Nietzsche, Heidegger (W)

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eine Vorbereitung: Hegel

Aber nicht nur nach dieser Seite, daß Begriff und Gegenstand, der Maßstab und das zu Prüfende, in dem Bewußtsein selbst vorhanden sind, wird eine Zutat von uns überflüssig, sondern wir werden auch der Mühe der Vergleichung beider und der eigentlichen Prüfung überhoben, so daß, indem das Bewußtsein sich selbst prüft, uns auch von dieser Seite nur das reine Zusehen bleibt. Denn das Bewußtsein ist einerseits Bewußtsein des Gegenstandes, anderseits Bewußtsein seiner selbst; Bewußtsein dessen, was ihm das Wahre ist, und Bewußtsein seines Wissens davon. Indem beide für dasselbe sind, ist es selbst ihre Vergleichung; es wird für dasselbe, ob sein Wissen von dem Gegenstande diesem entspricht oder nicht. Der Gegenstand scheint zwar für dasselbe nur so zu sein, wie es ihn weiß; es scheint gleichsam nicht dahinterkommen zu können, wie er, nicht für dasselbe, sondern wie er an sich ist, und also auch sein Wissen nicht an ihm prüfen zu können. Allein gerade darin, daß es überhaupt von einem Gegenstande weiß, ist schon der Unterschied vorhanden, daß ihm etwas das An-sich, ein anderes Moment aber das Wissen, oder das Sein des Gegenstandes für das Bewußtsein ist. Auf dieser Unterscheidung, welche vorhanden ist, beruht die Prüfung. Entspricht sich in dieser Vergleichung beides nicht, so scheint das Bewußtsein sein Wissen ändern zu müssen, um es dem Gegenstande gemäß zu machen, aber in der Veränderung des Wissens ändert sich ihm in der Tat auch der Gegenstand selbst; denn das vorhandene Wissen war wesentlich ein Wissen von dem Gegenstande; mit dem Wissen wird auch er ein anderer, denn er gehörte wesentlich diesem Wissen an. Es wird hiemit dem Bewußtsein, daß dasjenige, was ihm vorher das An-sich war, nicht an sich ist, oder daß es nur für es an sich war. Indem es also an seinem Gegenstande sein Wissen diesem nicht entsprechend findet, hält auch der Gegenstand selbst nicht aus; oder der Maßstab der Prüfung ändert sich, wenn dasjenige, dessen Maßstab er sein sollte, in der Prüfung nicht besteht; und die Prüfung ist nicht nur eine Prüfung des Wissens, sondern auch ihres Maßstabes. (Einleitung in die "Phänomenologie des Geistes")

  • Im ersten Zug hat Hegel die Auffassung abgewehrt, daß es zur Wissenschaft reicht, selbst zu denken. Unter philosophischer Aufsicht ist die Beschäftigung des Bewußtsein mit sich doch der rechte Weg.
  • Nochmals das Bedenkliche der Selbstprüfung: Korrektheit soll sich daraus ergeben, daß es im Erkenntnisprozeß einen Unterschied zwischen an sich und für es gibt.
  • Prüfung des Wissens ist zugleich Prüfung des Maßstabs. Erfreulich, daß Kriterien nicht starr sein müssen; weniger wünschenswert, daß sie sich nach den jeweiligen Interessen biegen lassen.


Nietzsche Zitate


Grundfragen der Metaphysik.

Wenn einmal die Entstehungsgeschichte des Denkens geschrieben ist, so wird auch der folgende Satz eines ausgezeichneten Logikers von einem neuen Lichte erhellt dastehen: "Das ursprüngliche allgemeine Gesetz des erkennenden Subjects besteht in der inneren Nothwendigkeit, jeden Gegenstand an sich, in seinem eigenen Wesen als einen mit sich selbst identischen, also selbstexistirenden und im Grunde stets gleichbleibenden und unwandelbaren, kurz als eine Substanz zu erkennen." Auch dieses Gesetz, welches hier "ursprünglich" genannt wird, ist geworden: es wird einmal gezeigt werden, wie allmählich, in den niederen Organismen, dieser Hang entsteht, wie die blöden Maulwurfsaugen dieser Organisationen zuerst Nichts als immer das Gleiche sehen, wie dann, wenn die verschiedenen Erregungen von Lust und Unlust bemerkbarer werden, allmählich verschiedene Substanzen unterschieden werden, aber jede mit Einem Attribut, das heisst einer einzigen Beziehung zu einem solchen Organismus.

-- Die erste Stufe des Logischen ist das Urtheil; dessen Wesen besteht, nach der Feststellung der besten Logiker, im Glauben. Allem Glauben zu Grunde liegt die Empfindung des Angenehmen oder Schmerzhaften in Bezug auf das empfindende Subject. Eine neue dritte Empfindung als Resultat zweier vorangegangenen einzelnen Empfindungen ist das Urtheil in seiner niedrigsten Form. - Uns organische Wesen interessirt ursprünglich Nichts an jedem Dinge, als sein Verhältniss zu uns in Bezug auf Lust und Schmerz. Zwischen den Momenten, in welchen wir uns dieser Beziehung bewusst werden, den Zuständen des Empfindens, liegen solche der Ruhe, des Nichtempfindens: da ist die Welt und jedes Ding für uns interesselos, wir bemerken keine Veränderung an ihm (wie jetzt noch ein heftig Interessirter nicht merkt, dass Jemand an ihm vorbeigeht).

KGW IV-2.35, KSA 2.39


  • ein hegelianischer Kommentar: Erkennen heißt eben, den Gegenstand zu erkennen. Die Skepsis kommt erst im zweiten Durchgang. Allerdings: die Substanz unterliegt der Zeit
  • auch Nietzsche bietet eine Entstehungsgeschichte des erscheinenden Bewusstseins
  • Urteil und Glauben: Die Engführung von Lust/Unlust und Feststellung. Die Erkenntnis/Konstruktion eines Sachverhaltes.


Zur Erkenntnisstheorie: bloß empirisch:

Es giebt weder "Geist", noch Vernunft, noch Denken, noch Bewußtsein, noch Seele, noch Wille, noch Wahrheit: alles Fiktionen, die unbrauchbar sind. Es handelt sich nicht um "Subjekt und Objekt" sondern um eine bestimmte Thierart, welche nur unter einer gewissen relativen Richtigkeit, vor allem Regelmäßigkeit ihrer Wahrnehmungen (so daß sie Erfahrung capitalisiren kann) gedeiht. - Die Erkenntniß arbeitet als Werkzeug der Macht. So liegt es auf der Hand, daß sie wächst mit jedem Mehr von Macht -

Sinn der "Erkenntniß": hier ist, wie bei "gut" oder "schön", der Begriff streng und eng anthropocentrisch und biologisch zu nehmen. Damit eine bestimmte Art sich erhält - und wächst in ihrer Macht -, muß sie in ihrer Conception der Realität so viel Berechenbares und Gleichbleibendes erfassen, daß darauf hin ein Schema ihres Verhaltens construirt werden kann. Die Nützlichkeit der Erhaltung, nicht irgend ein abstrakttheoretisches Bedürfniß, nicht betrogen zu werden, steht als Motiv hinter der Entwicklung der Erkenntnißorgane - sie entwickeln sich so, daß ihre Beobachtung genügt, uns zu erhalten. Anders: das Maß des Erkennenwollens hängt ab von dem Maß des Wachsens des Willens zur Macht der Art: eine Art ergreift so viel Realität, um über sie Herr zu werden, um sie in Dienst zu nehmen.

...

Die Forderung einer adäquaten Ausdrucksweise ist unsinnig: es liegt im Wesen einer Sprache, eines Ausdrucksmittels, eine bloße Relation auszudrücken - Der Begriff "Wahrheit" ist widersinnig - das ganze Reich von "wahr" "falsch" bezieht sich nur auf Relationen zwischen Wesen, nicht auf das "An sich" - Unsinn: es giebt kein "Wesen an sich", die Relationen constituiren erst Wesen, so wenig es eine "Erkenntniß an sich" geben kann -

KGW VIII-3.94, KSA 13.302


  • "Subjekt und Objekt" versus "eine bestimmte Tierart": der Konflikt zweier großer Erzählungen
  • die Diffamierung zwischen den Rhapsoden. John Cage und Anton Bruckner, Konrad Bayer und Hugo von Hoffmansthal
  • "Schema ihres Verhaltens": eine sachdienliche Konstruktion, eine sachdienliche Konstruktion. Welche andere Verwendung des Terminus "Sache" steht uns zur Verfügung?
  • Adäquatheit liegt im Wesen der Sprache selbst: vgl. Wittgensteins Tractatus. Von hier ausgehend: wodurch entsteht der Anstoß, doch wieder von Wahrheit zu sprechen?


Grundlösung:

wir glauben an die Vernunft: diese aber ist die Philosophie der grauen Begriffe, die Sprache ist auf die aller naivsten Vorurtheile hin gebaut

nun lesen wir Disharmonien und Probleme in die Dinge hinein, weil wir nur in der sprachlichen Form denken - somit die "ewige Wahrheit" der "Vernunft" glauben (z.B. Subjekt Prädikat usw.)

wir hören auf zu denken, wenn wir es nicht in dem sprachlichen Zwange thun wollen, wir langen gerade noch bei dem Zweifel an, hier eine Grenze als Grenze zu sehn.

Das vernünftige Denken ist ein Interpretiren nach einem Schema, welches wir nicht abwerfen können.

KGW VIII-1.198, KSA 12.194


  • eine Reaktion auf Hegels "Kraft des Negativen" und das Auflösungspotenzial der Kritik
  • die nicht mit einbezieht, dass es im romantischen System gerade keine zeitenthobene Ewige Wahrheit gibt
  • dem Denken eine Grenze ziehen, sie liegt in der Sprache "und was darüber hinausgeht, wird Unsinn sein"
  • ein Schema, welches wir nicht abwerfen können, ist kein Schema im gewöhnlichen Sinn. Ohne Kuchenteig gibt es keine Kuchenform
  • Wenn es keine Möglichkeit gibt, den Blickwinkel zu verändern, fällt das Gesehene mit dem möglicherweise Sichtbaren zusammen. Wahrheit ist dann Gegebenheit, ohne Bedenken.
  • Das ist das Höhlenszenario, erste Stufe


Heidegger


Platons Höhle

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Das Bild gibt eine Bedingung vor: gebundene Menschen. Darin liegt: ihre Fesseln können gelöst werden. Diese Möglichkeit ist in die Begriffe "Bildung" und "Wahrheit" eingeschrieben. Ohne diesen Spielraum entwickelt sich das Höhlengleichnis nicht. Was nicht ent-fesselt werden kann, ist nicht gefesselt.

Bildung, Wahrheit, Unverborgenheit

Exzerpte aus Platons Lehre von der Wahrheit, Bern 1947


Das "Höhlengleichnis" veranschaulicht nach Platons eindeutiger Aussage das Wesen der "Bildung". Dagegen soll die jetzt versuchte Auslegung des "Gleichnisses" auf die platonische "Lehre" von der Wahrheit hinzeigen. ... Nach der aus einer künftigen Not notwendigen Auslegung veranschaulicht das "Gleichnis" nicht nur das Wesen der Bildung, sondern es öffnet zugleich den Einblick in einen Wesenswandel der "Wahrheit". (S. 25)


Allein für das Unverborgene bleibt nicht nur dieses wesentlich, daß es in irgendeiner Weise das Scheinende zugänglich macht und es in seinem Erscheinen offenhält, sondern daß das Unverborgene stets eine Verborgenheit des Verborgenen überwindet. Das Unverborgene muß einer Verborgenheit entrissen, dieser im gewissen Sinne geraubt werden. ... Wahrheit bedeutet anfänglich das einer Verborgenheit Abgerungene. Wahrheit ist also solche Entringung jeweils in der Weise der Entbergung. (S. 32)


Alles liegt am Scheinen des Erscheinenden und an der Ermöglichung seiner Sichtbarkeit. Die Unverborgenheit wird zwar in ihren verschiedenen Stufen genannt, aber sie wird nur daraufhin bedacht, wie sie das Erscheinende in seinem Aussehen (eidos) zugänglich und dieses Sichzeigende (idea) sichtbar macht. ... So wird das Unverborgene zum voraus und einzig begriffen als das im Vernehmen der idea Vernommene, als das im Erkennen (gignoskein) Erkannte (gignoskomenon). Das noein und der nous (die Vernehmung) erhalten erst in dieser Wendung bei Platon den Wesensbezug auf die "Idee". ..."Unverborgenheit" meint jetzt das Unverborgene stets als das durch die Scheinsamkeit der Idee Zugängliche. (S. 34f)


Also handelt das "Höhlengleichnis doch nicht eigens von der aletheia? Gewiß nicht. Und dennoch bleibt bestehen: Dieses "Gleichnis" enthält Platons "Lehre" von der Wahrheit. Denn es gründet sich auf den ungesagten Vorgang des Herrwerdens der idea über die aletheia. Das "Gleichnis" gibt ein Bild dessen, was Platon von der idea tou agathou sagt ... "sie selbst ist die Herrin, indem sie Unverborgenheit (dem Sichzeigenden) gewährt und zugleich Vernehmen (des Unverborgegen)". Die aletheia kommt unter das Joch der idea. Indem Platon von der idea sagt, sie sei die Herrin, die Unverborgenheit zulasse, verweist er in ein Ungesagtes, daß nämlich fortan sich das Wesen der Wahrheit nicht als das Wesen der Unverborgenheit aus eigener Wesensfülle entfaltet, sondern sich auf das Wesen der idea verlagert. Das Wesen der Wahrheit gibt den Grundzug der Unverborgenheit preis. (S. 41)


Richtigkeit

Wenn es überall in jedem Verhalten zum Seienden auf das idein der idea ankommt, auf das Erblicken des "Aussehens", dann muß sich alles Bemühen zuerst auf die Ermöglichung eines solchen Sehens sammeln. Dazu ist das rechte Blicken nötig. Schon der innerhalb der Höhle Befreite richtet, wenn er sich von den Schatten weg und zu den Dingen hinwendet, den Blick auf solches, was "seiender" ist als die bloßen Schatten ... Der Übergang von einer Lage in die andere besteht in dem Richtigerwerden des Blickens. An der orthotes, der Richtigkeit des Blickens, liegt alles. Durch diese Richtigkeit wird das Sehen und Erkennen ein rechtes, so daß es zuletzt geradeaus auf die höchste Idee geht und in dieser "Ausrichtung" sich festmacht. (S. 41)


So entspringt dem Vorrang der idea und des idein vor der aletheia eine Wandlung des Wesens der Wahrheit. Wahrheit wird zur orthotes, zur Richtigkeit des Vernehmens und Aussagens. (S. 42)


Seinsgeschichte

Dieser Auslegung des Seienden zufolge ist die Anwesung nicht mehr wie im Anfang des abendländischen Denkens der Aufgang des Verborgenen in die Unverborgenheit, wobei diese selbst als die Entbergung den Grundzug der Anwesung ausmacht. Platon begreift die Anwesung (ousia) als idea. Diese untersteht jedoch nicht der Unverborgenheit, indem sie das Unverborgene, ihm dienend, zum Erscheinen bringt. Vielmehr bestimmt umgekehrt das Scheinen (Sichzeigen), was innerhalb seines Wesens und im einzigen Rückbezug auf es selbst dann noch Unverborgenheit heißen darf. (S. 46)


Der Mensch denkt im Sinne des Wesens der Wahrheit als der Richtigkeit des Vorstellens alles Seienden nach "Ideen" und schätzt alles Wirkliche nach "Werten". Nicht welche Ideen und welche Werte gesetzt sind, ist das allein und erstlich Entscheidende, sondern daß überhaupt nach "Ideen" das Wirkliche ausgelegt, daß überhaupt nach "Werten" die "Welt" gewogen wird.
Inzwischen ist an das anfängliche Wesen der Wahrheit erinnert worden. Die Unverborgenheit enthüllt sich dieser Erinnerung als der Grundzug des Seienden selbst. Die Erinnerung an das anfängliche Wesen der Wahrheit muß jedoch dieses Wesen anfänglicher denken. (S. 51)


eine Nachbemerkung: Wittgenstein

vom Beginn des Manuskripts 115


Wenn man mich fragt: "hast Du Deinen Schreibtisch wiedererkannt, wie Du heute morgen in Dein Zimmer getreten bist?" so würde ich wohl sagen "gewiß!" und doch ist es irreführend, das was sich da abgespielt hat ein "Wiedererkennen" zu nennen. Gewiß, der Schreibtisch war mir nicht fremd, ich war nicht überrascht ihn zu sehn, wie ich es gewesen wäre wenn ein andrer dagestanden hätte oder ein fremdartiger Gegenstand.


"Was heißt es: 'dieser Gegenstand ist mir wohlbekannt?'" "Nun, ich weiß daß er ein Tisch ist." Das kann aber alles mögliche heißen, u.a.: "ich weiß, wie er gebraucht wird", "ich weiß er sieht wie ein Tisch aus, wenn man ihn aufklappt", "ich weiß, daß man das einen 'Tisch' nennt".
Was ist das Wesen des ' Wohlbekanntseins'? Worin besteht es, daß ein Anblick mir wohlbekannt ist? (Schon diese Frage ist eigentümlich; sie klingt nicht wie eine grammatische Frage.)
Ich möchte sagen: "Ich sehe was ich sehe." Und die Wohlbekanntheit kann nur darin liegen, daß ich in dem Anblick ruhe.


Von den Vorgängen, die man "Wiedererkennen" nennt haben wir leicht einen falschen Begriff; als bestünde das Wiedererkennen immer darin daß wir zwei Eindrücke miteinander vergleichen. Es ist als trüge ich ein Bild eines Gegenstandes bei mir und agnoszierte danach einen Gegenstand als den, welchen das Bild darstellt. Unser Gedächtnis scheint uns so einen Vergleich zu vermitteln, indem es uns ein Bild des früher Gesehenen aufbewahrt oder uns erlaubt (wie durch ein Rohr) in die Vergangenheit zu blicken.
In den meisten Fällen des Wiedererkennens findet kein solcher Vergleich statt.


Die Wohlbekanntheit bestätigt den Anblick ohne ihn aber mit etwas Anderem zu vergleichen. Sie stempelt ihn gleichsam ab.




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