Diskussion:Locke über Ideen (IH): Unterschied zwischen den Versionen

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== Lager- und Produktionsverwaltung? ==
 
== Lager- und Produktionsverwaltung? ==
Nachdem ich das gelesen hatte - vielleicht, weil es weiter oben mit "furnish" und "store" nahe gelegt wurde (bei der deutschen Übersetzung überliest man das leicht, wenn mit "versorgt" und "Vorrath" übersetzt wird) - kam ich mir vor, wie in einer Inventur. Lass uns eine Inventur unserer "minds" machen und schauen, welches Pickerl auf jeder einzelnen Idee drauf ist. Okey, das ist von außen geliefert worden (objects of sensation) und hier hat die Lagerverwaltung einen Bericht geschrieben (object of reflection). So, und wenn wir von der Gesamtmenge der Ideen alle objects of sensation und objects of reflection abziehen, bleibt keine einzige Idee mehr übrig, die wir "von Haus aus" in unserem Lager vorgefunden haben.
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Nachdem ich das gelesen hatte - vielleicht, weil es weiter oben mit "furnish" und "store" nahe gelegt wurde (bei der deutschen Übersetzung überliest man das leicht, wenn mit "versorgt" und "Vorrath" übersetzt wird) - kam ich mir vor, wie in einer Inventur. Lass uns eine Inventur unserer "minds" machen und schauen, welches Pickerl auf jeder einzelnen Idee drauf ist. Okay, das ist von außen geliefert worden (objects of sensation) und hier hat die Lagerverwaltung einen Bericht geschrieben (object of reflection). So, und wenn wir von der Gesamtmenge der Ideen alle objects of sensation und objects of reflection abziehen, bleibt keine einzige Idee mehr übrig, die wir "von Haus aus" in unserem Lager vorgefunden haben.
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:An dieser Stelle kann man sehen, wie die frühneuzeitliche Eigentumstheorie in die Anfänge der Erkenntnistheorie hereinspielt. --[[Benutzer:Anna|anna]]
  
 
Doch was ist mit der Lager- (und Produktions)halle, dem "mind", wo der Ideenvorrat untergebracht wird? Ist das selbst eine auf Erfahrung beruhende Idee? Genauso die Lagerverwaltung "in uns", die die Lagerungs- und Verarbeitunsprozesse dokumentiert oder zumindest beobachtet (§ 24.)?  
 
Doch was ist mit der Lager- (und Produktions)halle, dem "mind", wo der Ideenvorrat untergebracht wird? Ist das selbst eine auf Erfahrung beruhende Idee? Genauso die Lagerverwaltung "in uns", die die Lagerungs- und Verarbeitunsprozesse dokumentiert oder zumindest beobachtet (§ 24.)?  
  
Welches Pickerl hat dieser Beobachtungs-Vorgang? Das ist, was ich an Reflexion, oder eher am Terminus ''Selbst''-wahrnehmung nicht verstanden habe. Es bleibt uns doch zumindest der gerade prozessierte Gedanke, auf den wir nicht zugreifen können, solange wir ihn prozessieren? Wir können zwar auf Reaktionen reagieren, doch das ist gewisserweise nachträglich. Und dann von Selbst-wahrnehmung zu sprechen im Sinne von "Ich habe mich erfasst (oder ''um''fasst)" wie wenn ich mein Handy mit der Hand umfasse, käme mir vermutlich schräg vor, wenn ich dieses Bild nicht gewohnt wäre.
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:AndyK liest Kant :-) Man kann diese wichtige Frage der Erkenntnistheorie im Vokabular der Industrie paraphrasieren. Die Frage richtet sich auf die Legitimation des ''Besitzes'' (von Waren, von Ideen). Wie kann ich rechtfertigen, was alles in meiner Lagerhalle vorzufinden ist? Aber dabei ist ein wichtiger Umstand übersehen worden: Wie komme ich überhaupt zu meiner Lagerhalle!? Locke: Mein Körper gehört mir. Und mein Bewusstsein? Wie sieht denn das überhaupt aus? --[[Benutzer:Anna|anna]]
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Welches Pickerl hat dieser Beobachtungs-Vorgang? Das ist, was ich an Reflexion, oder eher am Terminus ''Selbst''-wahrnehmung nicht verstanden habe. Es bleibt uns doch zumindest der gerade prozessierte Gedanke, auf den wir nicht zugreifen können, solange wir ihn prozessieren? Wir können zwar auf Reaktionen reagieren, doch das ist gewisserweise nachträglich. Und dann von Selbst-wahrnehmung zu sprechen im Sinne von "Ich habe mich erfasst (oder ''um''fasst)" wie wenn ich mein Handy mit der Hand umfasse oder wie wenn ich von einem hohen Punkt aus das ganze Tal überblicke, käme mir vermutlich schräg vor, wenn ich dieses Bild nicht gewohnt wäre.
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:Punktgenau. Wie wird aus der nach aussen gerichteten "Wahrnehmung" ein Geschehen, das sich nach innen richtet und dort "etwas" "wahrnimmt", nämlich die "Vorstellung" eines "Ichs" bzw. (mehr noch) "ein vorstellendes Ich" ("Selbst"). Das ist eine crux der gesamten neuzeitlichen Erkenntnistheorie. Wenn etwas als "Besitz" gilt, sofern es sich legitim in der Lagerhalle befindet, kann die Lagerhalle selbst nicht als Besitz bezeichnet werden.
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:In gewisser Weise ist das ein sophistisches Argument. Die Lagerhalle kann ihrerseits auf verschiedene Weisen erworben werden, z.B. durch Erbschaft, Geschenk etc. Dennoch besteht hier ein Kategorienwechsel. Auf ihm beruht letztlich auch die Rede vom Besitz einer Idee. '''Die ganze ökonomisch-juridische Debatte um den Sonderstatus des ''intellektuellen Eigentums'' lässt sich darauf zurückführen, dass sich hier unterschiedliche "Besitzverhältnisse" finden. --[[Benutzer:Anna|anna]]
  
  
 
== Spotlight aus der Informatik ==
 
== Spotlight aus der Informatik ==
Bei Reflection als "the perception of the operations of our own mind within us" ist mir noch die [http://de.wikipedia.org/wiki/Reflexion_%28Programmierung%29 Reflektion] aus der Informatik eingefallen, wo ein Objekt Zugriff auf seine eigenen Strukturen bekommt, um Laufzeitinformationen über seine Zustände zu bekommen. Hier ist der Zugriff tatsächlich so wie der Zugriff auf externe Daten-Junks, das aber deshalb, weil Speicher und Prozessor getrennt sind. Die aktuellen Zustände sowie Daten des Objekts liegen im Arbeitsspeicher und der Prozessor kann auf diesen Speicher zugreifen. Die Einheit des Objekts, bestehend aus dem (reflektierenden) Prozessen und den vorhandenen Datenbeständen gibt es daher nur im Modell - repräsentiert durch den statischen Programmcode. Sie wird in einem bestimmten [http://de.wikipedia.org/wiki/Objektorientierte_Programmierung Paradigma] verwendet, weil sich auf diese Weise mit Komplexität leichter umgehen lässt.
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Bei Reflection als "the perception of the operations of our own mind within us" ist mir noch die [http://de.wikipedia.org/wiki/Reflexion_%28Programmierung%29 Reflektion] aus der Informatik eingefallen, wo ein Objekt Zugriff auf seine eigenen Strukturen bekommt, um Laufzeitinformationen über seine Zustände zu bekommen. Hier ist der Zugriff tatsächlich so wie der Zugriff auf externe Daten-Junks, das aber deshalb, weil Speicher und Prozessor getrennt sind. Die aktuellen Zustände sowie Daten des Objekts liegen im Arbeitsspeicher und der Prozessor kann auf diesen Speicher zugreifen. Die Einheit des Objekts, bestehend aus den (reflektierenden) Prozessen und den vorhandenen Datenbeständen gibt es daher nur im Modell - repräsentiert durch den statischen Programmcode. Sie wird in einem bestimmten [http://de.wikipedia.org/wiki/Objektorientierte_Programmierung Paradigma] verwendet, weil sich auf diese Weise mit Komplexität leichter umgehen lässt.

Aktuelle Version vom 21. Mai 2010, 08:40 Uhr

Lager- und Produktionsverwaltung?

Nachdem ich das gelesen hatte - vielleicht, weil es weiter oben mit "furnish" und "store" nahe gelegt wurde (bei der deutschen Übersetzung überliest man das leicht, wenn mit "versorgt" und "Vorrath" übersetzt wird) - kam ich mir vor, wie in einer Inventur. Lass uns eine Inventur unserer "minds" machen und schauen, welches Pickerl auf jeder einzelnen Idee drauf ist. Okay, das ist von außen geliefert worden (objects of sensation) und hier hat die Lagerverwaltung einen Bericht geschrieben (object of reflection). So, und wenn wir von der Gesamtmenge der Ideen alle objects of sensation und objects of reflection abziehen, bleibt keine einzige Idee mehr übrig, die wir "von Haus aus" in unserem Lager vorgefunden haben.

An dieser Stelle kann man sehen, wie die frühneuzeitliche Eigentumstheorie in die Anfänge der Erkenntnistheorie hereinspielt. --anna

Doch was ist mit der Lager- (und Produktions)halle, dem "mind", wo der Ideenvorrat untergebracht wird? Ist das selbst eine auf Erfahrung beruhende Idee? Genauso die Lagerverwaltung "in uns", die die Lagerungs- und Verarbeitunsprozesse dokumentiert oder zumindest beobachtet (§ 24.)?

AndyK liest Kant :-) Man kann diese wichtige Frage der Erkenntnistheorie im Vokabular der Industrie paraphrasieren. Die Frage richtet sich auf die Legitimation des Besitzes (von Waren, von Ideen). Wie kann ich rechtfertigen, was alles in meiner Lagerhalle vorzufinden ist? Aber dabei ist ein wichtiger Umstand übersehen worden: Wie komme ich überhaupt zu meiner Lagerhalle!? Locke: Mein Körper gehört mir. Und mein Bewusstsein? Wie sieht denn das überhaupt aus? --anna

Welches Pickerl hat dieser Beobachtungs-Vorgang? Das ist, was ich an Reflexion, oder eher am Terminus Selbst-wahrnehmung nicht verstanden habe. Es bleibt uns doch zumindest der gerade prozessierte Gedanke, auf den wir nicht zugreifen können, solange wir ihn prozessieren? Wir können zwar auf Reaktionen reagieren, doch das ist gewisserweise nachträglich. Und dann von Selbst-wahrnehmung zu sprechen im Sinne von "Ich habe mich erfasst (oder umfasst)" wie wenn ich mein Handy mit der Hand umfasse oder wie wenn ich von einem hohen Punkt aus das ganze Tal überblicke, käme mir vermutlich schräg vor, wenn ich dieses Bild nicht gewohnt wäre.

Punktgenau. Wie wird aus der nach aussen gerichteten "Wahrnehmung" ein Geschehen, das sich nach innen richtet und dort "etwas" "wahrnimmt", nämlich die "Vorstellung" eines "Ichs" bzw. (mehr noch) "ein vorstellendes Ich" ("Selbst"). Das ist eine crux der gesamten neuzeitlichen Erkenntnistheorie. Wenn etwas als "Besitz" gilt, sofern es sich legitim in der Lagerhalle befindet, kann die Lagerhalle selbst nicht als Besitz bezeichnet werden.
In gewisser Weise ist das ein sophistisches Argument. Die Lagerhalle kann ihrerseits auf verschiedene Weisen erworben werden, z.B. durch Erbschaft, Geschenk etc. Dennoch besteht hier ein Kategorienwechsel. Auf ihm beruht letztlich auch die Rede vom Besitz einer Idee. Die ganze ökonomisch-juridische Debatte um den Sonderstatus des intellektuellen Eigentums lässt sich darauf zurückführen, dass sich hier unterschiedliche "Besitzverhältnisse" finden. --anna


Spotlight aus der Informatik

Bei Reflection als "the perception of the operations of our own mind within us" ist mir noch die Reflektion aus der Informatik eingefallen, wo ein Objekt Zugriff auf seine eigenen Strukturen bekommt, um Laufzeitinformationen über seine Zustände zu bekommen. Hier ist der Zugriff tatsächlich so wie der Zugriff auf externe Daten-Junks, das aber deshalb, weil Speicher und Prozessor getrennt sind. Die aktuellen Zustände sowie Daten des Objekts liegen im Arbeitsspeicher und der Prozessor kann auf diesen Speicher zugreifen. Die Einheit des Objekts, bestehend aus den (reflektierenden) Prozessen und den vorhandenen Datenbeständen gibt es daher nur im Modell - repräsentiert durch den statischen Programmcode. Sie wird in einem bestimmten Paradigma verwendet, weil sich auf diese Weise mit Komplexität leichter umgehen lässt.