Magda Hassan

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Transkription der VO Bildung und Datenbanken, 22.05.09


Klärende Gedanken zu Diskussionsbeiträgen

Ich begrüße die Unentwegten und werde es [bezugnehmend auf technische Schwierigkeiten] noch einmal versuchen damit die [eine Studentin sagt etwas]; kein Problem, nur es ist in Ihrem Interesse: Man sieht es klarer. Diese kettenartigen Abhängigkeiten sind ein Problem. Das ist genau kein Elementarsatz: also der einzelne Vorhang ist kein Elementarsatz. Das ist ein Hinweis auf etwas, was uns in weiterer Folge noch beschäftigen wird: Was passiert mit den vielen schönen philosophischen Überlegungen, wenn die einzelnen Elemente nicht voneinander getrennt behandelt werden können, sondern in Interaktion stehen: das ist auch für Datenbanken nicht uninteressant.

Ich bin sehr dankbar für Kollegen oder Kollegin Googolplex, die mir durch den Beitrag zur Diskussion, den Sie hier sehen - zu der Seite „Tabellarisch und abfragbar“ gibt es eine Diskussionsseite und auf dieser Seite hat sie ein paar wichtige zusätzliche Gedanken nahe gelegt, von denen ausgehend mir, die Möglichkeit gegeben wird, noch ein bisschen plastischer zu machen, worum es mir geht. Insbesondere sind da einige Dinge ausgesprochen, ausartikuliert, die ich so zwar gemeint, aber nicht richtig ins Zentrum, in den Vordergrund gestellt habe.

Datenbanken im Alltag

Ich will mal damit vielleicht beginnen, dass so etwas wie in dieser Vorbemerkung angesprochen wird, nämlich nicht nur Google und Netbanking, sondern auch die sehr handfeste Einrichtung des Sammelzeugnisses, die Sie direkt betrifft natürlich über Datenbanken administriert und zugänglich gemacht wird, sodass es doch ausgesprochen sinnvoll erscheint, diese Dinge extra auch in den philosophischen Blick zu nehmen. Man kann an der Stelle so was sagen wie…, man kann über Elektrizität nachdenken, man kann über die Luft nachdenken, man kann über Gerüche nachdenken. Das sind alles Dinge, die unsere Welt bestimmen und das ist vollkommen in Ordnung. Wir sind im Moment allerdings in einer Situation, in der das Nachdenken über Elektrizität - sagen wir - schon einigermaßen gesättelt und in verschiedenen Bahnen eingespannt ist. Das gibt es schon lange, da haben wir ein Bild davon und es ist nicht so, dass Elektrizität unser Denken geradewegs und maßgeblich auf der ganzen Erde gleichzeitig ändert. Man kann natürlich sagen, dass Gedanken, die unter elektrischem Licht in der Nacht gefasst worden sind, etwas anderes sind, als Gedanken, die im Kingspan aufgeschrieben werden, aber das ist ein bisschen allgemein phantasievoll. Während die Situation, in der wir ein solches Instrument wie Google haben und dieses Instrument ein Wissensinstrument in der größtmöglichen Ausdehnung ist, da will ich doch darauf aufmerksam machen, dass es hier nicht nur allgemein Anlass zur Reflektion gibt, sondern, dass es einen direkten Anlass dafür gibt, Personen, die in der Produktion und Reflektion von Wissen tätig sind und tätig werden wollen - wie Angehörige einer Universität - direkt zu konfrontieren mit den Prinzipien und Begriffen und Chancen und Perspektiven und Geschichten, die mit einer solchen Strategie einhergehen gehen.

Zwei Klebstoffe

Das hat bei mir letzte Stunde dazu geführt, dass ich die Wittgenstein’schen Vorstellungen von Elementarsätzen und Mengen von Elementarsätzen, die - erinnern Sie sich - durch zwei verschiedene Klebstoffe, Klebmomente zusammengehalten worden sind.

Der externe Klebstoff

Der eine Klebstoff ist der externe Klebstoff, das ist mehr der „Legostein Klebstoff“. Mit Legos kann man es eigentlich ganz gut vergleichen. Der Legostein Klebstoff besteht darin, dass Elementarsätze mit diesen kleinen Noppen zusammengesteckt werden können. Statt Noppen müssen Sie an dieser Stelle logische Operatoren setzen und dann bekommen Sie verschiedene Phantasiegebilde, Satzgebilde, die an den Dingen die Elementarsätze zusammenschalten, die vorgesehen sind als logische Verknüpfungen.

Die Typen

Das ist die externe Verknüpfung und dann gibt es bei den Legosteinen auch bestimmte Typen von Legosteinen. Also diejenigen, die lang sind und die rund sind, was auch immer. Und diese verschiedenen Typen von Legosteinen, die sind nicht so zusammengesteckt. Die können sie natürlich auch extern zusammenstecken, aber der zweite Faktor, der diese Akkumulation gestaltet ist an der Stelle, wie ich sage, der Typus, die Besonderheit, die so ein Stein mit allen anderen Steinen dieser Art quadratisch, rechteckig - wie auch immer - teilt. Bei den Elementarsätzen ist es so, dass die das Urbild ist, indem sich die Allgemeinheit wiederspiegelt und die Allgemeinheit wiederum ist das, was zurückverfolgt werden kann auf Platon, als das Wesen eines Dings, wie eines Sessels, und das darin besteht in der Tractatus-Wiedergabe, dass in all den Sätzen in denen wir von Sesseln reden wollen in diesen Elementarsätzen dasselbe Zeichen vorkommt, Instantiierungen desselben Typus vorkommen.

Das war die Idee bei Wittgenstein und meine Idee bei den Datenbanken hat das jetzt so verbunden, dass ich gesagt habe: sehen wir uns diese großen Tabellen an. In diesen Tabellen gibt es Attribute, diese Attribute sind gekennzeichnet durch Typus, durch einen Zeichentypus also zum Beispiel small integer, ein typus integer oder variable character und diese Typologie zeichnet vor eine Ontologie der Welt, die wir in Datenbanken erfassen. Nämlich, dass es in dieser Welt Bestandteile gibt, die diesen und genau diesen Typus haben und die Teile von Aussagen sein können, die wir über die Welt machen und die Besonderheit des Tractatus - das ist jetzt die kurze Rekapitulation - besteht darin, dass der Switch zwischen den Sprachausdrücken, mit denen, die auf diese Art und Weise die Struktur der Welt beschreiben und der Betrachtung davon, dass wir so ein strukturell vorgeprägtes Instrumentarium haben, sprich die logischen Formen, die Urbilder, dass dieser Switch von Wittgenstein einerseits zwar immer suggeriert wird, aber andererseits verboten, dass wir diesen Meta-Switch nicht machen dürfen.

Rekapitulation: Wittgenstein und Datenbanken

Was Googolplex jetzt hier anspricht: Das ist zur Interpretation des Tractatus eine hilfreiche Geschichte, aber man soll nicht aus den Augen verlieren, dass das genau nicht das ist, was mit Datenbanken passiert, sondern mit Datenbanken ist es so, dass wir uns, wenn wir so eine Sache mal anschauen können, dass wir konfrontiert sind genau mit beiden: Mit einer Einsicht in die Tupel und mit einer Einsicht in die Kolumnen, die Attribute und dass wir genau deswegen, weil wir damit konfrontiert sind, natürlich fragen können: „Ok, passt das? Wollen wir dieses Attribut hier beibehalten? Unter welchen Umständen führen wir dieses Attribut ein?“. Das heißt genau an der Stelle, an der wir vor Augen geführt bekommen, dass dieses Attribut ein Teil unserer Datenbankwelt ist, haben wir auch die Möglichkeit zu sagen: „Ja, wollen wir das? Wollen wir das nicht ändern? Warum ist das so?“ Und das ist der Übergang von der Objektebene in die Metaebene, der bei Datenbanken möglich ist und sogar nahe gelegt wird.

Was ich jetzt zu dieser Bemerkung von Googolplex sagen möchte: Das ist genau richtig, das ist präzise. Das Interessante an Datenbanken ist und das ist ein wichtiger Unterschied zwischen Wittgenstein und Datenbanken an der Stelle, dass nämlich Wittgenstein aus einer Tradition von Vernunftdenken überhaupt - erinnern Sie sich an die großen Worte von Platon, in denen es um DAS Wahre, Schöne, Gute geht und um die Bestimmung von dem Wahren überhaupt, jenseits aller einzelnen wahren Sätze und des Schönen überhaupt. Das ist ein Abstraktionsgrad, der in der Philosophie seit Platon zu Hause ist und getragen ist von der Absicht Erkenntnisse zu produzieren, die - abgesehen von dem, was in der Zeit und in der Gesellschaft passiert - Einsichten zu verallgemeinern und klipp und klar, ein für alle Mal, sichere Erkenntnis zu sichern. In diesem Zusammenhang Platons steht auch das, was Wittgenstein macht im Tractatus: ganz ungeniert ein für alle Mal die Prinzipien der Welt zu erklären und die Besonderheit von Wittgenstein und der Punkt, an dem Wittgenstein das auf der einen Seite aufnimmt und auf der anderen Seite - verzeihen sie mir den informellen Ausdruck - in den Boden fährt, genau diese Konzeption in den Boden fährt ist, dass er in gewisser Art und Weise expliziert, in der klar ist: „OK, unter diesen Bedingungen kann das Ziel erreicht werden“ und diese Bedingungen - sagt jetzt nicht Wittgenstein, sondern sag ich im Anschluss daran - das sind Bedingungen, die so ähnlich sind wie Bedingungen einer Datenbank und bei Datenbanken ist eben greifbar, dass das so nicht geht, weil Datenbanken zwar in einer gewissen Weise zeitlose Tabellen produzieren, aber diese zeitlosen Tabellen, damit sie funktionieren können, sind in der Zeit und brauchen diese Einbettung. Die werden quasi nicht geschützt durch den allgemeinen philosophischen Totalitätsanspruch. Diesen allgemeinen Totalitätsanspruch hat Wittgenstein bis zum Letzten geführt, bis dorthin geführt, dass man in eine Situation kommt, dass wenn man sich überlegt, was er da gemacht hat, man zwar verstehen kann, inwiefern das eine Allgemeinheit beansprucht, aber nicht auf halbwegs die Dauer - bis auf den einen kleinen Überraschungsfaktor, der in diesen Antinomien steckt - nicht weiter nacharbeiten kann, nicht weiter vollziehen kann, was er da an Die-Zeit-Anhalten produziert hat. Dass wir in den Datenbanken eine Realisierung dieses Denkschemas haben, das die eine zeitliche Komponente - allerdings extern - mit sich bringt ist durchaus ein von mir vorgesehener Effekt.

Social Tagging

Ich möchte dazu auch vielleicht noch das Folgende sagen: Der zweite Hinweis von Googolplex bezieht sich auf social tagging und auf eine Praxis mit Datenbanken, die genau auch schon in die Richtung geht, dass die Starrheit der Datenbanken ein für alle Mal aufgebrochen wird, ist vollkommen berechtigt. Ich sollte vielleicht gleich einmal hinzufügen, dass sozusagen die Aussagen über Datenbanktheorien, die Basics, die ich Ihnen hier mache, die kommen aus einer Theorie, die gibt es jetzt schon vierzig Jahre. Das sind also keine Neuigkeiten, was ich Ihnen da sage. Das ist eine seit den 70er Jahren eingeführte, etablierte, mathematisch fundierte Theorie, aus der schon sehr viel mehr geworden ist, als das, was ich Ihnen hier vorstelle: Ich bin hier wirklich beim Einmaleins, muss ich Sie drauf aufmerksam machen: Aber für philosophische Zwecke reicht das Einmaleins denke ich doch. Aber etwas was auf diese Weise ein bisschen rausgeht, ist die Möglichkeit gerade auch über das Web mit der Vernetzung Datenbanken nicht einfach - so wie ich es Ihnen dann gleich noch mal zeigen werde - als abfragbare Tabellensammlungen zu fixieren, sondern einen stark dynamischen Aspekt dazuzutun und zum Beispiel zuzugestehen, einzubauen, dass solche über das Web abfragbare Datenbanken on the fly erweitert werden können, durch BenutzerInnen, durch zusätzliche Attribute, durch zusätzliche Kategorien. Wenn Sie - das will ich Ihnen sowieso zum Schmunzeln zeigen, zum Schmunzeln ist es nicht schlecht das hier zu zeigen… Wenn Sie so etwas hier sehen, wie diese tag cloud, wie das heutzutage heißt, das ist zwar etwas, was entsteht während die Autoren und Autorinnen dieses Blogs ihre Beiträge schreiben, aber im Prinzip ist es möglich, dass man das natürlich auch sozialisiert: Sie kennen delicious und solche Dinge und was damit passiert ist, dass in dem Fall eben zum Beispiel Attribute - das sind Attribute, die zusätzlich eingeführt werden zu den Kategorien, mit denen das Blog arbeitet, also das Attribut „Bildung“ zum Beispiel oder „Basisdemokratie“ und Sie haben auf diese Art und Weise also eine in die Standard-Schreibvorgänge mit hinein geschaltete zusätzliche Tabelle, zusätzliche Datenbankenmöglichkeit, die Ordnungen der Tabelle zu reorganisieren, neu darzustellen und damit im Laufe des Verfahrens, im Laufe des Zirkulieren, damit haben sie schon greifbar, dass die Zeitlosigkeit, von der ich bisher geredet habe, durchaus relativiert werden muss und Datenbanken eingebaut werden in solche Prozesse. Aber dass andererseits auch gesagt werden muss, dass dieser Ablauf, den ich Ihnen gerade beschrieben habe, durchaus auch aufbaut auf Tabellen, auf einer Struktur, die hier komplexer ist und raffinierter zu behandeln ist, aber trotzdem eine Struktur ist. Sie müssen, damit Sie etwas taggen können unter „Bildung“, müssen sie die Kategorie „Bildung“ einfügen. Sie haben an der Stelle genau nicht so etwas - obwohl es daran erinnern kann - wie wenn Sie ein Buch vor sich haben und an den Rand „Bildung“ schreiben. Wenn Sie so etwas oder etwas Äquivalentes tun, wenn Sie mit dem Bleistift oder sonst wo eine Anmerkung in Ihr Buch machen, dann ist das ein schönes Beispiel für eine Verfahrensweise vor der Zeit der Datenbanken. Das auch wenn Sie sich selber mit einer Notizsoftware am Desktop so eine Bemerkung machen ist das noch vor der Zeit der Datenbanken. Die Besonderheit, von der wir hier reden ist, dass eine solche Anmerkung, die eine im Laufe der Zeit sich entwickelnde spontane Anmerkung sein kann, aber als ein Beitrag zum Bildungsprozess, zum Kommunikationskonzept im Web angesehen, ist diese Anmerkung nur sinnvoll, wenn sie in Datenbanken aufgefangen und kategorisiert wird. Also selbst und gerade Ihre persönlichen Bookmarks - das ist ein schönes Beispiel. Die Bookmarks, die Sie machen, die stehen in diesem Zusammenhang in der interessanten Doppelsituation, dass das einerseits Ihre speziellen Bookmarks sind, die Sie auf Ihrem Computer anlegen und die können insofern Sie sie hochladen - nach delicious zum Beispiel- und insofern Sie den dort bestehenden Kategorien und Verfahren unterliegen, können Ihre persönlichen Bookmarks Wissensbestandteile werden von Interesse für den Rest der Welt. Das ist - wenn Sie es so haben wollen - ein wirklich handgreiflicher Schnittpunkt zwischen Bildung und Datenbanken, den ich Ihnen darstellen möchte.

Die dritte Bemerkung geht darauf ein, dass hinter den meisten Web-Anwendungen eine Vielzahl von Tabellen steht, das ist vollkommen korrekt und das hab ich in meinen Kommentaren zum Datenbank-Kapitel weiter unten auch angeführt - da komm ich gleich noch drauf.

Zur Diplomarbeit von Alfred Hofstadler

Ich habe Ihnen zu Beginn dieser Seite auch den Link auf eine Diplomarbeit von Alfred Hofstadler zur Verfügung gestellt. In dieser Diplomarbeit ist auf eine viel breitere Art und Weise, als ich es hier machen kann, der Zusammenhang zwischen Datenbanken und Tractatus ausbuchstabiert. Alfred Hofstadler ist jemand der Informatikausbildung hat und der mit Datenbanken arbeitet. Er weiß also viel besser als ich, wovon da die Rede ist. Er bringt Ihnen auch ein bisschen eine Perspektive auf andere Typen von Datenbanken und auf die formalen Hintergründe von Datenbanken. Ich bringe hier die eine Skizze, die vielleicht auch noch zur Verdeutlichung und Erinnerung, worum es da geht, hilfreich sein kann. Er sieht die Sache jetzt also von einer Perspektive, die ich überhaupt noch nicht eingenommen habe, nämlich von der Perspektive einer Informatikerin, die mit der Aufgabe konfrontiert ist, eine sinnvolle Verwaltung von Daten und Informationen zu entwickeln. Was geschieht dabei? Was sind die prinzipiellen Schritte? Eingebaut jetzt in das, was wir aus der Philosophie kennen, macht es Herr Hofstadler so, dass er sagt, wir sind mit Sachverhalten, Sätzen, Elementarsätzen und Satzbausteinen sozusagen konfrontiert an dieser Stelle. Das sind die durchaus erfrischenden Zugangsweisen aus der Informatik, wo man sich jetzt keine Gedanken darüber macht, was die interne Struktur davon ist. Also diese vier Termini Sachverhalt, Satz, Elementarsatz, Satzbaustein ist für eine philosophische Betrachtungsweise hochgeladen mit einer großen Vielfalt von Problemen, auf die ich jetzt nicht eingehe: Die ganze Erkenntnistheorie, die ganze neuzeitliche Philosophie hängt in gewisser Weise da dran und die ist uns natürlich auch in Fleisch und Blut übergangen zu einem gewissen Teil und von daher kommt sie da mit rein. Sachverhalte die es gibt, „grünes Gras“, werden in Sätze formuliert und diese Sätze werden dann herunter transformiert und analysiert in einfache Sätze. Da haben Sie von Seiten der Informatik jetzt dieses selbe Motiv „Elementarsätze“ zu gewinnen: „Gras hat die Farbe grün“, das entspricht der Norm eines einfachen, einstelligen Attributs und Aussagesatzes und dieser Aussagesatz ist wiederum in Satzbausteine zu zerlegen, nämlich: „Gras“, „Farbe“ und „grün“ und Sie haben jetzt hier den letzten Eintrag der Reihe, die noch den Menschen betrifft: Sie haben sozusagen in diesem Zerlegungsprozess von den Sachverhalten über die Analyse, die Satzanalyse Satzbausteine, haben sie Daten und Datentypen, womit Sie also so einen Typ wie Farbe haben, der also ein Attribut ist, in der Tabelle und einen Eintrag, ein Datum in diesem Attribut, das „grün“ sein kann.

Soweit geht man also auf der Ebene der menschlichen Erkenntnistransformation und in den Datenbanken werden dann diese Arten von für den Menschen in einer Tabelle übersichtliche Gegebenheiten umgewandelt in Binärdaten und auf eine entsprechende Art und Weise gespeichert und für die weiteren Transformationen zugänglich gemacht. Sie sehen hier, das ist nicht extra ausgewiesen, aber das ist eigentlich der entscheidende Schnittpunkt dieser Überlegungen, dass in dem Moment, in dem wir von Daten sprechen, so eine Überlappung stattfindet: Daten sind etwas, was man noch plausibel machen kann im Rahmen des menschlichen Erkenntnisprozesses -also basismäßig, wenn man so basismäßig denken will, was basismäßig zugrunde liegt: „grün“-Sinnesdaten. Man soll - diese Linie verfolge ich nicht in dieser Vorlesung, aber ich weise jetzt nur mal darauf hin - so etwas, was in der Neuzeit ganz selbstverständlich verwendet wird: der Ausdruck „Sinnesdatum“ ist ein Datum, ein Datenteil, in einem Sinn, den wir auch hier herein nehmen könnten, und diese Art von Daten sind auf einer Analyseebene, sie sind geparct runter auf eine Art und Weise, die sich sinnvoller Weise mit den nötigen Übersetzungen, die hier stattfinden in eine Datenbank mit rein beziehen lassen. Sie können die dazugehörigen Beschreibungen beim Herrn Hofstadler lesen, Sie haben hier die ganze Diplomarbeit, ich habe Ihnen drei wichtige Unterkapitel herausbetont.

Komplexe Datenbanken

Dann würde ich jetzt hier weiter gehen, noch mal im Zusammenhang mit den Datenbanken, um das hier zunächst einmal abzuschließen. Mit einer kleinen Demonstration, dessen, wie das lebt, weil hier habe ich Ihnen gezielt nur eine solche Tabelle zur Verfügung gestellt. Es ist aber so, erinnern Sie sich, dass diese Tabelle hier ihr eigenes Leben entfaltet und ich habe Ihnen jetzt allerdings nicht in dieser Datenbank aber in einer Vorversion dieser Datenbank zum Herzeigen mal einen Zugang - nicht Ihnen sondern mir - einen Zugang gegeben, damit man sieht, worum es sich da handelt. Das ist ein Programm, das aufschlüsselt - es heißt „phpMyAdmin“ - die auf einem bestimmten Computer laufenden Datenbanken, relationalen Datenbanken, in diesem Fall unter einem Programm, das „MySQL“ heißt und eine dieser Datenbanken ist - wie gesagt - eine frühere Version der Personaldatenbanken, mit der wir am Institut für Philosophie arbeiten. Hier sehen Sie schon auf den ersten Blick diesen Punkt: Damit so etwas richtig funktioniert, reicht nicht eine Tabelle, sondern es gibt in diesem bestimmten Fall acht Tabellen. Diese einzelnen Tabellen sind zum Teil deutlich einfacher als das, was ich Ihnen hier gezeigt habe.

Personal-db2.jpg

Hier sehen Sie eine Tabelle, die operiert mit zwei Attributen, das eine Attribut ist einfach die Identifikationsnummer eines bestimmten Bereiches und der zweite Bereich ist das Arbeitsgebiet. Wir haben hier die Arbeitsgebiete aufgelistet und die Tabelle besteht in nichts anderem als in der Zusammenordnung von Arbeitsgebieten und Nummern.

Sie haben so etwas Ähnliches hier: Das sind Funktionen, die man übernehmen kann am Institut und eine ID, also eine Identifikationsnummer dieser Funktionen. Sie werden vielleicht - also nicht nur vielleicht, sondern in jedem Fall schmunzeln - wenn ich Sie frage, wie viele Titel man für diesen Zweck braucht. Da werden Sie ein bisschen überrascht sein, was man da alles für Titel braucht. Das ist eine kleine Nebenbemerkung, wie wirkliche Datenbankerstellungen stattfinden. Das ist hier alles andere als professionell: es kommt auch wirklich aus einer sehr frühen Zeit. Sie sehen hier quasi alles, was irgendjemand je gedacht hat, vor seinen Namen schreiben zu müssen. Das ist sehr wenig analysiert. Sie sehen „Univ.-Prof. Dr. Dr.“, Sie sehen „Univ.- Prof. Dr.“, Sie sehen „o. Univ.- Prof. Dr.“ und so. Das ist einfach abgeschrieben aus den verschiedenen Lebensläufen. Ich erzähle Ihnen das deswegen und es wird an dieser Stelle deswegen spaßig und nicht nur spaßig sondern auch instruktiv, weil in einem weiteren Beispiel, das ich Ihnen zeigen werde: Ein wichtiger Punkt der Datenbanktheorie besteht darin, die Komplexität mit der man es in der Welt zu tun hat, so zu analysieren, dass man es runter bringt auf die Bestandteile, die man für einen bestimmten Zweck als einfachste Bestandteile braucht, um dann die Welt aufzubauen aus diesen Bestandteilen und zwar auf eine Art und Weise, dass die Einzeldifferenzierungen, die in der Welt stattfinden durchaus auch alle modelliert werden können, aber aus Gegebenheiten, die möglichst einfach, raumsparend, zeitsparend und analytisch zufrieden stellend sind. Weil der akademische Grad „Mag. Mag. Dr. Dr.“ ist analytisch nicht zufrieden stellend. Das ist offensichtlich eine Zusammenstellung aus einer Reihe von Graden und wenn man so etwas in einem großen Stil haben will, dann muss man und achtet man auch darauf, dass das keine Basiskategorien sind. Also sie sehen, das ist meine Pointe an dieser Stelle: So ein Attribut wie „Titel“ aus der Alltagswelt ist nicht das, womit man in Wirklichkeit operieren will und zwar ist das eine schöne Illustration, sowohl des Tractatus als auch der Praxis mit Datenbanktheorien. Unsere Alltagssprache gibt uns vor bestimmte Allgemeinheitsbezeichnungen. Wenn wir jetzt in der Philosophie uns damit beschäftigen, dass wir nicht einfach alles hinnehmen, was uns vorgegeben ist, sondern Prinzipien davon haben wollen: Zum Beispiel das Prinzip haben wollen, dass wir Lektoren, die irgendwo anders außerordentliche Professoren sind, unterscheiden wollen von Lektoren - denn irgendwo müssen ja Lektoren auch normal vorkommen [sieht in der Datenbank nach]… interessanterweise kommen Lektoren hier sonst nicht vor, also ganz, ganz schlecht… das ist deswegen interessant und das sag ich jetzt ein bisschen aufgelockert: In dieser Welt gibt es nur Lektoren, die irgendwo außerordentlich Professoren sind. Das müsste an dieser Stelle geregelt werden und das kann in dieser Datenbank nicht geregelt werden, sondern das muss dadurch geregelt werden, dass hier entweder ein zusätzlicher Eintrag gegeben wird oder man überhaupt diese Titelgeschichten ändert.

Über die Suchfunktion

Personal-db1.jpg

Hier haben wir jetzt die Tabelle, die ich Ihnen auch als Bild zur Verfügung gestellt habe und das habe ich Ihnen ja auch gesagt, da gibt es eine Struktur der Tabelle, das sind die unterschiedlichen Attribute. Warum ich Ihnen das zeige, weil ich Ihnen jetzt zumindest einen kleinen Hinweis darauf geben möchte, wie das Ding dynamisch funktioniert. Sie können nämlich in dieser Tabelle - und das ist das, worum es eigentlich geht: Sie können suchen. Sie können, wenn Sie die Weltbestandteile in der Weise aufgeteilt und dargestellt haben, können Sie es auf eine bestimmte Art und Weise in all diesen Komponenten suchen. Und jetzt noch einmal hier das Einmaleins zur Verfügung genommen und nichts in keiner Weise kompliziertes… Ja, das sollte ich vielleicht noch sagen: für die relationalen Datenbanken mit denen wir hier arbeiten, gilt, dass es eine standardisierte Suchsprache gibt. Das ist die „Structured Query Language“ (SQL) und diese Sprache gibt vor einen im Prinzip mathematisch fundierten Prozess in all diesen Tabelleneinträgen, nach bestimmten Kriterien etwas herauszuholen. Damit Sie es sich ein bisschen vorstellen können: Das ist hier ganz schön implementiert in dem phpMyAdmin: Also der Anfang des Suchausdrucks ist select * from personen where. * heißt „Was alles; Alles was du findest unter bestimmten Bedingungen, such das heraus“; from personen, hier steht eine Tabelle, personen ist der Name dieser Tabelle und where ist jetzt die Angabe der Bedingungen, unter denen hier gesucht wird und hier können wir so etwas rein tun wie die Felder. Felder sind an der Stelle die Attribute. Das ist also jetzt hier die Angabe der Tabelle. Das ist die Angabe, dass man suchen soll im Attribut „Vornamen“ und jetzt muss ich noch eine Bedingung dazugeben, nämlich zum Beispiel, dass der Name, der hier drinnen stehen soll, also der Sprachausdruck, der in dieser Spalte drinnen sein soll „Franz“ sein soll. Und ich such das jetzt mal und habe doch tatsächlich den Franz Martin Wimmer hier gefunden. Das ist sozusagen die Art und Weise, wie aus den Tabellen was rausgeholt wird. Ein bisschen komplizierter, aber dasselbe Prinzip, mehr brauchen wir jetzt hier nicht.

Sagen wir einmal der Vorname soll sein „Elisabeth“ and… suchen wir noch etwas anderes, was gibt es hier noch zu suchen…, sagen wir den Sprechstundentag und der soll sein „Mittwoch“ und es gibt tatsächlich jemanden der am Mittwoch Sprechstunde hat. Und damit sind Sie schon sozusagen bei den Prinzipien - Mittwoch und zwar von 11 bis 12 Uhr - sind Sie bei den Prinzipien, die auch wirksam werden, wenn Sie sich erkundigen… Sie suchen eine Vorlesung, die um 17 Uhr am Donnerstag anfängt. Das ist dasselbe Prinzip, das es da gibt.

Das letzte Beispiel können wir vielleicht auch noch machen: Ich habe Ihnen hier einen etwas komplexeren Suchausdruck hingeschrieben. Das ist jetzt der Punkt, wo ich Ihnen zeigen wollte, dass das nicht nur in einer Tabelle stattfindet, sondern dass das und das ist erst die Stärke der Leistungskraft, es geht quer durch alle Tabellen im Prinzip einer solchen Datenbank. Hier haben Sie das select, „Vorname“, „zweiter Vorname“, „Nachname“; from und hier haben Sie jetzt nicht einfach Personen, sondern Sie haben drei Tabellen: „Personenfunktionen“ und „Funktionen“. Die Funktionen haben wir schon gesehen. Die Personenfunktionen sind die Zuordnung von Identitätsmarkern von Funktionen zu Identitätsmarkern von Personen und dann gibt es die Funktionen und als Bedingung geben Sie an die Funktions-ID aus der Tabelle „pers_funkt“ soll gleich sein mit der Funktions-ID aus der Funktionen-Tabelle und die Personen-ID aus der Tabelle „pers_funkt“ soll gleich sein mit der Personen-ID aus der Personen-Tabelle und - da kommt jetzt das Wichtige raus - die Identifikation der Funktion, die Sie suchen ist #8. Also Sie suchen die Person, die die #8 Funktion hat. Einmal schauen, wer das ist: Zwei Personen sind es, die die #8 Funktion haben. Schauen wir uns noch an, was die #8 Funktion ist: EDV-Koordination.

Damit reicht das einmal um Ihnen ein bisschen vor Augen zu führen, in welchem Bereich wir uns da befinden. Ich habe ihnen hier Standbilder von diesen Personenfunktionen und Funktionen da noch einmal gegeben.

Zur Organisation von Daten unter dem Aspekt der Liebhaberei

Letzte Bemerkung zum Interessantheitsgrad, zur Motivierung dessen, was wir hier mit Datenbanken diskutieren. Das nehme ich aus dem Einführungsskript von Hans-Georg Beckmann, das ich weiter oben verlinkt habe und das kann ich aber kurz machen, weil ich es mit den Titeln schon gesagt habe. Ein typischer Fall von Liebhaber-Umgang mit Datenbanken, an dem man aber auch ganz schön sehen kann, wie an der Stelle die Liebhaberei mit hinein geht in eine analytisch und letztlich auch philosophisch interessante Fragestellung: Wenn Sie sich beschäftigen mit I-Pod, wenn Sie sozusagen vor der Frage stehen…., also I-Pod ist schon eine Antwort. Die I-Pod Daten, mit denen Sie operieren sind schon eine Antwort auf die Frage, wie erfassen Sie Ihre Musiksammelung, wie soll das geschehen? Da haben Sie ein ähnliches Problem, wie ich das gerade vorher mit den Titeln gesagt habe. Sie können natürlich - vielleicht das erste Interessante - Ihre Platten ordnen nach SängerInnen, InstrumentalistInnen, nach KomponistInnen, nach Jahren, nach Plattenfirmen, wie immer, und die Aufgabe, die sich an der Stelle ergibt und wo Analyse und Informationsmanagement und die Art und Weise, wie man die Welt organisiert, also damit das philosophische Moment ineinander gehen, ist jetzt die Frage, was tun Sie mit den heutigen Mitteln, um das Maximum an Information, an Gebrauchswert herauszuholen aus der Erfassung Ihrer Plattensammlung. I-Pod ist eine Form damit umzugehen, Sie können sich die praktischen Schwierigkeiten vorstellen, wenn Sie Ihre Platten nur ordnen nach KünstlerInnen, dann kommen Sie in Schwierigkeiten, wenn Sie Sampler haben. Dann müssen Sie plötzlich statt einer Person, als Einstieg in eine solche Sammlung - also zum Beispiel „Madonna“ ist ja ein einfaches und kurzes Wort, aber wenn Sie da sieben verschiedene KünstlerInnen haben, müssen Sie für jede einzelne dieser KünstlerInnen denselben Eintrag wiederholen, aber das ist in Wirklichkeit nur ein Lied und nicht eine Platte. Sie können aber andererseits nicht diese Platte, als eine Madonna-Platte hinschreiben, das ist einfach eine kompliziertere Geschichte. Sie kommen an der Stelle in eine Vielzahl unterschiedlicher, interessanter Fragestellungen, bei denen ich Sie hier aber alleine lasse, mehr will ich dazu hier nicht sagen. Möchten Sie etwas dazu bemerken? Wenn nicht gehe ich weiter zu meinem nächsten Kapitel und das ist ein deutlich unterschiedliches Kapitel.

Hegel

Gedanken zum anachronistischen Semesterplan

Ich muss mich vielleicht an dieser Stelle extra ein bisschen erklären und fast schon entschuldigen, dafür dass das derart ruckartig läuft. In der Philosophie nimmt man sich hin und wieder das Recht auch wirklich quer durch die Welt und quer durch die Zeit einzugreifen in bestimmte Fragestellungen. Ich habe Ihnen die Tractatus und Datenbank-Überlegungen sowieso schon als eine große Spange zu Platon vorgestellt und das ist ja schon ein Riesenbogen. Ich habe das aber sozusagen noch ein wenig dadurch spezifiziert und extra erklärenswürdig gemacht, weil ich Ihnen die beiden Philosophen, von denen jetzt die Rede sein soll - in der und der nächsten Stunden - vorenthalten habe und in diesem Bogen nicht beachtet habe, obwohl es historisch eine Notwendigkeit gewesen wäre. Ich möchte also jetzt von Hegel und Heidegger etwas mehr sprechen und wenn ich das ganze Schritt für Schritt historisch aufgebaut hätte, hätten Sie bis zum Ende der Vorlesung auf den Wittgenstein, auf die Datenbanken warten müssen, was nicht sehr wünschenswert gewesen wäre, deswegen habe ich diesen großen Bogen gemacht und will jetzt aber noch und wieder ein bisschen zurück gehen in eine Tradition aus, sozusagen vor den Errungenschaften des 20. Jahrhunderts, in eine Tradition, die noch direkter an Platon anknüpft. Die Vergleichbarkeit zwischen Hegel, Heidegger und Wittgenstein ist die, dass ich bei all den drei zeigen möchte, dass sie auf eine wichtige Art und Weise den Platon aufgreifen. In Zusammenhang mit Hegel und Heidegger ist das aber eine Modalität, die nichts in irgendeinem Sinn mit Datenbanken zu tun hat. Erst wenn ich die beiden besprochen habe, komme ich wieder zurück auf den Wiener Kreis und auf die genaueren Fortsetzungen des Tractatus in der Informatik, was ich Ihnen bisher eben nur angedeutet habe. Das werden wir am Ende des Semesters dann vornehmen.

Es gibt auch einen internen, strategischen Grund, der mir wichtiger scheint und der es mir irgendwie als vertretbar erscheinen lässt, die Hegel und Heidegger Überlegungen erst jetzt, also sozusagen im Nachhinein, geschichtlich anachronistisch einzuschalten. Und zwar ist das der Folgende: Es ist von Kollegen, also insbesondere von Kollegen, die ich hier zitiert habe und in dem Rahmen zu sehen sind, gesagt worden, dargestellt worden, dass wir eine Tradition des klassischen Philosophierens haben, die wesentlich etwas zu tun hat mit deutschem Idealismus und dann auch mit der Geschichte der Philosophie im 20 . Jahrhundert und dass diese klassische Philosophietradition sich im Bildungsbetrieb, im Bildungswesen an den Universitäten verbunden hat mit Idealen wie der Humboldt’schen Einheit von Forschung und Lehre, mit den Idealen der Aufklärung und der selbstbestimmten, freien Wahl der eigenen Lebensdesigns und dass alle diese schönen Dinge durch die Ökonomisierung, durch die gegenwärtige Wissensgesellschaft. Vor kurzem, Anfang dieser Woche hatte ich einen Crash mit einem Politologen, der Adorno gebildet ist und der sozusagen mit der ganzen hintergründigen Energie der kritischen Theorie von Adorno mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass meine Rede von der Wissensgesellschaft einfach nur ein ideologischer Schlenker ist und dass wir kritisch aufklärerische und selbstbewusst freie Bildung betreiben müssen und nicht dieses Zeug von Wissensgesellschaft, das eben stark informatisch, ökonomisch, technisch schon durchsetzt ist. Diese Linie ist eben sehr stark vorhanden in geisteswissenschaftlichen Darstellungen des Schicksals der Bildung, Theorie der Bildung, Theorie der Halbbildung, Theorie der Unbildung. Diese Richtung ist nicht das, was mich überzeugt und die Bemerkungen Hegel und Heidegger, die ich machen möchte, sollen Sie darauf hinweisen, zumindest ein bisschen sensibilisieren, dazu, dass Sie drauf kommen: Weder bei Hegel noch bei Heidegger gibt es dieses schöne Bildungsverfahren. Die sehen das ausgesprochen komplizierter. Anders gesagt: Die sind in einem gewissen Sinn dem Bildungsideal, so wie ich es bisher dargestellt habe, gegenüber mindestens so skeptisch wie Wittgenstein. Also es ergeben sich schon in der Philosophie des 19. Jahrhunderts und dann bei Heidegger im 20. Jahrhundert und zwar in der wichtigsten Stufe der Philosophie, der Vertreter der klassischen Philosophie, Momente der Skepsis und der Kritik gegen Bildung, sodass es keineswegs adäquat ist, diese Tradition jetzt als die Bildungstradition hoch zu halten und gegen die Technisierung und die Datenbanken auszuspielen. Das möchte ich Ihnen jetzt ein bisschen vor Augen führen.

Hegel und die Phänomenologie des Geistes

Um damit zu beginnen, starte ich jetzt also bei Hegel und der Phänomenologie des Geistes im Speziellen. Ich habe vor einiger Zeit einen Beitrag geschrieben „Hegel, Bildung, Wikipedia“, den sie hier lesen können, auf den ich von den Zitaten her zurückgreife und den ich Ihnen in wichtigen Punkten vor Augen führen möchte. Dazu ist eine Dreiteilung sinnvoll. Ich hab den ersten Teil genannt „Hegel zur Bildung: Die bekannten Aussagen“, den zweiten „weniger bekannt“ und den dritten Teil „praktisch unbekannt“ und werde Ihnen durch diese drei Stufen versuchen vor Augen zu führen, wie sie in sich vielfältig, um nicht zu sagen widersprüchlich - widersprüchlich bei Hegel zu sagen ist sowieso etwas riskant, weil dass etwas bei Hegel widersprüchlich ist, das würde bei ihm nur ein zunehmendes Nicken bewirken. Er ist ja der Auffassung, die Sachen müssen widersprüchlich sein, aber sagen wir es so: Es gibt systematisch in sich entwickelbare Widersprüche und es gibt Spannungsverhältnisse in der Fragestellung, die nicht in dem Sinn auf Widersprüche reduziert werden können, sondern die etwas mit dem ganzen Fragedesign zu tun haben.

Hegel zur Bildung: Die bekannten Aussagen; oder: Von der Wichtigkeit der Zwischenstopps

Also der erste Punkt: Die bekannten Aussagen, sind diejenigen, die Sie im Rahmen des Philosophie-Studiums ganz notwendig irgendwann einmal hören werden. Das sind die allgemeinen Aussagen über den Bildungsprozess des Geistes, die in der Phänomenologie des Geistes in der Vorrede vorgestellt werden. Hegel nimmt in einem geschichtsumgreifenden Ductus der romantischen, deutschen Systembildung das Thema, das wir beim Platon als Aufsteigerthema gehabt haben, auf und zeichnet eine Kurve, in der die Person, die aus der Höhle aufsteigt zur Vernunft hin steigt, nachgezeichnet wird durch seine Schriften, also durch seine gedankliche Entwicklung. Die Zitate ein bisschen sozusagen angerissen, weil ich gesagt habe romantisch und Natur: Hier haben Sie das biologische, naturhafte, „das eben geborne Kind“, das sich entwickelt:

„Wo wir eine Eiche in der Kraft ihres Stammes und in der Ausbreitung ihrer Äste und den Massen ihrer Belaubung zu sehen wünschen, sind wir nicht zufrieden, wenn uns an dieser Stelle eine Eichel gezeigt wird. So ist die Wissenschaft, die Krone einer Welt des Geistes, nicht in ihrem Anfange vollendet. Der Anfang des neuen Geistes ist das Produkt einer weitläufigen Umwälzung von mannigfaltigen Bildungsformen, der Preis eines vielfach verschlungnen Weges und ebenso vielfacher Anstrengung und Bemühung.“ (1. Zitat)

Da haben Sie den Kampf aus dem Dunkel ins Licht gewandt und gewendet in eine entelechialen, zielgerichteten Bioprozess. Der Bioprozess ist einerseits das Wachsen der Eiche von einfachen Samen und Nüssen und analog zu diesem Wachsen von Pflanzen auch das Wachsen von Menschen, von Individuen, die durch den Gang des Wissens von Ihren ungebildeten Standpunkten aus zum Wissen geführt werden, in Ihrem allgemeinen Sinn zu fassen, das allgemeine Individuum, der Weltgeist in seiner Bildung zu betrachten. Das ist jetzt auf der einen Seite eine deutliche Reminiszenz an den platonischen Aufsteiger. Diese Reminiszenz wird noch weiter verstärkt - das kann ich Ihnen nicht im Einzelnen zeigen, aber das ist mindestens genau so handgreiflich und wichtig - dass wenn Sie sich den Ductus der Phänomenologie des Geistes ab dem ersten Kapitel „Die sinnliche Gewissheit“ vorstellen und vorhalten, darin ein Dialogprozess angelegt und dargestellt ist, der von klugen Kommentatoren als eine Reanimierung und Vergegenwärtigung der sokratischen Elenchos interpretiert wird. Sie haben auch eine Gesprächssituation zwischen einer Person, die auf einem Ist-Zustand, einem erkenntnistheoretischen Ist-Zustand sich befindet und die durch ein bohrendes, nachhakendes, umwandelndes und kritisches Nach- und Hinterfragen diesen Ich-Zustand der Erkenntnis aufbricht und weiterverfolgt, das wozu Platon dann die Aufsteigerfunktion geschaffen hat. Das finden Sie also in der Phänomenologie des Geistes. Das ist der eine Anknüpfungspunkt zu Platon.

Dann gibt es aber ein zweites Moment und dieses zweite Moment ist neu, das haben Sie bei Platon nicht und das rekrutiert sich daraus, dass Hegel sich in einer Kulturentwicklung, als praktisch Abschluss einer Kulturentwicklung versteht, die 2000 Jahren aufbaut und weiterentwickelt genau dieses platonische Projekt. Das Projekt, das Kultur nicht einfach und das ist das, was hier inhaltlich dazukommt, nicht einfach darin besteht, dass jetzt einer nach oben kommt und die Sonne und das Gute sieht, also dieses unglaublich, inhaltlich unbestimmte Switchen von Platon vom Dunkel ins Licht, sondern ein - das Licht ist das Wissen und das Wissen ist das Wissen vom Einen - sondern bei Hegel und das ist die Genialität, die er da rein bringt in den platonischen Prozess, völlig getränkt sieht, diesen Aufstieg - also ein Wilder-Westen-Film heißt „Leichen pflastern seinen Weg“, die hegelianischen Version würde heißen „Erkenntnisse pflastern seinen Weg“. Rechts und links und überall in diesem Aufstiegsprozess ist die menschliche Kulturentwicklung schon gewesen, die 2000 Jahre hat der - wie Hegel sagen würde - objektive Geist sich bereits in einem standesgeschichtlichen Erfahrungsprozess ausartikuliert. Wenn es um Erkenntnis geht, geht es nicht darum, dass wir raus laufen und die Sonne sehen und geblendet sind, sondern es geht darum, dass wir diese Stufen des Geistes, diese historische Entwicklung der Reihe nach nachvollziehen müssen, in unserem persönlichen Werdegangs. Das ist nun allerdings der Punkt, in dem Hegel Bildungsphilosoph genannt werden kann und auch immer wieder genannt wird, denn die Spannung zwischen dem, was ich Ihnen jetzt als „Leichen pflastern seinen Weg“ - das ist nur halb-frivol, das ist durchaus in einem gewissen Sinn hegelianisch, hegelianisch würde durchaus berechtigt gesagt werden können: Was der Geist, also die menschliche Kulturentwicklung, in bestimmten Situationen sich erarbeitet hat an Erkenntnis, wird in einem nächsten Prozess, wenn sich das der Geschichte anheim gibt, kodifiziert, verobjektiviert, verliert das Leben, ist also eine tote Erkenntnis. Der Geist geht weiter, die tote Erkenntnis bleibt aber vorhanden und die Aufgabe des individuellen Bildungs- und Entwicklungsprozesses besteht darin das nachzubuchstabieren, was hier schon vorgelegt ist. Sie werden es vielleicht schon mal gesehen haben: Das ist der Grund, warum die Phänomenologie des Geistes aufgebaut ist entlang der Epochen der abendländischen Geschichte. Sie beginnen bei Sokrates, sie beginnen bei Antigone, in den Fragestellungen der klassischen Tradition, sie gehen zum Ur-Christentum, sie kommen ins Mittelalter, sie kommen in die Aufklärung, sie kommen in die französische Revolution. Das versteht Hegel alles als einen Europa umspannenden Prozess des Zu-Sich-Selbst-Kommens, der Träger der Kultur, das heißt de facto des Volkes, des Staates und der Personen, die den Staat tragen. Wenn Sie das alles so sehen und wenn Sie an der Stelle nicht einfach den Staat nehmen, sondern zum Beispiel das Schulwesen als eine Institution, die vom Staat getragen wird und die eingerichtet ist für die Aufziehung der Personen, die dann den Staat bestimmen und ausmachen können, dann haben Sie als die Aufgabe des Schulwesens das Bekanntmachen der SchülerInnen mit den Stufen des Geistes, die diesem Staat im Rücken liegen und die Sache wird hier sehr schön dargestellt von Hegel und an der Stelle sehen Sie schon, dass mit der Bildung nicht alles ganz so in Ordnung geht nach Hegel, wie man das oberflächlich gerne hat. Ich lese es Ihnen vor, weil es eine wunderschöne Passage ist:

„So durchläuft jeder einzelne auch die Bildungsstufen des allgemeinen Geistes, aber als vom Geiste schon abgelegte Gestalten“ - das sind meine „Leichen pflastern seinen Weg“ - „als Stufen eines Wegs, der ausgearbeitet und geebnet ist; wie wir in Ansehung der Kenntnisse das, was in frühern Zeitaltern den reifen Geist der Männer beschäftigte, zu Kenntnissen, Übungen und selbst Spielen des Knabensalters herabgesunken sehen, und in dem pädagogischen Fortschreiten die wie im Schattenrisse nachgezeichnete Geschichte der Bildung der Welt erkennen werden.“ (2. Zitat)

Also es ist nicht gerade eine Unterstützungserklärung für die Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft, weil das pädagogische Fortschreiten ist das, was sich mit den Schattenrissen beschäftigt. Ich habe Ihnen hier als eindringliches Beispiel, in dem Sinne, das hab ich sozusagen recherchiert im vergangenen Semester in meinem Platon-Projekt: Es ist, so scheint es, immer noch so, dass in einem Großteil der Mittelschulen Goethes Faust gelesen werden muss und wenn man sich ansieht, was da geschieht: Ein zu dem Zeitpunkt seiner Verfassung extrem aktuelles, zeitgenössisches, komplexes, provokantes, zerbrechliches Gebilde eine literarische Produktion der ersten Wichtigkeit tritt jetzt, nach 100-200 Jahren auf als Schularbeitsthema für 17-Jährige. Das ist die Situation, in der Hegel selber schon das Bildungsproblem sieht.

Die nächste Bemerkung, die ich dazu machen möchte, ist die, dass wenn man sich nun ansieht, wie in der Phänomenologie des Geistes selber diese stufenweise Durcharbeitung, durch die abgelegten Phasen des Geistes hinweg funktioniert, dann finden Sie bei Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes schon Momente, - zugebenermaßen finden Sie die Momente eher nur dann, wenn Sie die Sachen gehört haben, die ich über Wittgenstein und Datenbanken gesagt habe - die von der Sache her damit sich beschäftigen, dass diese abgelegten Gestalten des Geistes tatsächlich zeitlos sind, dass die aus der lebendigen Geschichte in einem gewissen Sinn herausfallen, dass die betrachtet werden können auf eine Art und Weise, wie es Datenbanken auch betrachtet werden können. Man kann so sagen, was Datenbanken sind, was Aggregationen von Behauptungssätzen sein können, sind Schnappschüsse. Die Zeitlosigkeit dieser Tabellen korreliert damit, dass man einen Schnappschuss macht, das ist ein Foto. Ein Foto sagt etwas über ein Moment und ist natürlich in der Zeit geschossen, aber diese Art von Gegenwart ist in einem gewissen Sinn nicht intern von einer Zeitdimension, wie Sie sich leicht klar machen können im Vergleich zwischen Foto und Film. Das Bewegungsbild ist eines, das intern eine Zeitdimension hat. Das Foto ist diese Art von Schnappschuss und einen solchen Schnappschuss findet man auch bei Hegel in seinen abgelegten Gestalten des Geistes. Das heißt das frühe Christentum, das klassische Dilemma zwischen Individuum und Autorität von Antigone, alle diese Formen von kognitiven Konflikten, die Hegel in der Phänomenologie des Geistes durchläuft, sind auch in einem gewissen Sinn in sich ruhende Schnappschüsse und Einzelkonstellationen. Er sagt an der Stelle:

„Einesteils ist die Länge dieses Wegs zu ertragen, denn jedes Moment ist notwendig, - andernteils bei jedem sich zu verweilen, denn jedes ist selbst eine individuelle ganze Gestalt […]“ (3. Zitat)

Das heißt, Sie haben hier Stationen und Schnappschüsse und die ganze philosophische Fragestellung besteht zwar darin, dass diese Schnappschüsse in ein Verhältnis zueinander gebracht werden. Der Gang des Geistes, der Bildung zeichnet das nach, dass diese Schnappschüsse sich weiterentwickelt haben, dass nach Hegel jeder dieser Schnappschüsse eine Spannung in sich hat, eine Problematik in sich hat, die das, was hier zum Zwischenstopp gekommen ist, wieder aufbricht, aber Sie müssen, um verstehen zu können, um was es hier geht, diesen Zwischenstopp auch als Zwischenstopp wahrnehmen. Sie können nicht, das ist der wesentlich Punkt, Sie können gar nicht weiterkommen, Sie können nicht in dieser dialektischen Geschichte weiterkommen, wenn Sie sich nicht einlassen auf den Zwischenstopp, weil nur im Zwischenstopp sind Sie in der Lage, die Widersprüche zu sehen, die über den Zwischenstopp hinaus reichen. Wenn Sie sozusagen von einem zum anderen hüpfen, dann ist das genau nicht, weil das in der Geschichte gewesen ist, haben Sie genau verloren, haben Sie genau nicht drinnen das verbindende, verknüpfende Moment, das Ihnen plausibel macht, wie Sie von einer dieser Formen zu einer nächsten dieser Formen kommen. Was ich also alles damit sagen will ist, dass also auch bei Hegel, dem geradezu paradigmatischen, dynamischen Geschichtsphilosophen das Einräumen, das Zugeständnis finden, dass diese Art von Geschichtsdynamik nur funktioniert unter Einschluss eines - wie ich gesagt habe - Zwischenstopps.

weniger bekannt; oder: Die eigene Überzeugung und ihre Folgen für die Bildung

Das ist die bekannte Linie und aus dieser bekannten Linie gibt es eine gewisse Verweisung auf etwas weniger Bekanntes, nämlich auf eine Betrachtungsweise der Bildung, die jetzt um einiges skeptischer und kritischer ausfällt als das, was in der Weiterschreibung des bisher von mir Angesprochenen steckt und eine erste Indikation davon findet sich in der Einleitung der Phänomenologie des Geistes, in wiederum einem sehr schönen Zitat, das ich Ihnen hier vortragen möchte und das darauf hinaus läuft, dass Bildung und Aufklärung genau nicht zusammengehen beim Hegel in einer entscheidenden Perspektive. Dass es nicht so ist, dass jemand, der in einen Bildungsprozess eintritt damit einfach seine verstandesmäßig geregelte, selbstbestimmte Freiheit weiter entfaltet. Wie zeigt sich das hier an? Es geht hier um die eigene Überzeugung:

“Der eigenen Überzeugung folgen ist allerdings mehr als sich der Autorität ergeben“ (Da haben Sie diese eigene Überzeugung als den Mut zur Selbstposition gegen die Verhaftetheit, gegen die Unmündigkeit, die darin liegt, dass man irgendjemanden nachspricht und in unserer Normalverständnisbildung möchte man sagen: Der Anfang der Bildung besteht eben darin, sich der eigenen Überzeugung nicht zu schämen und gegen die Autorität einen solchen Prozess zu starten.) „aber durch die Verkehrung des Dafürhaltens aus Autorität in Dafürhalten aus eigener Überzeugung“ (und das ist Autonomie, will ich nur mal sagen - das ist das wovor man selber sich vergewissert hat, dass man es behaupten kann) „ist nicht notwendig der Inhalt desselben geändert und an die Stelle des Irrtums Wahrheit getreten. Auf die Autorität anderer oder aus eigener Überzeugung im Systeme des Meinens und des Vorurteils zu stecken, unterscheidet sich voneinander allein durch die Eitelkeit, welche der letztern Weise beiwohnt.“ (4. Zitat)

Was er damit sagt ist, Leute, die sich hinstellen und sagen: „Ich glaub dir nicht, weil du willst das behaupten. Ich bin der Überzeugung und ich glaube mir selbst und ich glaube meinen eigenen Einsichten.“ Da ist keineswegs eine Garantie dafür, dass man auf der richtigen Seite ist, aus dem einfachen Grund, weil man die simpelsten und abgetragensten Vorurteile schmücken kann mit dem Attribut: „Aber ich glaube daran!“. Also Personen, die sich nichts sagen lassen von staatsmännischen Leuten im Zusammenhang mit der Europäischen Union, zum Beispiel, dass die EU gut für Österreich sei, oder für die Politik sei, sind der festen Überzeugung und sind damit scheinbar autonom, wenn Sie sagen: „Die EU raubt uns unsere Joghurtproduktion!“ und davon sind Sie überzeugt. Dass Sie diese Form von Überzeugung haben, zeichnet sie nicht aus als wünschenswerte StaatsbürgerInnen nur dadurch, dass sie eine Überzeugung haben, sondern - darauf läuft das alles hinaus was Hegel an der Stelle sagt - diese persönlichen Überzeugungen müssen einem Bildungsprozess unterworfen werden. Es reicht nicht, dass ich davon überzeugt bin, es muss Kriterien und Objektivität geben, an der die eigene Überzeugung und die eigene Autonomie getestet wird und der Bildungsprozess für Hegel besteht nun genau darin, dass die eigenen Überzeugungen, die man so mitbringt, zerbrechen an Fremdinhalten, die in einer anderen Betrachtungsweise heteronom sind, die einem aufgedrückt werden, von denen gesagt wird: „Schön und gut, du glaubst dass das so ist. Du bist sogar davon überzeugt, dass das so ist, aber ich sage dir, du musst zunächst einmal das studieren, bevor du überhaupt das Recht hast irgendwas zu behaupten!“. Das ist ein Prozess der Bildung, in dem die Investition der einzelnen Person gecheckt wird und auch in einem gewissen Sinn zerstört wird durch Bestandteile des toten Geistes, der den Weg vorangegangen ist und das ist der Grund warum Bildung… In einer früheren Vorlesung habe ich schon darauf hingewiesen, dass Thomas Auinger hat genau an dieser Stelle einen Beitrag geschrieben, wo er sagt: „Bildung nach Hegel ist Betrug!“ Es ist der Betrug, der darin besteht, dass Leute, die der Auffassung sind, sie können mit ihrer Autonomie bestimmte Behauptungen festhalten, gezwungen werden, etwas zu studieren und etwas festzuhalten, was sie nicht plausibel finden, was sie nicht selber erarbeitet haben. Sie tun so, als ob sie das verstehen würden, in Wirklichkeit sind sie aber fremdbestimmt durch Inhalte des objektiven Geistes, mit denen sie sich identifizieren, damit sie gebildet aussehen. Das heißt, das sind diese ganz unerträglichen - wovon Hegel zwar nicht direkt redet, aber ich glaube, dass es ihn nicht falsch darstellt, wenn man die Sache so sieht - dieser unerträgliche Smalltalk nach dem Theaterabend, der darin besteht, dass Leute der Auffassung sind, sie gehen ins Theater und damit sind sie Teil des entsprechenden In-Zirkels und was sie dort hören und tun, übernehmen sie von dem Bestand des Bildungswissens, was in den Kritiken steht, etc. Dieser Smalltalk, der der Bildungstalk ist, der ist, nach Hegel unter dieser Betrachtungsweise, gerade das Problem und keineswegs die Lösung.

Schlusswort

Ich ende damit und setze das das nächste Mal fort, dass ich Ihnen den besonders nachdrücklichen Nachweis hier noch kurz mal sage, warum und wie das bei Hegel so ganz anders läuft, als man sich das vorstellen könnte, wenn Sie sich anschauen, wie die Kapitel in der Phänomenologie des Geistes verteilt sind: Ich habe Ihnen schon gesagt frühes Christentum, Mittelalter, etc. Das geht im Prinzip der abendländischen Geschichte nach. Es gibt ein eigenes Kapitel Bildung, abgesehen davon, was ich Ihnen in der vorigen Einleitung zitiert habe und dieses eigene Kapitel Bildung heißt erstens „Die Welt des entfremdeten Geistes“ - Bildung ist die Welt des entfremdenden Geistes - und zweitens findet sich dieses Kapitel Bildung vor der Aufklärung, zwischen Mittelalter und Aufklärung. Das heißt die Überwindung der Bildung und der Entfremdung des Geistes ist eigentlich die Vorraussetzung, die vorausgesetzte Stufe, damit wir in einen Aufklärungsprozess hinein können. Die Bildung ist nach dieser hegelianischen Betrachtungsweise von der Hypothek getroffen, dass sie systematische Entfremdung von Personen enthält. Kurz und anders gesagt: Das ist eine Theorie der Unbildung, die schon einsetzt lange vor dem, was wir heute vielleicht haben.