Wittgenstein über Kalkül (Code)

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Aus Wittgensteins Manuskripten 1930/31

MS 109, S. 221 ff

Was heißt es ein Gesetz in einer Reihe von Erscheinungen wahrnehmen?

Der Ausdruck einer allgemeinen Regel ist auch ein Zeichen das in einem Kalkül gebraucht werden muß (nur anders als andere Zeichen).

Die Grammatik besteht aus solchen allgemeinen Regeln. Und es ist nichts zwischen dem Ausdruck dieser Regeln und dem Resultat ihrer Anwendung.

Was geschieht wenn wir die allgemeine Regel die eine Reihe von Fällen beherrscht herausfinden und anschreiben? Wenn ich etwa die Fälle 1/1, 2/4, 3/9 sehe und sage die Regel sei n/n2

Wenn ich aber nun von der allgemeinen Regel Gebrauch mache, wie kommt sie in diesem Gebrauch vor? Wenn ich z.B. a a c b nach der Regel

        a | d
        b | e
        c | f

in d d f e übersetze ---

In welcher Weise mache ich von dem Zeichen der allgemeinen Regel Gebrauch? Da ist es klar daß dieses Zeichen (wieder) nicht magisch wirkt oder wie ein medizinisches Mittel; sondern es hat nur Sinn im Gegensatz zu anderen Zeichen desselben Systems etwa

        a | r
        b | s
        c | t.
Vgl. die schon im Zusammenhang mit Husserl von A. Kirchner erwähnten Regeln der Symbolersetzung. Diskussion:Warum jener mechanische Prozeß richtige Ergebnisse erzeugt (Code) Wittgensteins Perspektive ist nicht die Legitimierbarkeit formaler Verfahren, sondern die vorausliegende Frage, wie man (automatischen) Abläufen Sinn zusprechen kann. Das scheint genau das andere Ende von Heideggers Sinnzusammenhang zu sein.

Das muß sich auch zeigen wenn ich mir z.B. etwas notiere und mit Zeichen die gewöhnlich nicht in Gebrauch sind. Ich wollte mir etwa rasch die Zahl der männlichen und weiblichen Hörer im Zimmer notieren und machte dazu für jeden Mann ein Kreuz für jede Frau einen Strich ins Notizbuch; auch diese Notiz ist eine solche nur in einem System, das ich mir geschwind für mich zurechtgelegt habe.

Siehe da: der "Bewandtniszusammenhang" ist berücksichtigt. Er heißt hier "System" und Wittgensteins Beschreibung der Ortsverweisung läuft parallel zu Heideggers Auto-Beispiel.

Auch jede Erklärung die ich gebe (welcher Art immer) ist eben eine Erklärung die sagt daß es so ist im Gegensatz zu einem anderen Fall, daß es so ist (und nicht anders). Dieses so muß eben in einem Raum von anderen Möglichkeiten gesehen werden. Es ist der Fall des Zeigens an einen Ort, wenn man etwa sagt „hier ist ein roter Fleck”. Dieses Zeigen zeigt an einen Ort im Gegensatz zu anderen Orten oder richtiger im Gegensatz zum übrigen Raum. Der Hinweis durch das Zeigen muß als ein Fall in einem System von Hinweisen, oder des Hinweisens, verstanden werden.

Aber kann ich ein System als solches verstehen ohne mich in ihm zu bewegen? Andrerseits aber erschöpft doch keine Bewegung die Möglichkeiten des Systems? Brauche ich also wirklich eine Bewegung um das System zu verstehen? Es ist der analoge Fall der Erklärung eines formalen Gesetzes durch die Aufzählung einiger Glieder einer Reihe etwa 1, 8, 27, 64,

Natürlich das Zeichen eines Satzsystems bezeichnet es nur im Gegensatz zu anderen Systemen und setzt selbst ein System voraus. (Interne Relation die nur besteht wenn ihre Glieder da sind.)

Ich überlege mir, der wievielte heute ist und sage mir in Gedanken vor: „Montag der 10te Dienstag der 11te Mittwoch der 12te Donnerstag der 13te”. Und schreibe die ‚13’. Bei Montag der 10te schwebt mir vor eine Einladung die ich für diesen Tag hatte, und derentwegen ich mir dieses Datum gemerkt hatte.

Vgl. Husserls unklare Gedanken, vermischt mit schematisierten Gedächtnishilfen. Auf der einen Seite eine Psycho-Phänomenologie, auf der anderen eine systematisch gerahmte Ordnung. Und eine Überkreuzung zwischen beiden.

Das Denken als Ganzes und seine Anwendung geht sozusagen automatisch vor sich. Wieviele Zwischenstufen ich auch zwischen den Gedanken und die Anwendung setze, immer folgt eine Zwischenstufe der nächsten und die Anwendung der letzten ohne Zwischenglied. Und hier haben wir den gleichen Fall, wie wenn wir zwischen Entschluß und Tat durch Zwischenglieder vermitteln wollen.

Die Verbindung unseres Hauptproblems mit dem epistemologischen Problem des Wollens ist mir schon früher einmal aufgefallen. Wenn in der Psychologie ein solches hartnäckiges Problem auftritt so ist es nie eine Frage nach der tatsächlichen Erfahrung (eine solche ist immer viel gutmütiger) sondern ein logisches, also eigentlich grammatisches Problem.

Warum die grammatischen Probleme so hart und scheinbar unausrottbar sind weil sie mit den ältesten Denkgewohnheiten d.h. mit den ältesten Bildern, die in unsere Sprache selbst geprägt sind, zusammenhängen.

Ich habe eine bestimmte Vorstellung, und dann kommt jemand zur Tür herein. Aber warum nenne ich nun die Vorstellung die ich hatte „die Vorstellung daß dieser Mensch zur Tür hereinkommen werde”? Aber so verwenden wir die Sprache eben.

Das ist zu beziehen auf Derridas Ausführungen zu Vorstellung und Repräsentation (im Anschluss an Husserl und dessen Vorstellung im "inneren Seelenleben".

Ms 110, S. 201 ff

Was für das Wort „Sprache” gilt muß auch für den Ausdruck „System von Regeln” gelten. Also auch für das Wort „Kalkül”.

Ist es da übrigens nicht merkwürdig, daß die Mathematiker immer mit der Feder auf dem Papier arbeiten? Und warum z.B. nie mit kontinuierlichen Farbübergängen?

Wie bin ich denn zum Begriff ‚Sprache’ gekommen? Doch nur durch die Sprachen die ich gelernt habe.

Aber die haben mich in gewissem Sinne über sich hinausgeführt, denn ich wäre jetzt im Stande eine neue Sprache zu konstruieren z.B. Wörter zu erfinden. Also gehört diese Methode der Konstruktion noch zum Begriff der Sprache. Aber nur wenn ich ihn so festlege.

Der Begriff: sich einander etwas mitteilen. Wenn ich z.B. sage: ‚Sprache’ werde ich jedes System von Zeichen nennen, das Menschen untereinander vereinbaren um sich miteinander zu verständigen, so könnte man hier schon fragen: Und was schließt Du unter dem Begriff ‚Zeichen’ ein?

Immer wieder hat mein „u.s.w.” eine Grenze.

Was nenne ich „Handlung”, was „Sinneswahrnehmung”?

Die Worte „Welt”, „Erfahrung”, „Sprache”, „Satz” „Kalkül”, „Mathematik” können alle nur für triviale Abgrenzungen stehen wie „essen”, „ruhen”, etc..

Denn wenn auch ein solches Wort der Titel unserer Grammatik wäre - etwa das Wort „Grammatik” - so hätte doch dieser Titel nur dieses Buch von anderen Büchern zu unterscheiden.

Allgemeine Ausführungen über die Welt und die Sprache gibt es nicht.

Nachtrag: N

Ich sage einen Satz „Ich sehe einen schwarzen Kreis”; aber auf die Wörter kommt es doch nicht an; sagen wir also statt dessen „a b c d e”. Aber nun kann ich nicht ohne weiteres mit diesen Zeichen den oberen Sinn verbinden (es sei denn daß ich „a b c d e” als ein Wort auffasse und dies als Abkürzung des oberen Satzes). Diese Schwierigkeit ist doch aber sonderbar. Ich könnte sie so ausdrücken: Ich bin nicht gewöhnt statt ‚ich’ ‚a’ zu sagen und statt ‚sehe’ ‚b’, statt ‚einen’ ‚c’, etc.. Aber damit meine ich nicht, daß ich, wenn ich daran gewöhnt wäre, mit dem Wort „a’ sofort das Wort ‚ich’ assoziieren würde; sondern daß ich nicht gewohnt bin ‚a’ an der Stelle von ‚ich’ zu gebrauchen in der Bedeutung von ‚ich’.

Ich halte meine Wange, und jemand fragt, warum ich es tue und ich antworte: „Zahnschmerzen”. Das heißt offenbar dasselbe, wie „ich habe Zahnschmerzen”, aber weder stelle ich mir die fehlenden Worte im Geiste vor, noch gehen sie mir im Sinn irgendwie ab. Daher ist es auch möglich, daß ich die Worte „ich habe Zahnschmerzen” in dem Sinne ausspreche, als sagte ich nur das letzte Wort oder, als wären die drei nur ein Wort.

Ms 110, S. 233 ff

Der Spieler der die Intention hatte Schach zu spielen hatte sie schon dadurch, daß er zu sich etwa die Worte sagte „jetzt wollen wir Schach spielen”.

Ich will sagen daß das Wort „Schach” eben auch (nur) ein Stein (bead) in einem Kalkül ist. Wird der Kalkül beschrieben, so müssen wir die Regeln tabuliert vor uns haben, wird er aber angewandt, so wird jetzt gemäß der einen, dann gemäß der andern Regel vorgegangen, dabei kann uns ihr Ausdruck vorschweben, oder auch nicht.

Muß denn dem, der das Wort „Schach” gebraucht eine Definition des Wortes vorschweben? Gewiß nicht. Gefragt was er unter „Schach” versteht, wird er erst eine geben. Diese Definition ist selber ein bestimmter Schritt in seinem Kalkül.

Wenn ich ihn aber nun fragte: Wie Du das Wort ausgesprochen hast, was hast Du da damit gemeint? Wenn er mir darauf antwortet: „ich habe das Spiel gemeint das wir so oft gespielt haben etc. etc.”, so weiß ich daß ihm diese Erklärung in keiner Weise beim Gebrauch des Worts vorgeschwebt hatte und daß seine Antwort meine Frage nicht in dem Sinne beantwortet daß sie mir sagt was quasi „in ihm vorgegangen ist” als er dieses Wort sagte.

Denn die Frage ist eben ob unter der „Bedeutung in der man ein Wort gebraucht” ein Vorgang verstanden werden soll den wir beim Sprechen oder Hören des Wortes erleben.

Das betrifft nun die Husserlschen Bedeutungssetzungen im Zeichengebrauch. Die Rückbindung des Zeichensinns auf Bewußtseinsakte. Und es bewegt sich in der Nähe von Heideggers gebrauchendem Umgang. Zudem besteht eine Querverbindung mit der Husserkritik Derridas: "ursprünglich" ist die Institutionalisierung des Zeichensystems, nicht die Rückbindung auf seelischen Nachvollzug.

Die Quelle des Fehlers scheint die Idee vom Gedanken zu sein, der den Satz begleitet. Oder der seinem Ausdruck vorangeht. Dem Wortausdruck kann natürlich ein andrer Ausdruck vorangehen aber für uns kommt der Artunterschied dieser beiden Ausdrücke oder Gedanken nicht in Betracht. Und es kann der Gedanke unmittelbar in seiner Wortform gedacht werden.

„Er hat diese Worte gesagt, sich aber dabei gar nichts gedacht.”

„Doch, ich habe mir etwas dabei gedacht.” „Und zwar was denn?” „Nun, das was ich gesagt habe”.

Man muß sich aber hüten die Vorstellungen die ein Wort begleiten nebensächliche Begleiterscheinungen sozusagen Abfallsprodukte zu nennen. Sie können sehr wesentlich und wichtig sein, aber für uns sind sie nur von Interesse insofern sie wieder Glieder eines Kalküls also Symbole sind. Und als solche sind sie den Worten beigeordnet sind aber nicht „die Bedeutungen” der Worte.

„Dieses Wort hat doch eine ganz bestimme Bedeutung”. Wie ist sie denn ganz bestimmt?

Man kann keinen Grund angeben, weswegen man denken soll.

Es sei denn ein Grund von der Art dessen weswegen man essen soll.

Man kann einen Gedanken aus anderen begründen aber nicht das Denken. Das, glaube ich, ist es, was unsere Untersuchung rein beschreibend macht.

Ich glaube, wenn einer sagt „ich weiß doch, was das Wort ‚Gelb’ bedeutet”, so ruft er sich eine Vorstellung auf, oder er meint gar nichts. Oder aber er meint es ganz so, wie man sagt: „ich kann Schach spielen, aber nicht Dame”.

Wie, wenn man fragte: Wann kannst Du Schach spielen? Immer? oder während Du es sagst? aber während des ganzen Satzes? Und wie seltsam, daß Schachspielen-Können so kurze Zeit braucht und eine Schachpartie soviel länger!

Beschreibst Du damit eine Disposition?

Ms 110, S. 295 ff

Es handelt sich beim Verstehen nicht um einen Akt des momentanen, sozusagen nicht diskursiven, Erfassens der Grammatik. Als könnte man sie gleichsam auf einmal herunterschlucken.

Das also, was der macht, der auf einmal die Bewegung des Andern deutet (ich sage nicht „richtig deutet”) ist ein Schritt in einem Kalkül. Er tut ungefähr was er sagt wenn er seinem Verständnis Ausdruck gibt. Und das ist ja immer unser Prinzip —. Und wenn ich sage „was er macht ist der Schritt eines Kalküls” so heißt das, daß ich diesen Kalkül schon kenne; in dem Sinne in dem ich die deutsche Sprache kenne oder das Einmaleins.

Als Beispiel eine Tabelle zur Steuerung von "Gesprächs"-Abläufen in Inform7:
Table of Pilate's Answers

	subject		response rule			response table		suggest

	Pilate		a rule				Table of Pilate Self	3	
	Caiaphas	caiaphas rule			--			1
	jerusalem	jerusalem rule			--			1
	emperor		--				Table of Caesar		-1

Table of Pilate's Remarks

	subject		response rule			response table		suggest

	jesus		a rule				Table of Jesus		2


Welche ich ja auch nicht so in mir habe als wäre die ganze deutsche Grammatik und die Einmaleins-Sätze zusammengeschoben auf etwas was ich nun auf einmal, als Ganzes, besitze.

Ich fasse das Verstehen also, in irgendeinem Sinne, behavioristisch auf.

‚Sprache’ nenne ich nur das, wovon sich eine Grammatik schreiben läßt.

‚Kalkül’ nur wovon sich ein Regelverzeichnis anlegen läßt.

Gewiß, der Vorgang des „Jetzt versteh ich ...!” ist ein ganz spezifischer, aber es ist eben auch ein ganz spezifischer Vorgang, wenn wir auf einen bekannten Kalkül stoßen, wenn wir „weiter wissen”.

Aber dieses Weiter-Wissen ist eben auch diskursiv (nicht intuitiv).

(Und es kommt eben hier heraus, was ich vor langer Zeit aufgeschrieben habe, daß wir nämlich „von Büchern” und derlei Dingen reden müssen und nicht von einem sprachlichen Wolkenkuckucksheim.)

Das Behavioristische an unserer Behandlung besteht nur darin, daß wir keinen Unterschied zwischen ‚außen’ und ‚innen’ machen. Weil mich die Psychologie nichts angeht.

Ms 111, S. 17 f

Ich will damit sagen: Augustinus beschreibt wirklich einen Kalkül; nur ist nicht alles was wir Sprache nennen dieser Kalkül.

Vgl. Ms. 142 §4: "Augustinus beschreibt wohl ein System der Verständigung, eine Sprache; nur ist nicht alles, was wir Sprache nennen, dieses System."

...

Es ist also so, wie wenn jemand erklärte: „ spielen besteht darin, daß man Dinge gewissen Regeln gemäß auf einer Fläche verschiebt...” und wir ihm antworten: Du denkst da gewiß an die Brettspiele, und auf sie ist Deine Beschreibung auch anwendbar. Aber das sind nicht die einzigen Spiele. Du kannst also deine Erklärung richtigstellen, indem Du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst.

(Man könnte also sagen Augustinus stelle die Sache zu einfach dar; aber auch: er stelle eine einfachere Sache dar.)

(Wer das Schachspiel einfacher beschreibt (mit einfacheren Regeln) als es ist, beschreibt damit dennoch ein Spiel, aber ein anderes.)

Ich wollte ursprünglich sagen: Wie Augustinus das Lernen der Sprache beschreibt, kann uns zeigen, woher sich diese Auffassung überhaupt schreibt. (Von welchem primitiven Bild, Weltbild.)

Man könnte den Fall mit dem einer Schrift vergleichen in der Buchstaben zum Bezeichnen von Lauten benützt würden aber auch etwa zur Bezeichnung der Stärke und Schwäche der Aussprache und als Interpunktionszeichen. Fassen wir dann diese Schrift als eine Sprache zur Beschreibung des Lautbildes auf so könnte man sich denken daß einer diese Schrift beschriebe als entspräche einfach jedem Buchstaben ein Laut und als hätten die Buchstaben nicht auch ganz andere Funktionen. Und so einer zu einfachen Beschreibung der Schrift gleicht Augustins Beschreibung der Sprache völlig.

Man kann z.B. für andre verständlich von Kombinationen von Farben mit Formen sprechen (etwa der Farben rot und blau mit den Formen Quadrat und Kreis) ebenso wie von Kombinationen verschiedener Formen oder Körper. Und hier haben wir die Wurzel des irreleitenden Ausdrucks, die Tatsache sei ein Komplex von Gegenständen. Es wird also hier, daß ein Mensch krank ist verglichen mit der Zusammenstellung zweier Dinge wovon das eine der Mensch ist, das andere die Krankheit repräsentiert. Und ich kann nur sagen: hüten wir uns vor diesem Gleichnis, oder davor zu vergessen daß es ein Gleichnis ist.

Oder man muß sagen, es verhält sich hier mit dem Wort „Kombination”, oder „Komplex”, wie mit dem Wort „Zahl” das auch in verschiedenen mehr oder weniger logisch ähnlichen Weisen (oder wenn man will Bedeutungen) gebraucht wird.

Ms 111, S. 67 ff

Ich betrachte die Sprache und Grammatik unter der Form des Kalküls, d.h. als Vorgang nach festgesetzten Regeln.

Es ist nur wesentlich, daß wir (hier) nicht sagen können, wir sind durch Erfahrung daraufgekommen, daß es auch noch diesen Fall der Grammatik gibt. Denn den müßten wir in dieser Aussage [Statement] beschreiben und diese Beschreibung, obwohl ich ihre Wahrheit erst jetzt einsehe, hätte ich doch schon vor dieser Erfahrung verstehen müssen.

Es ist die alte Frage: inwiefern kann man jetzt von einer Erfahrung sprechen, die man jetzt nicht hat.

Was ich nicht voraussehen kann, kann ich nicht voraussehen. Und wovon ich jetzt sprechen kann, davon kann ich sprechen, unabhängig von dem, wovon ich jetzt nicht sprechen kann.

Die Logik ist eben immer komplett.

„Wie kann ich wissen, was alles folgen wird.” Was ich dann wissen kann, kann ich auch jetzt wissen.

Eine allgemeine Regel des Folgens insofern sie nicht ein logisches Produkt besonderer Regeln ist, ist von ganz anderer Art, als eine besondere Regel des Folgens.

Aber gibt es denn auch allgemeine Regeln, oder nicht nur Regeln über allgemeine Zeichen?

Was wäre etwa eine allgemeine und eine besondere Regel im Schachspiel (oder einem andern)? Jede Regel ist ja allgemein.

Doch ist eine andere Art der Allgemeinheit in der Regel daß p v q aus p folgt, als in der, daß jeder Satz der Form p, ~~p, ... aus p·q folgt. Ist aber nicht die Allgemeinheit der Regel für den Rösselsprung eine andere als die einer Regel für den Anfang einer Partie?

Ist das Wort „Regel” überhaupt vieldeutig? Und sollen wir also nicht von Regeln im Allgemeinen reden, wie auch nicht von Sprachen im Allgemeinen? Sondern nur von Regeln in besonderen Fällen.

Sokrates stellt die Frage, was Erkenntnis sei, und ist nicht mit der Aufzählung von Erkenntnissen zufrieden. Wir aber kümmern uns nicht viel um diesen allgemeinen Begriff und sind froh, wenn wir Schuhmacherei, Geometrie etc. verstehen.

Gilt diese Überlegung aber nicht auch für das Folgen?

Wir glauben nicht, daß nur der ein Spiel versteht, der eine Definition des Begriffs ‚Spiel’ geben kann.

Ms 111, S. 72 ff

Wie äußert es sich aber in unsern Regeln, daß die behandelten Fälle fx keine wesentlich abgeschlossene Klasse sind? Doch wohl nur durch die Allgemeinheit der allgemeinen Regel. — Daß sie nicht die Bedeutung für den Kalkül haben, wie eine abgeschlossene Gruppe von Grundgesetzen (etwa den Namen der 6 Grundfarben). Wie anders, als durch die Regeln die von ihnen ausgesagt sind. Wenn ich etwa in einem Spiel die Erlaubnis habe eine gewisse Art von Steinen in beliebiger Anzahl zu borgen, andere aber in festgesetzter Anzahl vorhanden sind; oder das Spiel zwar zeitlich unbegrenzt, aber räumlich begrenzt ist, haben wir ja wohl denselben Fall. Und der Unterschied zwischen den einen und den anderen Figuren des Spiels muß eben durch die Spielregeln festgesetzt sein. Es heißt dann etwa von der einen: Du kannst so viele Steine dieser Art nehmen als Du willst. Und nach einem anderen bindenderen Ausdruck dieser Regel darf ich nicht suchen. -

Das heißt, daß der Ausdruck für die Unbegrenztheit der behandelten Einzelfälle (eben) ein allgemeiner Ausdruck sein wird und kein andrer sein kann, kein Ausdruck, in dem die anderen nicht behandelten Einzelfälle in schattenhafter Weise vorkämen.

Es ist ja klar, daß ich keine logische Summe als Definition des Satzes „das Kreuz liegt zwischen den Strichen” anerkenne. Und damit ist doch alles gesagt.

Wenn man gefragt wird: ist es aber nun auch sicher, daß ein anderer Kalkül als dieser nicht gebraucht wird, so muß man sagen: Wenn das heißt „gebrauchen wir nicht in unserer tatsächlichen Sprache noch andere Kalküle” so kann ich nur antworten „ich weiß jetzt keine anderen (so, wie wenn jemand fragte „sind das alle Kalküle der gegenwärtigen Mathematik”, ich sagen könnte „ich erinnere mich keiner andern, aber ich kann etwa noch genauer nachlesen”). Die Frage kann aber nicht heißen „kann kein anderer Kalkül gebraucht werden?” Denn wie sollte die Antwort auf diese Frage gefunden werden?

Ein Kalkül ist ja da, indem man ihn beschreibt.

Kann man sagen: ‚Kalkül’ ist kein mathematischer Begriff?

Das ist klar, daß die Frage „Was ist ein Kalkül” von genau der gleichen Art ist wie die: „Was ist ein Spiel” oder wie die: „Was ist eine Regel”.

Daß wir nun jemanden das Schachspiel erklären können ist klar. Und es fragt sich: Versteht er es nun doch weniger weil er nicht gelernt hat ‚was ein Spiel ist’? Oder macht das gar nichts aus?

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