Diskussion:Einstimmung (ZuK)

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Was immer die Quelle des jeweils neuen Seins bleibt, heißt das Jetzt bzw. die Gegenwart. Die Schwierigkeit, die Lebendigkeit des Jetzt, die lebendige Gegenwart zu begreifen, weist sich darin aus, daß sie seit dem antiken Griechenland, besonders seit Aristoteles, traditionell negativ" bestimmt war und ist.


Der Satz ist nicht ganz verständlich. Ist das gemeint: "Was immer die Quelle des jeweils neuen Seins bleibt, heißt 'das Jetzt' bzw. 'die Gegenwart'." ?

Warum nicht: "Die Quelle des jeweils neuen Seins heißt Gegenwart"? Dann wäre diese Behauptung von der komplizierten Zeitstruktur "was immer ... bleibt" getrennt. Das wäre sinnvoll, weil es sich um 2 unterschiedliche Thesen handelt:

  • die Quelle des jeweils neuen Seins heißt Gegenwart
  • diese Quelle ist so beschaffen, daß sie es immer bleiben wird

Der Inhalt der ersten Behauptung kann separat erläutert und diskutiert werden. --Anna 16:57, 27. Jan 2005 (CET)


Die Idee ist doch, dass man "jetzt" als "nicht vergangen und nicht zukünftig" bestimmt. Und das kontrastiert mit "Lebendigkeit", welche nicht negativ sein soll. Der Begriff der "lebendigen Gegenwart" als "Quelle neuen Seins" ist nicht selbstverständlich. --Anna 10:49, 2. Feb 2005 (CET)


Anna, Du hast recht, wenn Du den ersten Satz in die zwei Thesen unterscheidest, um ihn analytisch zu erläutern. Aber, ich wollte, wenn ich Dir über meine Intention ihrerseits Rechenschaft geben darf, mit der Komplikation des ersten Satzes gerade jene der Sache selbst, die der zweite Satz als ?die Schwierigkeit? erwähnt, ausdrücken. Denn hier geht es nicht um zwei je einzeln zu betrachtende Eigenschaften des Jetzt, das seinerseits ihr substanzieller Träger sei, sondern ist gerade die Komplikation, in die sich diese zwei Charaktere ineinanderflechten, nichts anderes als das Wesen des Jetzt. Das hätte ich doch erklären können, indem ich zuerst den Satz in zwei gliedern und beide je einzeln analysieren, dann sie wieder in eins zurück bringen würde. Daraus hätte sich aber ein anderer ganzer Text ergeben, damit die Komplikation als solche wieder zu Atem kommt ( Hier bleibt es aber auch noch zu fragen, ob es überhaupt möglich ist, aus je thematisierten Teilen ein unthematisierbares Ganzes zu konstruieren. Was heißt das Ganze als Jetzt? Vgl. ?Erzählen? ?Ereignis, Erhabenheit? ). Deshalb habe ich mich, statt den Weg, auf den Du mir mit Recht hingewiesen hast, zu begehen, damit abgefunden, mit dem zweideutigen Satz auf die Problematik nur anzudeuten. --Aki 21:58, 6. Feb 2005 (CET)


Damit bin ich einverstanden: es gibt Fälle, in denen man eine komplexe Behauptung nicht auseinandernehmen kann, ohne den Sinn zu verfälschen. Ein schönes Beispiel sind z.B. Umweltprobleme, bei denen gerade darauf zu achten ist, wie die Faktoren zusammenspielen.

Aber hier fällt es mir schwer. Es soll vom "Wesen des Jetzt" die Rede sein. Das kenne ich nicht, darum lese ich den Ausdruck so, dass er durch den Kontext definiert wird. Was drum herum steht, legt fest, was man unter diesem "Wesen" zu verstehen hat.

Das ergibt: das Wesen des Jetzt besteht darin, immerwährend Quelle neuen Seins zu sein. Es fällt mir schwer, dazu etwas zu sagen, gerade weil ich das Wesen des Jetzt nicht kenne. Darüber können wir vielleicht weiter sprechen. Abgesehen davon folgt aus dieser Wesensdefinition aber noch keine "Schwierigkeit". Dass es so sei ist vielmehr eine nächste These. Inwiefern hängt die Doppelbestimmung des ersten Satzes mit der Schwierigkeit des zweiten zusammen?

Zuerst wird definiert, dann wird gesagt, dass jemand Schwierigkeiten mit dem so Definierten hat. Warum ist es eine Schwierigkeit, etwas negativ zu beschreiben? ("Das Zimmer ist ungeheizt.") Gemeint ist wohl: wir können uns der "Lebendigkeit" nicht einfach nähern. Doch die Lebendigkeit ist offenbar vorausgesetzt, das ist mit Quelle des Seins angesprochen. Wo kommt sie her, was versteht man darunter, wer spricht davon? Du sagst es selbst: "Was heißt das Ganze als Jetzt?" Kann man mit "Ereignis" beginnen? --Anna 19:48, 8. Feb 2005 (CET)


Hier eine einschlägige Passage zur traditionellen Auffassung des Jetzt, genannt Itzt, aus dem ersten Kapitel von Hegels "Phänomenologie des Geistes". --Anna 11:09, 9. Feb 2005 (CET)


Das Jetzt bleibt und ist doch ständig neu. Die Antinomie, daß das Jetzt zugleich identisch und nicht-identisch ist, die seit Aristoteles wiederholt diskutiert ist, nenne ich das Wesen des Jetzt. Die Schwierigkeit, die ich im Text anspreche, liegt also darin, dieses Wesen als solches zu sehen. Das Bleiben kann allein keine Eigenschaft vom Jetzt sein, und das gilt auch für das Ständig-neu-sein. Das Jetzt kann nicht als ein Substrat betrachtet sein, das diese beiden Eigenschaften trägt, so wie ein Mensch, der ein Österreicher und auch ein Student ist, aber eventuell nur ein Östereicher und kein Student oder umgekehrt bzw. weder dieses noch jenes sein kann. Das Jetzt ist an sich nichts aber doch ereignet sich alles in ihm. Traditionell ist das so erklärt, daß das möglich ist, indem das Jetzt als die Form des sich Ändernden, des Bewegten, identisch bleibt. Das Jetzt ist selber kein Seiendes, und in diesem Sinne nichts und bleibt so als beständiger Horizont jedes Seienden. Das Jetzt in diesem Sinne ist dann doch etwas, das bleibt und selber nie neu, nie einmalig sein kann. Traditionell hat also der Identisch-Charakter des Jetzt den Vorrang und macht es zu einem Substrat. Dieses Substrat, welches als das Jetzt "die Zeit überhaupt vorstellt", nannte Kant "die Substanz" als "das Beharrliche": die vorgestellte Zeit als die Form jedes Gegenstandes. Kann diese Zeit als lebendig bezeichnet werden? Hier sind wir wieder am Ansatz.--Aki 12:45, 21. Feb. 2005 (CET)


Ich finde das einen sehr dichten philosophischen Absatz, der die Problemsicht in einigen klassischen philosophischen Debatten gut wiedergibt. Allerdings ist mir die Selbstverständlichkeit, mit der hier über "das Jetzt" gesprochen wird, nicht gegeben. Ich kann einigen Aussagen zustimmen, andere scheinen mir ohne Begründung zu einem Gesamtbild vermischt.

  • Es wird an unser Sprachverständnis appelliert. Wir können immer "jetzt" sagen und wissen, dass sich dazwischen etwas geändert hat. Wir können dem dabei gebrauchten Wort "jetzt" die ständige Anwendbarkeit und die Neuartigkeit nicht auf dieselbe Weise zuschreiben, wie einer Person die Eigenschaften "Österreicher" und "Student". "Jetzt" ist kein Ausdruck, mit dem wir uns auf Dinge oder Sachverhalte beziehen. Das sind richtige/wichtige Bemerkungen.
  • Da unser Sprachgebrauch so beschaffen ist, hat "jetzt" kein Substrat. Ja, genau. Es ist ein indexikalischer Ausdruck, mit dem wir uns (in einem vorausgesetzten zeitlichen Bezugsrahmen) auf unterschiedliche Zeitpunkte beziehen. So wie wir sagen "timaios.philo.at", wobei dieser Name sich auf ganz verschiedene Maschinen zutreffen kann. (Das ist die Pointe des "Domain Name Systems".)
  • Nun verweigere ich allerdings den großen Sprung, von diesen Beobachtungen ausgehend vom "Wesen des Jetzt" zu sprechen. Damit wird aus "jetzt" das Jetzt und dieser Quasi-Gegenstand erhält auch noch ein "Wesen". Statt dass versucht wird, die Funktionsweise dieses Ausdrucks zu beschreiben.
  • Wie gesagt: unter Punkt 1 ist Wichtiges zu dieser Funktionsweise gesagt, insbesondere was die Nicht-Gegenständlichkeit betrifft. Verwirrend wird es, wenn man sich in Betrachtungsweisen verwickelt, die "dem Jetzt" doch ein Substrat zuordnen, das sich durch paradoxes Verhalten im Hinblick auf Identität und Nicht-Identität auszeichnet. (Wie das bei Kant ist, müßte ich nachlesen. Richard Heinrich weiß das sicher genauer.)
  • Ein kurzes methodologisches Glaubensbekenntnis. Im Hintergrund von Akis Argumentation sehe ich ein heideggerianisch-dekonstruktives Verfahren. Es legt die philosophische Tradition auf vergegenständlichende Denkweisen fest, die durch "Verzeitlichung", Ereignishaftigkeit u.a. dynamisiert werden. Dem gegenüber sehe ich die Aufgabe darin, unser Sprachverständnis zur Geltung zu bringen und von den massiven Überformungen zu befreien, die ihm traditionell aufgesetzt worden sind (Wittgenstein). --anna 16:31, 26. Feb 2005 (CET)

Zuerst möchte ich Eines klarstellen: im ersten Abschnitt meines Textes geht es um die Bestimmung des traditionellen Verständnises von „jetzt / dem Jetzt“. Wenn wir also mit dem Ausdruck „das Wesen des Jetzt“ an den Ansatz meiner Betrachtung aufgerufen sind, sollten wir nur noch erst bereit sein, bewußt des metaphysischen Lasters (Nicht von ihm befreit. Denn ist es überhaupt möglich?) über jenes wieder nachzudenken, das traditionell „Wesen“ genannt ist. Das Wesen bedeutet geläufig das, was etwas als solches ausmacht: sein Was. Daher werden wir doch verlockt,.zu fragen: was ist das Was von jetzt / dem Jetzt? Fragen wir so, dann sind wir schon in der gegenständlichen Vorstellung, die Anna bei ihrem Versuch mit „unserem Sprachverständnises“ vermeiden will.

Auch Heidegger weicht der Vergegenständlichung von jetzt aus, gerade in Rücksicht auf die „Funktionseweise dieses Ausdruckes“. Er betont oft, daß die Angabe des jetzt immer unthematisch ist:

"Wenn wir nicht reflektierend im alltäglichen Verhalten auf die Uhr sehen, sagen wir immer, ob ausdrücklich oder nicht, ‚jetzt’. Aber dieses Jetzt ist kein nacktes, pures Jetzt, sondern es hat den Charakter des ‚ jetzt ist es Zeit zu...’, ‚jetzt ist es noch Zeit bis...’, ‚jetzt hat es noch Zeit bis...’. Wenn wir auf die Uhr sehen, und ‚jetzt’ sagen, sind wir nicht auf das Jetzt als solches gerichtet, sondern sind wir auf das, was wir uns beschäftigt sind, wovon wir bedrängt sind, was seine Zeit haben will, wofür wir Zeit haben wollen." (Die Grundprobleme der Phänomenologie, S.365)

Für Heidegger drückt ‚jetzt’ jenen Horizont des Erscheinen eines Seienden aus, der selber unthematisch bleibt, um etwas Anderes zu zeigen. Das ist das Grundverhalten des Daseins, dessen Sein zeitlich ist: das Gegenwärtigen. Der Metphysik-kritik Heideggers nach liegt also der entscheidende Fehler bei der Interpretation von jetzt darin, diesen Horizont-charakter von jetzt nicht zu sehen und die Zeit, die als die Zeit-ekstasen erst etwas zeigen soll, nur als Folge von Jetzt-Punkten, die je schon gegenständlich sind, zu verstehen (Als ein Ausdrucksvariant von der Zeit qua Jetzt-Punkten wird im §82 von Sein und Zeit „das angeschaute Werden“ von Hegel kritisiert. ).

Hier sollte sich die Frage stellen, wie die Zeit als Ursprung von jedem Etwas zum Ausdruck zu bringen ist. Auf diese Frage ist eine Antwort nötig, weil wir uns sonst nur mit der Beschreibung des Gegenständlichen abfinden müssen. Ist es aber überhaupt möglich, auf diese Frage mittels „unseres Sprachverständnises“ zu antworten? Hat Husserl nicht recht, wenn er in Bezug auf die absolute Subjektivität sagt: „Für all das fehlen uns die Namen“ (Husserliana X-75)? Mußte auch Donald Davidson, um das Paradox zu vermeiden, von vornherein die Selbst-prädikation von seinem Sprachsystem nicht ausschließen, so daß er sich letztendlich nur mit der gegenständlichen Welt beschäftigt hat?

Außerdem muß ich mich fragen, wer das „unser“ von „unserem Sprachverständnis“ ist? Sicher gehöre ich als Nicht-deutschsprachiger ihm nicht an. Oder vielleicht doch halbwegs? Sicher ist, daß dieses „unser“ sein Außen hat, dem ich auch angehöre. Wenn wir uns auf „unser Sprachverständnis“ zu sehr verlassen würden, würden wir uns nicht wieder auf den Weg zu dem Geist von Hegel begeben? --Aki 08:10 20.April 2005 (CET)


  • zum "Laster des Wesens"

Mit Heidegger und Derrida bin ich bereit, mich auf dieses "Laster" einzulassen. Das heißt: bereit sein, mit Hilfe der Was-Frage abstrakte Vergegenständlichungen durchzuführen und zuzusehen, was dabei herauskommt. Das führt schnell zu Formulierungen wie "traditionell fasst man das Wesen als ...". Hier empfiehlt sich Vorsicht. Was dabei als "die Tradition" aufgerufen wird, ist selbst ein eigentümliches Konstrukt (die antiken Skeptiker, Hume, Montaigne, Kierkegaard, Mach ...?). Vor allem möchte ich verhindern, dass unter diesem Titel hoch-artifizielle Konstrukte der Philosophiegeschichte herbeizitiert und als Beispiele von "tiefem Denken" eingesetzt werden.

  • zu "unser Sprachverständnis"

Aki spricht einen wesentlichen Punkt an. In meiner Argumentation im vorigen Beitrag spielt dieses Sprachverständnis tatsächlich eine methodisch zentrale (und kritisierbare) Rolle. Aber ich habe es nicht ohne Grund in die Diskussion eingeführt. Aki schreibt

Das Jetzt kann nicht als ein Substrat betrachtet sein, das diese beiden Eigenschaften trägt, so wie ein Mensch, der ein Österreicher und auch ein Student ist, aber eventuell nur ein Östereicher und kein Student oder umgekehrt bzw. weder dieses noch jenes sein kann.

Das lege ich mir so zurecht: Wir sprechen vom "Jetzt", aber dabei müssen wir gewisse (semantische) Regeln beachten. Insbesondere ist "das", worauf wir uns mit diesem Wort beziehen, nicht von der Art, dass wir ihm "...ist beständig" und "...variert" als Eigenschaften wie "... ist Österreicherin" und "...ist Studentin" zuschreiben könnten. Auch Aki trifft, soweit ich die These seines Zitates verstehe, Annahmen über "unseren Sprachgebrauch". (Zumindest diese: er richtet sich - zur Exposition - nach den betreffenden metaphysischen Umständen.)

Aki fragt, ob es möglich sei, die Verwicklungen hinsichtlich "des Jetzt" durch einen Rückgriff auf "unser Sprachverständnis" zu klären. Sicherlich ist dieser Begriff alles andere als wohldefiniert. ("Agnes lebt ausschließlich im Jetzt.") Rückfrage: Wie sollen wir denn an das Thema herangehen? Der kunstvolle Aufbau von Aporien (die sich dann freilich dem "gewöhnlichen Verständnis" entziehen) ist bisweilen interessant und hilfreich, öfters wird er suggestiv als philosophischer Sonderjargon eingesetzt. --anna 11:20, 20. Apr 2005 (CEST)



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