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Pierre Bourdieu, Verteidigung der Autonomie und eines neuen Aktivismus

von Fréderic Lebaron

Der Text geht auf den Begriff „Bourdieu politique“ ein, der oft in der Öffentlichkeit und in den Wissenschaft verwendet wird, ohne, dass bisher viel über den Begriff nachgedacht wurde oder dieser eine genaue Erklärung für den besseren Gebrauch erhalten hätte. Vor allem sei der Begriff im Dezember 1995 entstanden, als Bourdieu lautstark den damaligen Streik unterstütze. Der Autor verteidigt gegen oppositionelle Gegner Bourdieus den Begriff „Bourdieu politique“, um gegen eine Depolitisierung des wissenschaftlichen Werks Bourdieus aufzutreten und um die Aktionen und das Engagement Bourdieus als „politisch“ motiviert aufzuheben. Diese Interpretation deute nur, dass Bourdieu machtpolitische Zwecke verfolge, die nur temporär und auf seine Person bezogen seien. Fragen der Spannung zwischen der Autonomie der wissenschaftlichen Recherche und der politischen Wirkkraft sollten bei Bourdieu nicht ausgeblendet werden. Die Fragen der Autonomie des Forschers, seiner Beziehung zu den sozialen Bewegungen oder des intellektuellen Aktivismus sollten so gedacht werden, dass sie sich innerhalb eines Programms von Forschung und Aktion Bourdieus befinden, und, dass sie auf eine radikale Art und Weise die Opposition zwischen scholarship und commitment in Frage stellen. Bourdieu s intellektuell-politische Tätigkeit gehe bereits zurück auf die 1950er Jahre und war schon damals fest verankert mit seiner Tätigkeit als Forscher, in Verbindung mit historischen Ereignissen (Algerien Krieg, Mai 68, Machtübernahme der Linken 1981, polnische Gewerkschaftsbewegung, Golfkrieg, Streikbewegung Ende 1995, etc.) sowie mit Problemen von entscheidender Bedeutung wie der Beziehung des Intellektuellen mit den unteren Klassen, Fragen der politischen Repräsentation oder der männlichen Herrschaft. Autonomie Die vielen Interpreten von „Bourdieu politique“ würden vergessen, wie sehr Denken und Aktion bei Bourdieu daran geknüpft ist, dass sie darauf abzielt die einzelnen Felder der Kultur in ihrer Autonomie zu verteidigen, vor allem gegen die Einflussnahme durch die Wirtschaft. Eine besondere Rolle spiele dabei das eigene Feld der Sozialwissenschaften. Daher sei der Bezug Bourdieus nicht die Politik gewesen, mit den Kategorien von links und rechts, sondern ein viel komplexeres Ganzes, das aus unterschiedlich unabhängigen Feldern bestehe, die analog und gegenseitig interdependent funktionieren würden. Die Teilnehmer des politischen Feldes würden es oft verabsäumen, die soziale Welt zu verstehen, indem sie Handlungsweisen nicht abschätzen könnten bzw. den politischen Konsequenzen ihres Handelns nicht bewusst seien. So sei das Feld der Biologie nicht einfach durch Wahlen oder durch reine Hierarchien geregelt, sondern die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen würden in einem Spiel von Argumenten und Beweisen, die dem wissenschaftlichen Feld der Biologie eigen seien, ausgetragen. So sei die Biologie nicht einfach unpolitisch, was z.B die Behandlung von Aids in ärmeren Ländern betrifft oder ihre Konfrontation mit den Gesetzen der Wirtschaft. In den letzten Jahren seines Lebens widmete sich Bourdieu vor allem dem Engagement gegen einen globalisierten Kapitalismus, welche von außen Bestimmungen in das Feld der Wissenschaften auszuüben begann. Das Prinzip der Autonomie sei dadurch gefährdet gewesen. So lehnte sich Bourdieu gegen die Aneignung der internationalen Unternehmen der kulturellen Felder wie Kino, Literatur oder Kunst auf. Ab 1998 begann er sich mit den Medien auseinanderzusetzen, die nach seiner Meinung sich das Recht über Leben und Tod von kulturellen und wissenschaftlichen Produktionen zu entscheiden angeeignet haben. Die Annehmlichkeiten zwischen Verlegern, Journalisten und Essayisten würden abweichende Formen des Denkens verbergen und Möglichkeiten des politischen Handelns versperren. So hat Bourdieu selbst interveniert, indem er dazu beigetragen hat, dass „Raisons d´agir“ als alternatives Medium gegen die mediale doxa gegründet wird. Soziale Bewegungen und neuer Aktivismus Es war wohl sein eigener Bereich der Soziologie bzw. seine Komplizenschaft, das Bourdieu dazu verleitet hat, die Zwänge, die die sozialen Felder hervorbringen, radikal zu hinterfragen. So hat er die Opposition zwischen autonomer wissenschaftlicher Produktion und einem Aktivismus mit den sozialen Bewegungen nicht verteidigt. Trotz seiner Übergriffe in die sozialen Bewegungen und politischen Angelegenheiten, hat Bourdieu die strengen Methoden der Soziologie nicht für politische Zwecke instrumentalisiert. Die Intervention in den öffentlichen Raum stellen sich bei Bourdieu im Verhältnis zur wissenschaftlichen Unabhängigkeit als zweitrangig heraus. Bourdieu macht eine Art „bonne sociologie“, die sich durch komplexe Techniken und Methoden auszeichnet. Auch nach den Grenzen des Wissens sollte nach Bourdieu gefragt werden, denn die Wissenschaft dürfe sich in ihrer Autonomie nicht wie eine Sekte ideologisch abschotten. Innerhalb einer sozialen Welt, wo die Medien und die Wirtschaft entscheidende Bedingungen aufstellen wollen, dürfe die Wissenschaft nicht dazu neigen in Abstand zu gehen. Nach der Frage wie der Forscher mit den Medien und den wirtschaftlichen Kriterien der Publikation umgehen soll, deren Hegemonie er doch bekämpft, hat Bourdieu keine dogmatischen Antworten gegeben. Denn es gehe um die Inhalte und darum, dass die Bedingungen der medialen Ausstrahlung keine Effekte der Zensur produzieren. Mediale Aufmerksamkeit erregte Bourdieu bei den Streikbewegungen vom Dezember 1995, um gleichzeitig eine engere Zusammenarbeit zwischen Forschern und den sozialen Bewegungen zu propagieren. Das, was Foucault als „travail ensemble“ bezeichnet, manifestierte sich bei Bourdieu durch seine Unterstützung der Gründung Groupe des Dix und der sogenannten militants libertaires. Man bekomme den Anschein, dass er sein symbolisches Kapital als Forscher verwerte und instrumentalisiere und eher einem Hyper- Eifrigen gleiche, wenn er alle möglichen oppositionellen Bewegungen versammelt, um ein „mouvement social européen“ zu schaffen. Das Wesentliche seiner Botschaft bestehe darin, dass Forschungen und autonome Produktionen der Kultur gefördert und verbreitet werden, dass institutionalisierte Gebräuche und Rituale nicht als fix gedacht werden dürfen und, dass die Kooperation zwischen Forschern und Aktivisten aufgebaut wird.