur mit Sätzen der zweiten Art.
Die zweite Metapher deutet statt dessen auf einen Dualismus ganz anderer Art hin, auf einen Dualismus zwischen Gesamtschema (oder Sprache) und uninterpretiertem Inhalt. Ein Eintreten für den zweiten Dualismus steht zwar nicht in Widerspruch zur Befürwortung des ersten, kann jedoch durch Angriffe auf den ersten begünstigt werden. Das geht womöglich wie folgt: Wenn man die Unterscheidung zwischen analytisch und synthetisch als eine Grundlage des Sprachverstehens fallenläßt, gibt man damit die Idee auf, wir könnten deutlich zwischen Theorie und Sprache unterscheiden. Die Bedeutung das Wort in vagem Sinne gebraucht ist kontaminiert durch die Theorie, durch das, was für wahr gehalten wird. Feyerabend formuliert das so:
Unser Argument gegen die Bedeutungsinvarianz ist einfach und, klar. Es geht davon aus, daß einige der Prinzipien, die mit der Bedeutungsbestimmung früherer Theorien oder Standpunkte zu tun haben, gewöhnlich in Widerspruch stehen zu den neuen ... Theorien. Unser Argument verweist darauf, daß es natürlich ist, diesen Widerspruch aufzulösen, indem man die störenden früheren Prinzipien eliminiert und durch Prinzipien oder Theoreme einer neuen . .. Theorie ersetzt. Und abschließend zeigt unser Argument, daß ein solches Vorgehen auch zur Eliminierung der früheren Bedeutungen führt.
Nun verfügen wir, wie es scheint, über eine Formel zur Erzeugung verschiedener Begriffsschemata. Wir erhalten ein neues Schema aus einem alten, sobald die Sprecher einer Sprache einen wichtigen Bereich von Sätzen, die sie früher für falsch hielten, als wahr akzeptieren (und umgekehrt natürlich auch). Diesen Wandel dürfen wir nicht so beschreiben, als handele es sich um nichts weiter, als daß die Sprecher früher Falsches später für etwas Wahres erachten, denn eine Wahrheit ist eine Proposition, und was die Sprecher nun indem sie einen Satz als wahr anerkennen akzeptieren, ist nicht dasselbe, was sie früher, als sie den Satz für falsch hielten, abgelehnt haben. Eine Veränderung hat die Bedeutung des Satzes erfaßt, denn jetzt gehört er zu einer neuen Sprache.
...
Ich für mein Teil glaube nicht, daß es die Wissenschaft oder unser Verständnis weiterbrächte, wenn wir diesen Rat befolgten, obwohl es uns vielleicht sittlich fördern würde. Hier geht es jedoch nur um die Frage, ob wir, wenn solche Veränderungen stattfänden, berechtigt wären, sie als Veränderungen unseres fundamentalen Begriffsapparates zu bezeichnen. Das Problematische dieser Bezeichnung ist leicht einzusehen. Denken wir uns, ich will in meinem Amt als Minister für Wissenschaftssprache den neuen Beamten davon abhalten, Wörter zu verwenden, die sich etwa auf Emotionen, Gefühle, Gedanken und Absichten beziehen, und statt dessen soll er von den physiologischen Zuständen und Ereignissen reden, von denen angenommen wird, sie seien mehr oder weniger identisch mit dem mentalen Plunder. Wie soll ich angeben, ob mein Rat befolgt worden ist, wenn der neue Beamte eine neue Sprache spricht? Soweit ich weiß, können die funkelnagelneuen Wendungen obwohl sie der alten Sprache entlehnt sind, in der sie sich auf physiologische Regungen beziehen aus seinem Munde kommend dieselbe Rolle spielen wie die liederlichen alten Begriffe.
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