WALCH, Eduard (Arbeit1)

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DISKUSSION (1.Arbeit WALCH, Eduard)

Arbeit zum IK „Methoden und Disziplinen der Philosophie“

  • Ringvorlesung Methoden und Disziplinen der Philosophie am 13.11.2008 von Elisabeth Nemeth
  • verfasst von Eduard Walch, a7900359
  • e.walch@ktv-krems.at

"Was kann ich wissen?"

Die Frage nach der Erkenntnis wird seit Beginn der Philosophie immer wieder gestellt und diskutiert. Die Erkenntnistheorie ist eine Kernfrage der Philosophie.

Was ist Erkenntnis eigentlich? Gibt es überhaupt so etwas wie sichere, unbezweifelbare Erkenntnis? Erkennen wir die Dinge so, wie sie sind, oder müssen wir eine unabhängig von unseren Vorstellungen existierende Welt annehmen?

Bei Platon macht Theaitetos den Vorschlag, dass Erkenntnis die mit Erklärung verbundene richtige Vorstellung sei.

Beim klassischen Empirismus (David Hume, John Locke) stellen unsere Sinneserfahrungen die Grundlage unseres Wissens dar.

Beim klassischen Rationalismus ist die Vernunft, die rationale Einsicht, der Ausgangspunkt für unser Wissen. Beginnend von einsichtigen Voraussetzungen, den Axiomen, gelangt man durch folgerichtiges Denken zu sicheren Schlussfolgerungen. Rene Descartes versucht durch eine nachvollziehbare Einsicht zu begründen, dass zumindest etwas nicht in Zweifel gezogen werden kann, nämlich die eigene Existenz.

Seit Immanuel Kant gibt es die Bezeichnung "Erkenntniskritik" oder "Kritizismus". In seinem Buch "Kritik der reinen Vernunft" behandelt er das Erkenntnisproblem ausführlich.

Auf einige Aspekte des Kritizismus von Kant möchte ich eingehen.

Kants Kritik richtet sich gegen die Theorie des Empirismus, die besagt, dass unser Wissen ausschließlich durch die Aufnahme der äußeren Realität geprägt ist. Kant verurteilt auch den Dogmatismus, der Behauptungen aufstellt, ohne zu fragen, was und wie wir erkennen können und wo unsere Grenzen liegen. Er kritisiert auch den Skeptizismus, der die Erkenntnisfähigkeit generell in Frage stellt und die Lösung des Erkenntnisproblems von vornherein für aussichtslos hält.

Kant schreibt, dass kein Zweifel bestünde, dass alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange. Er fügt aber hinzu, dass doch nicht alle Erkenntnis der Erfahrung entspringt. Diese von allen Eindrücken der Sinne unabhängige Erkenntnis nennt er a priori. (Kant, Kritik der reinen Vernunft, B1f.)

Er findet zwei Prinzipien der Erkenntnis a priori, nämlich Raum und Zeit. Der Raum ist eine notwendige Vorstellung, die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann sich niemals eine Vorstellung davon machen, dass kein Raum sei. Der Raum ist eine Vorstellung a priori und ist nichts anderes, als nur die Form aller Erscheinungen äußerer Sinne, d.h. er ist die subjektive Bedingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns äußere Anschauung möglich ist. Gehen wir von der subjektiven Bedingung ab, so bedeutet die Vorstellung vom Raume gar nichts.

Die Zeit ist eine notwendige Vorstellung, die allen Anschauungen zum Grunde liegt. Sie ist a priori gegeben und kann nicht aufgehoben werden. Die Zeit stellt nichts anderes dar als die Form des inneren Sinnes, d.h. des Anschauens unserer selbst und unserer inneren Zustände (unsere Gemütszustände, Gefühle, Willensregungen,.. verlaufen in der Zeit). Die Zeit ist die formale Bedingung a priori aller Erscheinungen überhaupt. Sie ist lediglich eine subjektive Bedingung unserer Anschauung und an sich, außer dem Subjekte, nichts.

Eigenschaften, die den Dingen an sich zukommen, können uns durch die Sinne auch niemals gegeben werden. Was es für eine Bewandtnis mit den Gegenständen an sich haben möge, bleibt uns gänzlich unbekannt. (B36ff.)

Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten. Aber alle unsere Versuche über sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen gingen unter dieser Voraussetzung zunichte. Richtet sich aber der Gegenstand nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so kann man sich diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen. Wir erkennen von den Dingen nämlich nur das a priori, was wir selbst in sie legen. (B XVIff.)

Der Idealismus orientiert sich an Ideen und Idealen, die in jedem Fall hoch über dem Realen stehen. Menschen und Dinge existieren nur dadurch, dass sie Anteil an Ideen haben. Wegen seines beschränkten Erkenntnisvermögens nimmt der Mensch aber nur einen schwachen Abglanz dieser Ideen wahr. Platon hat als erster ein Gedankengebäude errichtet, in dem die Ideen, angefangen bei den höchsten, der Wahrheit, dem Guten und dem Schönen, die eigentliche Wirklichkeit ausmachen. Bekannt dafür ist sein berühmtes Höhlengleichnis.

Der Realismus ist von den modernen Wissenschaften geprägt und versucht, philosophische Theorien mit den Ergebnissen der experimentellen Wissenschaften zu konfrontieren und diese entweder zu untermauern, oder zu widerlegen (Verhaltensforschung, Molekularbiologie, Atomphysik, Astronomie).

Mit der evolutionären Erkenntnistheorie, die versucht erkenntnistheoretische Probleme durch Einbeziehung der Evolutionstheorie neu zu rekonstruieren, möchte ich mich genauer befassen. Ich beziehe mich dabei auf das Buch von Hoimar von Ditfurth, Wir sind nicht nur von dieser Welt (S.169ff.).

Unser Verstand setzt alles, was ihm von Vorstellung und Sinneswahrnehmung angeboten wird, in räumliche und zeitliche Erlebnisse um. Er kann nicht anders. Über die Welt selbst, die Welt an sich, erfahren wir daher durch das Erleben von Räumlichkeit und Zeitlichkeit nichts.

Die Signale, die meine Sinnesorgane aufnehmen und aus denen mein Gehirn dann ein Bild der Welt zusammenstellt, stammen zwar auch nach der Ansicht von Kant aus einer realen Außenwelt. Auf ihrem Weg bis zu meinem Bewusstsein werden sie jedoch so stark verändert, dass das Ergebnis über die Quelle, aus der sie stammen, nichts mehr aussagt. Das von uns erlebte Weltbild ist, so Kant, nur das Abbild der geordneten Strukturen unseres eigenen Denkapparates. Ein Zugang zur Wirklichkeit der Welt wird verneint.

Wie ist es dann zu erklären, dass es sich mit diesem so beziehungslosen Bild in der realen Welt ganz offensichtlich recht befriedigend leben lässt? Wie kommt es, dass wir ganz unzweifelhaft in der Lage sind, wenigstens ein Stück weit mit unserem Verstand in die Geheimnisse der Natur einzudringen? Wie ist die Tatsache zu erklären, dass die uns angeborenen Denkstrukturen allem Anschein nach auf die Strukturen der realen Welt "passen"?

Albert Einstein entdeckte, dass die Ordnung der realen Welt doch nicht so vollkommen übereinstimmt mit der Ordnung unserer Denkstrukturen wie man bis dahin geglaubt hatte. Eine der von Einstein in der Welt entdeckten Tatsachen, die zu der Form unserer Anschauung nicht passen, ist das Phänomen der "Konstanz der Lichtgeschwindigkeit". Kein Mensch kann sich das vorstellen oder wird es jemals können. Es handelt sich um eine Eigenschaft der realen Welt, die der angeborenen Form unseres Vorstellungsvermögens nicht entspricht.

Neben der Relativitätstheorie gibt es weitere Erklärungen für komplexe physikalische Zusammenhänge von Urknall, schwarzen Löchern, Quantengravitation, Wurmlöchern und Zeitreisen, die die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens überschreiten (Stephen Hawking, Die kürzeste Geschichte der Zeit).

Konrad Lorenz kam auf den Gedanken, dass auch a priori Vorstellungsformen in Wirklichkeit Vorstellungsformen a posteriori sein könnten, dass auch sie möglicherweise also sehr wohl Erfahrungen über die Welt darstellten. Auch die angeborenen Erkenntnisformen sind in Wirklichkeit "Erfahrungen über die Welt", allerdings Erfahrungen, die nicht das Individuum gemacht hat, sondern die biologische Art, der es angehört.

Die "evolutionäre Erkenntnistheorie" liefert eine Erklärung für die Tatsache, dass die uns als Individuen angeborenen Erkenntnisformen der realen Welt nicht wirklich präzise, sondern ungefähr, nur in Annäherung entsprechen.

Der Verhaltensphysiologe Erich von Holst entdeckte, dass ein Hahn in seinem Kopf das Bild des Todfeindes seiner Art angeborenermassen mit sich herumträgt. Bei seinem Experiment konnte er durch ins Hirn seiner Hähne eingepflanzte Drähte das "Verhaltensprogramm zur Abwehr eines sich nähernden Bodenfeindes" auslösen.

Beim Einsetzen des elektrischen Reizes erstarrt der Hahn mitten in der Bewegung, richtet sich auf und mustert mit der für seine Art typischen pendelnden Kopfbewegungen die Umwelt in sichtlicher Spannung. Wenige Augenblicke später scheint er etwas entdeckt zu haben und fixiert einen bestimmten Punkt. Der Hahn beginnt in zunehmender Aufregung hin und her zu marschieren. Er macht flatternde Ausweichbewegungen vor "etwas", das ihm immer näher zu kommen scheint, und hackt in die von ihm wie gebannt fixierte Richtung kräftig mit dem Schnabel zu.

Das Experiment demonstriert, dass es sich bei diesem Verhaltensrepertoire um ein Programm handelt, das angeboren, fix und fertig im Gehirn des Hahnes steckt. Der biologische Nutzen dieses Sachverhaltes ist offensichtlich. Der Umstand, dass das Verhaltensprogramm angeboren ist, gewährleistet, dass der Hahn schon dann, wenn er zum ersten Mal in seinem Leben einem Wiesel begegnet, "richtig" reagiert. Der Hahn hat die Erfahrung nicht selbst gemacht. Trotzdem ist das "Programm Bodenfeindabwehr" eine Erkenntnis, die a posteriori in die Hühnerwelt gelangt ist. Nicht der einzelne Hahn hat die Erfahrung gemacht, sondern die Art als Ganzes.

Was der Hahn eigentlich sieht, wenn er einen "Bodenfeind" erkennt, lässt sich recht präzise beantworten. Mit Attrappenversuchen konnte herausgefunden werden, welche Reizkonstellation es ist, die ein bestimmtes Verhaltensprogramm auslöst. Als Schlüsselreize haben sich drei Merkmale, die möglichst der ganzen Gruppe in Frage kommender Feinde gemeinsam sind, herausgestellt: eine "fellige" Oberfläche, ein die potentielle Beute fixierendes Augenpaar sowie der charakteristische "geduckt schleichende" Bewegungsablauf bei der dem Angriff vorausgehenden Annäherung. Durch entsprechende sich langsam nähernde Attrappen gerieten die Hühner in Panik und reagierten mit dem Programm Bodenfeindabwehr. Ein ausgestopftes Wiesel, das man unmittelbar neben dem Nest vorsichtig enthüllt, bleibt von der brütenden Henne so gut wie unbeachtet. Dem toten Wiesel fehlt ein entscheidendes Merkmal, nämlich der typische Bewegungsablauf.

Jacob von Uexküll beschrieb unter anderem den Extremfall der Umwelt der Zecke. Das Insekt braucht zur Reifung seiner Eier das Blut von Säugetieren. Es muss also Säugetiere erkennen können. Dazu ist dem Tier ein Programm angeboren, das es veranlasst, sich aus dem Geäst herabfallen zu lassen, wenn seine Sinnesrezeptoren den Geruch von Buttersäure gleichzeitig mit einem Anstieg der Umgebungstemperatur registrieren. Für die Zecke definieren Geruch und Temperaturanstieg ein Säugetier mit ausreichender Zuverlässigkeit. Geruch und Temperaturanstieg sind in der Welt der Zecke daher das einzige, was von einem Säugetier übrig bleibt. Sie sind für eine Zecke mit dem Säugetier identisch.

Das Weltbild der Zecke ist nicht falsch. Was die Zecke über die Welt erfährt ist richtig. Es ist aber, im Vergleich zur Welt des Hahns, äußerst wenig. Der Vorsprung des Hahnes ist unbestreitbar. Von unserer eigenen Position aus wird jedoch deutlich, dass er nur relativen Charakter hat. Auch unser Gehirn ist von der Evolution nicht als ein Organ im Dienste objektiver Welterkenntnis entwickelt worden, sondern vor allem als ein Organ zur Verbesserung unserer Überlebenschancen.

Evolution ist gleichbedeutend mit kontinuierlicher Anpassung an immer neue Eigenschaften und Bedingungen der realen Außenwelt. Goethe hat das Auge deshalb als "sonnenhaft" bezeichnet, weil er erkannt hatte, wie unser Sehorgan sich an die physikalischen Eigenschaften der von der Sonne kommenden Strahlung angepasst hat. Der Huf ist ein Abbild des ebenen Steppenbodens, der Flügel eines Vogels ist ein Abbild der Luft und die Flosse eines Fisches ist ein Abbild des Wassers. Jede Anpassung – so die Verhaltensforscher – sei identisch mit dem Gewinn von Erkenntnis über die Umwelt. Das Leben selbst sei ein erkenntnisgewinnender Prozess.

Das Wissen des Hahnes ist in Wirklichkeit auch das Resultat eines Lernprozesses. Um das erkennen zu können, ist allerdings die Einsicht erforderlich, dass dieser Lernprozess nicht vom einzelnen Tier, sondern von seiner Art im Ablauf ihrer Evolution in der Gestalt einer genetischen Anpassung an die Existenz des arttypischen Feindes geleistet worden ist.

Liegt hinsichtlich des Problems, warum diese unsere apriorischen Erkenntnisformen auf die reale Welt passen, obwohl sie uns mit der Geburt, vor aller Erfahrung, fix und fertig in den Schoss gefallen sind, nicht eine analoge Erklärung nahe?

Kant hatte vor der Möglichkeit, über die reale Welt überhaupt etwas zu erfahren, resigniert. Sein unabweisliches Argument: Da wir in den Erfahrungen, die wir über die Welt zu machen glauben, die uns angeborenen Strukturen des Wahrnehmens, Denkens und Vorstellens wieder finden und da diese aufgrund ihrer apriorischen Natur in keiner erkennbaren Beziehung zur Außenwelt stehen können, beschäftigen wir uns bei allem Wahrnehmen, Denken und Vorstellen im Grunde immer nur mit unserem eigenen Verstand. Über die Welt an sich erfahren wir dabei nichts.

Wir sehen ein, dass unsere angeborenen Erkenntnisformen uns die reale Welt nur partiell und verschwommen erkennen lassen. Dieses Wissen unterscheidet uns von allen übrigen Lebewesen auf der Erde. Es ist der einzige Zipfel der Wahrheit, den wir in die Hand bekommen haben. Die Welt, so wie sie ist, bleibt auch uns endgültig unerreichbar.


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