Wolfgang Detel: Forschungen über Hirn und Geist

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06/2004 Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 891-920

Geist und Neurobiologie

Wie steht der Geist zur neurobiologischen Realität? Das ist bei Detel die zu behandelte Frage, er versucht einen ersten „Einstieg zu offerieren“ – denn mehr kann er aufgrund der Komplexität des Themas gar nicht geben. Zunächst stellt er dar, dass sich innerhalb der (analytischen) Philosophie ein Externalismus durchgesetzt hat, d.h. es „bricht der scharfe Unterschied zwischen begrifflichen Analysen und empirischen Beobachtungen zusammen […].“ Daher es auch möglich, dass Neurowissenschaftler und Philosophen überhaupt erst miteinander reden können. Wie unproblematisch sind die Sätze der Hirnforscher, wie unabhängig (von alltagspsychologischer Sprache) können sie ihre Forschung betreiben? Denn sehen Neurobiologen ins Gehirn, dann erblicken sie zunächst nichts, was irgendwie mit geistigen Eigenschaften zu tun haben könnte. Sie benötigen in ihren Experimenten Berichte von Versuchspersonen der Ersten-Person-Perspektive, so ist verständlich, warum man zu zwei parallelen Beschreibungssystemen kommt. Für Detel ist eine Trivialität, dass Hirnforscher nicht freistehend und angewiesen auf andere wissenschaftliche Zugänge zum Geist sind.

Geist definiert er als spezielle Eigenschaft, und das heißt „im Wesentlichen, dass einige der neuronalen Aktivitätsmuster beteiligter Gehirne und vielleicht auch andere physische Zustände die Eigenschaft haben, bewusst oder repräsentational oder beides zugleich zu sein.“

Mentale Phänomene (wie z.B. Wahrnehmung oder Denken) besitzen einen semantischen Gehalt. Ab welcher Ebene einer Beschreibung des Mentalen ist es sinnvoll von Repräsentationalität zu sprechen? Auf einer untersten Ebene von Repräsentationalität als „regelmäßige kausale Verknüpfung zwischen externen Fakten und neuronalen Aktivitätsmustern im Gehirn“ zu sprechen ist nach Detel vielleicht möglich, aber nicht sinnvoll, da diese Redeweise inhaltsleer ist – sie vermittelt uns nichts über spezifische geistige Aspekte. Einen Gedanken zu haben, heißt nicht, dass er schon etwas repräsentiert, er kann ja falsch sein und daher ist es für Detel nicht förderlich dies schon als Repräsentationalität zu bezeichnen. Will man nicht loslassen vom Begriff der Repräsentationalität, dann ist es sinnvoll zwischen Repräsentationalität A (elementare Ebene) und Repräsentationalität B (geistige Ebene) zu unterscheiden. Zweiteres wird für die Erforschung des Geistes relevant sein.

Historisierte externalistische Semantik

Damit muss man aber über die Hirnforschung hinausgehen, es bedarf einer umfassenden Analyse, berücksichtigt werden muss die Evolution, historische Phänomene und eine individuelle Lerngeschichte - Bedeutungen liegen nicht nur im Hirn, es bedarf einer Externalistischen Analyse. Aufgrund einer evolutionsgeschtlichen Überlegung, kommt Detel zum Schluss, dass „ein Ding eine echte Funktion auf Grund seiner Reproduktionsgeschichte und nicht auf Grund seiner aktuellen Disposition oder seiner aktuellen Performanz.“ Es ist die historische Dimension eines Begriffs der echten Funktion, der entscheidend ist. „Wann immer Gehirne von Organismen diese echten Funktionen haben, können wir sagen, dass die produzierten mentalen Episoden oder Zeichen diejenigen externen Zustände, auf die sie der echten Funktion ihrer Produzentengehirne nach isomorph abbildbar sein sollen, repräsentieren […].“

Natürlich kann eine historisierte externalistische Semantik nicht ohne Biologie und Psychologie auskommen, um geistige Phänomene zu erforschen, aber sie trägt dazu bei, ein besseres Verständnis von Repräsentationalität zu erlangen. Konsequent fortgedacht lässt sich mithilfe dieser Semantik sagen, dass die Supervenienzbasis von repräsentationalen Eigenschaften größer ist als das jeweilige Hirn.

Im Weiteren beschäftigt sich Detel mit denen von Singer und Roth vorgeschlagenen Lösungen bzw. deren zugrunde liegenden Probleme. Die Einwände beider sind berechtigt, ein Reduktionistischer Materialismus besitzt zweifelsohne große Probleme, genauso wie eine dualistische Lösung. Aber beide verschärfen die Situation, indem sie einige Zusatzannahmen machen. Insbesondere die Lösungsvorschläge seinen nach Detel theoretisch karg: es gibt mehr als nur ontologischen Dualismus, Panpsychismus und reduktiven Physikalismus (das ist das Variantenspektrum bei Singer). Das was Roth entwirft ist ein Typen-Dualismus, was für Detel ein guter Beginn ist, aber nicht zufrieden stellt. Da z.B. Roths Annahme der vollständigen kausalen Bedingtheit des Geistes durch Gehirnzustände nicht haltbar ist, u. a. deswegen, weil sie in Bezug zur Repräsentationalität falsch ist. Generell sollten wir uns nicht „mit der These zufrieden geben, dass wir uns und unseren Geist auf zwei ganz verschiedenen Ebenen erfolgreich und irreduzibel beschreiben können, dass wir es jedoch offen lassen können, wie diese beiden Beschreibungssysteme miteinander zusammenhängen […].“


Deutsche Zeitschrift für Philosophie (FiK)


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Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)

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