Wesenszüge

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Überlegungen auf der Grundlage eines Beitrags von Thomas Auinger.


Wenn wir die Wesenswahrheit als eine Ebene konstruieren, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein bestimmter subsententialer Ausdruck (wie z.B. „Freund“, „Blatt“ oder „grün“) aus seinem jeweils spezifischen Vorkommen in einer Reihe von verschiedenen Sätzen quasi ausgeschnitten wird, um diesen Ausdruck als allgemein und als wahr (in einem noch zu klärenden Sinn) aufzufassen, so führt das zu diversen interpretatorischen Schwierigkeiten. Wir erhalten dann in gewisser Weise einen völlig gereinigten Begriff, der aber dennoch nicht als bloßes X fungiert, sondern als ein Terminus, der nur jene Charakteristika implizit „beherbergt“ - um es ein wenig poetisch und noch vorterminologisch auszudrücken -, die ihm durch die konkreten Verwendungsweisen in den verschiedenen Sätzen zugesprochen werden.

Es erhebt sich die Frage, wie diese Art von Reinheit zu denken sei. Sicherlich ist sie nicht eine Wesensreinheit (und damit auch keine Wesenswahrheit), die sich aus der völligen Negation aller Seinsbestimmungen, das heißt hier aller Satzbestimmungen, ergeben hätte. Diese absolute Reinheit als reine Negativität würde dem Hegelschen Wesen entsprechen, insofern es als absoluter Schein und als reine absolute Reflexion bestimmt ist. Eine derartige Form des Wesens und seiner möglichen Wahrheit ist jedoch in der hier modellierten Konzeption nicht anvisiert. Die Reinheit des hier betrachteten Wesens ist nämlich keine absolute, weil sie immer noch relativ zu den anderen Ausdrücken gedacht ist. Das heißt, dass sie auf eine bestimmte Klasse von Sätzen verweist, die als Werte auftreten können, durch die gewissermaßen das Reservoir der unterschiedlichen Verunreinigungen angegeben wird.

Das klingt nach Wittgensteins Urbild, obwohl es nicht völlig damit identifiziert werden kann. Dazu bräuchte man einen Ausgangssatz, bei welchem alle Bestandteile ausgeschnitten und variabel gesetzt werden, so dass von ihnen nur reine Symbole übrig bleiben. Damit erhalten wir eine logische Form, die als solche keine Bedeutung besitzt. Letzteres gilt nun auch von dem, was im vorliegenden Fall als Wesen bezeichnet wird. Nichtsdestotrotz gibt es aber auch einen Unterschied, weil das Wesen ja darüber hinaus eine Wahrheitsdimension anzeigen soll. Das führt uns dann sehrwohl zu einer Sachhaltigkeit oder einer de re-Perspektive, die von etwas handelt, was durch den allgemeinen Ausdruck „Freund“ etc. bestimmbar wird. Eventuell stellen sich hiermit aber andere Fragen als diejenigen in Bezug auf Wittgensteins Urbild.

Betreffs der Beispiele „Blatt“ und „grün“ könnte man an Fragen denken, die in den Philosophischen Untersuchungen aufgeworfen werden: „...wie schaut denn das Bild eines Blattes aus, das keine bestimmte Form zeigt, sondern >das, was allen Blattformen gemeinsam ist<? Welchen Farbton hat das >Muster in meinem Geiste< der Farbe Grün – dessen, was allen Tönen von Grün gemeinsam ist? »Aber könnte es nicht solche >allgemeine< Muster geben? Etwa ein Blattschema, oder ein Muster von reinem Grün?«“ (73).

Wittgenstein beantwortet diese Fragen zunächst mit einem lakonischen „Gewiss!“, fährt aber dann mit einem „Aber…“ fort, das auch für unsere Zwecke bedacht werden sollte. Das Schema als solches bleibt nämlich entweder ein täuschendes Ideal oder es wird explizit als Schema gebraucht und verwendet. Doch für diese Anwendungsdimension bedarf es einer Dynamisierung des Modells, so dass wir nicht bei einer formellen Aufreihung und Gliederung in Ebenen stehen bleiben können. Die betrachteten Sätze müssen dann den Charakter von Behauptungen erhalten, die einen jeweiligen Anspruch auf Wahrheit erheben. Damit kommen Beurteilungen ins Spiel und Einstellungen, die von unterschiedlichen Sprechern eingenommen werden. Die Wahrheit des Wesens von „Freund“ etc. hängt dann von all dem ab, was die Akteure als Wahrheit anzuerkennen geneigt sind. Die Bestimmung des Wesens muss somit in einen Kommunikationsprozess eingebettet werden, um nicht leer zu laufen.

Freilich ist aber selbst diese Leerheit nicht nichts, sie fordert uns vielmehr wiederum heraus, darin die logischen Konstituenten zu erblicken. Daher kann diese Modellierung zur Klärung einer Basis-Logizität dienen, die in ihrer „Neutralität“ zunächst bestimmte Bereiche auseinanderhält und diversen Missverständnissen vorbeugt. In weiteren Schritten können unterschiedliche Wahrheitstheorien mit dieser Grundmodellierung dargestellt und diskutiert werden. Nichtsdestotrotz bleibt dieser Ansatz selbst diskussionswürdig und wohl weiterhin veränderbar.



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