WALCH, Eduard (Arbeit2)
DISKUSSION (2.Arbeit WALCH, Eduard)
"Was soll ich tun?"
- zur Ringvorlesung Methoden und Disziplinen der Philosophie am 6.11.2008 von Peter Kampits und am 13.11.2008 von Elisabeth Nemeth
- verfasst von Eduard Walch, a7900359
- e.walch@ktv-krems.at
Mit dieser Frage von Immanuel Kant beschäftigt sich die Ethik. Bei dieser Disziplin der Philosophie geht es um sittliche Maßstäbe und um die Ausrichtung unseres Handelns.
Folgende Zitate von Kant möchte ich anführen:
"Sapere aude – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!"
"Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille. …und so der gute Wille die unerlässliche Bedingung selbst der Würdigung, glücklich zu sein, auszumachen scheint ." (Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 394)
"Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. …so könnte der allgemeine Imperativ auch so lauten: handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte. …Ich verknüpfe mit dem Willen,…, die Tat a priori, mithin notwendig. Dieses ist also ein praktischer Satz, der das Wollen einer Handlung nicht aus einem anderen ableitet, sondern mit dem Begriffe des Willens …verknüpft." (Kant, GMS, 421)
Kant gilt als Vertreter der Pflichtethik oder deontologischen Ethik. Hier lautet der Grundsatz: "Gut handelt, wer der Pflicht gehorcht, wer seinem Gewissen folgt". Wer aus Gewissensüberzeugung Reiche beraubt um Armen zu helfen, ist gerechtfertigt. Jedoch handelt derjenige nicht gut, sondern bloß berechnend, der Armen hilft um sein Ansehen zu erhöhen. Ein Problem der Pflichtethik ist, dass sich aus ihr keine konkreten Anleitungen zum Handeln, keine Gebote ableiten lassen. Pflicht ist für uns heute ein Symbol für Einschränkung von Freiheit mit erhobenem Zeigefinger. Bei Kant bedeutet die Pflicht einen hohen Wert, den sich die Menschen selbst geben können. ("Pflicht! du erhabener großer Name, der…desjenigen Werts ist, den sich Menschen allein selbst geben können?" (Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 154))
Von Arno Anzenbacher (Einführung in die Philosophie, S 331 ff.) wird der Kantsche Pflichtbegriff folgendermaßen erörtert:
- Eigene Vollkommenheit Kant unterscheidet drei Ebenen der "Pflicht gegen sich selbst". 1.) Pflichten gegen sich selbst als einem animalischen Wesen. Es geht z.B. um die Selbsterhaltung der eigenen Gesundheit. 2.) Die Verpflichtung zur Bildung des Wissens und Könnens. 3.) Pflichten gegen sich selbst als einem moralischen Wesen. Die größte moralische Vollkommenheit des Menschen ist: seine Pflicht zu tun und zwar aus Pflicht.
- Fremde Glückseligkeit Hier werden zwei Ebenen unterschieden. 1.) Pflichten gegen andere bloß als Menschen. Es geht hier um die Pflicht der Liebe und der Achtung gegenüber jedem Menschen, insbesondere dem Nächsten, weil er Mensch ist. 2.) Pflichten der Menschen gegeneinander in Ansehung ihres Zustandes. Hier geht es um die Anwendungsbereiche von Liebe und Achtung im bestimmten menschlichen Zusammenleben, um Pflichten also, die man nicht gegenüber dem Menschen als Mensch, sondern als Kind, Gatte, Kranker, Armer, Vorgesetzter, Geschäftspartner, Freund, etc. hat.
Die Theorie des Handelns von Aristoteles wird von Johann Mader in seinem Buch "Einführung in die Philosophie" behandelt. Auf den Seiten 128ff. schreibt er: "Das Ziel und die Leistung im sittlichen Handeln ist das gute menschliche Leben, das Glück (eudaimonia) des Individuums in der Gemeinschaft. Dieses ist nur dann gewährleistet, wenn das Menschsein überhaupt gewährleistet ist. Es stellt sich daher die Frage nach dem, was der Mensch als Mensch zu tun hat, was die menschliche Tätigkeit selbst ist. Aristoteles artikuliert daher in der "Nikomachischen Ethik" ausdrücklich die Frage: "Sollte es nun bestimmte Leistungen und Tätigkeiten für den Zimmermann oder Schuster geben, für den Menschen als Menschen aber keine, sondern sollte dieser zu stumpfer Tätigkeit geboren sein? Sollte nicht vielmehr so, wie Auge, Hand, Fuß, kurz jeder Teil des Körpers seine besondere Funktion hat, auch für den Menschen über all diese Teilfunktionen hinaus eine bestimmte Leistung anzusetzen sein? Das Individuum hat als Arzt die Kranken zu heilen, als Mensch hat es sein Bemühen darauf zu zielen, das Gesundheitswesen zu organisieren, etwa ungesunde Lebensweisen und ungesunde Wohnverhältnisse zu beseitigen. Als Wirtschaftsfachmann hat es möglichst lohnend zu verwalten. Als Mensch jedoch muss es ihm um gesunde Wirtschaftsverhältnisse, um gerechte Verteilung der Lasten und Vorteile, um die Einwirkung der materiellen Sicherheit seiner Mitmenschen gehen. Als Politiker darf es sich nicht im bloßen Verwalten ergehen. Es hat auf das Gedeihen des Miteinanderseins und dessen Sicherung Bedacht zu nehmen. Einem jeden hat die Möglichkeit gewährt zu werden, seiner Tätigkeit in Ruhe und mit höchstmöglicher Aussicht auf Gelingen nachzugehen. …Er (Aristoteles) stellt sich daher die Frage, wie die Menschen zu guten Bürgern werden und nennt neben der Belehrung sowohl die Wirkung des guten Vorbilds als auch den Zwang des Gesetzes. …In diesem Sinne vollendet sich die "Ethik" als Theorie des individuellen Handelns in der "Politik", der Theorie von der vernünftigen Führung der Stadtgesellschaft. Aristoteles untersucht die verschiedenen Verfassungsformen, ihre Bedingungen, ihre Entstehung, ihren Untergang. Er unterscheidet sechs Grundformen, Monarchie, Aristokratie und Politie oder Volksherrschaft als rechte und Despotie, Oligarchie und Demokratie (Die Herrschaft der Bürger – die Politie – verfällt dann zur Demokratie, wenn nur mehr in Abstimmungen der Volkswille nur der bloßen Zahl nach bestimmt wird) oder Pöbelherrschaft als verfehlte Verfassungsformen. Die beste Form der Verfassung wäre nach Aristoteles einerseits die Politie, jedoch müsste die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten den Besten zukommen. Er sieht in der Bildung und der Erziehung der Bürger den sichersten Garanten für eine allgemeine Wohlfahrt. Die Durchsetzung der Gesetze, nach denen das öffentliche Leben geregelt wird, mit Gewalt, gilt ihm nur als der "zweitbeste" Weg hiezu."
Die Nützlichkeitsethik (Utilitarismus) wurde im wesentlichen von Jeremy Bentham entwickelt. Ihr liegt zugrunde: Gut ist, was der Gemeinschaft nützt. Oberstes Prinzip und Kriterium der Moralität ist "das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl".
Die Ethik des Glückens des Lebens von Aristoteles, die Pflichtethik von Kant und die Nutzensethik von Bentham sind Leitmodelle, die der "alten" traditionellen Ethik zugerechnet werden.
Der Ruf nach einer "neuen" Ethik wird lauter, da sich die Probleme vor allem im vergangenen Jahrhundert strukturell verändert haben. Die Menschheit steht erstmals vor der Möglichkeit, sich selbst auszurotten: entweder langsam durch die fortschreitende Zerstörung von Umwelt und Natur oder rasch durch eine atomare Katastrophe. Trotz immenser technischer Möglichkeiten und Rationalisierung in der Wirtschaft nimmt der Hunger in der Welt zu. Der Unterschied zwischen Reich und Arm wird immer unerträglicher. Die Einzelstaaten scheinen sich in ihrer Kompetenz durch die Globalisierung aufzulösen. Zu den drei traditionellen Mächten Legislative, Jurisdiktion und Exekutive sind die Medien als vierte Gewalt und die Finanzmärkte als fünfte Gewalt hinzugekommen (Cornelia Staritz, Tobinsteuer). Die liberalisierten Finanzmärkte unterliegen keiner demokratischen Kontrolle, werden von niemandem gewählt, stellen aber weitreichende Forderungen an Unternehmen und Nationalstaaten.
Hans Jonas entwirft in Anbetracht der Möglichkeit, die Natur und die Menschheit im Ganzen zu zerstören, eine "Ethik der Verantwortung". Der kategorische Imperativ Kants bezieht sich bloß auf den Bereich des Mitmenschlichen und auf die Gegenwart, berücksichtigt also weder die Natur noch die Zukunft der Menschheit. Jonas formuliert ihn daher um: "Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden." Oder: "Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als Mit-Gegenstand deines Wollens ein."
Peter Kampits beschreibt 1978 in "Natur als Mitwelt" eine "ökologische Ethik": "Natur muss wiederum als dasjenige ernst genommen werden, aus dem und in dem wir leben, uns als Menschen verwirklichen, auch wenn wir im bloßen Naturvorgang nicht aufgehen, unsere Sonderstellung nicht überspringen können. In einer solchen Grundauffassung aber könnte die außermenschliche Natur nicht bloß als Umwelt sondern als Mitwelt erscheinen, als etwas, das wir nicht bloß gebrauchen, verwenden oder ausbeuten, sondern mit dem wir leben. In einer solchen Mitwelt würde sich in Anknüpfung an den ursprünglichen Sinn von Ethos Natur wieder als Aufenthalt des Menschen zeigen und nicht bloß als Stätte seiner Energie-, Lebensmittel- und Rohstoffbeschaffung. (…) Diese Verantwortung für unser Handeln der Umwelt gegenüber eröffnet zugleich auch für eine ökologische Ethik die Dimension einer Zukunft oder eines auf weitere Zukunft Bedacht nehmenden Handelns, das ebenfalls bisher kaum in den Bereich der Ethik eingebracht worden war. Eine ökologische Ethik kann nicht bloß Gegenwartsethik oder allenthalben auf eine künftige Generation gerichtet sein, sondern bedarf einer Ausrichtung auf die weitere Zukunft. Konkret formuliert: Der nur auf die unmittelbare Gegenwart gerichtete Bezug zur Umwelt muss durch ein Einbeziehen künftiger Generationen erweitert werden. (…) Als weitere Grundhaltungen einer solchen Ethik ließen sich Bescheidenheit und Maß an Stelle von Arroganz, Wachstumshysterie und Maßlosigkeit anführen. Eine ökologische Ethik, die Ernst macht mit einem Bedenken des Aufenthaltes des Menschen, könnte nur eine Ethik des Maßes und der Grenzen sein."
Konkrete Anleitungen, wie wir für das eigene Leben und die Umwelt Verantwortung übernehmen können, versucht die "Permakultur" anzubieten. Der Begriff wurde 1978 vom Australier Bill Mollison aus den beiden Wörtern permanent und agriculture geprägt. Er skizziert eine Vision, wie sich menschliche Lebensräume stabil und ökologisch verträglich gestalten lassen. Permakultur ist eine Art zu leben. Sie zeigt uns, wie wir unsere Ressourcen optimal nutzen können. Es geht darum, den Wert der Natur wieder schätzen zu lernen und neue Definitionen für Reichtum und Vermögen zu finden. Permakultur bietet gerade für den Alltag praktikable Lösungen dafür an, wie sich unser konsumorientiertes Verhalten durch einen von dauerhaften Werten geprägten Lebensstil ersetzen lässt. In der Permakultur sollen die Bedürfnisse nach Nahrung, Energie und Schutz und andere materielle und immaterielle Bedürfnisse befriedigt werden ohne das System zu schädigen. (Graham Bell, Permakultur praktisch)
Die aktuelle Situation der Menschheit beschreibt Jean Ziegler in seinem Buch "Die neuen Herrscher der Welt" folgendermaßen: "Zu Beginn des neuen Jahrtausends beherrschen die transkontinentalen kapitalistischen Oligarchien die ganze Welt. Ihre tägliche Praxis und ihr Rechtfertigungskurs stehen in radikalem Widerspruch zu den Interessen der übergroßen Mehrheit der Erdbewohner. Die Globalisierung führt zur forciert fortschreitenden Verschmelzung der nationalen Volkswirtschaften, zu einem kapitalistischen Weltmarkt und einem einheitlichen "Cyberspace". (…) Die kapitalistische Produktions- und Akkumulationsweise zeugt von einer wahrhaft verblüffenden und gewiss auch bewundernswürdigen Kreativität, Vitalität und Kraft. (…) Aber auch die Leichenberge wachsen. (…) Tag für Tag sterben auf unserem Planeten ungefähr 100 000 Menschen an Hunger oder an den unmittelbaren Folgen des Hungers. (…) Alle sieben Sekunden verhungert auf der Erde ein Kind unter zehn Jahren. Ein Kind, das von seiner Geburt bis zum fünften Lebensjahr angemessene Nahrungsmittel in ausreichender Menge entbehren muss, hat sein Leben lang an seinen Folgen zu leiden. (…) Unzulänglich ernährt, haben seine Gehirnzellen bereits irreparable Schäden davongetragen. (…) Ständiger Hunger und chronische Unterernährung sind von Menschen gemacht. Verantwortlich für sie ist die mörderische Ordnung der Welt. Wer auch immer an Hunger stirbt – er ist Opfer eines Mordes. (…) Das Recht über Leben und Tod dieser Milliarden von Menschen üben die Herren des globalisierten Kapitals aus. (…) Heute wird überall auf der Welt der Ruf nach Revolution laut. Eine neuartige Zivilgesellschaft ist im Entstehen begriffen – unter Konfusion und äußersten Schwierigkeiten. Gegen die Herrscher der Welt sucht sie den Widerstand zu organisieren."
In seinem Buch "Neue Werte für die Wirtschaft" meint Christian Felber: "Der Kapitalismus befindet sich in einer ethischen Hochkonjunktur. Seine Werte sind die Werte der Gesellschaft. Und hier liegt der Widerspruch. Denn die kapitalistischen Werte – Leistung, Konkurrenz, Effizienz, Gewinn und Wachstum – passen nicht mit unseren demokratischen und humanistischen Grundwerten zusammen: Freiheit (Selbstbestimmung), Gleichheit (Gerechtigkeit), Brüderlichkeit (Solidarität), Verantwortung, Vertrauen, Verbundenheit und Mitgefühl. Die Werte der Wirtschaft widersprechen den Werten des Lebens und der Gemeinschaft. Der Vorrang für das Finanzkapital zerstört das ökologische und Sozialkapital – und die Menschenwürde. (…) Der Kapitalismus beruht nicht auf "universalen" und Gemeinschaftswerten wie Fürsorge, Hilfsbereitschaft, Teilen, Empathie und Solidarität; sondern auf Materialismus, Eigennutzstreben und Konkurrenz. Schon Maslow hat darauf hingewiesen, dass eigennützige Werte eher unreifen Persönlichkeiten entsprechen, während universale und Gemeinschaftswerte Ausdruck reiferer Persönlichkeiten sind. Unreife Menschen achten primär auf sich selbst, während reifere Persönlichkeiten auch das Wohl anderer und der Erde in den Blick nehmen. Erich Fromm verweist 1976 auf eine Studie, die ein "erschreckendes Bild emotionaler Unterentwicklung" bei den Managern erfolgreicher US-Unternehmen zutage brachte. Der kapitalistische Markt ist ein fataler Selektionsmechanismus: Auf der einen Seite ist er eine mächtige Ideologie, ein Glaubenssystem, eine Religion; und auf der anderen ein rechtliches und institutionelles Anreizsystem zur Verhinderung menschlicher Reife. Zentrale Instrumente der Wirtschaftspolitik sind darauf ausgerichtet, unreifes, egoistisches Verhalten zu belohnen und reiferes, fürsorgliches zu bestrafen. Überspitzt formuliert, treibt uns der Kapitalismus in die Säuglingsgesellschaft, in der jeder brüllt, man möchte ihn versorgen, selbst aber weder die Bereitschaft noch die Fähigkeit besitzt, für andere zu sorgen. Die Säuglingsgesellschaft ist gut getarnt, weil die kapitalistischen Säuglinge ältere Herren mit seriösen Anzügen und hohen Kontoständen sind. Doch wenn man ihnen die 21. Million nicht vergönnen möchte, damit andere vom Hungertuch wegkommen, brüllen sie mit all ihrer Macht und ohne jede Empathie – wie Säuglinge eben. (…) Die Reduktion von Verantwortung auf Eigenverantwortung passt perfekt ins neoliberale Menschen- und Gesellschaftsbild. Menschen sollen sich nicht mehr für das Wohlergehen aller und für gerechte Regeln des Zusammenlebens engagieren, sondern nur noch für das eigene Wohl. Die Regeln macht der Markt. Auch für das Zusammenleben. Das ist eine brutale Verstümmelung des Verantwortungsbegriffs, die zu Egoismus und sozialer Verantwortungslosigkeit führt. (…) "Je mehr Öffentlichkeit hergestellt wird, desto mehr Sauerstoff wird in die Demokratie gepumpt", meint Günter Wallraff. Öffentlichkeit wird aber nur von Menschen geschaffen, die die soziale Dimension von Verantwortung leben. Unpolitische Menschen wurden im alten Griechenland "idiotes" genannt, sie sind der Stickstoff der Demokratie. Und die wertvollsten Verbündeten des Kapitalismus, weil sie ihn mit ihrem mächtigsten Mittel – der Demokratie – nicht in Frage stellen. (…) Wenn wir Gefühle und Werte – die Herzensbildung – sowie die Wiederverbindung mit der Natur in den Schulen nur annähernd so wichtig nehmen, wie wir heute versuchen, durch Bildung global wettbewerbsfähig zu werden, haben wir das Fundament für eine menschenfreundliche und ökologische Wirtschaft gelegt."
Zum Thema Bildung nimmt auch Michael Schmidt-Salomon im "Manifest des evolutionären Humanismus" Stellung: "Adam Smith sah die besondere Verantwortung des Staates vor allem auch auf dem Gebiet der Bildung angesiedelt. Erst wenn das Recht auf gleiche Bildung für alle garantiert sei, könne man, so Smith, von einer gerechten Gesellschaft sprechen. Durch eine staatlich garantierte allgemeine Bildung hoffte er, insbesondere die negativen Folgen der an sich produktiven Arbeitsteilung aufheben zu können. Smith beschrieb die mit der Arbeitsteilung einhergehenden Entfremdungsprozesse folgendermaßen: "Jemand der tagtäglich nur wenige einfache Handgriffe ausführt, die zudem immer das oder ein ähnliches Ergebnis haben, verlernt, seinen Verstand zu gebrauchen. Er wird stumpfsinnig und einfältig, wie ein menschliches Wesen nur eben werden kann. Solch geistlose Tätigkeit beraubt ihn nicht nur der Fähigkeit, Gefallen an einer vernünftigen Unterhaltung zu finden oder sich daran zu beteiligen, sie stumpft ihn auch gegenüber differenzierten Empfindungen, wie Selbstlosigkeit, Großmut oder Güte, ab, so dass er auch vielen Dingen gegenüber, selbst jenen des täglichen Lebens, seine gesunde Urteilsfähigkeit verliert." Überließe man das Aufgabenfeld der Bildung dem Markt alleine, so wäre eine Korrektur dieser Entfremdungserscheinungen schwerlich möglich, wahrscheinlich würden über kurz oder lang sogar all jene Bildungsangebote verschwinden, die über das ökonomisch direkt Verwertbare bzw. über den reinen Spaßfaktor hinausgehen. Wie bildungs- und damit auch menschheitsdeformierend eine einseitig an Profitmaximierung orientierte Marktpolitik wirken kann, lässt sich gut am Beispiel der kulturellen Niederungen der heutigen Fernsehlandschaft demonstrieren. Die unsichtbare Hand des Marktes hat hier ganze Arbeit geleistet, weshalb in den Chefetagen Quote heute weit mehr gilt als Qualität: Je flacher das Sendeformat, desto breiter das Grinsen der Macher. Die Programmverantwortlichen begreifen sich zunehmend als bloße Dienstleister ("Wer Mist will, bekommt auch Mist geliefert!"). Wer von ihnen etwas anderes erwartet als Marktfixierung, etwa, dass sie sich bewusst sein sollten, welche bedeutende Rolle ihnen in einer Mediengesellschaft zufällt, der läuft Gefahr, ausgelacht zu werden. (…), wem niemals vermittelt wurde, dass es spannender ist sich mit Philosophie, Wissenschaft und Kunst zu beschäftigen als den intellektuell arg limitierten Big-Brother-Insassen beim Nasepopeln zuzuschauen, der wird sich notgedrungen mit den schlechteren Alternativen abfinden – nicht wissend, was er dadurch in seinem Leben verpasst. Doch Opfer der profitmaximierenden, medialen Gleichschaltung auf unterstem Niveau sind nicht nur die hart an der Grenze zur Debilität dahinvegetierenden Individuen, sondern die Gesellschaft als Ganzes."
Einen weiteren Aspekt zur Bildung möchte ich hinzufügen: Dass es um das Gesundheitswesen in Deutschland nicht zu besten steht und dass das Solidaritätsprinzip teilweise verlassen wurde, ist bekannt. Wie es um die Ärzte in Deutschland steht, beschreibt Renate Hartwig in ihrem Buch "Der verkaufte Patient": "Die Realität des normalen deutschen (Haus-)Arztes sieht anders aus. Er hat eine 60-Stunden-Woche. Er steht ökonomisch mit dem Rücken zur Wand. Er erstickt in Bürokratie. Die Patienten verlieren den Glauben an ihn, weil er nur noch auf der Billig-Schiene verordnen darf. Er weiß nicht, wie er im Alter überleben soll, deine seine ganze Alterssicherung steckt in einer Praxis, die er aber nicht verkaufen kann, weil niemand ein Pleiteunternehmen kaufen will. (…) Den "freiberuflichen" Ärzten wird mit gesetzlichen und bürokratischen Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen die Weiterführung ihrer Praxen de facto verunmöglicht, so dass mit einer baldigen Aufgabe dieser Praxen ohne Nachfolge zu rechnen ist." Durch das strenge Auswahlverfahren des Numerus clausus werden nur die Schüler mit den besten Noten zum Medizinstudium zugelassen. Der Konkurrenzkampf und das Eigennutzstreben beginnt bereits in der Schule und setzt sich im Studium und in der Ausbildung zum Hausarzt oder Facharzt fort. Die fachliche Kompetenz liegt dadurch auf hohem Niveau. Gemeinschaftswerte wie Hilfsbereitschaft den KollegInnen gegenüber und Solidarität scheinen bei den deutschen Ärzten nicht besonders ausgebildet zu sein. Nur so lässt sich erklären, dass ein ganzer Berufsstand sich von der neoliberalen Politik hat überfahren lassen.
In Anbetracht oben angeführter Aspekte möchte ich zur Frage "Was soll ich tun?" wie folgt Stellung nehmen: "Mit der traditionellen Ethik lassen sich gegenwärtige Fragen nach sittlichen Maßstäben nur zum Teil zufriedenstellend beantworten. Das Ziel des Utilitarismus - das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl – ist bei zwei Milliarden hungernden Menschen auf unserem Planeten in weite Ferne gerückt. Das oberste Prinzip der Nützlichkeitsethik anzustreben erscheint umso aktueller. Die Pflichtethik von Kant wirkt wie für einen erlesenen Kreis ausgedacht und verliert ihren Glanz, wenn man sich die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Macht und Mutlosigkeit vor Augen führt. Beim Kampf um die bloße Existenz wird man keinen besonderen Mut aufbringen können und sich auch keines besonderen Verstandes bedienen können. Eine "edle" Pflicht wird weder selbstauferlegt noch erfüllt werden können. Umso mehr haben die "Satten und Gebildeten" die Pflicht nach eigener Vollkommenheit und fremder Glückseligkeit zu streben. Selbsterhaltung der eigenen Gesundheit und die Verpflichtung zur Bildung des Wissens und Könnens sollten ebenso selbstverständlich sein wie die Pflicht der Liebe und der Achtung gegenüber jedem anderen Menschen. Aktueller wirkt Aristoteles, wenn er als Ziel "das Menschsein überhaupt" und "das Glück des Individuums in der Gemeinschaft" nennt. Als Politiker seinen Beruf eigennützig auszuüben und die Eitelkeit zu befriedigen ohne das Gemeinwohl zu fördern, wäre für Aristoteles verwerflich. Diese Aussage trifft auf alle Berufsgruppen zu. Amüsant, weil treffend, finde ich die Bedeutung des Wortes Demokratie bei Aristoteles: "Die Herrschaft der Bürger – die Politie – verfällt dann zur Demokratie, wenn nur mehr in Abstimmungen der Volkswille nur der bloßen Zahl nach bestimmt wird". Dass die beste Form der Verfassung nach Aristoteles die Politie wäre, und die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten den Besten zukommen müsste, erscheint mir zwar plausibel, jedoch zu illusorisch. Den kategorischen Imperativ auf die Natur und "Mitwelt" sowie auf die Zukunft der Menschheit zu erweitern, ist zu befürworten. Bescheidenheit und Maß an Stelle von Arroganz, Wachstumshysterie und Maßlosigkeit als Grundhaltungen in die Ethik einzuführen, ist zu begrüßen. Ein gutes Konzept "zum Handeln" bietet die Permakultur. Es ist nicht zu übersehen, dass es einem Großteil der Menschheit an den allernotwendigsten Ressourcen zum Überleben mangelt. Dieses Missverhältnis sorgt nicht nur für unglaubliches Elend in den Armutsregionen der Welt, sondern wird auch zu einer Bedrohung des Reichtums in den "entwickelten Regionen" führen. Es ist ein Zeichen fehlender Weisheit oder Weitsicht, dass diese Zusammenhänge noch immer nicht erkannt und demzufolge auch nicht die notwendigen Schritte zur Lösung dieses Problems unternommen werden. Philosophie ist die Liebe zur und das Streben nach "Weisheit". Was aber ist "Weisheit" anderes als das Vermögen, in Anbetracht der vielen Partikular-Entscheidungen des Alltags das Ganze im Blick zu behalten? Und genau das macht die Philosophie als klassische Disziplin der "Weltweisheit" so brennend aktuell. Wenn es den technisch weit entwickelten Kulturen heute an irgendetwas besonders mangelt, dann an "Weisheit", d.h. an der Fähigkeit, die entscheidenden Zusammenhänge zu erkennen und aus dieser Erkenntnis heraus die technisch wie ethisch sinnvollsten Entscheidungen zu treffen. Dem Philosophieunterricht an unseren Schulen sollte ein höherer Stellenwert gegeben werden. Die unglaubliche Wissbegierigkeit unserer Kinder scheint im Laufe der Schulzeit verloren zu gehen. Wäre es nicht sinnvoller im Unterricht auf so manche mathematische Formel zu verzichten und dafür ausgiebig die Fragen der Philosophie zu erörtern? Der erste Schritt wäre bei der Lehrerausbildung einen intensiven Philosophieunterricht anzubieten. Als zweiter Schritt sollte ein für alle SchülerInnen verbindlicher Werte- und Religionskundeunterricht in den Lehrplan aufgenommen werden. Hat man als junger Mensch gelernt sich mit Philosophie, Wissenschaft und Kunst zu beschäftigen, wird man nicht in einer Welt des "Tittytainments" leben wollen. Aristoteles sieht in der Bildung und der Erziehung der Bürger den sichersten Garanten für eine allgemeine Wohlfahrt. Wir sollten die allgemeine Wohlfahrt vor die Profitmaximierung stellen. Moderne öffentliche Güter (Allmenden - wie Bildung, Gesundheit, Trinkwasser, Energieversorgung, Telekommunikation, Alterssicherheit, Bibliotheken, Schwimmbäder oder Museen) sollten für alle erschwinglich sein und nicht durch Gewinnorientierung privatisiert werden. Auf die Frage "Was soll ich tun?" könnte man antworten: Es ist erstrebenswert sich für das Wohlergehen aller und für gerechte Regeln des Zusammenlebens zu engagieren und Sauerstoff in die Demokratie zu bringen. Schmidt-Salomon drückt es im zehnten Angebot des evolutionären Humanismus so aus: "Stelle dein Leben in den Dienst einer "größeren Sache", werde Teil der Tradition derer, die die Welt zu einem besseren, lebenswerteren Ort machen woll(t)en! Eine solche Haltung ist nicht nur ethisch vernünftig, sondern auch das beste Rezept für eine sinnerfüllte Existenz. Es scheint so, dass Altruisten die cleveren Egoisten sind, da die größte Erfüllung unseres Eigennutzes in seiner Ausdehnung auf andere liegt. Wenn du dich selber als Kraft im "Wärmestrom der menschlichen Geschichte" verorten kannst, wird dich das glücklicher machen, als es jeder erdenkliche Besitz könnte. Du wirst intuitiv spüren, dass du nicht umsonst lebst und auch nicht umsonst gelebt haben wirst!"