Uwe Kasper: Kann die Quantentheorie den Hirnforschern helfen, Probleme zu verstehen

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Summary

Textpositionen

Ausgangszitate

"Ich würde mich auf die Position zurückziehen, dass es zwei von einander getrennte Erfahrungsbereiche gibt, in denen Wirklichkeiten dieser Welt zur Abbildung kommen. Wir kennen den naturwissenschaftlichen Bereich, der aus der Dritte-Person-Perspektive erschlossen wird, und den soziokulturellen, in dem sinnhafte Zuschreibungen diskutiert werden: Wertesysteme, soziale Realitäten, die nur in der Erste-Person-Perspektive erfahr- und darstellbar sind. Dass die Inhalte des einzigen Bereichs aus den Prozessen des anderen Berichs hervorgehen, muss ein Neurobiologe als gegeben hinnehmen. Insofern muss, aus der Dritte-Person-Perspektive betrachtet, das, was die Erste-Person-Perspektive als freien Willen beschreibt, als Illusion betrachtet werden."

"Beim freien Willen ist es doch so, dass wohl fast alle Menschen unseres Kulturkreises die Erfahrung teilen, wir hätten ihn. Solcher Konsens gilt im allgemeinen als hinreichend, einen Sachverhalt als zutreffend zu beurteilen. Genauso zutreffend ist aber die konsensfähige Feststellung der Neurobiologen, dass alle Prozesse im Gehirn deterministisch sind und Ursache für eine jegliche Handlung der unmittelbar vorangehende Gesamtzustand des Gehirns ist."


Heisenbergsche Unschärferelation

Eine in der Quantenphysik 1927 formulierte Position geht davon aus, dass jeweils zwei Messgrößen eines Teilchens (etwa sein Ort und Impuls) nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmt sind. Sie ist nicht die Folge von Unzulänglichkeiten eines entsprechenden Messvorgangs, sondern prinzipieller Natur. Als "Unschärfe" versteht sich die mathematische Standardabweichung. "Der naturwissenschaftliche und der soziokulturelle Bereich stehen dabei für zwei Größen, die man nach der klassischen Physik glaubt, gleichzeitig und ohne Störung der anderen genau messen zu können. Die Quantenphysik führte zu der Erkenntnis, dass die genaue Messung der einen Größe zur vollkommenen Unkenntnis der anderen führt."

mE ist die Unschärferelation in zu vielen Belangen einer Überbewertung ausgeliefert. Nicht nur, dass andere physikalische Ansätze, wie etwa die Quanten-Elektro-Dynamik von Feynman völlig andere Erkenntnisse liefern, aus denen heraus sich ableiten lässt, dass es keine Berücksichtigung der Unschärferelation braucht, um die Unmöglichkeit von Aussagen zu bestätigen. Seine quatenfeldtheoretische Beschreibung des Elektromagnetismus mittels Pfeilen die sich in einer vierdimensionalen RaumZeitlichen Lagrange-Dichte (also das Integral der Lagrange-Funktion) bewegen, lässt es zu, dass die Bewegungsgesetze anstatt über die Newtonschen Formulierungen über das explizite Ausrechnen von Zwangskräften und Zwangsbedingungen oder die Wahl geeigneter Koordinaten, einfach berechnet werden kann. Nicht nur also von dieser Seite aus wird Quantenmechanik nach Heisenberg überbewertet.
Welche Konsequenz hätte es, wenn man die Messinstrumente auf eine Größe bringen würden bei der eine Beeinflussung keine Rolle mehr spielen würde? Ich denke dabei konkret an das Beispiel mit dem Auto und der Radarmessung: Ein Polizist der seine Radarkanone auf mein Auto richtet, während ich unterwegs bin, verlangsamt durch seine ausgesendete Messung mein Automobil, in einer quasi nicht messbaren Größe. Würde man nun also, die Position und des Spin eines Teilchens gleichzeitig beschreiben wollen, so müsste man "lediglich" ein Instrumentarium haben, deren Wirkung so niedrig ist, dass es den Quanteneffekt nicht beeinflusst, und erst durch Messverstärker und exponentielle jedoch hyperreale Vergrößerung der Messwerte zu etwas lesbarem wird.

Dieser Umstand der Unschärfe jedoch lässt sich mE nicht auf ein soziokulturelles Gefüge, geschweige denn auf das Gehirn anwenden. Uwe Kasper selbst schreibt, dass diese Unschärferelationen sich lediglich auf Quantenebene bemerkbar machen, wie also könnten sie auf einen makroskopischen Kulturdiskurs anwendbar sein? Aus der Position des eigenen Gehirns heraus entsteht, davon abgesehen ohnedies keine Unschärfe. Dies wäre in etwa damit zu vergleichen, wenn ein Photon sich selbst oder seinen Zustand messsen wollen würde, genauso wird hier lapidar versucht sich selbst zu messen. Damit wird ihm zugesprochen, dass wir schon mal etwas über unseren eigenen Zustand wissen, jedoch nicht wissenschaftlich basierend, sondern nur über das Erleben des Mensch-seins, der sich 1. jedoch leider irren kann, und 2. als ontologischer Organismus keine vertrauenswürdige Quelle für wissenschaftliche Erkenntnis sein kann.


Konstruktionen und Wirklichkeit

Weizsäcker sagt: Die Natur war vor dem Menschen da, aber der Mensch vor der Naturwissenschaft. Damit wird klar, dass Naturwissenschaft des Menschens Handwerk und Teufelswerk zu gleich ist. Er verändert nicht die Natur der Dinge, er beobachtet nicht, wie sie in ihrer ontologischen Realität augenscheinlich zu sein scheint, auch wenn er es sich einredet, um seine "Wissenschaft" zu rechtfertigen. Was Wissenschaft od Naturwissenschaft im allgemeinen tut, wenn sie "Wissen" schafft, ist es zu Konstruieren. Nicht in dem Sinne zu verstehen, dass sie die Welt willkürlich herbeiführt, sondern, indem sie Entscheidungen trifft, Überlegungen anstellt, Berechnungen durchführt und Erkenntnisse gewinnt, nur um dann zu behaupten "es wäre so...". Ein wissenschaftlich interessantes Extrembeispiel hierfür ist die ToE (Theory of Everything). Ein Versuch also das Universum in all seiner Pracht und Schönheit zu begreifen und seine gesamte Struktur in nur eine einzige wunderschöne Formel zu verpacken, aus der sich alles ableiten lässt. Stephen Hawking, Steven Weinberg, Brian Greene usw sind prominente Verfechter dieser Hoffnung. Mit der M-Theorie wurde vor einigen Jahren ein erster konkreter Versuch gestartet der in diese Richtung gehen sollte, bei der die jedoch bis heute nich vereinbare Relativitätstheorie mit den Quantenmechanik "verschränkt" werden sollte usw. Das wissenschaftstheoretische Problem das daraus folgt, würde Popper vermutlich "asymptotische Approximation" nennen, also eine Schrittweise Annäherung an die objektive Wahrheit. Eine Tendenz selbstreflektierter Naturwissenschaftler die um die Theoriegetränktheit ihrer Disziplin wissen, und versuchen diese auf elegantem Wege zu umgehen. Das konstruktivistische Problem dabei ist, dass es sich an etwas per se unbekanntes nicht annähern lässt, diese beobachterunabhängige Wirklichkeit nicht existieren kann, weil wenn niemand hinsieht auch nichts da ist. Das alleinige Suchen solch einer Wahrheit entbehrt jeglicher Wissenschaftlichkeit, da selbst in dem Moment wenn man vor der Lösung stünde, sie nicht greifbar wäre, eben weil sie unbekannt ist. Thomas S. Kuhn hat in seinen wissenschaftshistorischen Studien darauf aufmerksam gemacht, dass Wissenschaftler und Forscher immer nur kontextgebunden innerhalb wissenschaftskultureller Rahmenbedingungen konkreter Wissenschaftlersozietäten arbeiteten. Faktisch waren also Forschungsaktivitäten stets eingebettet in einen komplexen Zusammenhang von speziellen theoretischen Grundannahmen, Vorüberzeugungen und Gegenstandsperspektiven, von speziellen Interessen, Zwecken und Zielvorgaben und von speziellen Strategien, Methodologien und Verfahrensweisen - und daran habe sich bis heute nicht das Geringste geändert. Dieser Sachverhalt lässt sich allgemein als "Paradigma" bezeichnen. Erkenntnisrelativität war noch nie das Spezialgebiet der Naturwissenschaft, weil es doch den traditionellen Ideologien heftigst widersprach und der Faktor "Mensch" unbedingt aus der Forschungsaktivität ausgeschlosen werden muss. "Die Wahnvorstellung, Beobachtungen könnten ohne Beobachter gemacht werden", stammt gleichfalls aus den Reihen der Physik. Damit wird auch gleichzeitig die Weltformel-Manie zum Hauptmotiv interdisziplinärer Forschung - in jedem Bereich. "Erst wenn man einen allumfassenden Zugang zur Welt gewinnt, indem man die einzelwissenschaftlichen Disziplinen überschreitet, kann man korrekterweise auch von echter Erkenntnis sprechen." (Fritz Wallner) Dieses Credo des "einheitswissenschaftlichen" Programms hat jedoch stets die Bürde auf sich geladen zu antizipieren "was Wissen ist" bzw. Wissenschaft überhaupt ist, noch bevor überhaupt etwas gewusst werden kann. Der Konstruktivist hat natürlich kein zwingendes Argument, dass seine Wahrheit belegt, auch aus dem einfachen Grund, dass er in genau diesem Moment selbst seine konstruierte Welt als die richtige hinstellen müsste. Nichtsdestotrotz liegt das eigentliche Problem nur in der unreflektierten Annahme der Wissenschaften, diese Welt hätte eine vorgegebene rationale Struktur, die wir irgendwann entdecken können. Viel eher scheint es offensichtlich zu sein, dass kein einziger Naturwissenschaftler den "ontologischen Quantensprung" aus seiner wissenschaftlich konstruierten Erfahrungswelt heraus in die metaphysische Seins-Welt hinein schaffen würde. Was ein Wissenschaftler demnach tut, wenn er dabei ist, Wissen zu schaffen ist lediglich eine subjektive Beobachtung zu erfahren und sich im geeigneten Moment der richtigen Sprache (Mathematik) bedient, um diese Beobachtung für andere zugänglich werden zu lassen. Diese Sprache scheint so eindeutig, dass bei der Überprüfung der Werte tatsächlich die gleichen Ergebnisse zum Vorschein kommen. Doch ist dies nicht die ontologische Welt an sich, ist dies nicht die letzte Wirklichkeit hinter der keine Türe mehr offen steht. Es ist eine Sichtweise, die in und durch unsere/r Gesellschaft hindurch völlig überbewertet wird, anhand von Macht- und Ideologiezwängen.

Wirklichkeitserfahrung - Erfahrungshandlung = objektive Wirklichkeit (so in etwa stellen sich ToE-Forscher die Wirklichkeit vor.

Ich schaue auf einen Gegenstand, und in dem Moment des daraufsehens habe ich bereits ein Bild davon im Kopf wie es sein sollte. Der Gegenstand hat gar nicht die Möglichkeit noch anders zu werden, als so wie ich ihn bereits sehe, wie er in meiner Vorstellung ist. (Objekt-Methode-Zirkel)


Bemerkungen zur klassischen Mechanik

Das Sonnensystem kann in der Beschreibung klassischer Mechanik erst einmal als Massepunkte betrachtet werden. Tatsächlich ist es so, dass wir aufgrund der Berechnungen der Umlaufbahnen der Planeten, vorhersagen können wann und wo sich ein Planet befinden wird. Dies hat auch für andere physikalische Systeme zum Erfolg geführt. Als Konsequenz lässt sich herausholen, dass sich mit der Zeit die Aufassung festgesetzt hat, dass sich die Massenpunkte auch dann auf Bahnen bewegen, wenn wir sie nicht beobachten.

mE greift hier wieder das Argument des Konstruktivisimus - denn die Planeten bewegen sich hier nur deshalb auch ohne tatsächlichen Beobachter auf ihrer Bahn, weil wir es in unserer mathematischen Sprache irgendwann einmal festgelegt haben, dass wir unser Sonnensystem genau so wahrnehmen wollen. Früher waren die Menschen fest davon überzeugt, dass die Welt im Zentrum des Universums steht, bis sich ein Bewusstmachungsprozess, eine Konstruktion, daran gemacht hat diesen Umstand zu ändern. Von da an, wollten alle verstehen lernen, wie es sein kann, dass wir nicht mehr im Zentrum des Universums stehen, wie Gott uns nicht zum Zentrum seiner Schöfpung gemacht hat. Heute sagen wir, oder vielmehr stimmen in einer großen Zahl darin überein, dass wir Teil eines Planetensystems mit einer Sonne im Zentrum sind. Mitte letzten Jahres, hat sich eine Diskussion darüber ergeben, wie ein Planet auszusehen hat, welche Eigenschaften er besitzen muss, um als solcher bezeichnet werden zu können, und plötzlich werden aus historischen 9 Planeten nur mehr 7 od 8. bzw. kommen bis dato unbekannte und nur mit Nummern bezeichnete Steinbrocken hinzu. Niemals nicht wird diese Entwicklung zu einem Stillstand kommen. Was hingegen erreicht werden kann, ist das Ausdrucksvermögen der Sprache Mathematik. Was erreicht werden kann ist die Grenze des Komplexitätspotenzials unseres Gehirns, dass ab einer bestimmten Ebene, aufgrund seiner Struktur einfach nicht mehr dazu in der Lage ist, etwas zu begreifen - ein System aufzustellen, das Universum in seiner Komplexität und Unendlichkeit zu verstehen. An diesem Punkt angelangt, wird ein neuer bisher unbekannter Aspekt an Ausdruck, Vorstellung, Bewusstsein, Ideal zu Tage treten, und neue erweiterte Grenzen für uns bereit halten. Vermutlich gibt es dieses Bewusstsein jetzt schon irgendwo, doch ist es noch nicht zu uns durchgedrungen, weil wir an den Konzepten der Gewohnheit, der Materie, des Körpers und all den Dingen hängen.


Bemerkungen zur Quantenmechanik

Max Planck hat Ende 1900 festgestellt, dass sich in atomaren Systemen Größen, die die Dimension "Wirkung" haben sprunghaft ändern. In bestimmten Systemen ist diese Erkenntnis gleichbedeutend mit der Erkenntnis der sprunghaften (quantenhaften) Änderung der Energie. Aus diesem Umstand heraus formulierte er das, was wir heute als Plancksches Wirkungsquantum kennen. Es verknüpft Teilchen- und Welleneigenschaften, zeigt das Verhältnis von Energie und Frequenz eines Lichtquants und ist maßgebend für die Formulierung des Verhältnisses von Masse, Geschwindigkeit und Wellenlänge eines unterlichtschnellen Teilchens. Ganz bewusst ist hier die Betonung auf "unerlichtschnell" zu legen, da das Wirkungsquantum etwa für Tachyonenteilchen nicht mehr von Bedeutung ist.

"Nach der Quantenmechanik antwortet uns die Natur immer nur auf die Frage, die wir durch unsere Apparate an sie stellen."

Die einzige quantenmechanische Größe, die einer raum-zeitlichen Beschreibung unterworfen ist, ist die Wahrscheinlichkeitsamplitude oder Zustandsfunktion. Deren Quadrat gibt den Wert an, die die interessierende Größe annehmen kann.


Komplementarität und Hirnforschung

Denken und Handeln! Sind dies komplementär zueinander stehende Modelle, also diejenigen die in einem sich gegenseitig bedingenden Verhältnis zueinander stehen? Anders gefragt: Repräsentieren diese beiden Größen verschiedene einander ausschließende Seiten eines Systems (zB sozialen Systems) und ergeben trotzdem zusammen eine Vorstelllung vom betrachteten System? Auch zB Wissenschaft und Religion können in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen. Niels Bohr hat das "Leben" einer Zelle in ein komplementäres Geflecht zu ihrer molekularen Struktur gesetzt. DH, dass wenn wir der Zelle "Leben" zu sprechen, wir in diesem Moment nichts mehr über ihre molekulare Beschaffenheit aussagen können und umgekehrt. Als Möglichkeit trotzdem etwas über die Zelle zu erfahren, ohne sie damit zu töten ist, wenn wir den Begriff "Leben" etwas vage halten.

Uwe Kasper kommt an dieser Stelle zu den Anfangszitaten zurück und versucht damit auszudrücken, dass auch der naturwissenschaftliche und soziokulturelle Bereich komplementär zueinander stehen. Daraus würde folgen, dass sich bestimmte Bereiche des Handlungsspektrums unseres Alltags sowohl in das naturwissenschaftliche Ressort als auch den rein soziokulturell indizierten Wahrnehmungsapparat einfügen lässt. Beides zur gleichen Zeit lassen uns so etwas wie "vollständige Wahrnehmung" verstehen oder konstruieren.

"Aber auch wenn man auf eine Beobachtung des Gehirns verzichtet, kann man immer noch fragen, ob die Willensfreiheit des Menschen nicht eine Illusion ist. Dies ist aber dann eine Diskussion, die vollkommen im Rahmen des soziokulturellen Bereichs verläuft." Durch das Argument der Komplentarität von soziokulturellen Eigenschaften und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, entsteht hier also eine Einsicht die dazu führt, das Problem der Willensfreiheit aus den Tagebüchern der Neurobiologen zu streichen, um sie statt dessen auf die Bereiche des alltags-psychologischen Erlebens anzuwenden.